Günter Ederer / 20.04.2018 / 06:20 / Foto: kremlin.ru / 32 / Seite ausdrucken

Toxisches Russland (Teil 1)

Die Angst vor einem realen Krieg zwischen den USA und Russland kriecht in das Bewusstsein der Deutschen und löst gefährliche Lähmungen im Denken und Handeln aus. Zunehmend versuchen die Qualitätsnachrichten, ein ausgewogenes Bild zwischen den Westmächten USA, Frankreich und Großbritannien auf der einen und Russland auf der anderen Seite zu verbreiten. Tendenz der Debatte: Da wird mit unbewiesenen Vorwürfen auf beiden Seiten am Rande einer Katastrophe hantiert und gleichzeitig schaukeln wir uns in eine Situation, die noch schlimmer ist als der kalte Krieg oder die Kuba-Krise.

Der Angriff der drei Westmächte auf syrische Einrichtungen zur Lagerung oder Herstellung von Chemiewaffen kann alles mögliche bedeuten, sicher aber keine Herausforderung Russlands oder gar die Verschiebung des militärischen Gewichtes im Syrienkonflikt. Er war für die einen eine Strafaktion, für andere ein symbolischer Akt, um Flagge zu zeigen gegen Chemiewaffen oder um sein Gewissen zu beruhigen, gegen dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch den moralisch verkommenen Diktator Assad doch etwas unternommen zu haben.

Angst ist ein schlechter Ratgeber. Die Angst vor einem Krieg zwischen Russland und den Westmächten gehört zu den schlimmsten Szenarien, die wir uns nach Jahrzehnten eines Friedens in den meisten Teilen Europas vorstellen können. Aber diese verständliche Angst legt Gedankenstrukturen frei, die jeden Mord, ja jeden Massenmord rechtfertigen, solange man nicht selbst davon betroffen ist. Wobei die Geschichte über Jahrhunderte gezeigt hat, dass dieses „Kopf in den Sand stecken" nie funktioniert hat.

Bei keinem Satz applaudiert das Publikum in den Talkshows so viel, wenn Politiker oder Moderatoren sagen: „Wir müssen die Ursachen der Flüchtlingsströme stoppen". Damit wurden Kopfbilder erzeugt von Entwicklungshelfern, die in bitterarmen Staaten Berufsschulzentren bauen, Brunnen bohren, Schulen eröffnen et cetera. Dass dies in Staaten geschieht, in denen die herrschenden korrupten Cliquen schneller klauen, als die Entwicklungshilfegelder wirken können, dass dort Geburtenraten von bis zu 7 Kindern pro Frau jede zukünftige Wirtschaftsentwicklung zunichte machen, wird natürlich nicht erwähnt, das passt nicht in die Illusionswelt der akuten Flüchtlingskrise, von der Europa gerade betroffen ist.

Fluchtursachen bekämpfen? Aber bitte ohne Waffen...

Dass da aber im Nahen Osten die mörderischen Banden des Islamischen Staates hunderttausende zur Flucht zwangen, dass da in Damaskus die Verbrecherclique Assad ihr eigenes Land in Schutt und Asche legt, wird bei der Ursachenbekämpfung ausgeblendet. Zwar kommen aus dieser Region zurzeit die meisten Flüchtlinge nach Deutschland, aber wir bleiben von Anfang an lieber Zaungast. Wir tun fast gar nichts, um ernsthaft die Ursachen der Flüchtlingsströme zu beseitigen.

Am deutlichsten wird dies seit dem militärischen Eingreifen der Türkei in Syrien sichtbar: Die fällt in die Provinz Afrim in Nordsyrien ein und vertreibt dort Kurden und Jesiden, um Platz zu schaffen für sunnitische Araber. Und was macht die Bundesregierung, was macht der Westen? Die Staaten der NATO schweigen oder stottern so ein bisschen herum. Dieser Verlust an Glaubwürdigkeit ist fast noch schlimmer als die eigentliche Kriegshandlung.

Jeder, der es schafft, aus diesem von den Türken eroberten Gebiet nach Deutschland zu kommen, hat meines Erachtens ein Recht auf Asyl – solange er nicht Kämpfer irgendeiner der vielen islamistischen Gruppen war. Und schon sind wir mittendrin im nahöstlichen Schlammassel, aus dem wir uns so gerne vornehm heraushalten möchten. Wir müssen uns entscheiden, ob wir Überfälle tolerieren und uns mit ein paar Friedensappellen davonstehlen, oder ob wir die laut verkündete Doktrin: „Wir werden die Ursachen der Flüchtlingsströme bekämpfen" auch dort durchsetzen, wo dies nur durch militärisches Eingreifen möglich ist. 

Nun wissen wir alle, dass die Bundeswehr zurzeit eher einer Geisterarmee gleicht als eine militärische Einrichtung, mit der wir irgendjemand erschrecken könnten. Was Deutschland aber gerade im Falle der Türkei anstoßen könnte, wäre eine konsequente Ächtung des Regimes Erdogans mit wirtschaftlichen Sanktionen. Dazu Beispiele: Einreiseverbot der Mitglieder der Erdogan-Partei, Auftrittsverbot von Erdogans AKP-Partei in Deutschland, Abbruch aller Beziehungen zur Religionsbehörde DITIB et cetera. Darüber hinaus ist eine Diskussion nötig, ob ein Staat wie Erdogans Türkei noch Mitglied in der NATO sein kann – es sei denn, die NATO versteht sich ausschließlich als antirussisches Militärbündnis ohne weltanschauliche Grundwerte. 

Je gewalttätiger, je siegreicher

Deutlicher noch als im Verhältnis mit der Türkei muss sich die Bundesregierung entscheiden, wo sie unser Land in der Auseinandersetzung mit Russland positionieren will. Wenn je der Spruch: „Gewalt ist keine Lösung" deutlicher ad absurdum geführt wurde wie zurzeit mit der russischen Einmischung in Syrien, dann gehört dazu mehr als zynische Blindheit oder grenzenlose Menschenverachtung. Rohe Gewalt entscheidet, was in Zukunft aus der Region wird. Das Gemetzel in Syrien dauert mittlerweile mehr als 7 Jahre und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Opfer sind die Menschen, die Täter sind Strategen, denen es entweder um ihren regionalen Einfluss geht, wie dem Iran und Russland, oder um die Macht, sein Leben im Luxus weiter genießen zu können, wie dem Assad-Clan. Angeheizt wird das Morden noch von religiösen Eiferern, die jede Hemmung beim Töten verloren haben.

Über Lösungen in der Syrienfrage wird diskutiert, als ob es dort nicht um hunderttausende Tote ginge, um Millionen Vertriebene, um den Einsatz aller nur denkbarer Vernichtungsstrategien, Giftgase eingeschlossen. Und diese Vernichtung von Menschen wirft natürlich die Frage auf, für was die Vereinten Nationen überhaupt noch da sind. Im Kalten Krieg spielten sie die Rolle einer Institution, in der der Ost-West-Gegensatz verbal ausgetragen wurde. Und heute? Ist es nur noch die Blockade zwischen den USA und Russland um eine Vorherrschaft? Aber Vorherrschaft über was?

Russland ist als Staat so unattraktiv, wie ein Staat nur sein kann. Korrupt, ohne Rechtssicherheit, ohne soziale Kompetenz, dafür aber gekennzeichnet von einem Brutalokapitalismus, in dem Multimilliardäre von der Gunst des Neumilliardärs Putin leben. Russland hat auch ein Einwanderungsproblem. Die Geburtenrate ist sehr niedrig und die Bevölkerung schrumpft. Aber niemand mit einer qualifizierten Ausbildung kommt. Die USA sind trotz Trump immer noch ein Magnet, der Millionen Menschen aus aller Welt anzieht, vor allem aus Mittel- und Südamerika. Auch militärisch ist Russland isoliert, hat keine Verbündeten mehr. Im Gegensatz zu den USA. Trotz Trump kann sich Amerika auf seine traditionellen Freunde verlassen, voran Großbritannien, Frankreich und Australien. Im Ernstfall auch auf die Skandinavier und Osteuropäer. Dänen und Niederländer flogen zum Beispiel Angriffe gegen den IS. 

Und wir Deutschen? Wenn die Bundeskanzlerin verkündet, dass sich Deutschland nicht an militärischen Einsätzen gegen das Assadregime beteilige, dann solle sie auch in Zukunft vermeiden, den Satz zu wiederholen: „Wir wollen die Ursachen der Flüchtlingswellen bekämpfen." Und: „Gewalt ist keine Lösung". Die Bekämpfung des mörderischen Assadregims überlässt sie anderen. Und damit hat sie die Unterstützung der meisten Deutschen. Doch während Merkel vielleicht dazu bereit wäre, wieder einige hunderttausend Flüchtlinge aus den zerbombten Städten Syriens aufzunehmen, will das die überwiegende Mehrheit der Deutschen ganz gewiss auch nicht.

Deutschland: Weltmacht für moralische Sprüche

Wir sollten uns erst einmal entspannen, meinte der linke Politiker Jan von Aken in der Talkshow bei Anne Will. „Entspannt" beim Massenschlachten. Zynischer geht es kaum noch. Aber er hat auch einen Vorschlag: Bei dem Einfluss, den Deutschland in Moskau und Washington genießt, sollte es endlich aktiv werden und die beiden Großmächte an den Verhandlungstisch bringen. Da paart sich dann Zynismus mit Größenwahn. Im Nahen Osten bestimmt zurzeit die Gewaltbereitschaft. Das wird international auch anerkannt, selbst von der Bundesregierung. Denn die Erkenntnis aller lautet: Ohne Russland gibt es keine Lösung. Und Russland setzt auf Gewalt. Deutschland ist dagegen Weltmacht für moralische Aufrufe. Die retten aber in Syrien kein einziges Menschenleben.

Die neueste Diskussion über den Einsatz von Giftgas in Syrien durch das Assadregime fällt zusammen mit dem Giftgasanschlag auf den Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter Julia in Salisbury. Die Sympathie für Geheimdienstagenten hält sich gewöhnlich in Grenzen. Umso verwirrender ist das, was da in einem beschaulichen Städtchen in Südengland passierte. Die Londoner Regierung machte schnell Russland und sogar Präsident Putin persönlich für diese Untat verantwortlich.

28 Staaten haben sich mit Großbritannien solidarisch erklärt und russische Diplomaten ausgewiesen. Das hat faktisch sicherlich nicht viel zu bedeuten, aber es zeigt, wie isoliert Russland mittlerweile ist. Die Ukraine, Moldawien, Albanien, Mazedonien und alle baltischen Staaten fühlen sich von den USA und dem Westen immer noch eher beschützt, als von einer Freundschaft mit Russland. Damit wurde durch die britische Giftgasaffäre deutlich, wie beschädigt das Ansehen Putins ist. Diese diplomatische Niederlage ist sicher wirkungsvoller als mancher wirtschaftlicher Sanktionsbeschluss. 

Parallel zum Krieg in Syrien tobt seither ein Krieg der Worte. Die Beschuldigung Londons, dass Russland verantwortlich sei, trifft Putin und seine Regierung offensichtlich ziemlich unerwartet. Außer bei den unerschütterlichen Russlandverstehern ist der Kreml isoliert. Alle Versuche sich reinzuwaschen und sogar die Schuld auf Großbritannien umzulenken, scheitern, weil Moskau gleichzeitig alle Aufklärungsversuche behindert. Was würde dagegen sprechen, die Internationale Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW mit einem umfangreichen Mandat auszustatten, um im Gebiet, in dem Giftgas eingesetzt worden sein soll, alles untersuchen zu können und auch den Schuldigen benennen zu dürfen? Genau das macht Moskau nicht und kann damit vielleicht die eigene Bevölkerung manipulieren, den größten Teil des Rests der Welt aber nicht.

Die lange Liste russischer Lügen

Die Reaktion Londons und die erstaunliche Solidarität von 28 Staaten wäre sicher nicht so schnell und umfangreich ausgefallen, hätte sich Russland nicht bei seinen dreisten Lügen mehrfach erwischen lassen oder durch sein Verwirrspiel das Misstrauensfass zum Überlaufen gebracht. Deutlicher als bei dem Giftanschlag auf Sergej Skripal und seine Tochter Julia ist die Sachlage beim Attentat auf Alexander Litwinenko mit dem radioaktiven Polonium-Isotop 210. Alle Indizien führen zu den russischen Agenten Andrej Lugowoi und Dimitri Kotun. Sie konnten Großbritannien vor ihrer Verhaftung verlassen und wurden von Russland weder ausgeliefert noch verhört. Im Gegenteil: Andrej Lugowoi sitzt heute im russischen Parlament als Abgeordneter der nationalistischen LDPR und wurde 2015 von Putin mit einem Verdienstorden ausgezeichnet. 

Bei der Annexion der Krim log Putin persönlich so unverblümt, dass selbst seinen internationalen Hofsängern nichts anderes übrig blieb, als von einer Verletzung des Völkerrechts zu reden. Von den „Männern in Grün" erzählte Putin, die Kleidung trugen, die es in jedem Supermarkt zu kaufen gäbe. Als sich diese nicht länger als Soldaten der russischen Armee tarnen ließen, gab er zu, gelogen zu haben – aber es sei eine Notlüge gewesen, um die Menschen auf der Krim in ihr ersehntes Russland zu verhelfen. Mit einer getürkten Wahl ließ er sich das bestätigen.

Ähnlich war es dann in der Ostukraine, wo angeblich Armeeangehörige ihre Waffen mit in den Urlaub genommen hätten und freiwillig den unterdrückten russlandaffinen Ukrainern geholfen hätten, den Angriff der Neofaschisten abzuwehren. Irgendwann fühlte sich Moskau dann stark genug zuzugeben, dass es sich um reguläre russische Einheiten handelte.

Leugnen, Verwirrung stiften, unabhängige Aufklärer behindern, war auch die Taktik, um den Abschuss einer zivilen Boeing der malaysischen Fluggesellschaft MH mit 289 Toten zu vernebeln. Dazu Cyberattacken, Behinderung bei der Aufklärung von früheren Giftgasvorfällen in Syrien und sichtbar verlogener Berichte in den russischen Medien haben Putin und sein Herrschaftssystem immer mehr in die Isolierung getrieben. Und umso mehr er sich eingekreist fühlt, umso mehr giert er nach internationaler Beachtung.

Die Langzeitwirkung von Lügen

So ist er sich auch nicht schade genug, mit einem iranischen Religionsmachthaber (mit der zweithöchsten Hinrichtungszahl der Welt) und einem türkischen Religionspotentaten zu treffen, um dabei gemeinsam ihre nächsten Kriegsfeldzüge zu koordinieren. Eines hat er ja mit dem Türken Erdogan gemeinsam: Beide sind, aus ärmlichen Verhältnissen kommend, zu Milliardären geworden. Bei allem, was der Westen unternimmt, vergisst er offenbar, dass es diesen Potentaten nicht zuletzt um sich selbst und ihren Clan geht. Das trifft auch auf den Syrer Assad zu. 

Diese Lügenkonstrukte werden von den Putinfreunden gerne damit entschuldigt, dass der Westen auch nicht besser sei. Schließlich hätten die USA auch die UNO belogen und gefälschte Dokumente über die angeblichen Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins vorgelegt, mit denen sie dann den Krieg gegen den Irak gerechtfertigt hätten. Leider stimmt diese Geschichte. Die Glaubwürdigkeit der USA ist damit nachhaltig erschüttert.

Doch Moskau scheint daraus die falschen Lehren zu ziehen: Statt zu erkennen, wie langfristig Lügen dem Lügner schaden, glaubt der Kreml offenbar, dass sich die Völkergemeinschaft mit solchen Tricks abfindet. Tut sie aber nicht, sondern, wie jetzt Putin erfahren muss, gilt eher das deutsche Sprichwort: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht.“ Wobei Russland bisher seine Lügen durch weitere Vertuschungen zu tarnen versucht.  

Natürlich wäre es auch sympathischer, wenn der Scharfmacher der Auseinandersetzung, der britische Außenminister Boris Johnson, jetzt, wo er Solidarität einforderte, auch erkannt hätte, dass seine verlogene Brexitkampagne dem Westen sehr geschadet hat. Und natürlich wäre es angenehmer, wenn in Washington nicht ein twitternder Egomane Präsident wäre. Die Achse USA-Frankreich-Großbritannien hat trotzdem wieder einmal gehalten. Das sollte für Putin die eigentliche Lektion sein: Abgesehen von den jeweiligen Machtverhältnissen in Washington, Paris und London: Diese Staaten werden immer zusammenhalten, sollte es zu militärischen Aktionen kommen.

Morgen lesen Sie im zweiten Teil dieses Beitrages: Die Russland-Versteher und ihre Argumente

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Christian Nicolau / 20.04.2018

Ein hervorragender Artikel. Er hebt sich ab, von der in den Alternativen Medien vorhandene Lobbyarbeit für Russland und dessen politische Ziele. Er spricht die Wahrheit aus. Einziger Kritikpunkt: Der Angriff auf England und den Brexit. Ein Land wie England kann sich unmöglich von einer Vereinigung von “Gutmenschen” (d.h. verblendete, über Leichen gehende Ideologen) diktieren lassen, welche und in wie viele Menschen in das Land einreisen dürfen. Natürlich spielt die Spaltung Europas Putin in die Hände. Diese Spaltung geht aber aus von: Deutschland. Deutschland mit Merkel an der Spitze. Deutschland ist das eigentliche Problem Europas. Gleichzeitig ist Deutschland der größte Nettozahler. Deshalb die Hassliebe anderer Länder zu Deutschland. Aber sollte mal der Geldstrom versiegen - Freunde kann man sich nicht kaufen. Zurück zum Thema. Die militärische Schwäche Deutschlands im Zusammenhang mit dessen wirtschaftlicher Stärke und dem moralischen Anspruch, besser als alle anderen zu sein. Mit entsprechender links kommunistischer Politik seitens fast aller Parteien. Und dem fehlenden Protest der Deutschen Bevölkerung gegen diese Entwicklungen. Das ist der eigentliche Grund für den Brexit, der schnellvertretend für Europas Spaltung steht. Zusammengefasst lässt sich sagen, der deutsche Michel ist Schuld and dem Auseinanderdriften Europas. Der deutsche Michel ist mit Schuld daran, das Putin immer aggressiver agiert, ohne Gegenmaßnahmen aus Europa fürchten zu müssen. Nicht der Brexit.

Andreas Rühl / 20.04.2018

Alles schön und gut und kräftige Worte, die aber doch nicht ernstlich als Handlungsmaxime für eine verantwortungsvolle Politik gegenüber Russland herhalten können. Der Westen wird Russland nicht davon abhalten können, eine an den eigenen Interessen orientierte Politik zu verfolgen; und wenn es den eigenen Interessen dient, sind und waren auch andere “Mächte” nicht zimperlich bei der Auswahl ihrer Bündnispartner. Die Interessenpolitik von Staaten an ethischen Standarts messen zu wollen und im Rahmen der Diplomatie mit Begriffen wie “Lüge” zu operieren, ist absurd. Die Lüge gehört zur Diplomatie und Staatsführung wie die illegale Beschaffung von Informationen durch Geheimdienste und anderes Unangenehme und Rechtswidrige auch. Was mir fehlt, ist weniger ein Denken und Handeln in der Kategorie “Verbrechen und Strafe”, als vielmehr eine einheitliche strategische Ausrichtung gerade der Russlandpolitik der europäischen Nationen. Es scheint mir vielmehr so, als gäbe es keine Strategie mehr oder zu viele davon, was auf dasselbe hinausläuft. Weiter macht es keinen Sinn, den Einfluss Russlands in den Räumen, die im Sinne seiner eigenen Strategie (und nachvollziehbar) von großer Bedeutung sind (Schwarzes Meer nur als Beispiel), “eindämmen” oder “zurückdrängen” zu wollen, weil damit “der Westen” nichts gewinnt. Denn solches Vorgehen wäre nur dann richtig, wenn die westlichen Staaten über das Zurückdrängen der russischen Großmacht ein eigenes, virales Interesse daran haben, was ich schlicht nicht sehe. Eine klare Strategie fehlt. Wenn man Russland seine Einflusssphären zugesteht, die es als Großmacht braucht, wäre ein erster Schritt getan. Weiter sollte das Ziel sein, Russland auf keinen Fall zu isolieren oder gar - in jeder Hinsicht - nach Asien abzudrängen. Ein friedfertiges und demokratisches Russland muss ein Teil Europas sein und nicht dessen Feind. Die OSZE könnte da gute Hilfen leisten.

Hermann Neuburg / 20.04.2018

Sorry, aber Russland wird in erster Linie aus innenpolitischen Gründen der Politiker des Westens seit Jahren als Feind aufgebaut, weil Russland eben seit Boris Jelzin nicht mehr als gleichberechtigter Partner mit eigenen Interessen wahrgenommen wird. Und der Autor ist sehr einseitig im Hinblick auf Syrien. Das Problem in allen islamischen Staaten verursachen primär nicht Assad, Saddam Hussein oder Mubarak, sondern Mohammed und Allah. Der Islam und der weit verbreitete Glaube an den Propheten Mohammed konserviert und kultiviert archaische, despotische Regime. Eine Nationenbildung bürgerlicher Gesellschaften kann es in islamischen Gesellschaften nicht geben. Der Demos, also die Bevölkerungen der islamischen Staaten besteht zu einer großen Mehrheit aus unterwürfigen, Scharia-treuen Menschen. Sie lehnen die Grundbedingung aller menschlichen Freiheitsrechte ab: die Religionsfreiheit, die konsequente Verbannung der Religion ins Private.  So ist z.B. in Malaysia die Staatsreligion der Islam. In archaisch-arabischen Gesellschaften hat der Islam die tribalistischen Strukturen seit 1400 Jahren kultiviert.  Daher herrscht in jedem islamischen Staat Chaos, wenn es keinen machtvollen Despoten gibt, der den Staat wie einen Clan beherrscht.

Stefan Töns / 20.04.2018

Das ich auf der Achse des Guten einmal ein derart einseitiges Russland- bzw. Putin-Bashing lesen müsste, hätte ich nicht erwartet.

Werner Liebisch / 20.04.2018

In Russland gibt es bezahlten Mutterschutz, eine staatliche Krankenversicherung. Moskau gehört zu den sichersten Großstädten der Welt. Eine sehr einseitige Sicht über Russland, die sie hier verbreiten. Und in Amerika gibt es keinen Brutalokapitalismus? Und hinter den Giftgasattacken, dahinter stecken natürlich auch Assad und Putin. Dass der Ehemann von Teresa May direkt über seine berufliche Tätigkeit von dem völkerrechtswidrigen Luftangriff auf Syrien profitiert, erwähnen sie auch nicht. Das ist nämlich Zynismus in seiner reinsten Form. Ach ja, Kriege begannen immer mit Lügen und Propaganda und nicht immer ist die Wahrheit “westlich”. Man denke an die Powell-Point Präsentation für den Irak-Krieg.  

Daniel Oehler / 20.04.2018

Der Artikel enthält krasse Fehler und eine extrem einseitige Polemik gegen Russland. Behauptungen: - Russland habe keine Verbündeten. Schon mal was von China gehört? Indien steht Russland näher als der Kolonialmacht England. - Verbrecherclique von Assad? Assad hat sich demonstrativ auf die Seite der Christen gestellt, die durch ISIS von der Vernichtung bedroht sind. - Je gewalttätiger, desto siegreicher? Die meisten Toten gab es wegen der US-Invasion im Irak. Strategischer Sieger sind die Schiiten, also der Iran. - Annexion der Krim? Die Leute durften abstimmen, von welchem Land sie sich die Steuern abknöpfen lassen. Die Ukraine ist ein failed state. - Lügenkonstrukte? War da nicht was mit “weapons of mass destruction” als Begründung für eine Invasion des Irak durch USA und die Briten? In Syrien geht es um das Überleben der Christen und Juden, die die Jihadisten, welche von den US/EU-Partnern Saudi-Arabien und dem NATO-Türkei direkt unterstützt werden, vernichten wollen - und zwar unter sehr aktivem Wegsehen der USA und der EU -. Das hier angegriffene Russland ist das einzige europäische Land, das sein Militär effektiv zur Rettung der Christen und Juden Syriens eingesetzt hat. Toxisch ist nicht Russland, sondern die USA und die EU durch ihre offene Partnerschaft mit Saudi-Arabien und anderen Islamisten. USA-(Möchtegern)großbritannien-Frankreich als “Achse” zu bezeichnen ist etwas schräg. Die Achse der Bomber und Invasoren? Die Achse Berlin-Rom hielt bis 1943. Durch ihr arrogantes, menschenverachtendes Auftreten in Syrien und Irak haben sich die USA sehr viele Feinde gemacht und viele Araber zu Freunden Russlands gemacht, insbesondere die bedrohten Christen. Immerhin hat Russland Syriens Christen gerettet und verhindert durch seine eine Erledigung des christlichen Rest-Armeniens durch Deutschlands türkischen NATO-Partner.

Axel Heinz / 20.04.2018

Sehr geehrter Hr.Ederer, Verstehe ich das recht? Gewalt scheint für Sie die Lösung zu sein!? Dann fahren Sie runter und kämpfen Sie, Hr.Ederer. Stehen Sie zu Ihren Aussagen, geben Sie ein Vorbild, anstatt vom bequemen Bürosessel aus zu fordern ,deutsche Soldaten sollten ihren Kopf in Syrien hinhalten, während gleichzeitig die Masse syrischer Asylsuchenden in Deutschland junge Männer sind, die ihre Familien in Syrien zurück gelassen haben. Sie bezeichnen Assad als Verbrecher, der sein eigenes Land in Schutt und Asche lege und Chemiewaffen einsetze. Beziehen Sie Ihre “Beweise” von der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, dieser Ein-Mann-Organisation oder haben Sie verlässliche Quellen? Was ist mit denen, die den IS unterstützen: die Türkei, Saudi-Arabien, Katar, die USA, ... Ach ja, ich vergas - die kämpfen ja für die Menschenrechte - in Form von Erdgas und Erdöl. Was/wer kommt nach Ihrer Meinung nach Assad? Wollen Sie Zustände wie in anderen Ländern des arabischen Frühlings? Die westliche Sicht und was richtig zu sein hat und was nicht, kriegen wir ja oft genug vorgebetet. Ich bin ganz sicher kein Freund Putins oder Assads. Verstehen möchte ich die Situation aus russischer und syrischer Sicht trotzdem. Sie nicht? Ich denke es ist wichtig, deren Ansichten und Motive zu kennen - genauso wie die Erdogans, der USA, der Saudi’s und Katar’s, denen ich mittlerweile genauso weit über den Weg traue, wie den erstgenannten. Ist nach Ihrer Meinung, alles frei erfunden, was Michael Lüders in “Wer den Wind säht” und “Die den Sturm ernten” geschrieben hat? Alles Putin-Propaganda, was Gabriele Krone-Schmalz in “Russsland verstehen” und “Eiszeit” zu bedenken gibt? Alles Blödsinn, was Peter Scholl-Latour z.B. in “Der Fluch der bösen Tat” oder in “Rußland im Zangengriff” erläuterte? Alles weltfremd, was Mathias Bröckers und Paul Schreyer in “Wir sind die Guten” kritisieren? Ihre Schwarzweißmalerei ist mir zu billig, zu plump und vor allem zu einseitig !

Marcel Seiler / 20.04.2018

Bei russlandkritischen Artikeln findet man im deutschen Internet, gerade bei rechten/konservativen Seiten, immer eine Unmenge von Russlandverteidigern. Auch die AfD gehört bezeichnenderweise dazu. Dies ist ein Komplettversagen im Urteilsvermögen durch meine Landsleute, verursacht durch die Kombination von Realitätsverweigerung mit einem kaputten moralischen Kompass. Vielleicht haben die Linken recht, dass dieses Deutschland es nicht verdient, als Kultur zu überleben: aus moralischen Gründen.

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