Chaim Noll / 20.03.2021 / 06:05 / Foto: Bundeskanzlerin.de / 96 / Seite ausdrucken

„Die Bildung ist in den Händen ihrer Feinde“

Längst sind die Universitäten zu unheimlichen Orten geworden. Schon lange, bevor Corona den Campus veröden ließ. Das trifft vor allem auf die Fakultäten, Fachbereiche oder Institute zu, die unter der Bezeichnung „Geisteswissenschaften“ oder „humanities“ firmieren. Sie unterliegen einer erst schleichenden, inzwischen ganz offenen Politisierung. Dieser Vorgang vergiftet jeden Diskurs, verhindert die furchtlose Improvisation von Ideen und Thesen, den freien Gedankenaustausch, schließlich die Freiheit des Gedankens. Kurzum: alles, was zum Gedeihen der Geisteswissenschaften nötig wäre.

„Die berühmte amerikanische Universitätsstadt Princeton“, schreibt Sergio Caldarella, ein ehemaliger Lehrer dieser Universität, „ist eine dieser Kleinstädte geworden, aus denen alle Zeichen von Kultur verjagt und verbannt werden, fast in der Weise, in der 1692 die Einwohner von Salem Hexen jagten.“ Caldarella untersucht die Pervertierung des akademischen Lebens in seinem Buch „The Empty Campus. Education und Miseducation in the New Global Age“, einer erschütternden sozio-pathologischen Studie. „Dank einem grotesken Paradox unserer Zeit“, schreibt er, „ist die Bildung inzwischen fest in den Händen der Feinde der Bildung, (…) und diese Feinde können ungehindert ihre ideologischen Modelle ganzen Generationen junger Gehirne aufzwingen.“ Er wisse, dass seine Thesen ahnungslosen Lesern „provokant und überzogen“ erscheinen müssten, da renommierte Namen wie Princeton, Cambridge etc. immer noch mit Attributen wie „geistige Exzellenz“, „akademischer Glanz“ oder „Gelehrsamkeit“ assoziiert würden, nicht mit der heutigen Realität einer „kulturellen Verödung“, „Mediokrität“ und „Politisierung“.

Um ein Beispiel zu nennen: Wie tief muss die einst bewunderte Harvard-Universität gesunken sein, wenn sie der vielfach gescheiterten, ihr Land in den Niedergang steuernden deutschen Kanzlerin Angela Merkel einen Ehrendoktor verlieh (für „Pragmatismus und kluge Entschlossenheit“, insbesondere bei der „Lösung der Flüchtlingskrise“) und ihr Gelegenheit gab, vor einem in political correctness erstarrten akademischen Publikum eine ihrer nichtssagenden, gedankenleeren, sprachlich dürftigen Reden vorzulesen – und das alles aus offenkundig tagespolitischen Motiven, um den damaligen amerikanischen Präsidenten Trump zu ärgern, der diese Frau und ihre europäischen Intrigen hatte abblitzen lassen.

Denunziation statt Debatte 

Folgt man Caldarellas Gedankengang, eröffnet sich eine Zukunft der Universitäten als Schauplätze profaner Auseinandersetzungen und Minenfelder immer neuer Sprach- und Denkverbote. Hier werden die Deutungshoheiten von morgen ausgefochten, doch nicht mehr mit geistigen Mitteln, mit Argument, Debatte und Dialog, sondern mit Machtpolitik, Boykott und Erpressung, mit cancel culture und Denunziation. Die Humanwissenschaften orientieren sich nach den Forderungen der Politik. Das Akademische dient schließlich nur noch als Cover für die Manipulation durch politische Interessengruppen.

„The Empty Campus“ nennt Caldarella sein Buch, denn bevor es zur Übernahme des Campus durch die Boykott- und Hetzgruppen, die politisch motivierten Aktivisten, die Anschwärzer und Ausschließer kommt, hat eine geistige Entleerung und „gewollte Verdummung“ stattgefunden, ein Verstummen der Humanwissenschaften, nicht aus Mangel an drängenden Problemen (die gibt es im Übermaß), sondern aus Opportunismus und Furcht. Universitäten sind heute Horte der Angst. Karrieren, in die viel Zeit, Mühe und Geld investiert wurden, können über Nacht ruiniert werden wegen eines unerwünschten Wortes, einer offenherzigen These, einer falsche Positionierung in den unentwegt tobenden geheimen Kämpfen. Für geistig Arbeitende gibt es kaum etwas, das entmutigender wäre. Das Sicherste in diesem gefährlichen Ambiente ist Schweigen. „Was hat es auf sich“, fragt Caldarella, „mit den Hunderten, wenn nicht Tausenden schweigenden Universitätsabteilungen? Womit beschäftigen sie sich? Sind sie verbarrikadiert in ihre Elfenbeintürme? Genießen sie ihre Sabbaticals oder sind sie damit beschäftigt, junge Frauen zu verführen? Oder verschlafen sie einfach ihre Zeit, während Rom brennt?“

Nicht zu vergessen: Die Reisen. Es gab, ehe Corona zuschlug, außer Top-Managern keine Berufsgruppe, die so exzessiv in der Welt herumflog wie unterforderte Geisteswissenschaftler: mehrere Konferenzen pro Jahr auf fernen Erdteilen, um dort ein vor einem Dutzend Kollegen ein zwanzigminütiges conference paper vorzutragen, opulent zu essen, ein paar lustige Abende im Hotel zu verbringen und wieder zurückzufliegen. Beschäftigungstherapie der feineren Art. Wegen solcher (und anderer) Annehmlichkeiten verdingen sich die Subventionierten als ideologische Wächter.

Daher sind akademische Karrieren, besonders in den unüberprüfbaren Geisteswissenschaften, in den vergangenen Jahrzehnten so enorm beliebt und die sich dort bietenden Pfründe heiß umkämpft. Smarte Studenten begreifen früh, worauf es ankommt, um in die Kaste der Gedankenwächter vorgelassen zu werden. „Der angebliche Erfolg im Studium, auf den sie so stolz sind“, schreibt Caldarella, „besteht meist darin, den akademischen Zuchtmeistern gefällig zu sein, als servile Diener des status quo, in kritikloser Unterwerfung unter die Autoritäten, die sie später nützlich macht in den Händen der dunklen Meinungsmacher unserer Gesellschaft.“ Ein Prozess der Entpersönlichung, der Degradierung: „Princeton ist ein gutes Beispiel für einen Ort voll wohlhabender Leute und reicher Studenten, doch wenn du in ihre Gesichter schaust, sehen sie bemitleidenswert aus, leer, verschreckt und verloren.“

Am Ende steht eine „neue Barbarei“ im akademischen Gewand, und die „geplante Verdummung der Gesellschaft“, so Caldarella, befinde sich in exponentiellem Anstieg. Die frustrierten Zöglinge dieses Systems tun dann ihrerseits alles, um ihre Sphäre sauber zu halten im Sinne von Gender-Gerechtigkeit, Postkolonialismus, Multikulturalismus etc., denn nichts scheuen sie so sehr wie einen abweichenden Gedanken. Wie kürzlich die Frankfurter Professorin Susanne Schröter in einem Interview sagte: „An den Universitäten geht es jetzt darum, Menschen aus vermeintlichen Tätergruppen zum Schweigen zu bringen und gegebenenfalls aus ihren Positionen zu vertreiben, aber auch darum, nur noch eine Sicht auf die Welt zuzulassen.“ Schöne neue Welt!

Zitiert wurde aus:

Sergio Caldarella, „The Empty Campus. Education and Miseducation in the New Global Age“, Princeton, N.J., 2016, 144 S.

„Die Freiheit der Wissenschaft verteidigen“. Ethnologin Susanne Schröter über Postkolonialismus als Druckmittel. Tichys Einblick, 18.12. 2020

„Schöne neue Welt“ (Brave new world) ist ein dystopischer Roman von Aldous Huxley, erstmals erschienen 1932, in dem eine totalitäre Gesellschaft der Zukunft vorgestellt wird.

Foto: Bundekanzlerin.de

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Alex Fischer / 20.03.2021

@Renata Weiß: Leute mit “Gottesbezug” laufen eigentlich auch nur einer Ideologie hinterher. Im Namen eines Gottes haben Sadisten gerne, speziell irgendwo zwischen Mittelalter und Aufklärung, Menschen auf Scheiterhaufen verbrannt, gefoltert oder sonst irgendwie massakriert. Auch später wurde der Gottesbezug (“Für Gott, Kaiser und Vaterland” oder so ähnlich) gerne angewandt, um Leute sich gegenseitig massakrieren zu lassen. Zumindest ist “Grün"wählen ein nachdenkenswerter Ansatz. Sie kennen doch den Spruch: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. So halte ich es auch persönlich: Better a quick death than a long torturous suffering.

sybille eden / 20.03.2021

Aber das ist hier in Buntland nicht viel besser. Das Buch “50 Jahre Umerziehung” von Hartmut Kraus schildert es eindringlich.

giesemann gerhard / 20.03.2021

Ich weiß nicht mehr, wann es war und welcher Präsident der Universität Princeton mal auf die Frage “Sir, wer war der größte Förderer ihrer Universität?” wie aus der Pistole geschossen antwortete: Adolf Hitler.

Rolf Rüdiger / 20.03.2021

Ein Spruch meines Statistikprofessors war: “Wenn man in jungen Jahren kein Linker ist, hat man kein Herz. Ist man aber später noch immer Linker, so fehlt es an Hirn” Damals hielt ich ihn noch für einen Provomateur, heute, wo ich selbst an einer Hochschule unterrichte, als weisen Mann dessen Lieblingsspruch ich noch einem draufsetzen will. Natürlich gedeihen heute in einer laissez faire Gesellschaft mit schwächelnder Bildung die Narren am besten. Damals hatten wir sie noch gut über Noten… im Griff und später kamen auch die meisten von selbst zur Vernunft. Viele waren uns sogar dankbar, für die Maßregelung. Heute, in einer linkslinken Vorschreibegsellschaft mir sozialen Netzwerken von enormer Reichweite, haben die faulsten Studierende ein starkes Mittel jeden Liberalen ins rechte Eck zu stellen und beruflich zu ruinieren. Wir Unterrichtenden agieren quasi in einer Gesellschaft der Verbote. Ich kann etwa keiner Frau, keinen Homosexuellen, keinem Ausländer, politisch Engagierten oder Färbigen ohne Risiko schlecht beurteilen. Auch wenn er/sie sichs ehrlich verdient hätte. Und so nimmt die Verblödung des Westens ihren Lauf. Denn unter uns, wer will sich schon selbst gefährden…  

Gerd Koslowski / 20.03.2021

Die Bildung ist in den Händen ihrer Feinde und die innere Sicherheit und die äußere Sicherheit und die Industriepolitik und die Agrarpolitik und die Energiepolitik usw. usf.

Monika diekmann / 20.03.2021

Lieber Herr Noll, im Talmud steht: Wo keine WEISUNG ist, da ist kein Anstand, wo kein Anstand ist, da ist keine Weisung. .Wo keine Weisheit ist, da ist keine Furcht, wo keine Furcht ist, da ist keine Weisheit.  Wo kein Verstehen ist, da ist kein Wissen, wo kein Wissen ist, da ist kein VERSTEHEN. Wo kein Mehl ist, da ist keine Weisung, wo keine Weisung ist da ist kein Mehl.

Dieter Kief / 20.03.2021

Ja, Volker Kleinophorst - was mich nur ein wenig irritiert ist, dass Chaim Noll die Neo-SED-Seite der geschilderten Zustände offenbar nicht bemerkt. - In den USA marschieren die Antifa und Black-Lives Matter Aktivisten Seit ’ and Seit’ der Zerstörung entgegen - mit voller Unterstützung der organisierten Judenschaft übrigens. Auch davon hört man hier nichts. Ok, man kann nicht alles haben.

Peter Krämer / 20.03.2021

Die im Artikel angesprochenen Kräfte bereiten derzeit die Regierungsübernahme im Lande vor, unter tatkräftiger Unterstützung der Medien. Im verbliebenen Rest der CDU war man so naiv zu glauben, besonders die öffentlich - rechtlichen Medien im Rücken zu haben. Nun zeigt sich, das deren Liebe ausschließlich einer grünroten Kanzlerin gegolten hat, nun wird alles versucht, einen Grünen zum Kanzler zu machen.

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