Gerd Buurmann / 29.04.2020 / 06:03 / Foto: Pixabay / 105 / Seite ausdrucken

Welcher Beruf ist systemrelevant? Leider die falsche Frage.

Es ist prinzipiell schwierig, von systemrelevanten und nicht-systemrelevanten Berufen zu sprechen. Die Taten, zu denen sich Menschen berufen fühlen, können und sollten nicht ausnahmslos in ihrer wie auch immer ermittelten Wertigkeit hierarchisch aufgelistet werden. 

Was sind überhaupt systemrelevante Berufe? Jene, die die Nahrung und das pure Überleben sichern? Essen, trinken und atmen machen auch sämtliche Tiere. Wenn es etwas gibt, das uns Menschen im Wesen unterscheidet, dann ist es vor allem unsere Fähigkeit, Kunst und Kultur zu erschaffen. Die Begabung, Geschichten zu erzählen und Bilder zu ersinnen, zeichnet uns als Menschen aus. Diese Gabe macht uns besonders relevant. Kultur ist kein Bonus der Menschheit, sie ist die Menschheit!

Die Menschheit ist kein System, sondern ein wunderbar chaotischer Haufen voller Fehler und Gefahren. Aber dafür hat der Mensch das Fliegen gelernt. Der Mensch ist frei! Genau diese Freiheit wird in totalitären Systemen erstickt. Dort herrscht dann die brutale Logik der unterschiedlichen Relevanz von Menschen. Faschistische Systeme zum Beispiel argumentieren stets mit der vermeintlichen (Volks-)Gesundheit. Sie haben kein Problem damit, zum Wohle der Gesundheit Menschen wegzusprerren, natürlich immer unter der festen Überzeugung: Es ist nur zu ihrem und zu unser aller Besten. 

Deutschland ist kein totalitäres Regime. Stellen wir uns aber mal vor, irgendein totalitäres Land schafft es, dem Virus besonders effektiv Einhalt zu gebieten. Sollten wir uns dann an diesem totalitären Regime ein Beispiel nehmen? Wenn in Europa ausgerechnet ein Land mit den meisten und extremsten Einschränkungen in die Grundrechte erfolgreich sein wird, ist dann dieses Land der neue Maßstab?

„Lewer duad üs Slav!“ (Lieber tot als Sklave!) 

Wenn wir uns mal alle Regime anschauen, die es jemals auf deutschem Boden gegeben hat, welches Regime hat, systematisch gesehen, die besten Strukturen, um über Verbote Einschränkungen durchzusetzen, die die Verbreitung eines Virus verhindern können? Eins ist sicher: Es ist nicht das Deutschland mit dem Grundgesetz. Es gibt jedoch kein anderes Deutschland, das jemals existiert hat und mit dem ich tauschen möchte. Die Frage ist daher: Welche Maßnahmen sind wir nicht mehr bereit zu tragen? Wo ist unsere Grenze? Wo trumpft die Gesundheit, das Leben und die Sicherheit nicht die Freiheit?

Es gab schon vor Corona viele Dinge, die wir nicht verboten haben, obwohl damit Menschenleben hätten gerettet werden können. Einige davon gelten als systemrelevant, wie das Autofahren, andere sind reiner Genuss, wie das Rauchen. Bei der Abwägung von Freiheit und Leben fiel die Antwort schon oft auf Freiheit. 

Auf meiner persönlichen Prioritätenliste steht Freiheit ganz oben. Ich kann verstehen, wenn es Menschen anders sehen, aber für mich gilt das Motto der Insel Sylt in meiner norddeutschen Heimat: „Lewer duad üs Slav!“ (Lieber tot als Sklave!)  Für einige Zeit habe ich in den USA gelebt. In New Hampshire lautet das Motto: „Live free or die!“ (Lebe frei oder stirb!) Diese Sprüche sind unfassbar pathetisch, das gebe ich zu, aber gerade in Zeiten der Krise hat das Pathetisch-Erhabene Hochkonjunktur. Aus der Politik zum Beispiel kommt immer wieder der Ruf, in der Krise müsse jeder Opfer bringen. Welche Opfer bringen jedoch unsere Volksvertreterinnen und Volksvertreter?

Die Kunst ist eine Verbündete der Freiheit

Nehmen wir einfach mal die längste Zeit, die ein Berufsstand in Deutschland nicht wirken darf. Wären die Personen, die nun die Einschränkungen in die Grundrechte vornehmen, bereit, nach der Krise für exakt die gleiche Zeit all ihre politischen Ämter ruhen zu lassen? Sind sie bereit, für die selbe Zeit auf ihre Diäten zu verzichten? Vermutlich nicht. Was für Barbesitzerinnen, Clubbetreiber, Restaurantleiterinnen, Theatermacher, Tätowiererinnen und Friseure gilt, gilt nicht für jene, die über diese Einschränkungen und Verbote entschieden haben. Manche Menschen sind halt systemrelevant. 

Lange Zeit dachte ich, wer Opfer fordert, muss auch bereit sein, dieselben Opfer zu bringen, aber das ist vermutlich wieder zu pathetisch. Ich bin halt ein Künstler. Als Künstler weiß ich, immer, wenn es zu einer endgültigen Entscheidung zwischen Freiheit und Sicherheit kommt, ist die Kunst eine Verbündete der Freiheit. Deshalb wird Kunst vor allem in totalitären System besonders kritisch beäugt und nicht selten zensiert.

Für die Freiheit, die ich heute leben kann, sind in der Geschichte der Menschheit Millionen Menschen gestorben. Ich fürchte mich vor einer Zeit, in der aus Angst vor der Unsicherheit und Zerbrechlichkeit der menschlichen Existenz das hohe Gut der Freiheit einem wie auch immer organisierten System geopfert wird. Ein solches Opfer bin ich nicht bereit zu geben. 

Foto: Pixabay

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Leserpost

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HaJo Wolf / 29.04.2020

@Frances Johnson: “... bei uns einige in Würzburg und Tirschenreuth und vielleicht andernorts…” Sie sind entweder nicht oder falsch informiert. Oder ignorieren wissentlich. “...das Durchschnittsalter der Gestorbenen läge bei 80 Jahren…” Zitat RKI. Und wie der Tübinger OB (der einzige Grüne, den man ernst nehmen kann) so richtig bemerkte: wir schützen Alte und Kranke, die in absehbarer Zeit (auch ohne Corona) ohnehin gestorben wären - allerdings unter menschenwürdigen Umständen im Kreise ihrer Familie und nicht auf seelenlosen Intensivstationen. Ob Corona für den Tod ursächlich war, wird nicht untersucht (Rechtsmedizin bleibt außen vor, es könnte ja ein unerwünschtes Ergebnis rauskommen). Die Alten sind nicht “aufgegeben” worden. Ihre Äußerungen können spätestens seit der Werbung für die Wendehalspartei nicht mehr ernst genommen werden.

Wolfgang Richter / 29.04.2020

Die Freiheit ist doch schön länger im Beschränkungsmodus, sei es durch stetig ausgeweitetes Regelwerk mit begleitenden Bußgeldern, sei es durch sozialen Druck seitens dr selbst ernannten Bessermenschen und Übermoralisten mit Anspruch auf Alternativlosigkeit ihrer Überzeugungen zur Durchsetzung von Gender. politische Korrektness, unkontrollierter Zuwanderung, Weltenrettung und was auch immer.

Oliver Lang / 29.04.2020

“Die Kunst ist eine Verbündete der Freiheit” dann gibt es nur noch sehr, sehr wenig Kunst.

giesemann gerhard / 29.04.2020

Wäre ich aktiver Klinikarzt, dann wäre ich systemrelevant - das Schlimmste, was mir passieren könnte, wäre eventuell mein Ende ... . Gewesen.

Sabine Schönfelder / 29.04.2020

Lieber Autor, die linken Schlangenbeschwörer haben sich an allen wichtigen politischen Schaltstellen des Landes eingefunden, die ´Maaßensˋ rausgehauen, und flöten, mit beachtlichem Erfolg, Werte wie Freiheit und Selbstständigkeit, auf ihrer paternalistisch-sozialistischen (verlogenen) Medien-pungi-Tröte ins Körbchen zurück. Gesundheit und ewiges Leben, verkaufen unsere Sozen als ständige Projektionsfläche für vielerlei klimatische und virologische Bedrohungen, für deren Schutz alleine nur ihre linke Versorgungsindustrie und mittelalterliche grüne Technologien Sorge tragen können. Der Wunsch nach FREIHEIT, INDIVIDUALITÄT und MEINUNGSVIELFALT wurde verdrängt und abtrainiert. Der Nachwuchs wünscht sich geradezu Verbote; schwänzt die Schule, um neue CO-2-Steuern voranzutreiben.  Wie im tiefsten Mittelalter, wie zu dunkelsten Hitlerzeiten marschiert ein Volk Betrügern und Scharlatanen hinterher, ergeben, hirnlos und denunziantisch. Ich verstehe Sie gut, lieber Autor. Lieber erkältet in Freiheit, als gesund im Gefängnis!! Nicht krank zu sein, ist nicht per se ein befriedigender Zustand. Wie einfältig die Leute dieses „Hauptsache gesund“ oder „bleiben Sie gesund“ nachquatschen. Hauptsache glücklich, sollte es heißen, liebe Leute. Da gehört Gesundheit bei den meisten Menschen dazu! Wie sollen sich denn alle Kranken fühlen? Gerade der Ungesunde sollte glücklich sein zur eigenen Rekonvaleszenz…und der Gesunde auch, damit es so bleibt. Deshalb wünsche ich Euch allen ein glückliches, FREIES Leben, gerade im Coronagefängnis!!!! We shall overcome.

Thomas Taterka / 29.04.2020

Menschen mit systemrelevanten Berufen neigen dazu, Unrecht besonders lange zu ertragen. Ins Exil flüchten zuerst die Dichter und die Regisseure, manchmal auch die Schauspieler, - Bühnenbildner, Maske, Kostüm, Requisite, Beleuchtung ,Ton und der Orchestergraben hält durch und spielt notfalls in Ruinen. Der Sinn für Freiheit lässt sich nicht vergleichen, ebenso wie das Leiden . Für den einen ist Sommer und schönes Wetter , für den anderen Appell ohne Mütze im Vernichtungslager. Und wenn beide davon erzählen, kann man gar nicht glauben, daß es der gleiche Planet war. Alles, was System werden will, versucht natürlich die Treue bei Laune zu halten, solange es geht. Nachher waren alle im Widerstand und haben es schon immer gewußt. Das weiß das System ganz genau, hat immer funktioniert. Die Zocker riskieren immer mehr als die Gefolgschaft. Deshalb sind die Zocker und ihre Gegner Todfeinde , dazwischen ist viel Platz für die Dienstgrade der Anpassung. Erst wenn der Wohlstand der Diensteifrigen durch Opfer angetastet wird, wird der Zocker ” nervös “. Und das kann noch dauern, weil—- das System schneller dazulernt als seine Vasallen !

Wiebke Ruschewski / 29.04.2020

Was ist denn hier los? Wer hätte gedacht, dass so ein Artikel die Emotionen so zum Überkochen bringt? Aber um auf den Punkt zu kommen: Selbstverständlich gibt es Berufe, die wichtiger und wertvoller sind als andere! Arzt, Müllmann, Hebamme oder Landwirt sind wichtiger als Reinigungskraft, Fußpfleger oder Möbelverkäufer, welche aber immer noch wichtiger sind als Kuhfriseur, Katzentherapeut oder Food-Designer. Die Besseren unter den Letztgenannten können es aber ohne Frage in puncto Wichtigkeit noch mit so manchem Regierungsabgeordneten, Spiegel-Journalist oder Heute-Show-Kasperl aufnehmen! Die Frage ist nur, wer entscheidet darüber, wer in Zukunft was bekommt? Sicher wird so mancher vor die Hunde gehen, der es eigentlich nicht verdient hat, während andere durchgefüttert werden, die streng genommen eigentlich absolut entbehrlich sind. Der Autor hat zweifellos recht, wenn er sagt, dass die Kultur den Menschen ausmacht. Dass es wichtig ist, scheinbar Unnützes, aber eben Schönes zu erhalten, auch wenn die Zeiten nicht gut sind. Kultur beinhaltet ja oft (nicht immer) auch Wissen/Bildung. Es gibt Kultur, die ich erhaltenswert finde und die ich teilweise auch unterstütze oder unterstützen würde. Museen, Opernhäuser, Leute, die bedrohte Nutztierrassen erhalten, Leute, die alte Dampfloks erhalten usw. Aber ich muss auch vielen Kommentarschreibern recht geben. Was einem heute so als “Kultur” serviert wird ist teilweise wirklich unter aller Kanone! Der heutige Künstler sieht sich nicht mehr als Unterhalter o.ä., er missbraucht seinen Beruf, um seine persönliche Weltsicht zu verbreiten. Oft sind das Personen, die im wirklichen Leben gescheitert sind, sich aber dennoch für was Besseres halten. Um solche Leute ist es nicht schade. Ist nur zu hoffen, dass sie sich dann einen “anständigen” Beruf suchen und dem Steuerzahler nicht auf der Tasche liegen.

E. Meierdierks / 29.04.2020

Zu Claudius Pappe ergänze ich mal: systemrelevant ist der leistende Teil der Bevölkerung, also die, die irgendetwas nachweislich Nützliches für andere arbeiten, das diese haben und auch bezahlen wollen (und tun!). Für mich ist die Fußpflege jetzt nicht so relevant, für meine über neunzigjährige Tante aber schon. Auf eine Polizei, die im Dutzend in voller Kampfmontur auf einen Spielplatz mit zwei Familien stürmt, mit dem Niederknüppeln nicht mal vor Älteren haltmacht, dafür vor einschlägigen Personenkreisen kuscht und sich in weiten Teilen zu freuen scheint, die Mär vom Freund und Helfer endlich auf den Müllhaufen der Geschichte werfen zu können, kann ich gern verzichten.

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