Peter Grimm / 09.05.2024 / 06:15 / Foto: Montage achgut.com / KI / 122 / Seite ausdrucken

Sind normale Bürger Gewaltopfer minderer Güte?

Wer „demokratischen“ Politikern Gewalt antut, soll härter bestraft werden, als wenn er den gemeinen Bürger angreift? Welch undemokratische Idee. Selbst als es für Politiker der Bundesrepublik viel gefährlicher war, kam niemand darauf.

Wenn ein wahlkämpfender EU-Parlamentsabgeordneter auf offener Straße krankenhausreif geschlagen wird, dann müssen die Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden selbstverständlich mit aller Konsequenz und der möglichen Härte des Gesetzes gegen die Täter vorgehen. Auch wenn es sich um Angriffe auf andere Wahlhelfer oder eine Berliner Senatorin handelt. Doch ebenso sollte es sein, wenn ein einfacher Bürger ohne politisches Amt und Parteizugehörigkeit grund- und anlasslos krankenhausreif geschlagen wird. 

Doch jetzt fordern in Bund und Ländern regierende Politiker, dass es schwerer bestraft gehört, wenn einer der ihren angegriffen wird, als wenn die Gewalt einen aus dem gemeinen Volk trifft. Das soll im Strafrecht festgeschrieben werden, forderte u.a. der sächsische Innenminister, und seine Initiative fand Zustimmung bei Ministerkollegen. 

„Der sächsische Innenminister Armin Schuster kündigte eine Initiative seines Bundeslandes im Bundesrat an, um im Strafgesetzbuch die Bedrohung von Amts- und Mandatsträgern gesondert zu regeln. Das sächsische Kabinett will diese noch heute beschließen. Der CDU-Politiker sagte in den tagesthemen, der Rechtsstaat müsse Zähne zeigen“, meldete tagesschau.de bereits am Dienstag. Weiter hieß es: „‚Wir brauchen einen neuen Straftatbestand im Strafgesetzbuch für die Bedrohung von Amts-, Mandatsträgern und Ehrenamtlern“, forderte Schuster. Das sei im Moment rechtlich noch schwer greifbar.“

Damit ist Schuster bei dem Innenministertreffen offenbar gut angekommen. Auch die Bundesinnenministerin soll für eine Gesetzesverschärfung offen sein.

Aber warum muss es neue Sonderstrafrechtsbestimmungen für Gewalttaten geben, deren Opfer Politiker sind? Ist es schlimmer, wenn einer der Erlauchten krankenhausreif geschlagen und getreten wird, als wenn dies einem gemeinen Bürger geschieht? Wie lässt sich diese Unterscheidung begründen? Weil in jedem Falle auch das Amt des Politikers angegriffen wird? Auch bei anderen Gewaltopfern kann der Angriff etwas mit ihrer Berufsausübung zu tun haben. Reichen nicht die individuellen Unterscheidungen, die die Strafgerichte ohnehin vornehmen, wenn sie im jeweiligen Fall ihr Urteil sprechen? Sind Politiker bessere Menschen, die per Gesetz einen besseren Schutz als Andere verdienen? 

Viele deutsche Bürger fühlen sich angesichts der zunehmenden Gewalt im öffentlichen Raum nicht mehr sicher. Warum soll es besseren Schutz durch höhere Strafandrohungen nur für Politiker geben? Wie ist das mit der Gleichheit vor dem Gesetz vereinbar? Vor allem ist der Gedanke, Politikvertreter müssten im Namen der Demokratie rechtlich besser gestellt werden als der Souverän, also die Bürger selbst, zutiefst undemokratisch. Wie kann er dann so unwidersprochen bleiben, während er schon beginnt, sich zu einem Gesetzentwurf zu entwickeln?

Schüsse auf den Minister

Die letzte Frage beantworten Verschärfungsbefürworter damit, dass es mit der politischen Gewalt jetzt viel schlimmer geworden sei, als es jemals in der Bundesrepublik war. Wirklich? Jüngere Menschen mögen dies glauben, aber die Älteren sollten vielleicht einmal ihr Gedächtnis bemühen und sich beispielsweise an das Jahr 1990 erinnern.

Es gab noch kein Internet und keine sogenannten „sozialen Medien“, die man als Plattformen für die Verbreitung von „Hass und Hetze“ hätte geißeln können, die der Gewalt Vorschub leisten würden. Aber es gab natürlich Gewalttäter und auch Gewalt gegen Politiker. Und da konnte es durchaus gefährlicher sein als heute. Innerhalb eines halben Jahres wurde beispielsweise mit Oskar Lafontaine zuerst der SPD-Kanzlerkandidat von einer Attentäterin bei einer Veranstaltung niedergestochen, dann hatte ein Attentäter den Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble bei einer Veranstaltung im Heimatwahlkreis niedergeschossen. Dieser war seitdem bekanntlich auf den Rollstuhl angewiesen. In beiden Fällen hätte es für die Opfer auch tödlich ausgehen können.

Was wäre wohl heute nach solchen Anschlägen los? Damals hätten die handelnden politischen Verantwortungsträger die Idee, für Angriffe auf Politiker extra Strafrechtsbestimmungen einzuführen, wohl für vollkommen absurd gehalten. Konsequenzen aus diesen Taten zogen Polizei und Justiz in anderer Weise. Auf Wikipedia heißt es dazu:

Bei den Sicherheitsbehörden führten die Attentate des Jahres 1990 zu einem Umdenken. Bis zu diesem Zeitpunkt galt der Terrorismus, insbesondere der von der Rote Armee Fraktion (RAF) verübte, als die größte Gefahr für Politiker. Seitdem werden auch psychisch kranke Einzeltäter als Bedrohung wahrgenommen.“

Solche Lehren aus Attentaten zu ziehen und sie dahingehend auszuwerten, sein Täterbild zu aktualisieren und zu schärfen, ist natürlich immer dringend geboten. Es aber zum Anlass zu nehmen, ein Sonderrecht für Politiker zu schaffen, sollte in einem freiheitlich-demokratischen Staat heute ebenso undenkbar sein wie damals. Wie sollen Bürger das verstehen, in einer Zeit, in der sie sich fast alle wünschen, besser vor Gewalttaten geschützt zu werden, deren Zahl und Schwere stetig steigt.

Wer solche Gesetzesinitiativen vorantreibt, darf sich nicht beklagen, wenn mehr und mehr Bürger das Politiker-Soziotop für eine elitäre, abgehobene Blase halten. Was kommt als nächstes? Neue Majestätsbeleidigungs-Paragraphen für Politiker, weil man diese sensiblen Feingeister nicht so schlechter Nachrede aussetzen darf wie den Pöbel? Denkbar wäre es, wenn man sieht, wie überempfindlich gerade Ampel-Politiker auf Witz und Schmähkritik reagieren. Wer wirklich die Demokratie verteidigen will, der streitet für mehr Sicherheit für alle Bürger und nicht nur für Seinesgleichen. Das ist übrigens vor allem die Kernaufgabe der Innenminister aus Bund und Ländern, nicht die Schaffung von Gesetzen zum besseren Politiker-Schutz. 

Für unsere Rubrik „Achgut zum Hören“ wurde dieser Text professionell eingelesen. Lassen Sie sich den Artikel hier vorlesen.

Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.

Foto: Montage achgut.com / KI

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G. Männl / 09.05.2024

Dann müssen die besonderen Mitmenschen sich aber besonders kennzeichnen. Nicht das sich jemand ohne Absicht strafbar macht. Wie wärs mit einem rot-weißen spitzen Hut?

N. Schneider / 09.05.2024

Wir bewegen uns in Riesenschritten der Orwell’schen Dystopie entgegen. Nachdem bereits der Neusprech eingeführt ist und zum Teil Gesetzeskraft erlangt hat (“Selbstbestimmungsrecht”), das BfV den neuen Phänomenbereich “Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates” eingerichtet hat, gilt es nun das Gebot „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher“ in eine konkrete Rechtsnorm zu gießen.

Wolfgang Richter / 09.05.2024

“Sind normale Bürger Gewaltopfer minderer Güte?” - Es geht nicht nur um die Opfer, sondern ggf. auch um die Täter, wenn selbige zur politisch unterstützten Klientel der Willkommenskultur gehören. Nicht nur, daß der von 3 MiHiGrus in Paderborn zu Tode getretene “Bio-Deutsche” im Gegensatz zum etwa gleichzeitig verprügelten Plakate klebenden Sozen aus Sachsen medial kaum Erwähnung findet, schon gar nicht seitens der ansonsten hyperventilierenden Politdarsteller, nirgendwo der Name genannt wird. Richtig putzig wird das politische Instrumentalisieren von Gewalttaten, wenn ein gewisser “Robbäärt” auch diesem Sozen “kondoliert”, er aber gleichzeitig einen in Gelsenkirchen verprügelten Grünen Parteigenossen nicht erwähnt, weil auch hier nicht “deutsche Springerstiefelträger” ihren Frust abgelassen haben, sondern halt gleichfalls MiHiGrus. Derart selektierende Politdarsteller und Mediale kann ich beim besten Willen nicht mehr als Teil der von ihnen immer so schön hoch gehaltenen “Werteordnung” ernstnehmen. Es sind willkürlich agierende Popanze, die aus persönlich-ideologischen Gründen die Wahrheit verbiegen und “das Volk” nach Strich und Faden in ihrem Sinne verar….. Und die “Tagesschau-Klkientel” glaubt.

Thomin Weller / 09.05.2024

@A. Ostrovsky KH Deschner hat als Kritiker einiges auf den Punkt gebracht. “Recht ist der Fortschritt des Faustrechts in Paragraphen, die Maske der Gewalt eine Prozedur, bei der die Willkür als Kür auftritt.” Und Fritz Bauer wollte das Widerstandsrecht der Bevölkerung stärken und scheiterte in einer Badewanne. “Nichts gehört der Vergangenheit an, alles ist noch Gegenwart und kann wieder Zukunft werden.” In Frankreich völlig normal im Fernsehen über eine Revolution zu diskutieren, ist hier im verfassungsfeindlichen Kirchenstaat staatsgefährdend usw. Eines ist immer wieder öffentlich zu beobachten. Kaum geht die Judikativ wie Staatsanwälte etc. in den Ruhestand, werden sie quasi Whistelblower. Wenn ein Oberstaatsanwalt Fred Apostel Persilscheine ausstellt/en muss, dann kann man sich vorstellen welche Dimension seine Aussage zu dem jur. Filz hat. Ein Meineid ist eine Straftat. Aber da kam die rettende Idee, ein “Motivationsirrtum”. Und kaum in Rente “Vertrauen in Politiker erschüttert - Oberstaatsanwalt Apostel geht in Pension” Quelle general-anzeiger-bonn. Und er war nicht der einzige mit der Aussage. Sueddeutsche 19.5.2010 “Vom Umbau des Rechtsstaats in einen Präventionsstaat. Der große Rüssel. Innenminister Schäuble hat geschafft, was seinen Vorgängern nie gelungen war: Eine Grundsatzdiskussion über die Veränderungen des Rechtssystems in Deutschland. Werden seine Pläne umgesetzt, wird jeder Bürger zum Ausländer im eigenen Land…Banalisierung der Grundrechte. .. Politik hat sich von Karlsruhe abgekoppelt.” P.S.  Wie gerade gehört, wird Deutschland mit kriminellen Goldstücken überflutet. Sie werden aus den Ländern Schweden, Polen und anderen rausgeworfen.

Heinrich Moser / 09.05.2024

Das war bei Fürsten immer schon so.

Ilona Grimm / 09.05.2024

@A.Ostrovsky: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“. Meine viel schlichtere Definition besagt: Souverän ist, wer Unrecht in Gesetze gießt und diese vollstreckt. - - Und JA, ES IST FASCHISMUS!

Ilona Grimm / 09.05.2024

Die wunderbar gelungene Bildmontage habe ich in Gedanken mit einem gewaltigen auf den selbstgerechten Herrn zielenden Blitz aus den dunklen Wolken ergänzt. Übrigens lösen sich manche Wolken auch unvermittelt unter einem auf…

Else Schrammen / 09.05.2024

Ja, schreit ihr Großkopfeten, alle wie ihr da seid, schreit so laut ihr könnt und fordert härtere Strafen, wenn ihr Gottgleichen eins drüber kriegt. Geht euer Kriegsgeheul aberr auch soweit, dass es AfD-Politiker und Wahlheker einschließt oder wird da mit zweierlei (zu dem dreierlei komme ich noch) Maß gemessen? Ja, gut, die Pulizei ermittelt auch in diesen Fällen eifrig und ohne Unterlass, zumeist aber ohne Ergebnis. Und wenn dann doch mal ein Bösewicht - meistens einer oder mehrere Antifanten - erwischt wird, sagt unter Garantie der Staatsanwalt: Halb so schlimm, nur ein blaues Auge, die Nase sitzt zwar jetzt etwas schief im Gesicht, aber nicht so tragusch . Und wie sieht es mit den einfachen Untertanen (als Bürger würde ich den Großteil der Deutschen nicht mehr bezeichnen) aus? Ist der minderwertig, weil er nicht so viel Staatsknete bezieht wie ihr? Soll da weniger hart bestraft werden, weil die “Angreifer” zu einem großen Teil einer Volksgruppe anghören, die eher nicht einem nordischen Phänotypus zuzurechnen sind? Die, wenn man sie denn mal anklagt, mit einem DU, DU nach Hause geschickt werden? Wo hartes Durchgreifen ein Tabu ist? Gewalt ist nie ein Argument, aber, ihr Faesers und Schusters und wie ihr alle heißt, schafft euch neue Maßbänder an, bei denen nicht zwischen Zentimeter, Zoll oder Inches unterschieden wird! Ein Maßband mit EINEM EINHEITLICHEN MAß genügt!

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