Markus C. Kerber, Gastautor / 18.04.2022 / 10:00 / Foto: Cezary p / 30 / Seite ausdrucken

Wahlen beim Erbfreund

Im ersten Wahlgang setzt sich der hochmütige französische Präsident gegenüber allen anderen Mitbewerbern durch, aber die rechtspopulistische Marine Le Pen bleibt ihm auf den Fersen. 

Niemals war die Beteiligung an Präsidentschaftswahlen so niedrig wie am 10.4.2022. Der Sieger mit knapp 28 Prozent der abgegebenen Stimmen, Präsident Emmanuel Macron, erschien sofort nach Bekanntwerden des Resultats zu einer wohl vorbereiteten Massenveranstaltung, auf der er – wie bereits auf der einzigen vorhergehenden Wahlkundgebung – Sprechchören Fragen stellte, die diese – ähnlich wie bei kommunistischen Parteien üblich – lautstark bejahten. Der Abstand zur zweitplatzierten Marine Le Pen täuscht darüber hinweg, dass das Potenzial nationalistischer, deutschlandfeindlicher Strömungen in Frankreich noch nie so groß war. Dazu tragen nicht nur Marine Le Pen und der linkssozialistische Mitbewerber Mélenchon mit immerhin 21 Prozent der Stimmen, sondern auch Eric Zemmour (7 Prozent) bei, der – ähnlich wie Madame Le Pen – das Problem Europas deutlich eingekreist hatte: die deutsche Dominanz. 

Macron ist im Grunde ähnlich germanophob eingestellt, äußert seine Gegnerschaft gegenüber Deutschland indessen sehr viel diplomatischer und weiß, dass das Lager des deutschen Rivalen sehr gespalten ist. So gespalten, dass es ihm sogar gelungen ist, Ursula von der Leyen als Quasi-Mitarbeiterin zu rekrutieren. Im verbalen Unterschied zu Madame Le Pen predigt er mehr Europa und mehr deutsch-französische Zusammenarbeit, meint indessen damit mehr französische Dominanz in Brüssel und eine Degradierung Deutschlands zum industriellen Juniorpartner. Brüssel ist zu einem Umverteilungssystem zugunsten Frankreichs unter spendabler Beteiligung Deutschlands geworden: Das europäische Navigationssatellitensystem Galileo wird ausschließlich von französischen Unternehmen gebaut, die Taxonomie-Entscheidung der Europäischen Kommission ist zugunsten der Kernkraft gefallen, der Hohe EU-Beauftragte für Außenpolitik Borrel bestellt für 1,5 Milliarden Euro Waffen für die Ukraine und präferiert dabei bestimmte Lieferanten.

Zählt man die politischen Strömungen zusammen, so ist die Mehrheit der Präsidentschaftskandidaten angetreten, um aus der europäischen Integration eine französische Veranstaltung zu machen und ein für allemal das Mächtegleichgewicht zugunsten Frankreichs und zuungunsten Deutschlands zu verschieben. Das sollten die Deutschen wissen, wenn es am nächsten Sonntag in Paris um die Wurst geht. Dann treten Marine Le Pen und Emmanuel Macron mit unterschiedlichen Diskursen, aber einem identischen strategischen Ziel an. 

Die deutsche Öffentlichkeit wird von den öffentlich-rechtlichen Medien hierüber systematisch getäuscht, und alle Kanäle der ARD präsentieren Macron als den Retter Europas. Der junge Mann, der sich in den letzten 2 Monaten dadurch auszeichnete, jedwede Debatte mit anderen Kandidaten zu verweigern, dürfte als Sieger aus dem Duell hervorgehen. Es ist ihm in der Tat gelungen, die gesamte politische Mitte des Landes, also Republikaner und Sozialisten, zu eliminieren und – welche Leistung! – das Land vor die Wahl zu stellen: ich oder die extreme Rechte. 

Noch nie ist ein französischer Präsident und Kandidat so gefährlich für die deutsche Souveränität gewesen. Wir werden sehen, wie lange die Deutschen sich die trügerischen Sirenentöne zur deutsch-französischen Freundschaft nach der wahrscheinlichen Wiederwahl von Macron noch anhören werden. 

 

Dr. jur. Marcus C. Kerber ist Professor für öffentliche Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin, Gründer des Thinktanks www.europolis-online.org und Autor des Buches „Europa ohne Frankreich?“ (Neudruck bei Edition Europolis, Berlin). Er ist Absolvent der E.N.A. Jahrgang „Denis Diderot“ 1984/85.

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Angelika Meier / 19.04.2022

“so gefährlich für die deutsche Souveränität gewesen”: Die will hier doch keiner haben. Sie möchten in der EU aufgehen. Aber die EU soll eine Art größere BRD sein. Schwierig wird es nur, wenn die EU nicht will, was die BRD will. Aktuell die Atomkraft. Möglicherweise kommt das in Zukunft noch öfters vor, dass die EU nicht will, was die gute BRD will. Dann gibt es noch mehr Framingbedarf der Medien.

Christoph Köhler / 18.04.2022

Mein “Erweckungserlebnis” bezüglich der deutsch-französischen “Freundschaft” hatte ich während meines Wehrdienstes Ende der 80er Jahre als Soldat im Stabsdienst. Während einer Planspielübung wurden auf Führungsebene die Abläufe für ein typisches Ernstfallszenario in der Zeit des kalten Krieges durchgespielt und eingeübt: Truppen des Warschauer Paktes überschreiten mit starken Panzerverbänden die innerdeutsche Grenze und stoßen auf breiter Front schnell nach Westen vor. Als sich abzeichnet, dass sie mit konventionellen Mitteln nicht mehr aufzuhalten sind und sich der französischen Grenze nähern, kommt es seitens Frankreichs zum Einsatz von Atomwaffen, mit denen der weitere Vormarsch der roten Truppen aufgehalten werden soll. Die allermeisten der Atomsprengköpfe detonieren auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik, keine der französischen Kurz- und Mittelstreckenraketen fliegt weiter als bis Dresden, da sie es, bedingt durch ihre begrenzte Reichweite auch gar nicht können… Seitdem bekomme ich Würgereize, wenn irgendein serviler deutscher Doofpolitiker mal wieder irgendwas von unseren französischen “Freunden” oder der glorreichen deutsch-französischen “Freundschaft” faselt. Unsere französischen “Freunde” hätten uns ohne mit der Wimper zu zucken ins nukleare Nirvana gepustet, um ihren eigenen Ar… und den ihrer “Grande Nation” zu retten und sich anschließend wahrscheinlich darüber gefreut, das lästige ewige rechtsrheinische Problem bei der Gelegenheit gleich mit beseitigt zu haben… Ich sehe leider seit dem Beginn der französischen Hegemonial- und Expansionspolitik unter Ludwig XIV. , die sich vor allem gegen das innerlich zerstrittene Heilige römische Reich deutscher Nation (und das Haus Habsburg) richtete und dessen Schwäche z. B. im Dreissigjährigen Krieg oder im Pfälzischen Erbfolgekrieg brutal zu seinem Vorteil ausgenutzt hat, keine grundsätzliche Veränderung der Interessen französischer Politik.

Stanley Milgram / 18.04.2022

Eben das neueste angeblich “rechte Demo”-Video aus Malmö geschaut. Freut euch drauf… Allahu Akbar.

Jochen Brühl / 18.04.2022

Na wenn das so ist, sollten wir am nächsten Sonntag alle für Le Pen die Daumen drücken. Denn dann werden es die deutschen Ampelparteien, die CDU/CSU und die Linken mit der Kooperation mit Frankreich nicht mehr so eilig haben.

Heribert Glumener / 18.04.2022

Deutschland wird von allen Seiten gefickt. Die Deppen in Berlin werden womöglich gar das Gas-Embargo vollziehen müssen – danach Stahl und Chemie im Eimer, Wettbewerbsschwächung hoch drei, samt aller Breiteneffekte im Mittelstand. US- und Araber-Abhängigkeit. Frankreich ist mit Unternehmen wie Totalenergies hingegen strategisch weitaus besser positioniert. Plus Atomkraft. Plus die vereinigten EU-Kollaborateure samt Oberkollaborateurin. Freuden-Schampus. in Paris. Am Kupfergraben in Berlin hockt eine Alte und säuft ihren Weißwein. Komischerweise wird sie immer noch in weiten Teilen der Bevölkerung geachtet - in Deutschland. Woanders wohl öffentlich geehrt und intern verlacht.

Frank Stricker / 18.04.2022

Gerade gibts ja kräftig Wahlhilfe aus Schweden für Le Pen. Viele Franzosen habe dabei ihr Deja-vu, Alluah-Akba brüllende Horden, die Volksvermögen vernichten. Von deutschen Märchen-Medien gerne als “Gegendemonstranten” bezeichnet…......

Klaus Keller / 18.04.2022

Ich kann mir gut vorstellen das den Franzosen bei dieser Wahl die Deutschen völlig wurscht sind. Interessanter ist die Frage ob man einen Krieg mit Russland riskiert in dem man zB mehr Waffen liefert oder ärgeres im Sinn hat. Es wirkt irgendwie auch so als ob da jemand Beziehungsideen hätte. Man könnte auch von Größenwahn reden wenn man ständig unterstellt das sich die Franzosen Gedanken darum machen was die Deutschen meinen. PS Geht es wirklich um den Rechtspopulismus von Madame Le Pen vs Ich-Ag Macron? Ich bin soweit zu meinen das für Frankreich letzteres das größere Problem ist.

Werner Arning / 18.04.2022

Zum Glück weiß die Mehrheit der Deutschen nicht, was die (meisten) Franzosen in Wirklichkeit von ihnen halten. Bei der Frage „Europa“ geht es einzig darum, das Beste für Frankreich herauszuholen, egal welchen Kandidaten man betrachtet. Macron macht sich dabei die deutsche Naivität am geschicktesten von allen zunutze. Deutschland soll zahlen. Punkt. Frankreich will führen. Punkt. Und die Deutschen servieren den Franzosen die Führungsrolle auf dem Silbertablett. Dank haben die Deutschen dafür allerdings nicht zu erwarten. Auch keine Liebe seitens der Franzosen. Man bewundert die deutsche Leistungsstärke zwar, doch bleiben die östlichen Nachbarn den Franzosen, bis auf Ausnahmen, fremd. Die Franzosen brauchen die Deutschen, aber sie lieben diese nicht. Sie brauchen Europa, aber sie lieben Frankreich. Und das wird auch so bleiben. Egal welche Schauspielkunst und welche Täuschungsmanöver Macron an den Tag legen mag. Uschi fällt jedenfalls hemmungslos darauf herein.

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