Ja, Fontane war ein weiser Mann. Und Twain hätte den so seltenen unbarmherzig klaren Blick.
Reisen wird von Vorurteilen geradezu angetrieben. Die sogenannten “Bildungsbürger”, die Studienräte und Professoren pilgern seit jeher in die Provence, in die Toscana oder nach Lappland. Und was wollen sie dort vorfinden? Die von Ihnen gepredigte kulinarische, ethnische und künstlerische Vielfalt? Multikulti? Oder die Errungenschaften der EU? Mais non! Sie wollen Baguette und Rotwein, Zypressen und antike Dörfer (und Rotwein), Elche, unberührte Landschaft und Einheimische. Letztlich suchen alle Reisende das Landestypische. Sie suchen Klischees und Kitsch.
Bleibe in der Heimat und nähre Dich redlich. Einiges, nicht allzu viel, habe ich von der Welt gesehen. Seit mehreren Jahren grase ich meine Heimat ab. Kein Auslandsurlaub kann sich an den vielen, wunder- schönen heimatlichen Dingen messen - so im Herzen die Heimat noch ein Plätzchen hat.
Erstaunlich einseitger Bericht. Kommt mir so vor, als würde man das Phänomen der Liebe beschreiben und den Focus ausschlißelich auf Untreue und Scheidung richten. Nichts von dem, was der Autor schriebt, sit falsch, aber die Gewichtung machts. Die positiven Aspekte des Reisens werden nur beiläufig gestreift. Für mich eine Variante der langen Tradition der “Kritik des Reisens” im neue Gewand.
Nie vergesse ich das unangenehme Lärm- und Duft-Gebräu New Yorks, Kofferraumausräumer in Rom, die ich ersprinte und verprügele, die lähmende Hitze auf den Bahamas, die Trostlosigkeit Ammans, das Betteln der Kinder in Marrakesh, den Schwarzen, der mir im Madison Square Garden den Platz zeigen will, tatsächlich aber meine Eintrittskarte klaut, die Klimaanlagen in Miami oder die langweiligen Strände auf den Jungferninseln. Überall touristische Wegelagerer, die mich als einzige Einnahmequelle sahen und ihre sonstige Kreativität aufgaben. Je mehr ich unterwegs war, umso lieber bin ich zuhause. Einzig Licht und Farben sind es, die ich erinnere. Sand und Meer, auch Berge, egal wo, reichen aus, um das Meiste wiederzusehen, im Geiste. Lange schon verreisen wir nur noch in Deutschland, höchstens Schweiz, Prag, Wien, Budapest. Die esoterischen Werbesprüche über das Reisen sind des Reisen Tod, heute plappern sie hin zu monströsen Kreuzfahrten, mit denen riesige, schwimmende Hotels auswärts einfallen und Touristen kurz in Hotspots blättern lassen. So wie uns Japaner in ihren schnellen Trips durch Europa betrachten - und kein einziges Wort mit uns reden. In dem Wort Reisen verstecken sich zwei weitere: das Eis zwischen den Kulturen schmilzt keineswegs, im Gegenteil, es wird eisen-hart und unversöhnlich.
Das Beste, was je über den Tourismus der Deutschen geschrieben wurde, heute aktueller denn je: Ludwig Thoma, Käsebiers Italienreise!
Die weite Welt habe ich, zumindest dort wo Seehäfen sind, ein Berufsleben lang zu erst vorm Mast, dann in leitender Stellung an Bord von seegehenden Transportfahrzeugen erlebt und mich immer auf den Urlaub zu Hause gefreut. Die Menschen in den bereisten Häfen kann ich nachsagen, dass zumeist Bakshish die einzige Möglichkeit war den vorgegebenen Weg zu gehen. Kurzfristiger Gefängnisaufenthalt in Gadaffi-Land wegen falscher Ladungspapiere. Die geladenen verpackten Landmaschinen waren Waffen. Die 4 Fischerboote (deutsche Entwicklungshilfe) an Deck erkannte man auf den ersten Blick als Schnellboolte. Deren Bewaffnung lagerte im Laderaum, diesesmal als Waffen deklariert. Die Abholung im Zielhafen Massaua mutete schon ziemlich obskur an, erfolgte sie doch durch schwer bewaffnete, wie man heute sagt “Kindersoldaten”. Unzählige Reisen mit Altmetallen von Italien nach Nordafrika, Libanon. Das Metall waren Panzer. Oder Kohle, in Norddeutschlan geladen, kreuz und quer durch Europa geschippert. In jedem Hafen wurde umdeklariert, kamen neue Konossomente, bis schließendlich hochsubventionierte “englische” Kohle in Deutschland geleichtert wurde. Ägyptische Händler im Suez, die als Festmacher mit ihren Booten an Bord waren, da war es ratsam alles gut zu verschließen und im Auge zu behalten. Ich lernte Frisöre kennen, die einem mal schnell die Haarpracht anschnitten, um dann gegen extra teure Dienste den Rest schlecht zu erledigen. Es gab Hinrichtungen durch Enthauptung auf Marktplätzen in Saudi Arabien und eine versuchte Vergewaltigung im Oman durch Hafenarbeiter in der Lukentasche, wobei mir Gott sei dank unser Schrank von Bootsmann den Hintern rettete. Wohlan…
Wer ein bisschen rumgekommen ist, der weiß Deutschland zu schätzen. Bei allen negativen Seiten, die Deutschland haben mag und über die man sich zu Recht hin und wieder aufregen mag, kommt es darauf an, was unter dem Strich stehenbleibt. Und unter dem Strich, den man unter eine „deutsche Bilanz“ zieht, steht weit mehr Positives als Negatives. Und gerade der Vielgereiste weiß das zu schätzen. Er kann vergleichen. Und da er sich dieser Tatsache so bewusst ist, möchte er Deutschland erhalten und will es auf keinen Fall abgeschafft sehen. Oder nur noch dem Namen nach bestehen sehen. Er will nicht, dass bei uns Vieles eine Entwicklung nimmt, wie sie anderswo schon längst als normal angesehen wird. Er will, dass das Positive, das Erhaltenswerte als solches erkannt wird und nicht „spinnerten“ Ideen geopfert wird. Deutschland ist in vielerlei Beziehung anders als andere Länder. Dabei sind auch negative Dinge, doch überwiegend sind es positive Dinge. Die sollten man schützen. Von ihnen profitieren auch die anderen Länder. Und sie sind der Grund dafür, warum sich Viele Deutschland als Ort für ihr Leben ausgesucht haben. Auch sie, die nach Deutschland gekommen sind, schätzen dieses Land und seine Vorzüge und möchten nicht, dass es sich zum Negativen wandelt. Wir alle zusammen sollten dieses den Mächtigen erklären. Und unseren Nachbarn. Denn zu viele wissen es nicht, sind sich nicht bewusst darüber, dass sie Glück haben, hier zu leben. Doch reicht es nicht die Scholle, auf der man lebt, zu schützen. Was im Moment passiert, ist entscheidender. Es bedeutet die nachhaltige Veränderung der Gesellschaft, der Menschen, die auf dieser Scholle leben. Wenn das gelingt, nützt uns auch die Scholle nichts mehr.
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