Wolfram Weimer / 27.03.2018 / 17:00 / Foto: Smalltown Boy / 22 / Seite ausdrucken

Tellkamp macht es sich unbequem

Uwe Tellkamp gehört zu Deutschlands größten Schriftstellern – preisgekrönt und literarisch hoch geachtet. Seine Bücher haben Weltruf und millionenfache Auflagen, sein Bestseller “Der Turm” ist ein Schlüsselroman der deutschen Wiedervereinigung. Der Träger des Deutschen Nationalpreises könnte für den Rest seines Lebens vom literarischen Ruhm leben, dem linksliberalen Feuilleton gefallen und es sich politisch korrekt bequem machen.

Doch Tellkamp macht es sich unbequem. Er sagt lieber offen, was er denkt, zum Beispiel, dass “die illegale Masseneinwanderung” Deutschland schwer schade: “Die meisten fliehen nicht vor Krieg und Verfolgung, sondern kommen her, um in die Sozialsysteme einzuwandern, über 95 Prozent.” Doch das und die gewaltigen Folgeprobleme einer schleichenden Islamisierung traue sich kaum einer offen anzusprechen. In Deutschland gebe es nämlich einen “Gesinnungskorridor zwischen gewünschter und geduldeter Meinung”.

Tellkamp ist damit schlagartig zur neuen Hassfigur der linken Intellektuellenszene geworden. Vom Schriftstellerverband über den NDR bis zur Linkspartei hagelt es Kritik, sein eigener Suhrkamp-Verlag distanziert sich auf peinliche Weise per Twitter. Sogar Sachsens Kunstministerin Eva-Maria Stange von der SPD, die eigentlich für die Freiheit der Meinungen eintreten sollte, warnt öffentlich: “Verallgemeinerungen dieser Art geben denen Futter, die mit ausländerfeindlichen Parolen das gesellschaftliche Klima vergiften.”

Wie ein Thilo Sarrazin der Literatur

Tellkamp steht plötzlich da wie ein Thilo Sarrazin der Literatur. Er wird öffentlich beschimpft, attackiert, beleidigt und als Rechtsextremer gebrandmarkt. Ein Shitstorm bricht über den Schriftsteller nieder wie seit Martin Walsers Paulskirchenrede keiner mehr. Doch Tellkamp weicht nicht zurück, sondern legt nach. Zusammen mit anderen Intellektuellen formuliert er eine “Gemeinsame Erklärung 2018”. Sie lautet: “Mit wachsendem Befremden beobachten wir, wie Deutschland durch die illegale Masseneinwanderung beschädigt wird. Wir solidarisieren uns mit denjenigen, die friedlich dafür demonstrieren, dass die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird.”

Neben 33 Erstunterzeichnern (darunter die Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld, der Ex-Politiker Thilo Sarazzin und Publizist Henryk M. Broder) haben 1.200 Autoren, Publizisten, Künstler, Wissenschaftler und Akademiker die Erklärung unterzeichnet. Die “Erklärung 2018” ist damit zum spektakulären Pamphlet geworden; die Wochenzeitung “Die Zeit” widmet dem Vorgang eilends die Titelseite. Nun tobt eine wilde Debatte um Merkels Migrationspolitik, Tellkamps Meinungstabus und die Freiheit der Rede. Während die AfD jubelt, ihre politische Position habe nun offenbar das Intellektuellenmilieu erreicht, bekommt Tellkamp reihenweise Prügel in Leitartikeln, Online-Foren und auf Kulturtreffen. Er traut sich derzeit nicht mehr, mit Lesungen aufzutreten, zumal sein Suhrkamp-Verlag ihn so demonstrativ im Stich lässt.

Doch Tellkamp wird auch verteidigt. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU stellt sich hinter ihn. Er sei ihm als kritische Stimme willkommen, twittert Kretschmer, der bei der Bundestagswahl im September sein Direktmandat an einen bislang unbekannten AfD-Mann verloren hatte und sich im kommenden Jahr als Ministerpräsident der Landtagswahl stellen muss. “Ärgerlich ist die schon wieder beginnende Stigmatisierung”, wirbt Kretschmer um fairen Umgang mit Andersdenkenden.

Die Zahl der Platzanweiser hat zugenommen

Auch die Schriftstellerin Monika Maron verteidigt Tellkamp und warnt, Deutschland drohe eine Gesinnungsdiktatur von links. Wer in Deutschland offen seine Meinung sage, dem drohe “eine kleinere oder größere Ächtung”. “Das haben die Leute oft genug erlebt. Und das erleben sie jetzt bei Uwe Tellkamp”, sagt Maron. Ulrich Greiner, einer der einflussreichsten Literaturkritiker Deutschlands, schreibt in einem Leitartikel der “Zeit”, Tellkamps Meinung sei diskussionswürdig, es gebe keinen Grund, ihn in die rechte Ecke zu stellen. “In unserer Streitkultur jedoch hat die Zahl der Platzanweiser zugenommen.”

Tellkamp ergeht es damit wie Thilo Sarazzin in der SPD, Boris Palmer von den Grünen oder Henryk M. Broder in der Publizistik. Sie sind Symbolfiguren für eine kritische Haltung wider die Migrationspolitik Merkels und gewinnen großes Publikum. Zugleich aber stehen sie für die Autonomie der Meinung, für das offene Wort gegen die politische Korrektheit und Gesinnungsrepression. Im Falle Tellkamps ist das besonders nachhaltig. Denn Tellkamp ist ein Meister der Sprache und des Wortes. Seine Literatur, insbesondere sein Großroman “Der Turm”, thematisiert die Tragödien und Deformationen von Freiheitsverlusten. Damit bekommt seine Mahnung vor Gesinnungskorridoren eine politische Macht.

Tellkamp wächst in die Rolle eines Leitintellektuellen der Merkelkritik, in Ostdeutschland sieht man ihn gar als Führungsfigur einer neuen Freiheitsbewegung des Wortes. Tellkamp erklärt das so: “Wie wird geredet über abweichende Meinung? Ziemlich mies und auch ziemlich herablassend. Das spüren die Leute und wehren sich dagegen.” Unter Literaten fühlen sich manche an Günter Grass und die Sechziger Jahre erinnert. So wie Grass seinerzeit mit der “Blechtrommel” Weltruhm erlangte, so ist es Tellkamp heute mit dem “Turm” gelungen. So wie der eine in Manifesten und Aktionen bis hin zur Kommune 1 der linken Studentenbewegung von 1968 zum literarischen Kopf wurde, so wirkt Tellkamp mit seinen “Erklärungen” und Auftritten 2018 als Stichwortgeber der neo-bürgerlichen Wende – wie ein Günter Grass der Konservativen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European

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Karla Kuhn / 27.03.2018

“Doch Tellkamp weicht nicht zurück, sondern legt nach. Zusammen mit anderen Intellektuellen formuliert er eine “Gemeinsame Erklärung 2018”.” Diese “Gemeinsame Erklärung 2018”  war längst überfällig und sie ist das normalste, was eine Demokratie auszuhalten hat. Sie ist MEINUNGSFREIHEIT; vom Grundgesetz gedeckt !! Sie wird von bestimmten Seiten angegriffen, als wäre sie Gift. Noch vor 2015 wäre sie wahrscheinlich von den Medien (vermute ich mal) in allen Gazetten abgedruckt worden. Wenn man Merkels Rede von 2002 und auch ihr Reden zuvor gehört hat, wo sie klipp und klar u.a. sagt, daß Multikulti gescheitert ist,  frage ich mich, WARUM bestimmte Medien und viele Politiker plötzlich anderer Meinung sind und diejenigen, die gegen die Masseneinwanderung, die geöffneten Grenzen und die daraus resultierenden negativen ” Erscheinungen” demonstrieren plötzlich als “Nazis” ( obwohl es gar keine mehr gibt) übelst beschimpfen.  Ich würde Tellkamp nicht mit Grass vergleichen.  Der Antrieb von Grass war der Verlust seiner Heimat und er hat sich mit der NS Zeit auseinandergesetzt. Grass konnte recht ungehindert bei SPD und Grünen Wahlkämpfen agieren. Tellkamp wird schon angegriffen. wenn er seine Meinung gegen die Einwanderungspolitik Merkels äußert. In seinem Turm beschreibt er ja auch das Dilemma von drei Generationen mit dem Untergang der DDR. Und ich wage zu sagen, nur wer wirklich in der DDR gelebt und dort als “Staatsfeind”, “imperialistischer Klassenfeind” (wie ich) und noch mit anderem “netten” Vokabular bezeichnet wurde (und noch viel Übles mehr ertragen mußte), weiß, wie es wirklich in dem Unrechtsstaat zugegangen ist. Menschen wie Merkel, die von der Politik hofiert wurden, können da gar nicht mitreden. Und darum sollten alle, die das nicht erleben mußten,  den Mund halten und Andersdenkende nicht mit ” Schmutzkübeln” übergießen. Es kann nämlich sein, daß sich das Blatt eines Tages wendet.

Sepp Kneip / 27.03.2018

Ein Leuchtturm im Nebel der political correctness, der sich über das Land ausbreitet. Ein Orientierungspunkt für alle diejenigen, die aus diesem Nebel herausfinden wollen. Die sich bisher mit ihrer vom Mainstream abweichenden Meinung alleine gelassen fühlten. Ja, Tellkanp ist ein Leuchtturm der Hoffnung. Einer Hoffnung, dass immer mehr Menschen aus ihrer Meinung keinen Hehl mehr machen, sondern mutig gegen das angehen, was unsere Gesellschaft zerstört. Dass sich noch mehr Menschen hinter denen versammeln, die schon immer für ihre Meinung eingestanden sind. Tellkamp beweist mal wieder, dass man nur Mut und Standfestigkeit braucht, um diejenigen ins Abseits zu führen, die die Meinungsfreiheit mit Füßen treten. Deshalb ist es so wichtig, dass auch Bürger mit Reputation und Bekanntheit aufstehen, die man nicht einfach als Spinner und ewig Gestrige abtun kann. Es wäre ein Segen, wenn sich diese “Erklärung 2018” wie ein Flächenbrand ausweiten und das verbrennen würde, was die freiheitlichen Werte unserer Gesellschaft und unseres Landes zu ersticken droht.

Jochen Brühl / 27.03.2018

In der Endabrechnung könnte es so sein, dass die Schweizer ihren Wilhelm Tell und die Deutschen ihren Uwe Tellkamp hatten. Dann stünde Uwe Tellkamp ganz gut da, jedenfalls besser als Marietta Slomka und Klaus Kleber.

Rupert Drachtmann / 27.03.2018

Sehr geehrter Herr Weimer. Wir können es doch nicht zulassen, dass „uns“ das etablierte machthabende System das Wasser abgräbt und somit erheblichen Druck ausübt um die Meinungsfreiheit einzuschränken. Es ist überaus wichtig, dass namhafte Persönlichkeiten als Sprachrohr der jeweiligen Interessensgruppe in der Öffentlichkeit agieren können. Es müssen wirksame Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Die hier handelnden Personen sind sicher kreativ genug um sich strategisch wirksam positionieren zu können. Es dürfte hilfreich sein eine echte organisatorische „Gemeinschaft“  zu gründen - die über die Gemeinsamkeit der gleiche Gesinnung hinausgeht. Ggf. wird es im Einzelfall auch erforderlich sein über finanzielle Mittel zur temporären Existenzsicherung zu verfügen. In anderen Bereichen erledigt man das über „Crownfunding“. Ich könnte mir gut vorstellen dass sich hierfür Ggf. Potential finden könnte. Die technischen Mittel stehen zur Verfügung. Noch ist das Internet in Deutschland offen.

B.Klingemann / 27.03.2018

Jetzt braucht es nur noch Ermutigte, die sich ihm anschließen. Die Intellektuellen müssen wieder freier und klarer denken. Sonst werden sie aussterben.

Werner Arning / 27.03.2018

Nur wenn Menschen wie Uwe Tellkamp,  deren Wort Gewicht hat, sich dem Kampf um Freiheit und Meinungsfreiheit anschließen, kann dieser Kampf erfolgreich sein. Noch befinden wir uns in einer Art Vorstadium zu einer Meinungsdiktatur. Noch wird niemand verhaftet. Es gilt nun die demokratischen, freiheitlichen Kräfte zu sammeln. Nun bedarf es des Mutes. Des Mutes derer, die nicht zusehen möchten, wie sich unser Land in etwas verwandelt, was Widerstandskämpfer in zwei Regimen, unter Einsatz ihres Lebens, bekämpft haben.

Wulfrad Schmid / 27.03.2018

Wir brauchen noch viel mehr Leute mit dem Mut und der Einsicht Tellkamps und der hier auf Achse schreibenden Autoren. Sonst wird Deutschland von linksgrünen Traumtänzern und skrupellosen Islam-Anhängern beherrscht. Schöne Aussichten - ich rate meinen Kindern gerade, diesem Land schnellstens den Rücken zu kehren und erst zurück zu kommen, wenn der Wahnsinn ein Ende gefunden hat.

klaus Blankenhagel / 27.03.2018

Warum also kann nicht jeder, der die Erklaerung als ein richtigen Schritt sieht, unterschreiben. Ich meine jeder, auch ohne Dr, oder sonst etwas.

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