Peter Grimm / 22.02.2024 / 11:00 / Foto: Sandro Halank / 54 / Seite ausdrucken

Warum will keiner die Genossin Köpping wählen?

In Sachsen wird im Spätsommer gewählt und vor allem in nichtsächsischen Landen rätseln viele, woher die Schwäche der SPD kommt. Eine Antwort ist vielleicht das Weltbild der SPD-Spitzenkandidatin.

Petra Köpping war früher in der DDR eine junge SED-Bürgermeisterin und ist jetzt in Sachsen eine SPD-Ministerin. Sie ist Herrin in einem Haus mit dem schönen Namen „Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt“ und sie ist Spitzenkandidatin der SPD für die sächsische Landtagswahl. Zwischenzeitlich hatten Umfragen die Partei in Sachsen schon mal unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde gesehen. Doch das führte bei Genossin Köpping nicht dazu, dass sie Zweifel am richtigen Kurs ihrer Partei entwickelt. Glaubt sie, dass sich viele Wähler einfach nur irren, wenn sie aus ihrer Sicht falsch wählen? Einen kleinen Einblick in das Weltbild der sächsischen Spitzenkandidatin bot am Mittwoch ein Interview, das sie der Welt gegeben hat.

Die zentrale Frage wird dort klar gestellt: „Frau Köpping, in aktuellen Umfragen ist die AfD in Sachsen fünfmal so stark wie die SPD, die derzeit bei sieben Prozent liegt. Was wollen Sie als Spitzenkandidatin der SPD dagegen tun?“

Dass Politiker in bedrängter Lage Zuflucht zu billigen Textbausteinen suchen, ist nicht besonders verhaltensoriginell. Aber dass sie die seit zehn Jahren kaum ausgetauscht hat, schon:

Erstens muss man sich mit den Themen der AfD auseinandersetzen, indem man ganz klar sagt, was die AfD eigentlich will und was das für den Einzelnen bedeutet. Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen das gar nicht wissen. Die denken, es wird sich alles ändern, wenn sie sagen, ‚jetzt sind wir mal gegen die da oben‘.“

Bevor Sie jetzt einschlafen, gibt es von der Genossin aber doch Zitierenswertes:

Zweitens sehe ich die Gefahr, dass die AfD verharmlost wird. Viele halten sie nicht für rechtsextrem, obwohl der Verfassungsschutz den AfD-Landesverband in Sachsen als gesichert rechtsextremistisch eingestuft hat. Doch anstatt an der AfD zu zweifeln, bezweifeln manche nun, dass der Verfassungsschutz legitim und seine Einstufung der AfD rechtlich korrekt ist.“

Wie kann man nur am Verfassungsschutz zweifeln? Der hat seine Einstufung doch bestimmt gut begründet, oder? Nun ja, bislang gibt es nur eine zweieinhalbseitige Medieninformation, in der mitgeteilt wird, dass es ein 134-seitiges Gutachten geben soll, das die Einstufung des AfD-Landesverbandes Sachsen als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ begründe. Achgut-Autor Stephan Kloss hatte das Landesamt für Verfassungsschutz um eine Kopie des Gutachtens gebeten (siehe seinen Artikel hier). Und was antwortete ihm die Behörde? „Das Gutachten ist ein als Verschlusssache eingestuftes Dokument, das ausschließlich intern verwendet wird.“ Ja, und dann wundert sich die Genossin Ministerin, dass sächsische Bürger an einer Einstufung zweifeln, deren Begründung der Geheimhaltung unterliegt? Sie sollte stolz auf Bürger sein, die Mitteilungen misstrauen, die nicht hinreichend begründet werden.

Erfolge deutlicher zeigen

Aber das Weltbild von Genossin Köpping ist ein anderes. Unabhängig davon, was Sie von der AfD halten: Was würden Sie als Markenkern der AfD ansehen? Möglicherweise stimmt das nicht ganz mit dem überein, was die sächsische SPD-Spitzenkandidatin dazu sagt. Auf die Frage „Welche Themen der AfD halten Sie denn für besonders wichtig?“ antwortet sie tatsächlich: „Ein zentrales Thema ist die Wirtschaftspolitik. Die Wirtschaft lebt in Sachsen zu 70 Prozent vom Export, und die AfD will aus der Europäischen Union austreten. Das wäre für unsere Wirtschaft verheerend.“

Während die Bilanz der Regierung hervorragend ist. In Petra Köppings Welt scheint es Rezession, Deindustrialisierung und Inflation nicht zu geben.

Wir haben in den letzten 33 Jahren viel erreicht. Wir bekommen über 30 Milliarden Euro Investitionen nach Sachsen, durch die Ansiedlung von Industrie, durch zwei neue Forschungsinstitute, durch einen neuen Bundeswehrstandort. Das sind alles Dinge, die es in der Größenordnung in diesem Bundesland noch nie gegeben hat. Diese Erfolge müssen wir deutlicher zeigen.“

Ach ja, die Genossen haben ihre Erfolge nur nicht richtig erklärt. So ähnlich hat Margot Honecker das Scheitern der SED-Diktatur in Interviews aus Chile auch gern begründet. Aber die Welt fragte hinsichtlich des AfD-Markenkerns noch einmal nach:

Eine Sache haben Sie nicht genannt, die auch sehr viele Wähler zur AfD treibt, nämlich die Migrationspolitik der etablierten Parteien. Ist das für Sie ein Anlass zur Selbstkritik?“

Und kommt jetzt Selbstkritik? Nein, hier bedient sich Genossin Köpping einfach eines Textbausteins aus dem Jahr 2015: „Migration wird es immer geben. Das ist ein Fakt. Die Frage ist, wie wir damit umgehen. Und da sagen wir: Geflüchtete Menschen müssen schnell die Möglichkeit bekommen, zu arbeiten. Arbeit sorgt dafür, dass Akzeptanz da ist. Jeden Tag redet irgendeine Branche von Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel.“

Was für eine Aussage der Staatsministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt. Da werden die Sachsen jetzt bestimmt in sich gehen und SPD wählen. Vielleicht sollte Genossin Köpping sich einmal die Wirklichkeit im öffentlichen Raum in vielen sächsischen Städten anschauen. Oft reicht schon der Blick auf den jeweiligen Bahnhofsvorplatz, um zu sehen, was sich in den letzten Jahren verändert hat, aber worüber man nicht sprechen soll, weil es sonst Ärger gibt. Aber spätestens in der Wahlkabine äußert es sich dann. Da hilft auch keine ministerielle Wahrnehmungsverweigerung. Im Gegenteil.

 

Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.

Foto: Sandro Halank CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Volker Kleinophorst / 22.02.2024

Ich bin gerade an einem Geschäft vorbeigefahren, da stand im Fenster: Ich bediene lieber 10 SPDler, als einen von der AfD. War ein Bestattungsinstitut.

Robert Schleif / 22.02.2024

“Das Laster, gestützt auf das Verbrechen”, sagte Napoléon einmal, als sein korrupter verräterischer Außenminister Talleyrand mit dem fiesen skrupellosen Polizeiminister Fouché heranhumpelte. Wenn ich an die künftigen Koalitionen in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt denke, fällt mir immer unwillkürlich dieser Ausspruch ein…

Ferdinant Katz / 22.02.2024

Auch die Genoss*in Köpping, gehört offenbar zu der Sorte, phantasieloser “roter Ratten” die sich in ihrem Laufrädchen totlaufen, während sie, im Wahn, davon ausgehen sie bewegten sich fort, während das Rad sich dreht. Es hat schon etwas tragikomisches, diese roten und grünen Quoten-Weiber, ihre starre Routine abspulen zu sehen, unabhängig davon, ob die Welt, die ihren Elfenbeinturm umgibt (und stützt) nach und nach zusammenfällt und der ignorierte Pöbel, sich zunehmend, nach neuen Optionen umsieht, um nicht im angerichteten Scheisshaufen größenwahnsinniger Ideolog*innen, ertrinken zu müssen. Erster und einfachster Rückschluss: “Ich, mach mein Kreuz, woanders !!” Und Hand aufs Herz, viel “revolutionärer” muss es auch nicht werden.

Rolf Mainz / 22.02.2024

“Geflüchtete Menschen müssen schnell die Möglichkeit bekommen, zu arbeiten. Arbeit sorgt dafür, dass Akzeptanz da ist. Jeden Tag redet irgendeine Branche von Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel.“ Deutlicher lässt sich die doppelte Moral solcher Mitläufer nicht belegen. In einem Atemzug ist die Rede von “geflüchteten Menschen” und “Arbeitskräftemangel”. Ja, was denn nun? Stehen wir tatsächlich Menschen in Not bei? Oder wollen wir nur billige Arbeitskräfte? Oder versuchen wir die Quadratur des Kreises, geben uns zunächst betont human, “retten” was das Zeug hält - und bedienen uns dann an der (vermeintlichen) Arbeitskraft? Und währenddessen duldet man ein Millionenheer von Langzeitarbeitslosen, die durchaus zur Deckung eines Arbeitskräftemangels eingesetzt werden könnten - und im Sinne sozialer Gerechtigkeit auch sollten. Was ist die Wahrheit? Man hat diese Menschen bereits abgeschrieben und hält sie über soziale Alimentierung dauerhaft still. Auch der ständige Unfug mit den EU-Segnungen beim Export ist unerträglich. Das Gros dieser EU-Binnenexporte wird über sog. Target2 finanziert, mit anderen Worten: die Kunden lassen - insbesondere auf deutsche Kosten - “anschreiben”. Sprich: die tollen deutschen EU-Exporte finanziert Deutschland selbst vor, mit naheliegenden Chance auf Rückzahlung durch faktisch bankrotte Mitgliedstaaten.

Steffen Huebner / 22.02.2024

Hauptsache Export, notfalls auch für warmen Händedruck oder Schuldschein der EZB (Target- Saldo > 1,2 Billionen), deren Beitreibung ungeklärt ist. Warum macht dieses Land eigentlich nicht mal geschlossen Urlaub?

Thomas Kurt / 22.02.2024

Ja, die sozialistische Zusammenhalt-Ministerin. Ein würdiges Mitglied des Kretschmer-Vereins. Die wollen gerettet werden, nicht das Land und die Demokratie, wie es Frau Stephan so treffend im Parallelbeitrag ausdrückt.

Volker Kleinophorst / 22.02.2024

Das Weltbild? Das sieht man schon am Foto. Zu: “Die MUSS sagen, was sie eigentlich will.” Das gilt auch für die Bundesregierung? Kampf gegen Rechts ist Kampf für mehr Migration, mehr Diktatur, höhere Steuern und Enteignung. Also selber mal ehrlich machen.

Didi Hieronymus Hellbeck / 22.02.2024

Aus gegebenem Anlass empfehle ich, in Sachsen auf Wahlkabinen zu verzichten bzw. den Bürgern nahezulegen, diese nicht zu nutzen. Wer zur Demokratie steht, anständig ist und nichts zu verbergen hat, kann seinen Briefwahlzettel auch dem zuständigen ABV zur Weiterleitung an die für das Auszählungswesen zuständigen Genossen überlassen. Ich weiß, dass bei negativ-feindseligen Elementen aus Kreisen dieser sog. AfD meine Empfehlung auf Widerstand treffen wird, doch sollte uns gerade dies nicht klarmachen, dass wir mit aller Kraft Haltung zeigen müssen? Nie wieder Nazismus, nie wieder Rassismus, nie wieder Scheindemokratie! Sag’ mir, wo Du stehst! Mit einheitssozialistischem Gruß. gez. Hellbeck, Ehrenmitglied der zentralen Plankommission der SPDCDUGRÜNELinke-Kreisverwaltung Bautzen.

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