Vera Lengsfeld / 19.09.2011 / 15:48 / 0 / Seite ausdrucken

Sinkende Glaubwürdigkeit auf der Euro-Titanic

Notfalls müsse man, so unsere Kanzlerin am 17.03. 2010 im Deutschen Bundestag, „ein Land aus dem Euro-Raum ausschließen, wenn es die Bedingungen langfristig immer wieder nicht erfüllt. Sonst kann man nicht zusammenarbeiten.“ Heute beteuert dieselbe Kanzlerin immer wieder, dass „Deutschland alles tun“ werde, damit Griechenland den Euro behalten darf.
„Solange Angela Merkel Bundeskanzlerin ist und ich Finanzminister bin“ laufen die Rettungsschirme aus. „Das haben wir klar vereinbart.“ Wenn Schäuble sich selbst beim Wort nehmen würde, dürfte er längst nicht mehr Finanzminister sein. Inzwischen schwärmt er vom permanenten Rettungsschirm, genannt ESM, Europäischer Stabilitätsmechanismus, und träumt davon, Mitglied eines „Gouverneursrates“ zu werden, der mit absoluten Vollmachten und ohne Rechenschaftspflicht über die Haushalte der Euro-Staaten bestimmen will.
„Deutschland profitiert auf Grund seiner Exportstärke am meisten vom Euro und hat von daher besondere Verpflichtungen, die Gemeinschaftswährung zu erhalten“, lautet das Politiker- Mantra quer durch alle Parteien.
Wahr dagegen ist, dass die deutschen Warenexporte in die Euro-Länder von 45% auf 43% gesunken sind. Das Expotwachstum findet außerhalb des Euro- Raumes statt. Die deutsche Wirtschaft ist erfolgreich, weil sie durch Produktivitätssteigerung ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessert hat, nicht, weil ihr Wechselkursvorteile zugute kamen.
„Umschuldung der Krisenländer führt zu einer dauerhaften Abkoppelung vom Geldmarkt“, behaupten Politiker quer durch alle Parteien. Wahr ist, dass es jede Menge Beispiele erfolgreicher Umschuldungen gibt: Mexiko, Polen, Uruguay…
Falsch ist auch die Behauptung, die gegenwärtig für 10-jährige Anleihen zu zahlenden Zinsen seien Ausdruck der Krise. Richtig ist, dass die Krisenländer (GR,P,S,I)vor dem start der Euro-Konvergenzphase 3-4 mal so hohe Zinsen zahlen mussten.
Angela Merkel in der Haushaltsdebatte am 8. September: «Schauen Sie auf die Schweiz. Sie hat gestern den Wechselkurs ihrer Währung faktisch an den Euro gekoppelt; denn die Stärke der Schweiz wird zu ihrer eigenen Schwäche, wenn sie sich nicht in das gesamte globale Gefüge einordnet. Das ist die Lehre. Deshalb ist der Euro richtig.»
Die Frage, ob es schlimmer ist, dass Merkels Redenschreiber keine Ahnung haben, oder ob es sich um eine bewusste Verdrehung der Tatsachen handelt, lassen wir beiseite.
Tatsache ist, dass die Schweiz hat den Franken keineswegs an den Euro «gekoppelt», sondern bloss eine Grenze (1.20 für einen Euro) festgelegt hat ,unter die der Wert des Euro nicht fallen darf, ansonsten die Nationalbank alles in ihrer Macht stehende unternehmen muss, um dieses Minimum zu verteidigen. Wäre der Franken an den Euro gebunden, würde der parallel mit dem Euro all dessen Bewegungen mitmachen, also in die Höhe und in die Tiefe. Das ist nicht der Fall.
Die Realität straft die Politiker-Behauptung Lügen, dass ein Währungsgebiet um so mehr Vorteile biete, je größer es sei. Die gegenwärtige Krise hat ihre Ursache darin, dass in den EU-Ländern Volkswirtschaften, die viel zu unterschiedlich produktiv sind, mit einer Währung und einem Zinssatz leben müssen. Dass dieser Zinssatz sich am leistungsstarken Deutschland orientierte, hat die Südländer dazu verleitet, sich mit niedrig verzinsten Schulden zu überhäufen. Griechenland hat sogar Bilanzfälschung betrieben, um in den Genuß der Niedrigzins- Kredite zu kommen. Dieser Geburtsfehler der Euro-Zone wird von der Politik nicht etwa beseitigt, sondern soll verstetigt werden durch einen Dauertransfer in die Krisenländer.
Die Völker Europas sollen mit Durchhalte-Parolen und Untergangsszenarien mundtot gemacht werden. Das darf nicht gelingen. Wir brauchen keine verlogenen, vertragsbrüchigen Eliten, sondern eine Kultur der Haftung und der Verantwortung, die Europa in der Vergangenheit erfolgreich gemacht hat

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