Der Bundesverdienstkreuzträger, Planetensanierer und Corona-Fanatiker Dirk Steffens verwurstet bei RTL die einstige Edelmarke GEO zu einem albernen Öko-Brei. Die gute Nachricht: Seine Show geht geradewegs den Quotenbach runter. Noch besser: Anderem TV-Grünzeug geht’s ebenso.
Mitte der 1970er guckte die Bundesrepublik ungeachtet des RAF-Terrors, langsam steigender Arbeitslosenzahlen und dem Elend des deutschen Arthouse-Kinos (Wenders, Fassbinder et al.) weithin optimistisch aus der Wäsche. Mit Helmut Schmidt saß ein Macher im Kanzleramt, die Außengeschäfte besorgte sein gewiefter Genschman. Es ist im heutigen Panikorchesterkonzert kaum mehr nachvollziehbar: Jene Zeit war beileibe keine bleierne, sie vibrierte geradezu. Man hörte ABBA, trank Apfelkorn und reiste auch mal fern, nach Thailand oder Kenia.
1976 kam ein sehr besonderes Medienprodukt auf den Markt, Ableger des Stern. Die erste Ausgabe von GEO zeigte auf dem Cover eine fast nackte schwarze Gestalt am Bug eines Auslegerbootes, das in die brüllende Brandung steuert. Das hatte selbstredend rein gar nichts mit Migration zu tun. Der Kurs des Magazins mit dem dicken grünen Rahmen lautete vielmehr: Into the wild.
Fortan veröffentlichte GEO rund zwanzig Jahre die besten Fotos und Texte im deutschsprachigen Raum über das „neue Bild der Erde“ – so der Claim. Für das Monatsblatt zu arbeiten, wurde zum Journalistentraum. GEO zahlte dicke Honorare und Spesen, finanzierte teils monatelange Recherchereisen in exotische Gefilde, veröffentlichte das Material in langen, sorgsam redigierten Stücken.
Zu hirnlosen Bewegtbildformaten verwurstet
Die verkaufte Auflage stieg in den beiden ersten Jahrzehnten auf über 500.000 Exemplare. Dank üppig bezahlter Anzeigen aus der Premiumprodukteindustrie wurde die Publikation eine Goldgrube für den Verlag Gruner + Jahr. Leser warfen die GEO nach der Lektüre nicht weg, sondern stapelten sie wie rares Gut, zogen damit sogar mehrfach um. Drei GEO-Stapel mit einer Glasplatte darauf ergeben den Rauchtisch einer Gesamtschullehrerin, lautete eine Branchensottise. Ja, GEO-Redakteure und ihre Autoren wurden sogar von Stern-Kollegen beneidet.
Später driftete das Magazin peu à peu auf die üblichen Zeitgeistschienen, brachte zunehmend Beliebiges aus der Psychoquark- und Was-macht-das-mit-mir-Ecke. Aus einem klar definierten Ausguck in bestaunenswerte Fernwelten wurde eine immer mal wieder relaunchte Wundertüte, der es zunehmend an Wundern gebrach. Die Auflage fiel und fiel. Heute verkauft das Magazin etwa 142.000 Hefte. Doch besitzt der Markenname bei Lesern und Journalisten einen seltsamen Zauber, den mählich verblassenden Hauch einer irgendwie besseren Medienwelt.
Das dürfte sich bald ändern. Seit Gruner + Jahr von der ebenfalls zum Bertelsmann-Konzern gehörenden Sendergruppe RTL verschluckt wurde, hält diese sich an einstigen Presse-Ikonen aus dem Hause Gruner schadlos, verwurstet sie zu hirntoten Bewegtbildformaten. Im Fall GEO erfüllt das geradezu den Tatbestand der mediengewerblichen Notzucht. „Die große GEO-Show – in 55 Fragen durch die Welt“ ist eine Travestie des einstmaligen Edel-Labels. GEO-Gründer Rolf Gillhausen, genannt „Das Auge“, würde sich die Kugel geben, wäre er nicht längst verstorben.
Mütterlein Erde Schönes antun
In der RTL-Show mit dem GEO-Logo werden fünf „Prominente“ auf unterschiedliche Kontinente verfrachtet, um dort „Missionen“ zu erfüllen. Zum Beispiel herauskriegen, „wie man Samen aus der Baumkrone eines 30 Meter hohen Baums erntet“ oder was die „Isobuki-Atemmethode“ ist. Bereichert von solch „faszinierenden Erkenntnissen“ kehren die Teilnehmer als „Experten für jeweils einen Kontinent ins Studio zurück“ und treten in „unterhaltsamen Quizrunden gegeneinander an“ (sämtlich RTL-O-Töne). Der Gewinner bekommt die Chance, „mit dem Meisterhirn und GEO-Experten Dirk Steffens um den Sieg zu spielen.“ Neben dem Preisgeld winkt die Möglichkeit, Mütterlein Erde Schönes anzutun, irgendwas mit Wald zum Beispiel.
Hier eine Kostprobe des missionarischen Ballermanns.
Dessen Rampensau, das von RTL so bezeichnete „Meisterhirn“ Steffens, firmiert als Tierfilmer und Vielflieger und war auch mal Honorarkonsul der Republik Palau in Deutschland. Der Kölner Sender hat den Mann vom ZDF abgeworben, wo er unter anderem das Magazin Terra X moderierte. Angesichts der Honorare, mit denen man in Mainz verdiente Agitatoren bedenkt – Jan Böhmermann bekommt laut Welt am Sonntag 651.000 Euro Apanage im Jahr, die bis 2025 auf 713.00 Euro steigen soll –, lässt sich erahnen, dass die Akquisition für RTL nicht eben wohlfeil war. Ob sie sich bis jetzt gelohnt hat, dazu später ein interessanter Zwischenstand.
Talent zum Legen einer Schleimspur Richtung Rotgrün
Steffens hat keine naturwissenschaftliche Ausbildung genossen, dafür aber ein bisschen im Journalismus rumgeprobt. Das ermutigt ihn wohl, allerorten als Experte für irgendwas aufzutreten – „E“ ist quasi sein Mittelinitial. So bescheinigte er den Medien während der Corona-Zeit ein „journalistisches Grundversagen“. Weil, sie hätten „Verblendeten das Wort erteilt“. Steffens meinte damit allen Ernstes die wenigen kritischen Stimmen gegen bestimmte Corona-Maßnahmen, die während der Panhysterie in Mainstream-Medien zu Wort kamen. Sie hätten „oft aber ohne wissenschaftliche Grundlage argumentiert“, so der Allround-Experte Steffens. Dadurch sei „riesiger Schaden“ angerichtet worden: „Ich werde nicht müde zu sagen, wenn die andere Seite vollständiger Quatsch ist, dann dürfen wir unsere Zeit nicht damit verschwenden, ihnen (sic) zuzuhören.“
Überhaupt, wer nicht nach der von ihm favorisierten Pfeife tanzen mag, ist für Steffens ein „Systemfeind“. Der Stern zitiert ihn wie folgt:
„Quer- und Verschwörungsdenkende sind im Grunde Systemfeinde, denn sie lehnen all das ab, was unsere Gesellschaft pluralistisch, frei und anpassungsfähig macht. Weil sie den Staat ablehnen, stellen sie die Glaubwürdigkeit seiner Institutionen infrage. Wer Universitäten, Behörden und seriöse Medien pauschal für unglaubwürdig hält, zimmert sich eine eigene Realität zurecht und sammelt sich dafür Quatsch-Fakten aus Quatsch-Quellen zusammen.“
Bis so einer mit dem Bundesverdienstkreuz beworfen wird, ist es nur eine Frage der Zeit. Steffens selber kassierte das Lametta offiziell für sein „Engagement rund um Umwelt- und Klimaschutz“. Für beide Bereiche ungefähr so kompetent wie die Weltenretter-Mimen Hannes Jaenicke, Walter Sittler oder Nina Hoss, besitzt Steffens tatsächlich diesen Unique Selling Point: das Talent zum Legen einer Schleimspur Richtung Rotgrün, auf der ein Elefant ausrutschen würde.
Fachmann für Welt und Gedöns
„Die Leugner hatten mich auf dem Kieker“, klagte er in einem vorgeblichen Interview mit dem Stern. Es handelte sich dabei hauptsächlich um Werbung für ein Steffens-Buch, welches im Penguin Verlag erschienen ist, der zufällig wie der Stern und die RTL-Gruppe zum Bertelsmann-Konzern gehört. Synergieeffekte aus dem Marketing-Seminar! In diesem „Interview“ gab Steffens auch nebenher preis, woher ein Laie wie er die wissenschaftlichen Weisheiten klaubt, die er bei jeder Gelegenheit hinausposaunt: „Seit 30 Jahren treffe ich Forschende und lerne von ihnen all das, was ich für unsere TV-Dokus wissen muss.“
Das ist praktisch! Die Forschenden geben dem Reisenden ihr Wissen mit auf den Weg, auf dass er es den Zuschauenden der „Großen GEO-Show“ vermitteln kann. Wie schon Brecht wusste: „Man muß dem Weisen seine Weisheit erst entreißen“.
Ständig fuchtelt Steffens mit dem selbstverliehenen Prädikat „Reisen in 120 Länder“ herum, die ihn als Fachmann für Welt und Gedöns ausweisen sollen. Vielleicht fühlt er sich wirklich als Genschman des medial-ökologischen Komplexes, rastlos durch Talkshows und Veranstaltungen tingelnd. Da hält der Gast seine Bücher in die Kamera oder lässt dies einen in ihn fast verknallt scheinenden Gastgeber tun.
Redet ohne Punkt und Komma mit einer Mimik, als hätte er von zu vielem was auf einmal genommen. Spult routiniert den Spruch ab, „dass alles mit allem zusammenhängt“ – mindestens so taufrisch wie die These, das erste Opfer eines Krieges sei immer die Wahrheit. Fantasiert einen Anstieg der Ozeane um sechs Meter herbei, „wenn der Westen der Antarktis abschmilzt.“ Würde „das ganze Ding abschmelzen, wären es 75 Meter. Wir sind hier in Hamburg, mehr muss man nicht sagen.“
Der Hesse barmt in diesem Fall: Kall, mei Drobbe! Wie hatte es der frühe Udo Lindenberg formuliert: „Und der Nervenarzt weiß auch nicht mehr wie’s weitergeht.“
Fürst Schwafel in der Applaushölle
Kritische Fragen braucht Fürst Schwafel in der Applaushölle eines Gastgebers wie Hubertus Meyer-Burckhardt nicht zu befürchten. Auch Letzterer ist ja der Ruinator eines anfänglich recht angesehenen Genres. Himmel, auf welchen Pinscher die NDR Talk Show gekommen ist! Übrigens, erinnert sich noch jemand an die Talkshow 3 nach 9 von Radio Bremen mit dem klugen, gelegentlich barschen, jedenfalls nie mit Gästen fraternisierenden Wolfgang Menge? Manchmal das reinste TV-Gericht.
Was nun die „große“ GEO-Show betrifft, so gibt es eine für die Medienbranche lehrreiche Entwicklung. Anders als die Antarktis schmilzt das Ding von RTL in Rekordzeit ab. Entgegen der Annahme grüngesonnener Mediendienste ging das Konzept der kostspieligen Veranstaltung nämlich bislang keineswegs „erstaunlich gut auf“. Im Gegenteil.
Nach zwei im Mai gesendeten Folgen zur Primetime, die nur knapp überdurchschnittlich punkteten (Marktanteil 7,3 Prozent), sackte die Quote bei der dritten Folge im September, ebenfalls zur besten Sendezeit, auf maue 5,3 Prozent. Kann es sein, dass es Leute einen Feuchten interessiert, wie sich eine Ulla Kock am Brink in Mexiko beim Sammeln proteinreicher, zur Welternährung tauglicher Heuschrecken anstellt? Ist es möglich, dass viele Zuschauer einfach wegzappen, sobald sie auch auf Privatsendern permanent mit Öko-Sermon traktiert werden?
Zieht RTL den Stecker?
Dafür spricht eine Menge. Auch der notorisch glücklose Sender ProSieben bekaufte sich jüngst schwer mit seiner Green Seven Week. Die Sendung wurde von Programmie-Jungredakteuren vorab über den grünen Klee gelobt, was für Medienbeobachter ein zuverlässiges Warnsignal abgibt. Schwärmte die TV-Beilage Prisma:
„Große Dinge fangen im Kleinen an: Viele Menschen haben es sich zur Aufgabe gemacht, ihren Teil zur Rettung des Planeten beizutragen. Und das aus gutem Grund: Die Folgen des Klimawandels sind bereits deutlich spürbar. Wassermangel, Überschwemmungen, Artensterben ... Wir brauchen dringend Antworten auf die Frage, wie wir uns und den Planeten schützen können. ProSieben hat seine ´Green Seven Week´ natürlich nicht ohne Grund unter das Motto ´Let's save the planet´ gestellt.“
Nachdem das Rettungswochenwerk am 3. Oktober versendet worden war, erschien im Mediendienst dwdl die ernüchternde Abrechnung:
„Völlig desolat schnitt unterdessen ProSieben in der Primetime ab: Auf gerade mal 4,2 Prozent Marktanteil brachte es der neue ´Green Seven Report´ in der Zielgruppe. (…) Insgesamt war der Sender sogar das Schlusslicht unter den Vollprogramen, denn lediglich 380.000 Personen interessierten sich für die Reportage. Hier lag der Marktanteil sogar bei völlig desolaten 1,5 Prozent.“
Vielleicht verscheuchen solche Desaster wenigstens im Privatfernsehen die nervigsten Vögel. Nicht ausgeschlossen, dass RTL bei anhaltender Abwärtsfahrt der GEO-Show rasch den Stecker zieht. Bei RTL pfeifen sie auf honorige Absichtserklärungen, wenn die Quoten einbrechen – siehe die Rückkehr von Dieter Bohlen.
Einen wie Dirk „Experte“ Steffens muss das freilich nicht bekümmern. Der Staatsfunk nimmt den staatsfrommen Bundesverdienstkreuzler sicher mit Kusshand zurück.
Wolfgang Röhl, geboren 1947 in Stade, studierte Literatur, Romanistik und Anglistik. Ab 1968 Journalist für unterschiedliche Publikationen, unter anderem 30 Jahre Redakteur und Reporter beim „Stern”. Intensive Reisetätigkeit mit Schwerpunkt Südostasien und Lateinamerika. Autor mehrerer Krimis.