Aljoscha Harmsen, Gastautor / 05.11.2021 / 12:00 / Foto: Pixabay / 34 / Seite ausdrucken

Wer duldet, geduldet zu werden, hat verloren

Konservative und Liberale sind zum Feindbild der neuen Gesellschaft geworden. Ihre ewige Toleranz hat sie zu Ausgestoßenen gemacht. Zeit für eine neue Selbstbehauptung.

Viele Konservative und Liberale haben noch nicht verstanden, dass sie zu Rechten und damit zu Parias geworden sind. Sie gehören nicht mehr der Mitte an, sondern sind das Feindbild der neuen Mitte. Die Konservativen und Liberalen sind, ohne dass sie es wahrhaben wollen, Gegenstand einer abschätzigen Duldung geworden, die aus ihrer eigenen Toleranz heraus erst möglich wurde. Sie beklagen diese Entwicklung, aber sie zieren sich vor der Aufgabe, ihr entgegenzustehen. Sie sehen sich im Recht, setzen es aber gegen Unrecht nicht durch. Sie leben von einer Behauptung von sich selbst und nicht mehr von Selbstbehauptung. Damit schauen sie dem Bock beim Gärtnern zu.

Sie dulden es, geduldet zu werden. Diese Art von Toleranz stärkt die Tyrannei der Minderheit gegen die Mehrheit. Ein solches Verhalten ist auch eine Identitätskrise. Und diese Identitätskrise lässt sich beschreiben als Selbst-Behauptung gegen Selbstbehauptung. Eine Behauptung von sich, die sich nicht behaupten kann, taugt nichts.

In diesem Konflikt zeigt sich eine gleichzeitige Überhöhung und Verkürzung von Identität, die sich nur durch Ideen von sich, aber nicht durch tatsächliches Handeln definiert. Das Ergebnis ist ein Identitäts-Substitut. Mit der postulierten Identität geht kein kritisches Geworden-Sein einher. Es reicht, eine Behauptung von sich selbst gut zu finden, ohne etwas Wesensstiftendes dafür zu leisten.

Identität wird Lifestyle-Produkt

Der Begriff wird auf eine leistungslose Zugehörigkeit zu etwas Gemeinschaftsstiftendem wie der Gemeinschaft der Rechtwollenden verkürzt. In dem Fall ist man woke oder bunt, spirituell oder vielleicht sogar ein Klima-Foodie. Das ist auch der Wunsch, einer Gruppe anzugehören, ohne deren Ziele in ihrer Enkeltauglichkeit zu prüfen. Die Rechtwollenden zeichnen sich durch die zeitgeistig angebrachte Gesinnung aus, nicht durch den Überblick über die Folgen ihres Handelns.

Damit wird Identität verballhornt zu einer Kollektivzugehörigkeit, die Anerkennung verspricht. Eine Art Lifestyle-Produkt. Wenn Identität zu einem Lifestyle-Produkt geworden ist, dann ist sie nicht mehr das würdevolle, anhörenswerte Ergebnis eines Lebens in Selbstbehauptung. Dann ist sie eine schicke Bühne ohne Stück.

Identität als Einzigartigkeit oder Eigenartigkeit ist nicht zu haben und auch nicht zu halten ohne unteilbare persönliche Geheimnisse, Entscheidungen und daraus folgendes Handeln, das ein „ich stehe hier und kann nicht anders“ meint. Die Selbstbehauptung. Wer von der Selbstbehauptung abkehrt, weil sie ihm zu aufreibend ist, will etwas sein, ohne das beweisen zu müssen. Das ist infantil und eine Variante der Kapitulation des durch Bildung, Zeit und Widerstand entwickelten Sachargumentes vor dem Gefühl.

Härte des Lebens wegdefiniert

Ohne Selbstbehauptung wird die Härte des Lebens wegdefiniert. Das Ergebnis wird eine wohlmeinende Absichtsgesellschaft sein. Wir erleben das etwa bei der deutschen „Energiewende“, für welche die Deutschen von weiten Teilen der Welt ausgelacht werden. Die gute Absicht ersetzt den Überblick über die Folgen.

Das ist der alte Konflikt zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik: Der Gesinnungsethiker folgt der Idee, die er für seinen Leitstern hält und verantwortet sich auch nur vor ihr. Der Verantwortungsethiker bemisst sein Handeln an den absehbaren Folgen und überlegt, ob er sie vertreten kann.

Beim Gesinnungsethiker haben wir es mit einer Person zu tun, die das Handeln dem eigenen Wohlgefallen unterordnet. Dagegen ist der Verantwortungsethiker jemand, der dem Handeln erst die Folgen und nicht den frommen Wunsch gegenüberstellt. Leider sind wir auch soweit, dass zwischen diesen beiden kein Dialog mehr stattfindet. Dabei wären sie ein gutes Korrektiv füreinander.

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Leserpost

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Winfried Kellmann / 05.11.2021

Konservative können nicht kämpfen. Das überlassen sie lieber den Linken. Deshalb wird eifrig nach links geschielt, ob sich da nicht endlich Widerstand regt. Solidarität kennen Konservative nicht.  Gemeinsam gegen den Totalitarismus zu stehen, kommt ihnen nicht in den Sinn. Lieber ringen sie die Hände und bejammern in unzähligen Artikeln und Diskussionen die auf einmal unfassbar verblödete Welt.  Sie erreichen nicht die Herzen, weil sie nichts riskieren. Deshalb glaubt man ihnen nicht. Unser gegenwärtiges Paradies (das ist es, historisch betrachtet) ist ihnen kein besonderes Engagement wert.  Schon beim Ermächtigungsgesetz haben sie versagt, nicht die Linken.  Zu Demonstrationen rufen sie erst auf, wenn sie sicher sind, nichts zu verlieren. Dabei käme ihnen, d.h. den konservativen Eliten, eine Schutzfunktion zu: Wenn sie sich dazu durchringen könnten, endlich gemeinsam zum Widerstand aufzurufen, könnten sie viele mobilisieren. Sind dazu nicht Eliten da? Zu führen, wenn es drauf ankommt, anstatt sich zu verkriechen? Wie es anders geht, macht gerade die Schweiz vor: Siehe bzw höre indubio vom 4.11: Das helvetische Freiheitsgen

S.Buch / 05.11.2021

Die Masse der Leute läuft mit dem linksgrünen Zeitgeist mit, oder erträgt ihn mehr oder weniger stumm. So hat die laute Minderheit die Deutungshoheit inne.

E. Franke / 05.11.2021

@ Ludwig Luhmann Toleranz ist die letzte Tugend einer untergehenden Gesellschaft ! Toleranz ist die Feigheit, seine eigenen Werte zu verteidigen und zu leben. Toleranz heißt etwas dulden was man nicht gutheißen kann. Toleranz ist die Feigheit vor dem eigenen Ich. Toleranz ist die Faulheit der Klugen, die die Dummen an die Macht bringt

E Ekat / 05.11.2021

Nicht nur lesen, sondern verinnerlichen. Es gibt da draußen wirklich böse Menschen, deren Lebenslust darin besteht, anderen Steine und mehr in den Weg zu legen. Obwohl wir alle viele Beipiele kennen, die das belegen tun wir so, als ob dies für uns selber keine Bedeutung hätte. Dabei befinden wir uns mittlerweile in einem Stadium, wo die Folgen unseres Irrtums jeden von uns bereits erfaßt haben. Es isdt unfaßbar, wie viel inzwischen in jeder Hinsicht zerstört wurde.  Knallhart: Identifiziert diese Bösen, hört auf mit denen zu diskutieren sich mit ihnen arrangieren zu wollen. Ihr dealt mit Triebtätern.

Ludwig Luhmann / 05.11.2021

@Fred Burig / 05.11.2021 “Ob Gesinnungsethiker oder Verantwortungsethiker - ich denke, dass es wichtig ist, ob was Nützliches für die Menschheit dabei rauskommt (...)”—-—- Sie müssen jetzt nur noch klären, wessen Definition von “Nützliches für die Menschheit” die richtige, die gute, die ‘nützliche’ ist. Auch die Definitionen von “friedvoll und lebenswert” müssen Sie noch etwas ausarbeiten, denn mit den Vorschlägen der Halalen bin ich z.B. absolut überhaupt nicht zufrieden. - Ich vermute, dass Sie zu den herzensguten, echt netten Menschen gehören, die Ihr Gutsein auf alle Menschen projizieren.

A. Ostrovsky / 05.11.2021

Respektiert uns! Wir sind Legion,

A. Ostrovsky / 05.11.2021

Ein Drittel der impfberechtigten Deutschen ist ungeimpft. Soso. Das ist eine Minderheit. Eine sehr große Minderheit allerdings. Wenn der ganze Gleichstellungs-Zauber nicht nur hohnlachende Volksvera..che ist, müssten doch jetzt langsam mal 33% aller Aufsichtsräte börsennptierter Unternehmen von Ungeimpften geführt werden, eine Ungeimpftenquote bei Universitätsstudien und Frisörbesuchen eingeführt werden. Das bedeutet konkret, solange keine Ungeimpften zum Frisör gehen, muss der Frisör auch jeden Geimpften abweisen, selbst wenn er selbst geimpft ist. Alles andere wäre Vorteilsnahme unter dem Ladentisch. Ein Drittel aller Ministerpräsidenten müssten Ungeimpfte sein. Auf so eine Mogelpackung, jeder einzelne der Ministerpräsidenten wären zu einem Drittel ungeimpft, fallen wir nicht herein. Bei 16 Bundesländern ist ein Drittel ungefähr FÜNF Bundesländer!  Unvaccinated lives matter. Ich stelle mich an die Spitze der Ungeimpften, obwohl ich in meiner Kindheit und Jugend alle Impfungen abbekommen habe, die es gab. WIR FORDERN: VERTRETET UNS UNGEIMPFTE! Wenn wir noch nicht einmal vertreten werden, ist das nicht mehr unser Land! Und dann könnt Ihr einpacken! Deutschland du d….....................sse (Claudio Tm). Allen Geimpften verspreche ich, wählt mich, dann werdet Ihr bald entimpft. Es wird eine große Entimpfungs-Aktion geben. Aber ein bischen mithelfen muss schon jeder selbst. Aber Ehrlichkeit! Wer lügt, wird jede Woche geboostert!

toni Keller / 05.11.2021

Ich schrieb es schon mehrmals: wie will eine Generation die sich hat einreden lassen, dass Kinder zwar klasse, aber eigenen Kinder ihh , pfui, bäh igitt sind, weil es viiiiiieeeel wichtiger ist, ganz emanzipiert auf Arbeit zu gehen, und dortselbst so gestresst zu sein, dass frau nun auch typischen Männerkrankheiten wie einen Herzinfarkt kriegt und wenn sie selber doch Kinder hat, wegen dem ganzen Hort, Krippen und Betreuungsgedöns mit ihren zwei Kindern so gestresst ist, wie ihre Urgroßmutter mit ihren 15. Wenn man also die eigene Zukunft konsequent verhütet, wie will man dann irgendwas Vernünftiges betreffs der Zukunft in der Gegenwart machen?  Mir kommt diese Gesellschaft mittlerweile vor wie “Lust am Untergang!” “Totentanzstimmung” und eben zukunftslos, man fürchtet sich nur noch. Gleichzeitig leben aber all die emanzipierten Frauen in wirklich oder auch nur eingebildet wichtigen Positionen ihren Mutterkomplex dahingehend aus, dass sie meinen alles und jeden retten zu müssen. (Siehe Artikel über den Bauern in Peru, der RWE verklagt, sieht Teddybärchenwerferinnen usw). Man muss erst sich selbst lieben, dann den Nächsten und dann den Fremden. Wer sich selber so hasst, dass er es schafft, die “Erhaltung der Art, der ganz eigenen Art” zu verachten, und zwar nicht um der höheren Liebe willen, sondern aus uneingestandener Verachtung für sich selber,, die eigenen Leute,  die eigene Spezies,  wie will so jemand irgendwas lieben? Es muss dann, wie wir sehen, verdreht werden.

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