Malca Goldstein-Wolf, Gastautorin / 04.09.2023 / 12:00 / 46 / Seite ausdrucken

Teeren, Federn und Schweigen

Von Malca Goldstein-Wolf.

All die Empörten, die Judenfreunde, die Aiwanger nun teeren und federn wollen, halten nicht nur bei Böhmermann, der die CDU als „Nazis mit Substanz“ bezeichnete, die Klappe. Sie haben auch zum Antisemitismus-Skandal auf der documenta geschwiegen.

Wir leben in einer Zeit, in der die größten Heuchler und Lügner den Kurs des Landes bestimmen. Die Maßstäbe, die sie an andere legen, gelten selbstverständlich nicht für sie selbst. Denunziantentum wird staatlich gefördert, Funktionäre aller Art, ebenfalls am staatlichen Tropf hängend, werden politisch gesteuert. Von langer Hand wird vorgegeben, mit wem man sich (dem Zeitgeist entsprechend) solidarisiert und wer zum Abschuss freigegeben wird. Wir leben in einem Land, in dem Antisemiten bestimmen, was Antisemitismus ist. Die üblichen Verdächtigen bestimmen, wer ein guter und wer ein schlechter Jude ist. Unangepasste, kluge Geister wie Broder sind offenbar nicht schützenswert.

Ein Jan Böhmermann diffamiert, hetzt, reißt antisemitische Witze und sitzt dennoch fest im öffentlich-rechtlichen Sattel. Akteure wie er werden im besten Deutschland aller Zeiten mit dem Grimme-Preis geehrt. All die Empörten, die Judenfreunde, die Aiwanger nun teeren und federn wollen, halten nicht nur bei Böhmermann (der die CDU als „Nazis mit Substanz“ bezeichnete und sich vorgeblich ironisch im Rahmen eines Sketches die Hände desinfizierte, nachdem er seinen jüdischen Kollegen Oliver Polak von der Bühne gejagt hat) die Klappe.

Sie haben auch zum Antisemitismus-Skandal auf der documenta geschwiegen; es stört sie nicht, dass der Antisemitismus-Beauftragte von Baden-Württemberg per Gerichtsbeschluss als Antisemit bezeichnet werden darf und dennoch sein Amt in Sachen Judenhass weiter bekleidet.

Man möchte nicht in Ungnade fallen

Was für die einen den finalen Todesstoß bedeutet, beschert den anderen ein lukratives Pöstchen. Inmitten all der Heuchelei, der Doppelmoral, möchte man laut schreien. Die größten Feinde der Juden, der Demokratie, kommen ungeschoren davon, mit Messernden legt man sich nicht gerne an. Übelste Journalistendarsteller erlangen die Deutungshoheit über die gesellschaftliche Marschrichtung, spalten die Gesellschaft, mit freundlicher Unterstützung des zum Gehorsam gezwungenen Gebührenzahlers. Die Politik bestimmt, womit bundesdeutsche Wohnzimmer verseucht werden.

Derweil spielt Nancy Faeser mit diesem Land Russisch Roulette, das Schweigen der mit Steuergeldern geförderten Organisationen, alle in Abhängigkeit zum Staat, alle angeblich gegründet, um die Demokratie zu stärken (auch jüdische Organisationen bekleckern sich diesbezüglich nicht mit Ruhm), ist ohrenbetäubend. Mit Regierungsverantwortlichen mag man sich nicht anlegen, da ist man lieber vorsichtig. Man möchte nicht in Ungnade fallen.

Offenbar arbeitet man sich allgemein lieber an dem kleineren Übel ab – an denen, vor denen man keine Angst haben muss. Den rosa Elefanten im Raum will man so gut es geht verleugnen. Aiman Mazyek, Chef des Zentralrats der Muslime, der auch ATIB (einen Verband, der als den rechtsextremen Grauen Wölfen zugehörig gilt) vertritt, wird – als sei nichts selbstverständlicher – ins Schloss Bellevue und ins Kanzleramt eingeladen. Tote Juden liebt man, angepasste toleriert man, unbequeme möchte man zum Schweigen bringen. Die Führer dieses Landes kotzen mich an!

 

Malca Goldstein-Wolf ist eine deutsch-jüdische Aktivistin und Publizistin, die sich gegen Judenhass einsetzt. Neben ihrem Aktivismus als ehrenamtliches, geschäftsführendes Mitglied des deutschen Präsidiums von Keren Hayesod, Israels größter Spendenorganisation, sammelt sie Gelder für israelische Menschen in Not. Dieser Beitrag erschien zuerst auf ihrer Facebookseite.

Foto: Imago

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Leserpost

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Ben Goldstein / 04.09.2023

Andere waren schneller als ich, aber den Stein will ich auch noch werfen: Wir brauchen eine App “Frag die Knobloch!”, damit wir immer sicherstellen können, dass Charlotte Knobloch billigt, was wir so tun und lassen.

Birgit Hofmann / 04.09.2023

Danke für diesen Artikel. Die Begriffe ’ Nazi und Antisemitismus ’ werden mittlerweile dermassen inflationär und reflexartig missbraucht, das ist das eigendlich schlimme. Im Volksmund ’ Nazikeule ’ genannt, benutzt um zu diffamieren, ein Missbrauch der eigentlichen Thematik. Ich halte nichts von so genannter ewiger Schuld, das uns Deutschen da auferlegt wird. Es war vor meiner Geburt, im letzten Jahrhundert ,vor 80 - 90 Jahren. Kein Land kasteit sich so wie Deutschen. Es reicht, wenn man weiss, das sich das niemals wiederholen darf, der Rest ist für die Geschichte.  

HarryBohne / 04.09.2023

Klare Worte- derb gefasst. Ganz nach meinem Gusto. Chapeau.

M.-A. Schneider / 04.09.2023

Diese ganze “Affäre” ist einfach nur unappetitlich, widerlich und durchschaubar. Danke für Ihren schonungslosen Beitrag, dem man nur zustimmen kann, liebe Frau Goldstein-Wolf.

Hans Ludwig Jacoby / 04.09.2023

Ein sehr guter Artikel, meinen aufrichtigen Dank dafür. Und ausgezeichnete Leserbriefzuschriften, die diverse helle Lichter in diese dunkle Ecke schicken. In der Kürze liegt eine fantastische Würze.

Horst Jungsbluth / 04.09.2023

Ich freue mich jedes Mal, wenn zu diesem ganzen Irrsinn in unserem Staat, wobei der Fall Aiwanger zwar typisch, aber nur eine winzige Facette ist, klipp und klar reagiert wird und dann auch noch in einem knappem Text die Hintergründe ausgeleuchtet werden. Das ist hier prima gelungen, nur leider kommt das nicht da an, wo es ankommen sollte, aber “da” ist eben Hopfen und Malz verloren. Denn wenn es wirklich um widerlichen Antisemitismus geht, dann könnten ich und andere noch sehr viel besser, entsprechende Hinweise liefern und die deuten ganz klar in Richtung Grüne, Linke und natürlich Muslime. Da davon auszugehen ist, dass “die da oben” und in den Medien   nicht alle so bekloppt sind, dass sie das nicht erkennen, muss man ganz eindeutig den Schluss daraus ziehen, dass sie ganz bewusst handeln, was zwar kriminell wäre, aber auch das ist leider seit Jahrzehnten normal in diesen Kreisen.

Marc Bärenz / 04.09.2023

Super Statement!

P. F. Hilker / 04.09.2023

Das Echo von Schuster, Knoblauch und Co war ja wohl zu erwarten. Wes Brot ich ess…

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