Aljoscha Harmsen, Gastautor / 16.02.2023 / 14:00 / Foto: Pixabay / 21 / Seite ausdrucken

Das Private ist politisch? Dieser Satz ist gefährlich und dumm

Einem starken Staat ist das Private heilig, weil er sich zum Schutz des Privaten überhaupt verfasst hat. Wo das Private politisch geworden ist, hat der Staat versagt.

„Das Private ist politisch“ – ein alter Sponti-Spruch. Dieser Satz ist gefährlich und dumm. Er ist gefährlich, weil Menschen, die so etwas sagen, nicht zwischen „politisch“ und „Staat“ unterscheiden und mit dieser Leichtfertigkeit den Staat dazu einladen, in ihr Privatleben einzugreifen, und er ist dumm, weil er genau die sensible Membran durchtrennt, die es zwischen „privat“ und „politisch“ gibt. In einem freiheitlichen Staat haben wir das Recht darauf, dass uns politisch jeder Gedanke frei ist, aber der Staat uns in Ruhe lässt und sich auf seine Kernaufgaben beschränkt.

Ein Staat ist politisch, aber eine Person ist nicht per se Gegenstand eines Staates. Das Politische ist nicht der Staat, aber er ist seine Konsequenz. Der Eingriff ins Private gehört nicht zu den Aufgaben des Staates, und dazu sollte auch niemand einladen. Je weniger freiheitlich ein Staat ist, desto mehr greift er ins Private ein. Wenn tatsächlich das Private vollständig politisch geworden ist, dann leben wir in einem Staat, in dem wir keine Witze mehr erzählen dürfen. Nötig würden wir es allerdings haben, denn in so einem Staat gibt es nichts mehr zu lachen.

Es ist ein Staat, der Witze, die in aller Regel mit falschen Kausalverknüpfungen und Vorurteilen spielen, für verdächtig hält. Sie sind dann rassistisch, fremdenfeindlich, sexistisch und anderes mehr. Es ist ein Staat, der „Witz“, also Gewitztheit, das ist etymologisch auch „scharfe Beobachtung“, nicht mag. 

Das Politische ist in der staatlichen Umsetzung die gewinnbringende Organisation und Verwaltung des gegenseitig fruchtbaren Zusammenlebens. Und die Verteidigung der eigenen Interessen gegen konkurrierende Interessen. Das Private ist etwas völlig anderes. Es ist das lebenslange Emporirren an sich und an einander, das außer den Freunden niemand zu bewerten hat. Es ist Skat und Mensch-ärgere-dich-nicht, es ist ein Wohnzimmerkonzert, kein Wokeness-Konzert. 

Es klingt übergriffig und ist es auch

Das Private ist Wandern gehen, Computerspiele spielen, Witze erzählen, Tanzen, Sport machen, Essen gehen, Musik hören, Musik machen und vieles mehr. Das Private ist Spielen und Mensch sein, ohne dafür verbindlich bewertet zu werden. Es ist sich ausprobieren und vielleicht auch, dabei seltsam sein. Das Politische dagegen ist Kontrolle. Das Politische bewertet und unterscheidet seine Teilnehmer in „nützlich“ und „schädlich“ für seine Sache. Ob das rationale Staatsraison oder Klimagerechtigkeit ist. In beiden und allen Fällen: Das Politische ist mitunter nicht besonders menschenfreundlich. Es verhärtet und verformt sich bei dem, was es zu vertreten hat. Manchmal so sehr, dass sich die Vertretenen darin kaum noch wiedererkennen. 

Das Politische hat gar nicht das Vermögen, privates Verhalten als das zu erkennen, was es ist: eine Sache, die den Staat nichts angeht. Den Staat geht an, was ihm nützt. Das klingt übergriffig und ist es auch. Den Staat geht an, wozu ihn sein Souverän beauftragt. Das – und nur das – darf er sein. Sein Eigenleben, das er in der Folge entwickelt, darf er nicht aufhören abzugleichen mit dem, wozu er beauftragt ist. 

Wenn es einen Tatbestand wie „verfassungsschutzrelevante De-Legitimierung des Staates“ gibt, dann hat der Staat Angst vor dem, was sein Souverän privat über ihn sagt. Statt dass der Staat gegen diese Entfremdung demütig wird, delegitimiert er diese Entfremdung von ihm. Der geschützte Raum des Privaten ist einem angefassten Staat verdächtig. Wenn er so weit ist, muss er sich erneuern. Nicht verändern, sondern zu seinen Wurzeln zurückkehren. Seine Institutionen reparieren und verschlanken. Einem starken Staat ist das Private heilig, weil er sich zum Schutz des Privaten überhaupt verfasst hat. Wo das Private politisch geworden ist, hat der Staat versagt.

Foto: Pixabay

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Gabriele Klein / 16.02.2023

das Private ist politisch ? Klingt wie das private ist öffentlich…. oder wie Antonyme sind Synonyme. Komisch, und doch, wenn ich scharf nachdenk, scheints unwahr nicht,  denn das mit Bummelzug und ICE ist vom Ende her betrachtet ja auch eher ein Synonym.  Dennoch verwirrt das mit den sprachlichen Gegensätzen dieser Tage schon sehr und ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Eine Anpassung sprich Nivellierung der Sprache durch den RdR scheint geboten.  An diesen daher mein Tipp:  So wie man Mutter u. Vater durch Eltern 1 und Eltern 2 ersetzt hat , könnte man doch auch das Wort Privat streichen und mit Öffentlichkeit 1, 2 etc. ersetzen (nachfolgend Ö 1,2,3…. ) Unter Ö 1 könnte dann z.B. das fallen, was nur bestimmten Politikern bekannt ist, wie z.B. diese Absprachen im Europaparlament mit Qatar, oder gewisse Inhalte alter DDR Akten.  Ö 2 ist klar, das wären die ÖR gefolgt von Ö3, dem deutschen Datenschutz.  Ö4 könnte sich der Demokratie hinter der Haustür und vor der Mattscheibe annehmen.  Unter Ö5 könnte die Geschlechtszugehörigkeit von 61 plus Geschlechter, fallen, die es für Passzwecke unter strikter Einhaltung von Ö3 u. Einbeziehung des “Wickeltisch Dezernats” (1) von Ö2 biometrisch festzuhalten gilt um Betrug bei Angaben zur   Geschlechtsidentität zu verhindern. (Siehe Achgut Artikel fragen Sie Dr. Gniffke v. 21.10. 2023.

Michael Schweitzer / 16.02.2023

Herr Harmsen,in Frankreich und in den Niederlanden ist über die Europäische Verfassung abgestimmt worden und die Bürger haben mit nein gestimmt. In Dummland hat der Bundestag und der Bundesrat darüber abgestimmt,den Bürgern hat man es nicht zugetraut darüber abzustimmen.Mehr Entmündigung geht nicht .Warum wählen wir überhaupt das Europaparlament ,obwohl es vom Volk nicht demokratisch legetimiert worden ist?Und die Wahlen in den oben genannten Ländern wurden so oft wiederholt bis das Ergebnis gestimmt hat.reign on me

Susanne Müller / 16.02.2023

Danke, sehr genial! Dazu passend das sogenannte Böckenförde Diktum: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“ – Ernst-Wolfgang Böckenförde: „Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation“ In: Recht, Staat, Freiheit. 2006, S. 112 f.

Sam Lowry / 16.02.2023

Die Politiker wollen das Volk für dumm verkaufen, manipulieren und dafür fürstlich entlohnt werden. Sonst gar nichts. Und dieses System klappt seit ein paar tausend Jahren doch absolut einwandfrei. Never change a running system! (plus Brot und Spiele)...

Karl Wenz / 16.02.2023

“Das Private ist politisch” habe ich immer so verstanden, als könne der Einzelne durch sein Handeln erst die informellen gesellschaftlichen Normen und in der Folge auch die kodifizierten, vom Staat erlassenen und durchgesetzten Normen, die Gesetze, verändern. Beispiel: Wenn sich die Menschen nicht mehr an die hergebrachte Art des Zusammenlebens in einer Kleinfamilie halten, wird der Staat das auf Dauer nicht ignorieren können und die Gesetze entsprechend anpassen müssen. Genau das ist geschehen, obwohl es nur eine Minderheit war und ist, die die traditionellen Normen negiert. In den letzten Jahren ist nun aber das Umgekehrte geschehen: Der Staat hat sich in das Privateste eingemischt, es reguliert, wie es das in der Geschichte der Menschheit noch nie gegeben hat: Es war verboten, einander privat zu besuchen, Spazierengehen war eine Straftat, vor die Tür gehen durfte man erst gar nicht und dann nur mit einer Gesichtsmaske. Nur sehr knapp entgangen sind wir einer Zwangs-“Impfung”, kann aber bei nächster Gelegenheit kommen… Da hat sich die Richtung umgekehrt, das Private beeinflusst nicht den Staat, sondern der Staat okkupiert, kontrolliert und reguliert ALLES, was einstmals privat war. Ich glaube, das nennt man Totalitarismus. Die totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts, so mörderisch sie auch waren, haben das in dieser Vollendung nicht hingekriegt.  Nochmal Thema Familie: “Wir wollen die Lufthoheit über den Kinderbetten erobern.” sagte bereits 2002 ein bekannter Politiker. Wir waren gewarnt,

sybille eden / 16.02.2023

Sehr schöner Text Herr HARMSEN, aber bitte verschicken sie ihn doch an die Parteizentralen der Linken, Grünen und Spezialdemokraten, die habens nötiger.

Andreas Huber / 16.02.2023

Der Staat, JEDER Staat ist ein Konstruktionsfehler. Denn er braucht ein “Betriebssystem”: die Politik. Und die ist nichts anderes, als organisierte Verantwortungslosigkeit, früher oder später angereichert um weniger oder mehr Korruption. Eine Optimierung, beispielsweise in der Version eines Minimalstaats löst das Problem nicht. Da wir nicht mehr im Mittelalter leben, und die wesentlichen Unterdrückungsinstrumente der Politik (Hoheit über Information und Währung) de facto bereits entfallen sind, sollten wir uns mit neuen Gesellschaftsformen befassen. Titus Gebel hat hierzu bereits auf der Achse publiziert. Baldiges Handeln ist angesagt, denn das alte Modell, mit dem wir und unsere Vorfahren der zurückliegenden 85+ Generationen aufgewachsen sind (und das uns immer als “alternativlos” vermittelt wurde) stehen vor dem Ende. Meiner Meinung nach kann dieser Fall täglich eintreten.

Burkhart Berthold / 16.02.2023

Eigenartig ist oft auch die Wortwahl in Berlin: Preiswürdig wäre etwa der Wunsch der Bundesinnenministerin, die Bürger zu “entwaffnen”. Man mag über den schönen Schießsport denken, wie man will, aber “entwaffnen” möchte man eigentlich immer nur Feinde ...

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