Archi W. Bechlenberg / 17.01.2021 / 06:20 / Foto: Jorge Flores / 37 / Seite ausdrucken

The Oyster is my world (2)

Vor wenigen Tagen musste ich zum ersten Mal nach fast drei Wochen wieder außer Haus. Also die Austernschale verlassen. Leider unvermeidlich; das Katzenfutter war alle, und ich hatte bereits mit Kater Django eine ordentliche Portion Foie Gras teilen müssen. 

Es wurde ein kleines Abenteuer. Erst sprang das Auto nicht an, da die Alarmanlage inzwischen den Akku leer gesaugt hatte. Dank der besten Anschaffung des letzten Jahres, eine etwa zigarrenkistengroße mobile Starthilfe, die ich unter den kritischen Augen des Katers an der platten Batterie anschloss, war dieses Problem bald beseitigt, der Motor schnurrte. 

Auch tue ich mich mit allem schwer, da die rechte Hand weiterhin nicht brauchbar ist. Lenken, Schalten, Zündschlüssel drehen, Aussteigen, Maske nach dem Aussteigen aufsetzen...Zuletzt benahm ich mich im Laden derart tollpatschig... aber lassen wir das. Fürs Erste bin ich nun zurück in sicheren Gehäuse.

Autoquartett

Kennen Sie noch das Spiel Autoquartett? Zumindest wenn Sie ein alter weißer Mann sind, dürften Sie mit dem Begriff etwas anfangen können. Schulpausen ließen sich damit aktiv überbrücken, ebenso Unterrichtsstunden – einige komplette Kartensets fielen daher meinen Lehrern in die Hände. Nette Lehrer gaben die Spiele nach der Stunde zurück, andere kassierten sie ein, für immer oder zumindest bis zum Ende des Schuljahres.

Wer Autoquartett nicht kennt, kann die Regeln hier nachlesen. Das kuriose ist, dass Autoquartett nach ganz anderen Regeln gespielt wird, als nach den eigentlich vorgesehenen. Also so, als würden Sie „Mensch ärger dich nicht“ nach den Regeln von Mühle spielen. Ich fand vor einigen Jahren ein besonders schönes Exemplar auf dem Dachboden wieder, auf der Suche nach meinem Abiturzeugnis. Laut Deckel ist es von 1964. Darin findet man Kracher wie den Lotus Elite, den Porsche Super 90, den Mercedes 300 SL oder den Aston Martin DB4, allerdings auch Gurken wie den Skoda Felicia oder den Glas 1004 – Gurken, weil sie beim Spielen mit ihren doch eher bescheidenen technischen Werten nur schwer einen Maserati 3500 GT oder einen Ford Thunderbird (6400 cm³ Hubraum) übertrumpfen konnten. 

Mit Freund Joshi ließ ich das alte Spielprinzip jetzt wieder aufleben, in Form des Lockdown-Quartetts. Dank der Tatsache, dass wir in einem Dreiländereck wohnen, welches sich bei genauerer Betrachtung in ein Vielländereck um Provinzen, Bundesländern und Exklaven erweitern lässt, jonglieren wir mit einer inzwischen nicht mehr zu überschauenden Vielfalt an Lockdown-Vorschriften. Joshi kommt gerne alle paar Tage zu Besuch, was er als grenznaher Bewohner darf, allerdings nur innerhalb eines bestimmten Radius und innerhalb von max. 24 Stunden. An der Grenze macht er zur Vorsicht bei der Einreise und Ausreise ein mit Datum versehenes Selfie, um notfalls nachweisen zu können, dass er … „Vergiss es, Joshi, der Staat braucht jeden Cent.“ Und 750 Euro abgreifen oder nicht, das macht schon einen Unterschied. Oder sind es 500? 25.000? Gehe in das Gefängnis. Begib dich sofort dort hin. Ziehe nicht 4000 Mark ein,

Die Daten für das Lockdown-Quartett – analog zu Hubraum, Höchstgeschwindigkeit und Zylinder bei den Autos – sind gar nicht einfach auszubaldowern. Wenn ich ein Wallone bin, älter als 12 Jahre, aber jünger als 88, nicht in Wallonien, sondern in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Ostbelgiens wohne, einen asthmakranken Opa mit Attest zur Maskenbefreiung in NRW wohnen habe und mit diesem dessen Bruder im südlimburgischen Maastricht besuchen will, um wie viel Uhr muss ich dann wieder zu Hause sein, um nicht gegen ein halbes Dutzend verschiedener Ausgangssperrenzeiten zu verstoßen? 18? 20? 22? Passe!

Und wenn ich so tiptop frisiert bin wie Regierungssprecher Seibert durchs Land cruise, muss ich dann zum Beispiel bei der Durchquerung Flanderns auf dem Weg nach Brüssel zwischen 22 Uhr und 6 Uhr der Polizei nachweisen, dass ich mein Haupthaar selber so präzise zu bändigen verstanden habe? Und wie komme ich die ersten 40 km durch die Wallonie? Überhaupt nicht?

So richtig Quartett gespielt haben wir bisher nicht, zu viele Fragen sind offen. Wenn für Joshi als Deutscher in Deutschland wohnend in Deutschland ein Bewegungsradius von 15 km erlaubt ist, kann er zwar gerade so bis Würselen kommen. Aber was wollte er dort? Würselen, bekannt für Martin Schulz und die als Rentnertreffs geschätzten Möbelhäuser, hat derzeit gar nichts zu bieten. Die Möbelhaus-Restaurants sind ebenso geschlossen wie die Möbelhäuser und wie das nasse Paradies Aquana, Schulzens politisches Gesellenstück. Auch die gemütlichen Eckkneipen und Trinkhallen, in denen Schulz früher so manchen Deckel machte, sind dicht, etliche vermutlich für immer.

Und was ist mit mir, darf ich wenigstens nach Würselen, als nicht in Deutschland wohnender Nichtdeutscher? Und falls doch, wo muss ich den Mittelpunkt meines Radius festlegen? An der Grenze? Auf dem Schreibtisch, an dem ich gerade sitze? Und gelten auch für mich die Abmachungen, die das deutschsprachige Ostbelgien mit NRW und RLP getroffen hat, wo ich doch im französischsprachigen Teil lebe, nur ein paar Kilometer  übrigens entfernt von Flandern, mit dem die Niederlande eine eigene Vereinbarung getroffen hat. Oder hatte? Ach, ich bleibe einfach im Haus und arbeite virtuell mit Joshi an einer wirklich spielbaren Version des Lockdown-Quartetts unter besonderer Berücksichtigung der täglich neuen Mutationen.

Superwahljahr 2021

„Der Wähler steht vor der Klemme, dass er zur freien Entscheidung eingeladen wird durch eine Macht, die sich ihrerseits nicht an die Spielregeln zu halten gedenkt. Es ist die gleiche Macht, die ihm Eide abfordert, während sie selbst von Eidbrüchen lebt. Er leistet also einen guten Einsatz bei  einer betrügerischen Bank.“ ((Ernst Jünger, Der Waldgang, Kapitel 6, 1950)

Mit Diktatoren spielen

Übrigens: es gibt dieses Quartett-Spielprinzip nicht nur mit Autos. So existiert ein hübsches MARIENERSCHEINUNGEN-Quartett („Die glanzvollsten Auftritte der heiligen Jungfrau auf 32 Spielkarten“), ein JUNKFOOD-Quartett („Die fett- und zuckerreichsten Kalorienbomben

auf 32 Spielkarten“) und ein RAUSCHGIFT-Quartett („Die einschlägigsten Substanzen aus Flora und Pharma auf 32 Spielkarten“). Das vielleicht bekannteste Quartett neuerer Prägung ist das TYRANNEN-Quartett, und ich finde, es wäre Zeit für eine aktualisierte neue Version; wenn es nicht mehr als 32 Karten sein dürfen, könnte man ja ein paar Laumänner wie Gaddafi, Castro und Kim Jong-il zugunsten neuer Erscheinungen wegfallen lassen. Oder man behält die bisher erschienenen Versionen und ergänzt sie um eine 100% German Edition. 32 Karten bekommt man locker zusammen.

Der Staat braucht dich!

Vor einigen Tagen sah ich eine interessante Dokumentation über Hitlers Gestapo. Ich lernte dabei, dass die eigentliche Gestapo, also die für den Laden amtlich Tätigen, eine personell eher kleine Behörde war. Gespeist wurde ihr verbrecherisches Tun hauptsächlich durch die Denunziation braver, gesetzestreuer Mitbürger. Die damals wie heute natürlich vollkommen davon überzeugt waren bzw. sind, dass sie das Wahre, Gute, Richtige tun.

Besonders beeindruckt hat mich eine Geschichte aus Köln. Da war eine Einwohnerin zutiefst betroffen von dem Gedanken, ihr vermisster Mann könne als Soldat gefallen sein. Nun hatte ihre Nachbarin in einem englischen Radiosender, den sie heimlich verfolgte und der die Namen von deutschen Kriegsgefangenen verlas, gehört, dass der Mann lebte, und sie eilte freudig zur Nachbarin, um ihr den Kummer zu nehmen. Am folgenden Tag wurde sie verhaftet. Die Nachbarin hatte sie wegen des Hörens von Feindsendern bei der Gestapo gemeldet.

Alles rechte Propaganda!

Ich sage mal so: Es ist vollkommen abwegig, die aktuellen Zustände mit denen in Diktaturen gleich zu setzen. Wenn Sie im besten Deutschland, das wir jemals hatten, morgens um 5 abgeholt werden, können Sie nach der Impfung spätestens zum Mittagessen wieder zuhause sein.

Rowan Atkinson

NEIN, keine Panik! Das ist nicht einer meiner so beliebten Nachrufe. Der britische Mime (Gott: „Wie viele Gesichtsmuskeln möchtest du haben?“ Rowan: „Ja!“) ist vor ein paar Tagen 66 Jahre geworden. Im deutschsprachigen Raum wurde er durch seine Figur des Mr. Bean bekannt und beliebt; kein Wunder, da Bean weitgehend ohne Sprache auskommt, die Figur lebt aus ihrer Mimik und Gestik. Sprechen kann er aber auch, hier sieht man Rowan Atkinson als der Teufel („Diebe und Wegelagerer auf diese Seite! Und die Rechtsanwälte hinzu.“)   

Dass die von ihm in der gleichnamigen Serie dargestellte, gewitztere Figur des „Blackadder“ außerhalb Albions nur Atkinson-Nerds bekannt ist, liegt an ihren ausgefeilten Dialogen und den allenthalben vorhandenen historischen Anspielungen. Da muss man schon recht firm im Englischen sein und auch wissen, was Queen Elisabeth I. von Queen Elisabeth II. unterscheidet. Atkinson hat seit gut 40 Jahren immer irgendwo seine Figur im Spiel, wenn es um intelligente Comedy geht. Dass er zudem ein Liebhaber schneller, unkorrekter Autos ist, erhöht seine Sympathiewerte beträchtlich.

Rowan Atkinson fährt einen KIA.

2012 hielt Rowan Atkinson eine bedeutende Rede gegen die zunehmende Tendenz der Meinungsunterdrückung als Folge der Political Correctness. Ja, Sie lesen richtig. 2012! Da haben die meisten von uns vermutlich noch geschlafen. Zwei Kommentare unter dem Video will ich zitieren: „Er hat seine Karriere riskiert, um aufzustehen für das Recht ALLER Briten auf  Freie Rede “. Der andere Kommentator schreibt: „Wann wird Youtube das wohl als Hassrede löschen?“

Sofern Sie der englischen Sprache nicht ganz so mächtig sind, um der Rede zu folgen, können Sie sich Untertitel einstellen, sie beruhen auf automatische Übersetzung und sind nicht wirklich präzise, helfen aber ein wenig, um durch das Mitlesen die gesprochenen Worte besser zu verstehen. Wie auch immer: Nehmen Sie sich diese wertvollen neun Minuten Zeit und lauschen Sie

Von Helena nach Detroit

In der Auster kommt man auf seltsame Ideen. Zum Beispiel, wenn einen das virtuelle Fernweh packt. Ab und an sehe ich mir mit Google Street View interessante wie uninteressante Gegenden auf dieser Erde an. Letzte Woche rollte ich virtuell durch den US Bundesstaat Montana, der entgegen meiner früheren Vermutung bis auf ein eher kleines Gebiet im Westen völlig flach ist und wirklich langweilig aussieht. Andererseits: Welche Ruhe! Welches Paradies für einen, der keine Vorurteile kennt, sondern alle anderen Menschen gleichermaßen hasst!  In Montana leben auf einer Fläche größer als die BRD gerade mal etwas mehr als 1 Million Menschen. In Buchstaben: EINE Million. Die Hauptstadt Helena hat rund 28.000 Einwohner und somit 10.000 weniger als Würselen. Es mag an den dort (in Montana, nicht Würselen) lebenden Grizzliebären liegen, dass die Einwohnerzahl so gering ist, aber man kann sich ja von deren Territorien fernhalten. Australier gehen schließlich auch nicht gerade da ins Meer, wo es Haie... nein, schlechter Vergleich.

Ich weiß nicht, wie es kam: bei näheren Recherchen zu Montana (Immobilienpreise, Zuzugsbedingungen, Green Card, Wetter, Katzenfreundlichkeit, Gesundheitswesen) geriet ich völlig aus der Spur. Sie werden das kennen: eigentlich wollen Sie etwas über das Schulwesen in Kalifornien nachschlagen und landen dann bei Youtube Clips, in denen wohlgeratene junge Frauen zeigen, was sie bzw. ihre Sugardaddies sich unter „School Girl Dress“ vorstellen. 

Jedenfalls, ich geriet irgendwie aus der Kurve und somit nach Detroit. Eine Stadt, die ich verbinde mit den MC Five , mit dem Motown Label oder Lucky Thompson; kein Gangster, wie der Namen vermuten ließe, sondern ein brillanter Saxophonist

Lucky Thompson starb 2005, an Alzheimer erkrankt, obdachlos, verarmt und desorientiert und physisch nicht mehr in der Lage zu spielen, da er sein Gebiss verloren hatte. An sich und seine musikalische Karriere konnte er sich nicht mehr erinnern. Ich um so besser, Mitte der 1960er Jahre kaufte ich meine ersten Jazzplatten, darunter eine LP des Vibraphonisten Milt Jackson, auf der ein sensationelles Saxophon zu hören ist; hören Sie nur Luckys Einstieg in sein Solo (bei 2:18) sowie der später folgende Dialog mit Milt Jackson, insbesondere der Break ab 6:30, gehören für mich auch heute noch, nach Abertausenden gehörten Platten- und Liveaufnahmen, zum Coolsten, was der Jazz, vor allem Be- und Hardbop, jemals hervor gebracht haben. Nicht zuletzt auch dank der weiteren Mitwirkenden – während Hank Jones (p) und Wendell Marshall (b) eher dezent den Rhythmus regeln, spielt Kenny Clarke (unverkennbar ab dem ersten „Klook“) wie ich bis dahin noch nie einen Schlagzeuger gehört hatte.  

Obdachlos, verarmt und desorientiert und physisch zu nichts mehr in der Lage – das lässt sich auch über Detroit sagen. Ich hatte von dieser Stadt bisher wenig Ahnung, ich wusste, dass es sie gibt, dass sie mal die bedeutendste Automobil-Metropole der Welt war, dass sie einen wirtschaftlichen Niedergang erlebte und dass man sich dort am besten, egal um welche Uhrzeit, nicht auf der Straße blicken lassen sollte, und das nicht wegen eventueller Grizzliebären. 

Detroit ist etwa so groß wie die russische Autometropole Toljatti in der Oblast Samara am Mittellauf der Wolga, benannt nach einem früheren Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Italiens. Der Name Detroit hingegen hat französische Wurzeln, ein gewisser Antoine de la Mothe Cadillac (sic!) nannte die von ihm gegründete Niederlassung zwischen Eriesee und Lake St. Clair zu Beginn des 18. Jahrhunderts „Ville d’Etroit“, was, schlampig ausgesprochen, leicht nachvollziehbar zu „villll Detroit“ wurde. Heute stehen in Detroit gut 80.000 Häuser leer, die Konzentration von Arbeitslosigkeit, Armut und Kriminalität ist recht beispiellos, zumindest für die westliche Welt. Dabei macht die Stadt auf den ersten Blick gar keinen schlechten Eindruck. Bis auf den Stadtkern besteht Detroit nämlich aus weitläufiger, kleinteiliger Bebauung, soll heißen: weitestgehend aus Einfamilienhäusern und Garagen und ab und zu Kirchen und Schnapsläden, mit viel Grün drumherum. Das hört sich gemütlich an und war es vermutlich auch mal. Allerdings nur auf den ersten Blick. Der Verfall gerät  schnell ins Blickfeld.

Für meine Trips durch Detroit per Google Street View habe ich das Männchen an beliebige Stellen abgesetzt, es sieht überall weitgehend gleich aus. Viel Grün, ziemlich bröckelige Straßen und eine vom Zustand her sehr heterogene Bebauung, denn Ruinen stehen unmittelbar neben noch bewohnten, manchmal sogar gepflegten Häusern. Verhältnis 90:10.

Nur einmal geriet ich in eine Straße, die zwar den anderen von der Bebauung her wie aufs Haar glich – nur, dass alle Häuser in einwandfreiem Zustand waren, ebenso die Gärten und Garagen, und es lag kein Müll herum. Die Fahrbahnen waren ohne Löcher, und die Autos waren keine Wracks, sondern in durchaus erfreulichem Zustand. Ich wunderte mich  und zoomte mich aus der Karte heraus, um zu sehen, in welchem Stadtteil ich mich befand. Oh, böse Falle! Ich hatte unbemerkt die Grenze überquert und war im kanadischen Windsor gelandet, gleich am anderen Ufer des Detroit River

2013 meldete Detroit Insolvenz an. 30 Prozent der Bewohner leben in Armut. 83 Prozent, der Detroiter sind  Afroamerikaner, die Kriminalitätsrate ist die höchste in den USA. Wozu nicht alleine die Straße beiträgt: Kwame Kilpatrick, Rechtsanwalt und schwarzer, demokratischer Bürgermeister von Detroit zwischen 2002 und 2008, sitzt momentan eine Gefängnisstrafe von 28 Jahren ab und kann frühestens in 17 Jahren vorzeitig entlassen werden, sofern er sich nicht daneben benimmt. Ein richtig schwerer Junge. Immerhin, er bekommt manchmal Besuch. 2015 schaute sein alter Kumpel Barack Obama vorbei. 

Durch Detroit bei Tag und Nacht

Ich sagte es eingangs, ich geriet beim Surfen durch Montana aus der Kurve und somit nach Detroit. Folgen Sie mir dorthin; virtuell natürlich. Real lieber nicht, obwohl man nach meinen Informationen leerstehende Häuser im Grünen für ungefähr 5000 Dollar erwerben kann. Man kann sie aber auch einfach so beziehen und nach einiger Zeit, wenn man vielleicht etwas netteres gefunden hat, abfackeln. So ist der Brauch. Persönlichen Anschluss wird man schnell finden; die Leute scheinen recht aufgeschlossen zu sein. Bei einem Spaziergang wird man schnell Kontakte knüpfen, ganz ohne eigenes Zutun. Und ob im Hellen oder Dunkeln macht keinen Unterschied.

(Einschub: Detroit verrottet nicht alleine. Baltimore, Cincinatti, Dallas, Atlanta, Chicago, Philadelphia... Die Liste lässt sich sehr sehr lange erweitern. Und wenn Sie noch ein wenig warten, müssen Sie, um vergleichbare Verhältnisse anzutreffen, Europa gar nicht mehr verlassen.) 

Fahrt durch Detroit 

At night in da hood 

Eastside of Detroit: Crack in da house

Detroit: The Late Night Show 

Detroit: Eingeborene im Lockdown (Englischkenntnisse nicht nötig) 

Silvester-Böller? Nein. Heavy gunfire in Detroit 

Zurück ins (noch) Abendland

Ehe ich meine Austernschale wieder komplett zuklappe: Falls Sie bei Zeitmangel oder Interessenlosigkeit keinen der oben aufgelisteten Links anklicken möchten – tun Sie es wenigstens bei diesem. Gunnar Kaiser liest Sebastian Friebel „Wie soll es weitergehen?“. Unter diesem Link  können Sie den kompletten Text als PDF herunter laden.

Ernste Worte

„Die Grundfrage […] lautet, ob man den Menschen von der Furcht befreien kann. Das ist weit wichtiger, als ihn zu bewaffnen oder mit Medikamenten zu versehen. Macht und Gesundheit sind beim Furchtlosen. Dagegen belagert die Furcht auch die bis an die Zähne Gerüsteten — ja gerade sie. Das gleiche lässt sich von jenem sagen, der im Überflüsse schwimmt. Mit Waffen, mit Schätzen bannt man die Bedrohung nicht. Das sind nur Hilfsmittel.“ (Ernst Jünger, Der Waldgang, Kapitel 14, 1950)

The World is my Oyster

The world is my oyster

Ha ha ha ha ha ha ha ha

Welcome To The Pleasuredome 

Die 1980er waren meine Jahre, damals war die ganze Welt meine Auster, und nicht nur meine. Es gab wenig davor und nicht mehr viel danach. Die Musik, die das Jahrzehnt, „where sex and horror are the new gods“, am besten charakterisiert, wurde bereits in der ersten Hälfte der 80er produziert.  „Welcome to the Pleasuredome“ heißt das Doppelalbum, auf der Hülle steht „Frankie goes to Hollywood“ und eingespielt wurde das Meisterwerk von Trevor Horn, der offiziell als Produzent fungierte, aber nur Frankie-Sänger Holly Johnson mit ins Studio nahm, da er der übrigen Band nicht zutraute, das musikalisch umzusetzen, was ihm vorschwebte. Trevor Horn (*1949) wird beschrieben als „der Mann, der die Achtziger erfand“ und hat vieles für die Ewigkeit produziert. The Art of Noise, Grace Jones, Propaganda, Genesis, Mike Oldfield, Paul McCartney, Robbie Williams, Rod Stewart, Simple Minds... die Liste geht noch lange weiter.

Holly Johnson ist es dann auch, der den auf Shakespeare (The Merry Wives Of Windsor“) anspielenden Satz „The world is my oyster“ am Anfang des Albums deklamiert. 

Falstaff: “I will not lend thee a penny”
Pistol: “Why then the world’s mine oyster, which I with sword will open.”

Klappe zu.

Foto: Jorge Flores CC0 via Wikimedia Commons

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Fritz kolb / 17.01.2021

@Manny Meier: der Facel Vega hatte einen Feind, und das war der Jaguar E-Type mit 240 km/h Spitze. Dem war auch der 1960-er Traum-Benz 300 SL mit 225 km/h unterlegen… Wenn man das einmal mit Heute vergleicht. Der Peak der Leistungsentwicklung war so Anfang der 2000-er erreicht, da gab es als biedere Limousine beispielsweise den Mercedes AMG 55 mit Kompressor und großem Hubraum mit fast 500 PS, freigeschaltet 300 km/h schnell. Danach ging und geht es wegen Abgasgesetzen, Klimakirche und Transformationseiferern kontinuierlich bergab. Die nominal abgebildeten Leistungswerte liegen bei denTop-Modellen gelegentlich zwar noch höher, werden aber mit kleinem Hubraum und verschleissfördernden Drehzahlen erkauft. In sehr kleinen Stückzahlen. Beschleunigt wird das ganze von uninteressierten, feminisierten Jungmännern und der großen grünroten Vorsitzenden und ihren Lakaien. Im Ergebnis liegen die Auto-Absatzzahlen insgesamt wieder auf dem Niveau der 80-er Jahre. In dem Land, das einst die Autonation Nr.1 war. Was kommt danach? In München-Schwabing ist das Lastenrad wieder angesagt. Erinnert mich irgendwie an Bilder aus dem China der 80-er Jahre.

Josef Gärtner / 17.01.2021

Hab mir die verlinkte Rede von Rowan Atkinson aus dem Jahr 2012 angehört. Einfach nur klasse! Seine Problemdarstellungen, Bewertungen und auch Schlussfolgerungen bringen es präzise auf den Punkt. Genau das ist es, was uns in Zeiten von PC, Cancel Culture, Gesinnungs-Diktatur und Sprachpolizei umtreibt, die Freiheit raubt und einen sachlich-konstruktiven Dialog um die Sache schon im Ansatz abwürgt. Zurück bleibt eine tiefgreifend gespaltene Gesellschaft, und eine zertrümmerte Demokratie.

Stefan Leikert / 17.01.2021

Von ‘64er Autoquartett bis Waldgang, und sie fahren ein altes englisches Auto, wenn ich mich nicht täusche, das ist eigentlich, als wären wir in die selbe Schule gegangen. Apropos Städtereisen: man kann “Blow up” sich mal so ansehen dazu noch den ein oder anderen Beatles Film. Klappe!

Burkhard Goldstein / 17.01.2021

Ich liebe Texte, die ein solches Füllhorn an Gedanken enthalten, dass man,  je länger man liest, gar nicht mehr weiß, um was es zwanzig Zeilen zuvor ging. Eben noch das klassische Autoquartett, welches auch ich in früher Kindheit mit Freunden spielte - und bei dem der sagenumwobene NSU Ro 80 mit seinem Wankelmotor für uns eine nicht unbedeutende Rolle spielte, dann über Lucky Thompson, der mir trotz „angemessener“ Jazzkenntnisse noch kein Begriff war, zu höchst aufschlussreichen Autofahrten durch Detroit. Und zwischendurch ein wenig Sprachwissenschaft, blieb ich doch an dem Wort „ausbaldowern“ hängen. Dieses Wort ist mir geläufig, der genauere Sinn aber nicht. Es gibt sogar, wie ich soeben nachlesen konnte, das Substantiv „Baldower“ -  der Auskundschafter, der Anführer bei einem Diebesunternehmen… Ihr Sonntagsbericht hat mir, wie Sie ja bereits merken, außerordentlich gut gefallen. Ein Kleinod der sonntäglichen Unterhaltung! Die restlichen Detroit-Links und den Text von Gunnar Kaiser werde ich später, nach meinem Sonntagsspaziergang, aufrufen. Herzlichen Dank, Herr Bechlenberg, und noch einen angenehmen Sonntag in Ihrer Auster…

Karsten Dörre / 17.01.2021

Als 1966 geborener Ossi ist mir im Jahr 2021 der Begriff Ausreisegenehmigung nicht verloren gegangen. Die vielfältigen Corona-Verbote von Landesregierung und Landkreis haben mich zunehmend verfetten lassen, nicht nur körperlich sondern auch mental (man glaubt es nicht, was der Corona-Terror in Medien und Alltag psychisch latent verursacht). Bei YouTube geistern viele Corona-Hilfsangebote, wie man sich zu Hause fit hält. In einer Betonburg wie meiner auf Betonböden herumzuhopsen, springen oder sonstig verquerer Phantasieübungen, veranlasst meine Nachbarn unter und neben mir samt der Kampfhunde sofort vor meiner Tür zu erscheinen.

Rolf Mainz / 17.01.2021

Der Vollständigkeit halber: Herr Schulz wird meist mit dem Ort Würselen in Verbindung gebracht, weil er dort ein politisches Amt innehatte. Er stammt jedoch nicht von dort, sondern aus dem unweit gelegenen Ort Eschweiler (einer SPD-Hochburg seit Jahrzehnten), präzise: aus dem dortigen, bis heute insbesondere rural geprägten Stadteil Hehlrath…

Werner Liebisch / 17.01.2021

Danke für den schönen kurzweiligen Artikel… für die tollen Links, genau das Richtige nach der Schicht. Mr. Ardberg hat da aber etwas mitgeholfen, oder? :—)

Manni Meier / 17.01.2021

Lange Zeit nicht mehr so gelacht, ihre Assoziationen sind ja rezeptpflichtig,  Herr Bechlenberg. Mann, Mann, Mann, was Sie so alles ausbuddeln, ist wirklich erstaunlich. Dass mich jemand vor meinem Ableben noch mal mit dem guten, alten Autoquartett konfrontiert, ist ja unglaublich. Autoquartett, DER Zeitvertreib von Sexta bis Quarta bei Busfahrten zur Penne (vorausgesetzt, man musste nicht noch schnell irgendwelche Mathehausaufgaben bei einem Klassenkameraden abschreiben). Die Trupfkarte in unserem Spiel war übrigens der Facel Vega HK 500, Achtzylinder, 6276 cm³ Hubraum, 390 PS, 230 km/h Spitze - da ging nichts drüber. Ausgesprochen haben wir ihn immer “Fasel Feger”, da niemand das Vehikel kannte und zugeordnet haben wir ihn der amerikanischen Automobilindustrie, also Detroit. Erst jetzt habe ich erfahren, weil ich in der Wikischlau wegen der Daten und der Orthographie des Namens nachgeschaut habe, dass der “Fasel Feger” ein Franzose war. Damals haben wir gedacht, die bauen in Frankreich nur nur Enten und R4. T’ja, und den Jünger muss ich mir auch mal wieder vornehmen, bevor bei einer Routine Corona Kontrolle in meiner bescheidenen Heimstatt seine Gesamtausgabe entdeckt und vorsorglich beschlagnahmt wird. p.s. Danke für den Youtube Link „School Girl Dress”

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