Ein mir als Mensch und Local Hero sehr sympathischer Kollege aus verflossenen Tagen, da der Magazinjournalismus noch Maulwurfshügel zu versetzen imstande war, räkelt sich bis heute in der Herbstsonne einer in seiner Erinnerung epochalen Leistung. Er war es, so erzählt er Jüngeren gern, der zusammen mit anderen achtsamen Geistern das Waldsterben verhinderte.
Le Waldsterben, wie die Franzosen das deutsche Sorgenfroschkonzert halb verblüfft, halb amüsiert zu nennen pflegten, war vor ungefähr 40 Jahren das, was hierzulande vor Corona als Gefahr von rechts die Leute jeck machen sollte. Es gab da, zugegeben, aufrichtig Besorgte und klassisch naive Waldselige. Vor allem aber Wichtigtuer, Bußprediger, Ablassscheinverkäufer sowie kühle, clevere Politstrategen, die das Thema planmäßig hochjazzten.
Der Hype avancierte rasch zum obligatorischen Schnatterstoff für Medien und Politik. Mein Ex-Kollege gehörte zu jenen, die unermüdlich Titelgeschichten, Artikelserien und Bücher über den vermeintlich moribunden Wald verfertigten.
Aus gehäuft auftretenden Erkrankungen von Bäumen – in der Geschichte der Wälder durchaus kein einmaliges Geschehen – konstruierte man unter der Schlagzeile „Der Wald stirbt“ die Legende vom Todeskampf der Bäume. Die ersten großen Wälder würden schon in den nächsten fünf Jahren sterben. „Sie sind nicht mehr zu retten“, erklärte ein Bodenkundler namens Bernhard Ulrich. Er hielt Schwefeldioxid-Emissionen aus Industrieschloten – „saurer Regen“ – für die Ursache der Baumerkrankungen. Viele folgten seinen Erzählungen.
„Genozid an Bäumen“
Fortan überschlugen sich die Warnrufe vor dem „Genozid an Fichten, Tannen, Eichen und Linden“. Gesetze zur Luftreinhaltung wurden beschlossen, bleifreier Sprit eingeführt, die Briefmarke „Rettet den Wald“ herausgegeben, auf der eine Uhr drei (!) vor zwölf zeigte. An das „Würfelspiel ‚Sauerbaum‘, bei dem die Spieler versuchen müssen, saure Regentropfen von einer Tanne aufzusammeln, 1988 "Spiel des Jahres“, erinnerte die FAZ ein Vierteljahrhundert später in einer „Waldsterben“-Bilanz unter dem Titel „Natur der Hysterie“.
Es handelte sich um eine mentale Epidemie, die damals das Land befiel. Neben anderen Gründen war es maßgeblich das Gerede vom Waldsterben, welches die Grünen zu einer dauerhaften Kraft hochpäppelte. Sie veränderte die Republik nachhaltig. Es begann der lange Marsch der Illusionen durch die Institutionen.
Die Tatarenmeldungen erwiesen sich bekanntlich als falsch. Das Walddesaster fiel aus. Immer wieder geht es dem Wald mal schlechter, mal besser, aus vielerlei Gründen. Nicht allein Schadstoffe, auch Orkane oder Trockenperioden setzen Bäumen zu, aber nicht allen Arten an allen Standorten gleichermaßen. Andererseits erholen sich Wälder manchmal erstaunlich schnell, Forstfachleuten Rätsel aufgebend.
Auch über das Ausmaß von Waldschädigungen herrscht selten Konsens. Grüne Populisten und wirtschaftliche Nutznießer setzen sie gern in schwindelnden Höhen an. Zwecks Stimmenfang oder um möglichst hohe Staatshilfen abzugreifen. Der jüngste Alarm schrillte im vergangenen Jahr, nach zwei trockenen Sommern, unter der Parole „Waldsterben 2.0“. Laut FAZ war die tatsächliche Lage jedoch „nicht annähernd so dramatisch“, wie sie Unionsparteien, die Grünen und die Waldbesitzerlobby ausmalten. Gelinde gesagt, die Gemengelage rund um den deutschen Wald ist kompliziert. Sie wird wissenschaftlich noch nicht wirklich, wie es so schön heißt, verstanden.
Propheten können sich jeden Flop schönreden
Irritiert das die Waldretter? Natürlich nicht. Dass sie schon Anfang der 1980er auf dem Holzweg gewesen sein könnten (unter anderem deshalb, weil Nachbarstaaten wie Frankreich nicht annähernd so viele Schäden meldeten wie Deutschland und auch weniger Gewese darum machten), leuchtet ihnen bis heute nicht ein. Ihr Standardargument: Das finale Waldverrecken konnte abgewendet werden, weil wir Waldwächter das Land aufgerüttelt hatten.
Es handelt sich um dieselbe L’Esquive, mit der auch die Jünger des „Club of Rome“ fechtkampfgeschmeidig ausweichen, sobald man sie mit ihren grotesken Fehlprognosen konfrontiert. Wie, die Sache mit dem Öl, das bis 1992 komplett verbraucht sein würde (Club-Vorhersage von 1972), soll kompletter Quatsch gewesen sein? Im Gegenteil! Nur weil der Club damals Alarm schlug, gibt es noch heute Öl, da die Menschen aufgrund der Warnungen sparsamer mit der Ressource umgingen!
Doch der globale Ölverbrauch hat sich zwischen 1972 und 2018 fast verdoppelt, sodass die Ölvorkommen noch viel früher, als vom Club of Rome geweissagt, hätten futsch sein müssen. Ach, egal. Propheten können sich jedes gefloppte Szenario schönreden. Die sich nicht erfüllende Prophezeiung, sozusagen die von der Realität erledigte Dystopie, sie ist geradezu das Gütesiegel aller Kulissenschieber, die irgendwas mit Zukunft aufführen.
Klingt irgendwie aktuell, oder? Nachdem die famose WHO die Ausbreitung des Corona-Virus anfangs kleingeredet und keine Reiseeinschränkungen empfohlen hatte, rechneten die China-Kuschler Anfang März 2020 bei der Sterberate plötzlich mit satten 3,4 Prozent der Infizierten. 3,4 Prozent! Für Deutschland hätte dies bei einer 70-prozentigen Durchseuchung der Bevölkerung bedeutet, dass 1,9 Millionen Bürger mit/an Corona sterben würden.
Nur ein toter Patient ist ein guter Patient
Der Virologe Martin Stürmer nannte Anfang März im Gespräch mit dem Deutschlandfunk die vergleichsweise bescheidene Hausnummer 500.000. So viele „Corona-Tote“ könnten es schlimmstenfalls werden. Der DLF hievte die dramatische Zahl in die Headline des Interviews, das auch online ging. Überhaupt war die Devise so gut wie in allen Medien: Nur ein toter Patient ist ein guter Patient.
Dass die Berichte von der Virusfront oft fachlich unter sämtlichen Kanonen war, fiel sogar einem linken Mediendienst auf. Interessanter als das Stück ist womöglich ein langer Leserbrief dazu (Nummer 2, unter dem Nick „LLL“), der erfreulich sachlich mit den gängigsten Corona-Idiotien einer weithin überforderten Journaille abrechnet. Auch mit der gängigen Formulierung, Menschen stürben an der Corona-Infektion, obwohl nahezu alle Opfer alte, vorerkrankte Patienten sind, die mit der Infektion sterben. An klingt aber bedrohlicher.
In der Krise erwies sich der Staatsfunk wieder einmal als Stütze der Regierung, als deren getreue Echokammer. Doch auch die Corona-Berichterstattung der meisten Privatmedien glänzte durch Hilfswilligkeit, partout die Regierung bei der möglichst langen Verschleppung einer Normalisierung zu unterstützen. Vielleicht, um für die spätere Verteilung staatlicher Wohltaten in guter Erinnerung zu bleiben?
Nazi ist, wer der Großen Dichtmache nicht applaudiert
Dass die wegen Corona gebeutelten Privaten Hilfen aus dem Steuersäckel erhalten sollen, ist jedenfalls im Prinzip schon gebongt. Einige Verlage zieren sich noch ein bisschen, melden presseethische Bauchschmerzen. Doch Letztere werden, wetten, bald wundersam abflauen. Viele von den schon vor der Corona-Krise angeschlagenen Holzmedien werden wohl kaum auf staatliche Alimente verzichten können. Wer demnächst an die Tröge darf und wie viel Futter er abkriegt, steht allerdings noch aus.
Das Nachrichtenportal „n-tv“, pars pro toto, denunzierte Leute, welche den harten Shutdown von Wirtschaft und Kultur für überzogen halten, pauschal als „Corona-Leugner“. Dabei wurden Aluhut-Träger, die in dem Virus eine Waffe zur Erringung der Weltherrschaft sehen, arglistig mit manchen FDP-, CDU- und AfD-Anhängern sowie mit „Klimaleugnern“ in einen Pott gepackt.
Besser hätten auch Staatsfunk-Anker wie Claus Kleber, Marietta Slomka oder Caren Miosga die Botschaft nicht rüberbringen können. Die da lautet: Wer der Großen Dichtmache nicht vorbehaltlos applaudiert, ist ein „Rechter“ aka Nazi. Der „Focus“-Kolumnist Jan Fleischhauer fühlte sich an Merkels Große Aufmache im Jahre 2015 erinnert: „Alles ist wieder da: die Allianz des linken Lagers mit der Regierungschefin der Union. Der Stolz auf die vorbildliche deutsche Art, mit der man die Herausforderungen meistert. Die Ungeduld mit abweichenden Meinungen. Die Spaltung der Gesellschaft in ein helles und ein dunkles Deutschland.“
Waldsterben lieferte Blaupause
Natürlich wird der Schmusekurs irgendwann ein Ende haben. Nämlich, wenn die Folgen des Shutdowns in allen Bereichen der Gesellschaft so richtig kenntlich werden. Über die Angst der Regierenden vor der Bilanz ihres Regiments hat Achgut.com-Chefredakteur Dirk Maxeiner das Nötige geschrieben.
Aber, frage ich mich, müssen sie tatsächlich Angst haben? I wo. Sie können sich bei der Kosten-Nutzen-Rechnung ihrer Politik einen ebenso schlanken Fuß machen wie sämtliche Mahner & Warner zuvor. Nämlich den ausgebliebenen Big Bang mit ihren alternativlosen, leider nicht ganz wohlfeilen Maßnahmen erklären. Die ollen Kämpen wider das Waldsterben lieferten dazu einst die Blaupause.
Auch die Retter vor dem massenhaften Coronasterben werden mit dieser Masche durchkommen. Unsere Big Spender werden einfach sagen: Ober, bringen sie uns Geld, wir möchten zahlen.
Das glauben Sie nicht? Schauen Sie mal aufs aktuelle Wahlbarometer.