Thilo Schneider / 15.08.2021 / 10:00 / Foto: Timo Raab / 58 / Seite ausdrucken

Wahl der Qual

Ach, könnte man unsere Kanzlerkandidat*innen doch nur mit dem Herzblatt-Hubschrauber in ferne Gefilde verbringen lassen. Stattdessen müssen wir eine(n) von ihnen erwählen. 

Der Wahltag naht mit großen Schritten, und nie wollten so viele so relativ wenige so ungern wählen. Mir kommt diese Wahl wie Rudi Carrells gute alte Kuppel-Show „Herzblaaaatt“ aus den 80er und 90ern vor: Nachdem sich alle Kandidaten brav vorgestellt und läppische Fragen des Herzblattsuchenden beantwortet hatten, fasste dann eine sympathische weibliche Stimme aus dem Off das Gesagte zusammen. Das sähe jetzt so aus:

„Und nun, lieber Wähler, bist du gefragt. Willst du als Kanzler oder Kanzlerin

– den rüstigen 63-jährigen Olaf mit dem großen Finanzsachverstand, der dir den Mindestlohn auf Erden verspricht? Olaf kommt mit einer ganzen Entourage von unfähigem und überheblichem Personal wie der Sawsan aus Berlin, dem Helge aus Wuppertal, dem Pöbel-Ralle und der Saskia aus der Hölle.

Oder soll dich

– Armin, der fahle Westfale aus NRW und Bastard von Karl dem Großen die nächsten vier Jahre begleiten? Armin ist sehr zurückhaltend und so spannend wie ein Käsebrot, lacht aber auch gerne mal, wenn’s grad nicht passt. Armin lässt sich gerne Schirm und Mäppchen von Leuten tragen, die noch fader sind als er.

Oder soll

– Annalena, die quirlig-quietschig bunte Versprecher-Trulla aus dem Völkerrecht mit dem aufgeplusterten Lebenslauf, die bar jeder fundierten Kenntnis von irgendetwas ist, die nächste Legislaturperiode regieren? Mit ihr bekommst du glashart geheuchelten Umweltschutz mit einer Brigade von Studienabbrechern, die anderen vorschreiben wollen, wie sie selbst nicht gerne leben würden.

Überlege gut. Euch beiden winken die ersten vier Jahre nach Merkel und deine drei Kandidaten sind wirklich das Beste, was wir in Deutschland für dich finden konnten!“

Die Kandidatin lässt sich vertreten

Ich als Wähler nehme dann Option Nummer 4: den Niederländer mit dem Namen „Keiner von Denen“, der derzeit im Übrigen die höchsten Zustimmungswerte hat.

Apropos Zustimmungswerte: Damit sich das Annalena nicht dauernd verplappert, haben die Grünenden sie augenscheinlich weggesperrt, der „Von-Weiß-ich-nicht-Melken?“-Habeck nimmt ihre Termine wahr, eine wirklich kluge Entscheidung. So ist sie zwar Kandidatin, hat aber nichts zu sagen. Das würde sich bei einer eventuellen Kanzlerinnenschaft nicht ändern. Hoffentlich.

Laschet hingegen hat das Kunststück fertiggebracht, seine Unbeliebtheitswerte deutlich zu erhöhen und bildet von gleich drei Unfähigen derzeit das Schlusslicht. Im Gegensatz zu Scholz, der wahrscheinlich der beste Mann in der miserabelsten Partei ist, ist es bei Laschet umgekehrt. Der eine oder andere Unionspolitiker soll ja noch ganz bei Trost sein, sodass hier die Union den Kanzler in die Regierung hieven könnte und nicht umgekehrt.

Bleibt noch Scholz, der bisher fehlerlos agiert, auch, wenn sich sein weltmännisches Flair in etwa so aufregend wie eine Kneipentour durch Pinneberg anfühlt. Er ist allemal besser als der Ex-Bürgermeister von Würselen, was ihn zum besten SPD-Kandidaten seit Gerhard Schröder macht. Wenn er nur nicht in der SPD wäre…

Am Ende die Überraschung

Insgesamt macht sich in der Bevölkerung viel Müdigkeit breit. Die Linke wird eh nur von Linksextremisten gewählt und wird keine Regierungsbeteiligung bekommen, die AfD macht Werbung mit Lurchi und ist prinzipiell gegen alles und jeden und sowieso auf Jahre hinaus koalitionsunfähig, da „Pars non grata“. Viele Bürger, die Hoffnung in die FDP gesetzt haben, bekommen eine Gemengelage aus Grünen, Schwarzen und Hellroten – aber „mit Digitalisierung“. Die FDP verteidigt ihre wachsweichen gleichzeitig „Dafür“- und „Dagegen“-Positionen bis zum Umfallen – was sie dann in Koalitionsverhandlungen auch tun wird. Wir wissen es alle.

Immerhin können sich bisher 3,5 Prozent für Aiwangers Freie Wähler erwärmen, die so etwas ähnliches wie eine Partei, nur ohne Parteiprogramm, sind. In etwa wie damals die Piratenpartei, aber in ordentlicher Kleidung und mit gekämmten Haaren.

Es bleibt spannend – und der Witz des Abends wäre, wenn tatsächlich die FDP stärkste Partei würde und Lindner plötzlich nach der Kanzlerschaft greifen könnte. Mit den Stimmen der AfD.

Obwohl – das würde die FDP dann gleich wieder rückgängig machen. Denn, wie heißt es in Artikel 63 des Grundgesetzes? „Gewählt ist, wer die guten Stimmen der Mehrheit der guten Mitglieder des Bundestags auf sich vereinigt!“

Freuen wir uns demnach also auf unsere neue, in dieser Verfassung nicht vorgesehene Bundeskanzlerin – Ursula von der Leyen. Muttis Schatten reicht weit!

(Weitere Wahlfragen des Autors unter www.politticker.de)  

 
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Foto: Timo Raab

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Leserpost

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Volker Voegele / 15.08.2021

Ziemlich unverständlich, dass die AfD keinen Kanzlerkandidaten aufgestellt hat. Sicherlich, sie hätte ergebnismäßig wenig Chancen und im Erfolgsfall die undankbare Riesenaufgabe zu assistieren, den ausgeplünderten Laden wieder in Schuss zu bringen. Aber hoffentlich wird der Tag kommen, an dem das Berliner Regierungsregime mit Armee-Hubschraubern in irgendwelche dünnbesiedelte Siedlungsgebiete evakuiert werden muss. Falls die Bundeswehr bis dahin überhaupt noch flugtaugliches Gerät hätte. Ansonsten volle Zustimmung zu der heiteren Charakterisierung der „Spitzenkandidaten“.

Ralf Pöhling / 15.08.2021

Was für ein Treffer. Wir haben die Wahl zwischen Pest und Cholera. Zwischen tauglichen Kandidaten in untauglichen Parteien und untauglichen Kandidaten in untauglichen Parteien. Beides ist suboptimal. Vielleicht sollten AFD und FDP kurzfristig doch noch Kanzlerkandidaten aufstellen, um den Konkurrenzdruck auf das Maximum anzuheben. Echte Diamanten entstehen nur unter enormem Druck. Und dieser Druck lässt sich herstellen. Und vielleicht, wenn wir ganz viel Glück haben, wird das vollkommen undemokratische Parteiensystem dabei zerschossen und die Demokratie in Deutschland endlich auf wirklich funktionierende Füße gestellt. Auf basisdemokratische Füße. Das Volk soll seinen Weg selbst entscheiden können. Und dann auch mit den Konsequenzen daraus leben. Und daraus lernen. Und zwar lernen, was es bedeutet, ein Staatsbürger zu sein und Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen.

Rolf Schreiber / 15.08.2021

Wenn der Teufel es will, wird sie Kanzlerin, die liebe Annalena , mit dem Fahrrad käme sie überall hin , die liebe Annalena .Sie kommt kaum noch raus und bleibt lieber drin , die liebe Annalena , wird zu oft zur Geisterfahrerrin , die liebe Annalena….... Sie ist keine Lebenslauftiefstaplerin, die liebe Annalena….. hat nur Verbote , Verbote im Sinn ,  die liebe Annalena….. darf gerne ergänzt werden…

Frank Stricker / 15.08.2021

Irgendwie verrückt, alle reden sich den Mund fusselig über die drei schlechten Karikaturen als Kanzlerkandidaten und wer wird die Wahl entscheiden ?  Christian Lindner natürlich, entweder Jamaika oder Deutschland-Koalition, Hauptsache FDP !

F. Hoffmann / 15.08.2021

„Aiwangers Freie Wähler“ haben ein Programm… Mit ca. 340 Gendersternen und mit grünerem Grün als die Grünen selbst (siehe unter „Klimaschutz“ und Energiewende). So eine Art Baldur Springmann Grüne. Also, wenn sie eine 6. grüne Partei mögen…

paul brusselmans / 15.08.2021

Von der Laien wäre erstklassig, um mit einer Leyenspielschar Deutschland zu regieren. Und ich freue mich schon auf die neue National?hymne, vom Visionär Christian Anders komponiert: Es fährt ein Zug nach Nirgendwo Und niemand stellt von grün auf rot das Licht Macht es dir wirklich gar nichts aus Dass unser Glück mit einem Mal zerbricht  

Theo Herbst / 15.08.2021

Ich hatte überlegt, taktisch zu wählen - also die CDU, um eine linksradikale Koalition zu verhindern. Aber mittlerweile ist mir klar geworden, daß es völlig egal ist, ob die CDU den Kanzler stellt oder nicht. Das Anbiedern an Grüne und Linke hat widerliche Ausmaße angenommen. Also bleibt doch nur die Wahl der einzig echten Oppositionspartei: AfD

Wolf Hagen / 15.08.2021

Der Armin ist KEIN Westfale! Dann wäre er eher wortkarg, stur, bauernschlau und würde klipp und klar sagen, was Sache ist! Der Armin ist ein typischer Rheinländer und daher butterweich, aufgesetzt fröhlich, schnell beleidigt, aus Überzeugung intrigant und so lebensecht, wie ein falscher Fuffziger. Und “Cum-Ex-Olaf” hat großen Finanzsachverstand…?! Okay, ist ja Satire. Nebenbei, wer das FDP-Modepüppchen Lindner wählt, bekommt in Wahrheit Kubicki und damit in jedem Fall Rot-Grün-Gelb, oder eben Grün-Rot-Gelb. Auch keine schönen Aussichten. Die AfD bleibt zwar so oder so der “Paria” im Parlament, ist aber dennoch die einzige echte Oppositionspartei. Gut, sie ist zwar derzeit ebenfalls nicht regierungsfähig, selbst wenn sie 51% hätte, was Gott sei Dank nicht der Fall sein wird, aber umso mehr Stimmen sie bekommt, desto mehr kann sie die Einheitsparty stören und bei dem einen oder anderen Unionisten würde vielleicht der Groschen fallen, dass er in der Union und nicht in der SPD ist. Jeder der also noch bei klarem Verstand ist, kann also nur die AfD wählen und sei es nur, um den Einheitsparteien etwas Angst zu machen.

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