Dass manchmal leider nur Gewalt bestehende Verhältnisse ändert, ist nun einmal so. Man denke an die Bauernkriege in Deutschland, an die französische Revolution und viele andere Aufstände und Rebellionen. Und natürlich gibt es dazu entsprechendes Liedgut. Nur die nackte Gewalt oder die Angst davor hat die oft grausamen Herrschenden zur Aufgabe gezwungen. Ich würde es mir auch anders wünschen. Aber die blutgetränkte menschliche Geschichte zeigt zweierlei: Gewalt ist dem Menschen innewohnend, mal mehr, mal weniger und ein probates Mittel der Evolution. Leider. Übrigens: Hannes Wader setzt sich in seinen Liedern engagiert für mehr Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt ein. Ich liebe ihn.
Sehr geehrter Herr Morgenstern, auch ich (Jahrgang 66) bin in der Punk-Szene sozialisiert. Allerdings ging es bei uns in Köln nicht so scheiß-spießig zu, wie scheinbar in Freiburg. Was mir aber schon damals auf den “Sack” ging waren diese Agit-Prop-Bands, die, wie “Slime” und Konsorten, versuchten diese kreative, hedonistische, experimentierfreudige und keinesfalls homogene Szene zu okkupieren. Nur bei den “Deppen” (damals und heute im sog. schwarzen Block) ist das auch gelungen, denn jedem, der damals z. B. an der HH Hafenstraße schnupperte, war sofort klar, dass sich hier eine totalitäre Polit-Sekte herausgebildet hatte, die bereits in den 70ern entstanden war. Ein links- schleimiger Versuch der Vereinnahmung und das Gegenteil von dem, wofür “Punk” für mich stand. Zu Ihrer Erbauung Textbeispiele der erwähnten Band: “Wo Faschisten und Multis das Land regieren Wo Leben und Umwelt keinen interessieren Wo alle Menschen ihr Ich verlieren Da kann eigentlich nur noch eins passieren 4x Deutschland muß sterben, damit wir leben können! Schwarz ist der Himmel, Rot ist die Erde Gold sind die Hände der Bonzenschweine Doch der Bundesadler stürzt bald ab Denn Deutschland, wir tragen dich zu Grab Wo Panzer und Raketen den Frieden “sichern” AKWs und Computer das Leben “verbessern” Bewaffnete Roboter überall Doch Deutschland, wir bringen dich zu Fall 4x Deutschland muß sterben, damit wir leben können!” Oder: Demokratie - die klappt wohl nie! Wir haben keine Möglichkeit zur Veränderung Der Politikerkreis ist zu Nur ein kleiner Teil hat das Sagen Ich nenne das eine Diktatur Politisch links, politisch rechts Das hat doch alles den selben Klang Regierung bleibt Regierung Und Regierung, das heißt Zwang Die Staatsideen von “Recht + Freiheit” Sind zwar Rentnern frei genug Doch das demokratische System Ist ein einziger Betrug Ist ein einziger Betrug Demokratie! Demokratie - die klappt wohl nie! Auch “schön”: “Der Faschismus hier in diesem Land Nimmt allmählich überhand Wir müssen was dagegen tun Sonst lassen die uns nicht in Ruh’ Wenn ich die Bullen seh’ mit Knüppeln und Wummen Jedesmal sind wir die Dummen Die nehmen uns fest, stecken uns in den Knast Doch das steigert nur unseren Haß Ein Drittel Heizöl, zwei Drittel Benzin Wie ‘68 in Westberlin Diese Mischung ist wirkungsvoll Diese Mischung knallt ganz toll Wir wollen keine Bullenschweine Dies ist ein Aufruf zur Revolte Dies ist ein Aufruf zur Gewalt Bomben bauen, Waffen klauen Den Bullen auf die Fresse hauen Haut die Bullen platt wie Stullen Stampft die Polizei zu Brei Haut den Pigs die Fresse ein Nur ein totes ist ein gutes Schwein Ein Drittel Heizöl, zwei Drittel Benzin Wie ‘68 in Westberlin Diese Mischung ist wirkungsvoll Diese Mischung knallt ganz toll Wir wollen keine Bullenschweine” Dagegen sind die von Ihnen gelisteten Textbeispiele geradezu putzig… Beste Grüße, Bernhard van Akker
Danke für den Beitrag! Interessanterweise gilt exakt das Gleiche für weite Teile der nicht linken, also nach herrschender Meinung dann rechten Musikszene. Nur da ist es immer böse. Vom moralischen Hochsitz aus hat man eben ein verzerrtes Weltbild… Anmerkung: Punk ist keine originär linke Musik (die Wurzeln liegen u.a. im Ska und in der Szene der englischen Dockarbeiter), das muss ich zur Ehrenrettung mal sagen.
Punker halten die Dealer draußen. Da musste ich spontan lachen.
Super der Beitrag. Einige Namen sind mir sogar noch bekannt, z.B. die Schmetterlinge. Mit der Pariser Kommune habe ich mich eingehend beschäftigt und darüber etwas für den Geschichtsunterricht geschrieben, in den 70igern… Mühevolle Arbeit… Toll ist es, wenn man in eine solche Musik, wie die oben angeführten Beiträge, auch mal anhören könnte. Für einen kurzen Beitrag sicherlich zu aufwendig.
Ein sogleich interessantes Einstiegsthema für mich an diesem frühen Morgen war Ihr Artikel, Herr Morgenstern. Die extremistische Ausprägung und Stilistik linker Musik ist mir vor geraumer Zeit bereits aufgefallen, zumal ich selbst in meiner Punker-Zeit (ca. Anfang bis Mitte der 2000er) überwiegend solche teilweise fürchterlich aggressive Musik, die Kampfgesänge als Soundtrack des extrem linken Weltbildes konsumierte und mich inhaltlich an den englischen wie deutschen Texten orientierte. In meiner Platten- und CD-Sammlung befinden sich bis heute einige Werke der TonSteineScherben und auch ein paar Kompilationen mit Punkmusik, die als Begleitmusik zu den alljährlichen Chaostagen (der wichtigsten der zahlreichen Gelegenheiten linker, militanter Antifanten, mal so richtig die Sau rauszulassen und erhebliche Sachbeschädigungen, getarnt als “Kapitalismuskritik”, anzurichten, ähnlich wie bei G8- und G20-Gipfeln, siehe auch 2007 usw.) herhalten können und konnten (“Chaos, Bier & Anarchie”, “Schlachtrufe BRD” [von Letzterer gibt es mehrere, eine Art “Bravo-Hits” des Punk]). Heute höre ich diesen Schrott kaum noch, denn seine musikalische Qualität ist dürftig, die Bands größtenteils dilettantische Nichtmusiker, mit aggressiven, unmelodiösen Gröl-Stimmen, die dann in Chören bedeutungsschwer in die Gehörgänge kraxeln. Mit all dem verbinde ich heute, als nur noch vage linker, eher ins Konservative tendierender und erwachsen gewordener Zeitgenosse wenig bis gar nichts, auch zu meiner Punker-Zeit war ich niemals selbst militant, nahm nie an den Chaostagen teil, doch verinnerlichte diese grauenhafte Musik, die wie Rechtsrock klingen soll, wenn ich meinem besten Freund glauben kann, der bei seltenen Besuchen bei seinem Neonazi-Cousin dessen rechtsradikale Musik zu hören bekam, jedenfalls stilistisch Ähnlichkeiten aufweist. Als ich einmal ein Buch über Rechtsrock las, das sich mit den Texten befasste, erlangte ich den Eindruck, dass sich Rechtsrock (den ich selbstverständlich grundsätzlich nie höre und nie hörte) und Linksrock nicht fundamental unterscheiden. Beide Richtungen haben viele Gemeinsamkeiten: Die Aufstachelung zur Gewalt (bei Rechten gegen Ausländer, Juden, Zigeuner und natürlich Linke, bei Linken gegen Rechte, “Spießer”, “Bullen”, Konservative und alle, die ihr Weltbild nicht teilen), die Verherrlichung des Alkoholkonsums und die Propagierung der Gruppenzugehörigkeit und des Zusammenhalts (linksradikales Beispiel: die Band BUMS mit “Unsre Liga”, durchaus auch als Hooligan-Kampfgesang auffassbar). Umso erschreckender: Zum partiell unpolitischen aber ansonsten ohnehin stark linkskonnotierten Musik-Mainstream gesellt sich nun auch schon chartstaugliche linksradikale Musik (Broilers und Antilopengang und andere), die jetzt mehr denn je die Aggression und den unbändigen Hass auf alle Andersdenkenden, AfD-Politiker, “besorgte” Bürger (negative Auslegung), Islamkritiker, Gendergaga-Kritiker, Asylkritiker, Open-Borders-Nichtbefürworter etc. schürt. Von den alteingesessenen Punkbands wären noch Terrorgruppe und WIZO zu nennen, von denen insbesondere Letztgenannte vergangenes Jahr ein derart polemisches, hasserfülltes Linksradikalmusik-Paradealbum ablieferte, das vergeblich Seinesgleichen sucht und aus dem es nur so vomiert! Einige Bands aus dem linken Spektrum, wie etwa die unsäglich gewordenen Ärzte, halten sich eher zurück, doch ihr “Schrei nach Liebe”, jetzt 24 Jahre alt und damals unter dem Eindruck der rechtsradikalen Übergriffe in Mölln, Rostock, Lichtinghagen geschrieben, wird jetzt von Linksalternativen aller Couleur als Kampfschrei nicht nur gegen den im Lied beschriebenen Klischee-Neonazi, sondern gegen sämtliche Nichtlinken und Andersdenkenden verwendet, weshalb dieser eigentlich wichtige Anti-Nazi-Song mir mittlerweile ein Graus ist. Die gesamte Kunst (Musik, Film, Aktionskunst, Theater, Literatur) ist längst so stark links gepolt, so geprägt von (fast) ausschließlich dieser Weltsicht, dass man sich schon manchmal etwas verhaltenere, eher mittig angesiedelte oder gar konservative (NICHT rechtsradikale) Inhalte wünscht. Man wird z.B. vergeblich nach einem deutschsprachigen Anti-Islam- oder Islamkritik-/Protestsong suchen, nach entsprechenden Filmen, nach einwanderungskritischen Beiträgen aller Art. Nur auf Youtube gibt es eine kleine Opposition. So sieht’s aus.
Sehr geehrter Herr Prof. Morgenstern, danke für diese Analyse. Sie schreiben es hätte ” unübersehbar ein kritischer Diskurs zum linken Radikalismus eingesetzt”. Schön wärs ! Erinnern wir uns noch an die damalige Entdeckung nach dem G 20-Gipfel, als sich herausstellte, daß in Freiburg das von der Stadt finanzierte “autonome Zentrum” , ein von oben bis unten mit linken Parolen beschmiertes Gebäude im Eigentum der Deutschen Bahn, seit Jahren als Planungs- und Einsatzzentrale der europaweit reisenden linken Krawallmacher und Steinewerfer fungierte ? Genau einen Tag lang hat es die Medien interessiert, daß dort bei einer polizeilichen Razzia alle denkbaren “Instrumente” gefunden wurden, die der schwarze Block im Einsatz mit sich herumführt. Seither hat man davon nichts mehr gehört. Keine Talkshow, keine journalistischen Entrüstungs-Festspiele, keine Distanzierungs-Schau der politischen Kultur-Darsteller, totales Stillschweigen weit und breit. Das läuft wahrscheinlich unter “Nichtbehinderung polizeilicher Ermittlungen”. Können Sie sich ausmalen, was da wochenlang los gewesen wäre, wenn es sich um einen Treff der rechten Szene gehandelt hätte ?
“Wo man singet, laß dich ruhig nieder, ohne Furcht, was man im Lande glaubt. Wo man singet, wird kein Mensch beraubt, Bösewichter haben keine Lieder.” Soweit das bekannte euphemistische Wort des redlichen Johann Gottfried Seume im Original. Nicht erst das zwanzigste Jahrhundert hat es hundertfach widerlegt, konterkariert, nachgerade verhöhnt. Allerdings brauchte es die Entwicklung der Rock-“Musik” der letzten vierzig Jahre, mit “musikalischen” Mitteln Massenaufruhr, Vandalismus, Körperverletzung und Totschlag zu befeuern. Auf einem Kongreß musikerziehender Künstler in Wien hörte ich den greisen, großen Jehudi Menuhin auf die Frage, was er von Rock-“Musik” halte, fast tonlos aber betont ins Mikrophon flüstern: “Zu laut!!” Er fügte die sehr richtige Feststellung hinzu, man habe noch nie gehört , daß einen von seinem Geigenunterricht heimkehrenden Jugendlichen jemals die Lust überkommen habe, Wände zu beschmieren oder Fenster einzuschmeißen. Damit ist alles gesagt. Unsere allmächtigen Meinungsmacher hätten es durchaus in der Hand, gerade in Musiksendungen für Jugendliche den himmelweiten Unterschied Mozarts und Mendelssohns zu den musikalisch völlig wertlosen Geräuschkulissen von Punk, Techno und dem hervorzuheben, was Peter Sloterdijk einmal als “Musikpisse” bezeichnet hat. Stattdessen wird die sture Ineinssetzung von “E-Musik” und “U-Musik” ewig weiter dahergelabert, das Gehör Jugendlicher weiter geschändet. Hamlets Vater starb durch ein Gift, ins Ohr geträufelt, - eine äußerst tiefsinnige und mehrschichtige Metapher.
Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.