Gastautor / 29.11.2017 / 06:29 / 21 / Seite ausdrucken

Musik im Links-Extremismus: Was hört der Schwarze Block?

Von Ulrich Morgenstern

Seit den Ausschreitungen am Rande des G20-Gipfels in Hamburg hat unübersehbar ein kritischer Diskurs zum linken Radikalismus eingesetzt. Zum Verständnis dieser durch Fundamentalopposition zum demokratischen Verfassungsstaat und in ihrer extremistischen Ausprägung durch Bereitschaft zur Gewalt gekennzeichneten Strömungen können auch Untersuchungen zu ihrem Umgang mit Musik beitragen.

Gleichwohl liegen bislang weit weniger Studien vor als zur rechtsextremistischen Musik. Dies ist erstaunlich angesichts der ungefähr gleichen Gewaltintensität in beiden Lagern. Die vorhandene kulturwissenschaftliche Literatur zur Musikpolitik der Linken leidet häufig an einer distanzlosen Haltung und an der Unkenntnis der fundamentalen Arbeiten zur politischen Musik von Vladimir Karbusicky, Wolfgang Suppan und Helmut Brenner. Die Politologie, zumal die Extremismusforschung, ist erst kürzlich auf Texte und Wirkung linksextremer Musik aufmerksam geworden.

Liedtexte werden seit Jahrtausenden als effektives Mittel der Publizistik eingesetzt. Die Idee, eine politische Positionierung mit einem Musikstil zu verbinden, ist dagegen relativ neu. Die Kommunistischen Partei der USA musste mit ihrem Versuch, durch ländliche Banjoklänge das städtische Proletariat zu agitieren, kläglich scheitern. Dafür verdanken wir ihr ein international wirksames Stilfeld, das nicht zuletzt das Idiom der linksalternativen Folkbewegung der 1970er Jahre geprägt hat.

In radikaleren Milieus jener Zeit hörte man dagegen mehr die parteitreuen Liedermacher wie Franz Josef Degenhardt, Dieter Süverkrüp und (zeitweise) Hannes Wader sowie Wolf Biermann oder die österreichische Linksrock-Band Die Schmetterlinge. Bei all diesen ist die Verherrlichung von Gewalt sublimiert, sei es historisierend oder exotisierend. Weiter geht dagegen die feministische Folkgruppe Schneewittchen, die bereits die Waffen der Gegenwart besingt: „Komm reiß auch du ein paar Steine aus dem Sand“ (Unter dem Pflaster liegt der Strand , Text und Musik von  Angi Domdey)

Von einer höheren Extremismusintensität zeugen die Hassparolen der ursprünglich im Umfeld des Linksterrorismus angesiedelten Ton Steine Scherben, deren Titel heute auch bei rechtsextremistischen Veranstaltungen ab- oder nachgespielt werden. Manche organisierten Maoisten durften ausschließlich neuchinesische Opern oder kommunistische Kampflieder der Weimarer Zeit hören. Das Eislersche Bürgerkriegsrepertoire wurde generell in zahlreichen Universitätsstädten von linken Blasmusikgruppen gepflegt – was freilich ohne eine solide bürgerliche Musikerziehung der Protagonisten nicht funktioniert hätte.

Scheibenklirren als „Bekanntmachungsschall“

Zu den erhebendsten Klangerlebnissen aktiver Linksextremisten gehören damals wie heute scharf akzentuierte Sprechchöre, als paramusikalisches, rituelles Attribut politischer Demonstrationen, wie auch das effektvolle Klirren von Schaufensterscheiben. Das auf den Zerstörungsakt regelmäßig folgende Triumphgeheul signalisiert, dass hier kein Unfall geschehen oder heimliche Sabotage verübt worden ist, sondern ein öffentliches Ritual stattfindet. Es ist also „Bekanntmachungsschall“ (Wolfgang Suppan).

Musikalische Manifestationen von Rechts- und Linksextremismus gebrauchen akustische Indices der Zerstörung, durch entsprechende Handhabung von Schlagzeug und E-Gitarre, sowie durch eine hassverzerrte Stimmgebung. Beides wird besonders im Punkrock kultiviert. Dessen Allianz mit der Linken war dabei keine rein musikalische. In zahlreichen besetzten Häusern der 1980er Jahre stellten die Punkrocker den inoffiziellen Ordnungsdienst, zuständig für die Abwehr von Drogendealern und selbst für die Einhaltung der Nachtruhe – wie dies der Verfasser dieser Zeilen erfahren musste, als ihm am Eingang des Freiburger Schwarzwaldhofs ein prominenter Vertreter der örtlichen Punkszene (kaum später als 22.00 Uhr!) nachdrücklich anhielt, das Singen und Gitarrespielen in kleinstem Kreis bei bescheidener Lautstärke einzustellen.

Die narzisstisch zelebrierten Chiffren des Hasses sind es, die linksextreme Rockmusik deutlich von den älteren Gattungen des chorischen Kampfliedes und des Sprechchores unterscheiden, welche auf klare Artikulation der Textbotschaft setzen. Durch seinen aggressiven Habitus wird der Punk in Deutschland zuweilen als (imaginiert) proletarischer Gegenentwurf zum sanften Männlichkeitsideal der Folkbewegung gedeutet. In ähnlich plausibler Weise hat kürzlich der kanadische Psychologe und Kulturkritiker Jordan Peterson das starke Interesse weißer Jugendlicher am Hip Hop erklärt als ”a necessary corrective to the insistance that the highest moral virtute for a modern man is harmlessness“ (Peterson, 2017).

Eine Feier des moralischen Narzissmus

Ein spezifisch linksextremes musikalisches Idiom ist gegenwärtig nicht erkennbar: „Erst durch die Texte wird die Musik zu linksextremistischer Musik“ (Ulrike Madest). Traditionell folgen diese Texte dem von Vladimir Karbusicky herausgearbeiteten Vier-Akte-Schema des Kampfliedes:

  • Reduktion der Realität auf die suggerierte Kampfsituation, Konfliktbildung
  • Meditation, Erkenntnis unserer Not und Schwäche, ethisch begründeter Gruppierungsappell
  • Logische Begründung des Kampfes durch die Dramatisierung des Feindes, seiner Untaten; Imagination der Zusammenstöße
  • Richtlinien, Zukunft, Erlösungsversprechung

Die Zielvorstellungen des heutigen Linksextremismus erschließen sich hierbei in den Liedtexten kaum. Von ihrer extremen Verschwommenheit zeugen schon die verzweifelten Bemühungen von Journalisten, aus dem Milieu der Autonomen irgendwelche Auskünfte zu gewinnen, die über Plattitüten wie „andere Gesellschaft“ oder „gerechte Welt“ hinausgingen. Erkennbar ist dagegen die Einbildung einer höheren ideellen Mission. Peter Schneider hat den „von einer Idee getriebene[n] Verbrecher“ treffend charakterisiert: „Die einzige Befriedigung, die er bei seinen Taten erfährt, ist die Feier seines selbst erfundenen politischen Auftrags und seines moralischen Narzissmus“ .

So dient linksextreme Musik in erster Linie der moralischen Suggestion, der gefühlsmäßigen Selbstbestätigung in einer wirren Gedankenwelt. In einem öffentlichen Umfeld, in dem zunehmend bis in die Parlamente hinein die zur Schau gestellte Emotion das politische Argument ersetzt, kann dies durchaus verfangen. Eine kritischere und systematischere Beobachtung linksextremer Musik ist deshalb im Interesse der offenen Gesellschaft und der sie tragenden Verfassungsordnung bitter nötig.

Ulrich Morgenstern, Jahrgang 1964, ist Professor  für Geschichte und Theorie der Volksmusik an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.

Nachtrag des Autors und Textbeispiele

Wenn ich von sublimierter Gewaltverherrlichung spreche, nenne ich Namen von durchaus widersprüchlichen Interpreten, die keineswegs durchgängig dem Genre der „Hassmusik“ (Ulrike Madest) zuzuordnen sind. Ich erlaube mir dennoch einige Textbelege zur Begründung meiner These anzuführen. Dies scheint mir schon deswegen nötig, da zahlreiche Texte und Videos heute auf extremistischen Plattformen kursieren und von den genannten Musikern lediglich Wolf Biermann durch eine kritische Reflexion seiner frühen Positionen in Erscheinung getreten ist – wobei seine Rechtfertigung des Krieges und Ästhetisierung der Gewalt schon von vornherein eine innere Zerrissenheit erkennen lässt.

Franz Josef Degenhardt / Degenhardt Live (1969)
 
„Rat an einem jungen Sozialisten“
 
Aber wenn du mich fragst, Junge, soll ich gehen in die Armee?
Kann ich dir nur raten, Junge, wenn du stark genug bist, geh.
Stark genug sein, das ist wichtig. Unterschätz die andern nie,
Denn die waschen die Gehirne. Das Geschäft verstehen sie.
Lern mit ihren Waffen kämpfen, wir gebrauchen sie einmal.

 
Dieter Süverkrüp /Ça ira – Lieder der französischen Revolution 1. Gesungen von Dieter Süverkrüp (1973)
 
Ah das geht ran
Ah, das geht ran, das geht ran, das geht ran.
Die Aristokraten an die Laterne

 
Hannes Wader /Hannes Wader singt Arbeiterlieder (1977)

Lied vom Knüppelchen

Doch es kommt noch der Tag, wenn der Bauer erwacht, reckt und streckt die gebundenen Glieder, und er schlägt seinen Feind, der ihn elend gemacht, mit dem Knüppel zu Boden darnieder.

Auch das von Wader weitestgehend unverändert gesungene wilhelminische (zeritweise kommunistische, zeitweise nationalsozialistische) Kriegslied "Auf, auf zum Kampf" ist hier zu nennen. Die hippieske Rumpelgitarre im Kombination mit dem Klatschen der indoktrinierten Menge erzeugt eine unfreiwillige Komik.
 
Wolf Biermann / Mit Marx- und Engelszungen(1981)
 
Genossen, wer von uns wäre nicht gegen den Krieg (alle Strophen)
 
Die Schmetterlinge (Proletenpassion 1977)

Kampflied der Bauern (2. Die Bauernkriege)
 
Tausend Haufen sind wir jetzt und schleifen unsre Sensen,
Schmieden sie zu Spießen um, die in der Sonne glänzen,
Tragen sie zum Bischofssitz und zum Herrenhaus,
Dort bricht der Abend heute an und das Zittern aus.

 
Marianne (3. Die Revolution der Bürger)
 
Frauen, packt die Pflastersteine
Macht den fetten Ärschen Beine
Haut sie und gebt kein Pardon!

 
Lied der Fragen (4. Die Pariser Kommune 1871)
 
Warum sind wir nicht nach Versailles marschiert
Damals am 18. März?
Den Feind entließen wir ungeniert
Und trafen nicht sein Herz.
Warum ließen wir die Heuchler frei
Und keiner schoß ihnen nach?

Literatur zum Thema:

Karbusicky, Vladimir: Ideologie im Lied. Lied Ideologie. Kulturanthropologische Strukturanalysen (Musikalische Volkskunde, Bd. II), Köln 1973.

Madest, Ulrike: Linksextremistische Musik, in: Gerhard Hirscher (Hrsg.): Linksextremismus in Deutschland. Bestandsaufnahme und Perspektiven (= Argumente und Materialien zum Zeitgeschehen. 95). Hanns-Seidel-Stiftung, Akademie für Politik und Zeitgeschehen, München 2014, S. 35–42.

Morgenstern Ulrich: Ritual – Epos – Tanz. Die deutsche Anti-AKW-Bewegung aus ethnomusikologischer Sicht, in: Lied und populäre Kultur (Song and Popular Culture), 54. Jahrgang, 2009, S. 273–310.

Der Autor zur Entstehung dieses Textes:

Vor einiger Zeit erbat die Redaktion des Musikforums, der Quartalszeitschrift des Deutschen Musikrates, von mir einen Beitrag zum Thema „Musik linker Protestbewegungen. Was hört der Schwarze Block?“. Ich willigte ein, unter der Voraussetzung, den Titel leicht abzuändern. Im November 2017 ließ mich die Redaktion wissen, dass mein Text „ein sehr interessantes und lesenswertes Themenfeld beleuchtet“, man sich jedoch nicht in der Lage sehe, ihn zu veröffentlichen: „Die im Musikforum veröffentlichten Beiträge haben einen formal und inhaltlich abweichenden Ansatz, der sehr stark auf die Zielgruppe des Musikforums ausgerichtet ist.“ Ich habe es mir erspart, mir Zielgruppe und „abweichenden Ansatz“ näher erklären zu lassen und freue mich, den Text auf der Achse des Guten zu publizieren.

Foto: Tim Maxeiner

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Gertraude Wenz / 29.11.2017

Dass manchmal leider nur Gewalt bestehende Verhältnisse ändert, ist nun einmal so. Man denke an die Bauernkriege in Deutschland, an die französische Revolution und viele andere Aufstände und Rebellionen. Und natürlich gibt es dazu entsprechendes Liedgut. Nur die nackte Gewalt oder die Angst davor hat die oft grausamen Herrschenden zur Aufgabe gezwungen. Ich würde es mir auch anders wünschen. Aber die blutgetränkte menschliche Geschichte zeigt zweierlei: Gewalt ist dem Menschen innewohnend, mal mehr, mal weniger und ein probates Mittel der Evolution. Leider. Übrigens: Hannes Wader setzt sich in seinen Liedern engagiert für mehr Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt ein. Ich liebe ihn.

Bernhard van Akker / 29.11.2017

Sehr geehrter Herr Morgenstern, auch ich (Jahrgang 66) bin in der Punk-Szene sozialisiert. Allerdings ging es bei uns in Köln nicht so scheiß-spießig zu, wie scheinbar in Freiburg. Was mir aber schon damals auf den “Sack” ging waren diese Agit-Prop-Bands, die, wie “Slime” und Konsorten, versuchten diese kreative, hedonistische, experimentierfreudige und keinesfalls homogene Szene zu okkupieren. Nur bei den “Deppen” (damals und heute im sog. schwarzen Block) ist das auch gelungen, denn jedem, der damals z. B. an der HH Hafenstraße schnupperte, war sofort klar, dass sich hier eine totalitäre Polit-Sekte herausgebildet hatte, die bereits in den 70ern entstanden war. Ein links- schleimiger Versuch der Vereinnahmung und das Gegenteil von dem, wofür “Punk” für mich stand. Zu Ihrer Erbauung Textbeispiele der erwähnten Band: “Wo Faschisten und Multis das Land regieren Wo Leben und Umwelt keinen interessieren Wo alle Menschen ihr Ich verlieren Da kann eigentlich nur noch eins passieren 4x Deutschland muß sterben, damit wir leben können! Schwarz ist der Himmel, Rot ist die Erde Gold sind die Hände der Bonzenschweine Doch der Bundesadler stürzt bald ab Denn Deutschland, wir tragen dich zu Grab Wo Panzer und Raketen den Frieden “sichern” AKWs und Computer das Leben “verbessern” Bewaffnete Roboter überall Doch Deutschland, wir bringen dich zu Fall 4x Deutschland muß sterben, damit wir leben können!” Oder: Demokratie - die klappt wohl nie! Wir haben keine Möglichkeit zur Veränderung Der Politikerkreis ist zu Nur ein kleiner Teil hat das Sagen Ich nenne das eine Diktatur Politisch links, politisch rechts Das hat doch alles den selben Klang Regierung bleibt Regierung Und Regierung, das heißt Zwang Die Staatsideen von “Recht + Freiheit” Sind zwar Rentnern frei genug Doch das demokratische System Ist ein einziger Betrug Ist ein einziger Betrug Demokratie! Demokratie - die klappt wohl nie! Auch “schön”: “Der Faschismus hier in diesem Land Nimmt allmählich überhand Wir müssen was dagegen tun Sonst lassen die uns nicht in Ruh’ Wenn ich die Bullen seh’ mit Knüppeln und Wummen Jedesmal sind wir die Dummen Die nehmen uns fest, stecken uns in den Knast Doch das steigert nur unseren Haß Ein Drittel Heizöl, zwei Drittel Benzin Wie ‘68 in Westberlin Diese Mischung ist wirkungsvoll Diese Mischung knallt ganz toll Wir wollen keine Bullenschweine Dies ist ein Aufruf zur Revolte Dies ist ein Aufruf zur Gewalt Bomben bauen, Waffen klauen Den Bullen auf die Fresse hauen Haut die Bullen platt wie Stullen Stampft die Polizei zu Brei Haut den Pigs die Fresse ein Nur ein totes ist ein gutes Schwein Ein Drittel Heizöl, zwei Drittel Benzin Wie ‘68 in Westberlin Diese Mischung ist wirkungsvoll Diese Mischung knallt ganz toll Wir wollen keine Bullenschweine” Dagegen sind die von Ihnen gelisteten Textbeispiele geradezu putzig… Beste Grüße, Bernhard van Akker

Martin Krieger, Frankfurt am Main / 29.11.2017

Danke für den Beitrag! Interessanterweise gilt exakt das Gleiche für weite Teile der nicht linken, also nach herrschender Meinung dann rechten Musikszene. Nur da ist es immer böse. Vom moralischen Hochsitz aus hat man eben ein verzerrtes Weltbild… Anmerkung: Punk ist keine originär linke Musik (die Wurzeln liegen u.a. im Ska und in der Szene der englischen Dockarbeiter), das muss ich zur Ehrenrettung mal sagen.

Volker Kleinophorst / 29.11.2017

Punker halten die Dealer draußen. Da musste ich spontan lachen.

Ulla Smielowski / 29.11.2017

Super der Beitrag. Einige Namen sind mir sogar noch bekannt, z.B. die Schmetterlinge. Mit der Pariser Kommune habe ich mich eingehend beschäftigt und darüber etwas für den Geschichtsunterricht geschrieben, in den 70igern… Mühevolle Arbeit… Toll ist es, wenn man in eine solche Musik, wie die oben angeführten Beiträge, auch mal anhören könnte. Für einen kurzen Beitrag sicherlich zu aufwendig.

Marc de Rüschjée / 29.11.2017

Ein sogleich interessantes Einstiegsthema für mich an diesem frühen Morgen war Ihr Artikel, Herr Morgenstern. Die extremistische Ausprägung und Stilistik linker Musik ist mir vor geraumer Zeit bereits aufgefallen, zumal ich selbst in meiner Punker-Zeit (ca. Anfang bis Mitte der 2000er) überwiegend solche teilweise fürchterlich aggressive Musik, die Kampfgesänge als Soundtrack des extrem linken Weltbildes konsumierte und mich inhaltlich an den englischen wie deutschen Texten orientierte. In meiner Platten- und CD-Sammlung befinden sich bis heute einige Werke der TonSteineScherben und auch ein paar Kompilationen mit Punkmusik, die als Begleitmusik zu den alljährlichen Chaostagen (der wichtigsten der zahlreichen Gelegenheiten linker, militanter Antifanten, mal so richtig die Sau rauszulassen und erhebliche Sachbeschädigungen, getarnt als “Kapitalismuskritik”, anzurichten, ähnlich wie bei G8- und G20-Gipfeln, siehe auch 2007 usw.) herhalten können und konnten (“Chaos, Bier & Anarchie”, “Schlachtrufe BRD” [von Letzterer gibt es mehrere, eine Art “Bravo-Hits” des Punk]). Heute höre ich diesen Schrott kaum noch, denn seine musikalische Qualität ist dürftig, die Bands größtenteils dilettantische Nichtmusiker, mit aggressiven, unmelodiösen Gröl-Stimmen, die dann in Chören bedeutungsschwer in die Gehörgänge kraxeln. Mit all dem verbinde ich heute, als nur noch vage linker, eher ins Konservative tendierender und erwachsen gewordener Zeitgenosse wenig bis gar nichts, auch zu meiner Punker-Zeit war ich niemals selbst militant, nahm nie an den Chaostagen teil, doch verinnerlichte diese grauenhafte Musik, die wie Rechtsrock klingen soll, wenn ich meinem besten Freund glauben kann, der bei seltenen Besuchen bei seinem Neonazi-Cousin dessen rechtsradikale Musik zu hören bekam, jedenfalls stilistisch Ähnlichkeiten aufweist. Als ich einmal ein Buch über Rechtsrock las, das sich mit den Texten befasste, erlangte ich den Eindruck, dass sich Rechtsrock (den ich selbstverständlich grundsätzlich nie höre und nie hörte) und Linksrock nicht fundamental unterscheiden. Beide Richtungen haben viele Gemeinsamkeiten: Die Aufstachelung zur Gewalt (bei Rechten gegen Ausländer, Juden, Zigeuner und natürlich Linke, bei Linken gegen Rechte, “Spießer”, “Bullen”, Konservative und alle, die ihr Weltbild nicht teilen), die Verherrlichung des Alkoholkonsums und die Propagierung der Gruppenzugehörigkeit und des Zusammenhalts (linksradikales Beispiel: die Band BUMS mit “Unsre Liga”, durchaus auch als Hooligan-Kampfgesang auffassbar). Umso erschreckender: Zum partiell unpolitischen aber ansonsten ohnehin stark linkskonnotierten Musik-Mainstream gesellt sich nun auch schon chartstaugliche linksradikale Musik (Broilers und Antilopengang und andere), die jetzt mehr denn je die Aggression und den unbändigen Hass auf alle Andersdenkenden, AfD-Politiker, “besorgte” Bürger (negative Auslegung), Islamkritiker, Gendergaga-Kritiker, Asylkritiker, Open-Borders-Nichtbefürworter etc. schürt. Von den alteingesessenen Punkbands wären noch Terrorgruppe und WIZO zu nennen, von denen insbesondere Letztgenannte vergangenes Jahr ein derart polemisches, hasserfülltes Linksradikalmusik-Paradealbum ablieferte, das vergeblich Seinesgleichen sucht und aus dem es nur so vomiert! Einige Bands aus dem linken Spektrum, wie etwa die unsäglich gewordenen Ärzte, halten sich eher zurück, doch ihr “Schrei nach Liebe”, jetzt 24 Jahre alt und damals unter dem Eindruck der rechtsradikalen Übergriffe in Mölln, Rostock, Lichtinghagen geschrieben, wird jetzt von Linksalternativen aller Couleur als Kampfschrei nicht nur gegen den im Lied beschriebenen Klischee-Neonazi, sondern gegen sämtliche Nichtlinken und Andersdenkenden verwendet, weshalb dieser eigentlich wichtige Anti-Nazi-Song mir mittlerweile ein Graus ist. Die gesamte Kunst (Musik, Film, Aktionskunst, Theater, Literatur) ist längst so stark links gepolt, so geprägt von (fast) ausschließlich dieser Weltsicht, dass man sich schon manchmal etwas verhaltenere, eher mittig angesiedelte oder gar konservative (NICHT rechtsradikale) Inhalte wünscht. Man wird z.B. vergeblich nach einem deutschsprachigen Anti-Islam- oder Islamkritik-/Protestsong suchen, nach entsprechenden Filmen, nach einwanderungskritischen Beiträgen aller Art. Nur auf Youtube gibt es eine kleine Opposition. So sieht’s aus.

Hans-Martin Moll / 29.11.2017

Sehr geehrter Herr Prof. Morgenstern, danke für diese Analyse. Sie schreiben es hätte ” unübersehbar ein kritischer Diskurs zum linken Radikalismus eingesetzt”. Schön wärs ! Erinnern wir uns noch an die damalige Entdeckung nach dem G 20-Gipfel, als sich herausstellte, daß in Freiburg das von der Stadt finanzierte “autonome Zentrum” , ein von oben bis unten mit linken Parolen beschmiertes Gebäude im Eigentum der Deutschen Bahn, seit Jahren als Planungs- und Einsatzzentrale der europaweit reisenden linken Krawallmacher und Steinewerfer fungierte ? Genau einen Tag lang hat es die Medien interessiert, daß dort bei einer polizeilichen Razzia alle denkbaren “Instrumente” gefunden wurden, die der schwarze Block im Einsatz mit sich herumführt. Seither hat man davon nichts mehr gehört. Keine Talkshow, keine journalistischen Entrüstungs-Festspiele, keine Distanzierungs-Schau der politischen Kultur-Darsteller, totales Stillschweigen weit und breit. Das läuft wahrscheinlich unter “Nichtbehinderung polizeilicher Ermittlungen”. Können Sie sich ausmalen, was da wochenlang los gewesen wäre, wenn es sich um einen Treff der rechten Szene gehandelt hätte ?

Bernhard Maxara / 29.11.2017

“Wo man singet, laß dich ruhig nieder, ohne Furcht, was man im Lande glaubt. Wo man singet, wird kein Mensch beraubt, Bösewichter haben keine Lieder.” Soweit das bekannte euphemistische Wort des redlichen Johann Gottfried Seume im Original. Nicht erst das zwanzigste Jahrhundert hat es hundertfach widerlegt, konterkariert, nachgerade verhöhnt. Allerdings brauchte es die Entwicklung der Rock-“Musik” der letzten vierzig Jahre, mit “musikalischen” Mitteln Massenaufruhr, Vandalismus, Körperverletzung und Totschlag zu befeuern. Auf einem Kongreß musikerziehender Künstler in Wien hörte ich den greisen, großen Jehudi Menuhin auf die Frage, was er von Rock-“Musik” halte, fast tonlos aber betont ins Mikrophon flüstern: “Zu laut!!” Er fügte die sehr richtige Feststellung hinzu, man habe noch nie gehört , daß einen von seinem Geigenunterricht heimkehrenden Jugendlichen jemals die Lust überkommen habe, Wände zu beschmieren oder Fenster einzuschmeißen. Damit ist alles gesagt. Unsere allmächtigen Meinungsmacher hätten es durchaus in der Hand, gerade in Musiksendungen für Jugendliche den himmelweiten Unterschied Mozarts und Mendelssohns zu den musikalisch völlig wertlosen Geräuschkulissen von Punk, Techno und dem hervorzuheben, was Peter Sloterdijk einmal als “Musikpisse” bezeichnet hat. Stattdessen wird die sture Ineinssetzung von “E-Musik” und “U-Musik” ewig weiter dahergelabert, das Gehör Jugendlicher weiter geschändet. Hamlets Vater starb durch ein Gift, ins Ohr geträufelt, - eine äußerst tiefsinnige und mehrschichtige Metapher.

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