So lange ich mich zurück erinnern kann, bin ich ein begeisterter Anhänger von Donald Duck. Zu meinen ersten Spielsachen in den 50er Jahren gehörte ein Donald aus Gummi, dessen Innenleben aus Draht bestand, so dass man seine Glieder nach Belieben formen konnte, jedenfalls so lange, bis der Draht gebrochen war. Also etwa eine Woche. Im Laufe der Jahrzehnte kamen bis heute mehr als 500 weitere Donald-Duck-Figuren sowie eine unüberschaubare Zahl von donaldistischem Kulturgut – Bettwäsche, Kugelschreiber, Zahnbürsten, Uhren, Brillen, Handtücher, T-Shirts, Unterhosen, Kekse, Nudeln und und und – hinzu.
Natürlich habe ich auch etliche Regalmeter an Heften zusammen getragen, stets unter der Prämisse: Es darf nur echtes Kulturgut sein; die Geschichten also von Carl Barks (1901–2000) geschrieben und gezeichnet sowie ins Hochdeutsche übersetzt von Dr. Erika Fuchs (1906–2005). Alles andere, insbesondere die „Lustigen Taschenbücher“ aus italienischer und spanischer Massenproduktion kamen mir nie zu Augen. Dafür ganze, über Jahre erschienenen Reihen wie „Die tollsten Geschichten von Donald Duck“ und jetzt zuletzt „Die Entenhausen-Edition“, die seit einigen Jahren zweimonatlich erscheint und es inzwischen auf 71 Ausgaben gebracht hat.
Doch damit ist Schluss. Nicht ein Heft, nicht ein Buch, nicht eine Sonderedition wird noch gekauft. Seitdem der deutsche Verleger Egmont Ehapa begonnen hat, die literarisch hochwertigen Übersetzungen von Erika Fuchs dem woken Zeitgeist anzupassen, ist für mich Schluss mit entig. Hier wird sich an anerkannter Weltliteratur vergriffen; sowohl Barks als auch Frau Fuchs sind in ihrer Meisterschaft unumstritten, kein Wunder daher, dass ihre Werke immer wieder in unterschiedlichen Editionen von edel bis broschiert neu aufgelegt werden.
Neu ja, aber nun schamlos verändert. Die Texte, so Ehapa, seien nicht mehr zeitgemäß, Leser könnten sich von manchen Inhalten beleidigt fühlen, vielleicht weil sie übergewichtig oder indianischer Herkunft oder sonst wie eingeboren sind oder Allah anbeten. Religiöse Anspielungen dürfen höchstens noch in Form von abgewandeltem Gebrauch verwendet werden. „O Gottogottogott!“
Nicht einmal in der Lage, Ironie als solche zu erkennen
Dass dabei ein wesentlicher Teil des Sprachwitzes, an dem die hochgebildete Erika Fuchs einen immensen Anteil trägt, verloren geht, schert die Zensoren nicht; sie sind ja nicht einmal in der Lage, Ironie als solche zu erkennen und streichen deshalb in ihrer Kleingeistigkeit selbst bewusst zugespitzte, karikierende Bemerkungen wie die von Donald Duck, Frauen hätten halt ein zu kleines Gehirn. (Vielleicht gilt das ja für Zensoren? Anm. des Autors)
Seitdem auf dem Cover der „Entenhausen-Edition“ die Aufschrift „Mit überarbeiteter Version der Originalübersetzung von Dr. Erika Fuchs“ prangt, kaufe ich die Reihe nicht mehr. Für mich kein wirklicher Verlust - jede Geschichte von Barks/Fuchs ist über die Jahrzehnte hinweg bereits mehrfach erschienen, sei es in der „Micky Maus“, sei es in den „Tollsten Geschichten“, den „Besten Geschichten“, der „Carl Barks Collection“ der „Carl Barks Library“ und anderen Editionen, die bei mir stehen, bis hin zu niederländischen oder französischen Ausgaben. Ich habe also nahezu jede Story mehrfach. Allen diesen Ausgaben fehlt die folgende, in neuen Publikationen zu findende Erklärung: „Dieser Titel enthält negative Darstellungen und/oder eine nicht korrekte Behandlung von Menschen oder Kulturen. Diese Stereotype waren damals falsch und sind es heute noch. Anstatt diese Inhalte zu entfernen, ist es uns wichtig, ihre schädlichen Auswirkungen aufzuzeigen, aus ihnen zu lernen und Unterhaltungen anzuregen, die es ermöglichen, eine integrativere gemeinsame Zukunft ohne Diskriminierung zu schaffen.“ Ja, das steht da wirklich. Doch wenn ich darüber nachdenke – wieso hat mich dann das Lesen von Donald Duck Geschichten eigentlich nie dazu verleitet, ohne Hose in der Öffentlichkeit rumzulaufen?
Auch wenn man es in der heutigen Zeit der political correctness für eine weitere Modererscheinung halten kann – zensiert wurden Comics bei Disney und anderen Verlagen schon immer. Nicht nur den Texten, auch den Bildern ging es an den Kragen. Die konsequenteste aller Zensorinnen war meine Mutter, die mir jeglichen Kontakt mit dem „Dreck“ untersagte; es konnte kein besseres Mittel geben, mich comic-affin zu erziehen. Diese Seite listet eine Reihe von Beispielen auf. Weibliche Rundungen, Ringe in den Nasen von Eingeborenen (pardon!), betonte Wangenknochen, Waffen, Frisuren, Hautfarbe; es gab auch schon früher nichts, an dem sich nicht jemand störte. Oder eventuell stören könnte. Carl Barks war auf Verlangen des Verlegers oft mit Überarbeitungen und Neuzeichnungen beschäftigt. Auch Erika Fuchs hat nicht wenige ihrer Übersetzungen für verschiedene Neu-Editionen überarbeitet; man darf aber annehmen, dass es ihr nicht um Zensur von „Unkorrektem“ ging, sondern um sprachliche Feinheiten. Und ein Fakt steht über allen anderen: Sie hat die Überarbeitungen selbst vorgenommen und nicht irgendwer. Ein entscheidender Unterschied.
Nichts in den Geschichten aus Entenhausen entspricht wokem Wahn
Texte von unbestrittener literarischer Qualität werden immer gravierender dem Zeitgeist angepasst. Womit sich Ehapa am leichtesten Opfer vergreift – Texte in Sprechblasen sind einfach zu ändern, einfacher als Bilder, deren Zeichner zudem nicht mehr lebt. Doch wäre der Verlag mit seiner Anbiederung an den linken Zeitgeist konsequent, bliebe ihm kaum etwas anderes übrig, als die lukrative Einnahmequelle der Carl Barks Geschichten komplett abzudrehen. Denn nichts in den Geschichten aus Entenhausen entspricht wokem Wahn. Frauen sind zumeist kokette, feminin gekleidete, zickige bis heimtückische Weiber (Daisy, Donna Duck, Gundel Gaukeley, Rosita Rührschneck, Marlene Mammut), Schurken sind meist Schweine (Argus McSwine, Shandy Schofel, Schorchel Schachermann, Kasimir Keiler, Erich von Ehrenspeck, Glatznick u.a.) oder auch berdohlich wirkende Hunde (Zacharias Zorngiebel, Militärs, Pfadfinderführer, Honoratioren der Stadt Entenhausen, Ordnungskräfte) oder sie erfüllen wie die Panzerknacker äußerlich diskriminierende Stereotype (fett, hässlich, groß). Und natürlich gibt es in Entenhausen nur zwei Geschlechter, allerdings ohne Geschlechtsteile.
Die Lizenz zum Gelddrucken für Egmont Ehapa in Form der deutschen Ausgaben von Asterix müsste umgehend auslaufen. Gibt es eine Comicserie, die mehr mit Klischees und Stereotype arbeitet? Was ist mit Baba, dem dicklippigen Schwarzen im Ausguck des Piratenschiffes? Was mit all den skurrilen Vertretern von Völkern und Ethnien, die mehr Klischee als alles Andere sind? Wer nicht erlaubt, dass in den Duckgeschichten weiterhin von „Indianern“ die Rede ist, kann erst recht nicht Asterix verlegen. Klar, das steht nicht zur Debatte; den Goldesel aus Frankreich will keiner schlachten.
Somit entlarvt sich der Gratismut des Verlags: An ein paar Texten vergreifen wir uns, zudem das kaum jemand merkt und es fast keine Arbeit macht. Andere Verlagsobjekte hingegen lassen wir unbehelligt weiter Kohle bringen. So wie auch die Mangas aus dem eigenen Hause; wenn da zum Beispiel auf dem Cover eine nackte Frau mit Peitschenstriemen zu sehen ist oder eine unbekleidete Nymphe von einem Kettensägenmann bedroht wird, geht das bei Ehapa voll in Ordnung; ganz anders hingegen sieht es aus, wenn bei Erika Fuchs eine rundliche Randfigur „Fridolin Freudenfett“ heißt. Nur keinen Ärger mit dem Zentralrat der Adipösen!
Noch mal: Man versucht bei Egmont Ehapa dem Zeitgeist zu frönen, geht dabei aber den billigsten Weg. Denn wer einmal anfängt, sich über Personal und Geschehen in Entenhausen zu ereifern, findet kein Ende mehr. Jungen spielen mit Jungensachen, Mädchen mit Mädchenkram, Politik und Verwaltung wird ausschließlich von Männern betrieben. Männer machen Erfindungen, brechen Rekorde, sind wagemutig. Geschichten heißen Der reichste Mann der Welt, Der rasende Rennfahrer, Der Fachmann, Der Herrenspecht, Der Rabe Nimmermehr – es geht ewig so weiter.
Die Anhänger des Lauteren Donaldismus haben eine Online-Petition gestartet
Natürlich ist der Reichste im Lande ein Mann, so wie auch das unumstrittene Genie von Entenhausen, der Erfinder Daniel Düsentrieb. Der lebt zwar statt mit einer Frau mit einem gewissen „Helferlein“ zusammen und trägt auch gewisse feminine Züge, jedoch in aller Unschuld. Zudem arbeitet er, geistig und körperlich. Beruflich sind in Entenhausen ausschließlich Männer am Werk, und wenn doch mal eine Frau einem Gewerbe nachgeht, dann ist sie eine Hexe.
Damit das klar ist: Ich kritisiere nicht die Inhalte, weder der Disney-Comics, noch von Asterix, noch von den Mangas. Ich habe immer über Baba - „Ich habe einen Kü'bis an die 'übe gek'iegt!“ - Pirat gelacht und werde es weiterhin tun. Aber ich weise auf die billige Art hin, mit der sich der Verlag so etwas wie ein reinliches Gewissen erschleicht. Billig, weil man sich an einer Übersetzung vergreift, die heute vielleicht etwas anders formulieren würde, die aber legitim ist, da sie wie die Comics selber aus einer anderen Zeit stammen und zudem literarische Qualität besitzen.
Die Organisation der Nichtkommerziellen Anhänger des Lauteren Donaldismus D.O.N.A.L.D. hat eine Online-Petition gestartet, also einen vergeblichen Versuch, der bei Ehapa wütenden Zensur noch Einhalt gebieten zu können. Diese Petition ist auch bei den Mitgliedern nicht unumstritten, was ich gut verstehe; zu windelweich ist die darin zu findende, vorauseiernde Unterwerfung gegenüber allenthalben marodierenden Sprachverhunzern. So heißt es: „Es geht in dieser Petition nicht um politisch korrekte Sprache in aktuellen Texten, auch nicht um Gendersprache oder die Bemühung um nicht-diskriminierende Sprache. Die Diskussion um sexistische, rassistische und andere Stereotype in der Gegenwartssprache ist berechtigt und wichtig.“ Was soll das? Die Petition ist getitelt mit „Hände weg von Donald Duck! Keine Zensur klassischer Comic-Geschichten!“ Und nur darum geht es; Diskussionen zu „anderen Stereotype“ sind vollkommen irrelevant, ihnen steht keine Aufmerksamkeit in einem Petitionstext zu, der sich schlicht und einfach an das Anliegen der Petition zu halten hat.
Welcher Geist heute auch durch die D.O.N.A.L.D. weht, wird in der dort zu findenden Diskussion deutlich. Ein Kritiker der Petition wird sogleich als „AfD Wähler“ abgeledert, und der oben zitierte Absatz mit er „...ist […] nötig, um nicht in die falsche Ecke gestellt zu werden“ gerechtfertigt. Man solle diese „verschwurbelte Stellungnahme“ wegen „Unbelehrbarkeit“ des Kritikers ignorieren.
Soll man das auch mit der Petition machen? Nach einigem Überlegen habe ich sie dennoch unterzeichnet. Da ich kein Mitglied der D.O.N.A.L.D. bin, ist mir die dort betriebene Politik letztendlich egal, ich registriere sie nur und hake sie ab. Ich finde jedoch das Anliegen, die Originaltexte von Erika Fuchs zu erhalten, wichtig und unterstützenswert. Wenn Sie mögen Sie finden die Petition zum Nachlesen und eventuellen Unterzeichnen hier.