Ich frage mich, was der seelige George Tabori dazu gesagt hätte? Ich habe nur einige Interviews mit ihm gesehen und kenne sein Werk nur in Auszügen, er hatte aber einen feinen tiefen Sinn für Humor und Ironie. Die grundsätzliche Idee hinter der Wahl des Publikums ist ja auch gar nicht mal so schlecht. Ein Zuschauer hat hier die Möglichkeit seine “Seele” öffentlich zum Preis einer Eintrittkarte zu verkaufen, wer hingegen den Davidstern wählt, ist eben (reicher) Jude und wird extra zur Kasse gebeten. Leider ist das auch wieder so derb und mit “dem Vorschlaghammer” ziseliert, wie man es von Herrn Somuncu erwarten kann. Sich Hakenkreuz oder Davidstern anheften wird, wie der Artikel feststellt, zum plumpen Event. Auch ich kann mir schwer vorstellen, das sich das jüdische Publikum und/oder das Publikum überhaupt, wohl dabei fühlt, sich #TeamNazi oder #TeamJews anzuschließen. Wie soll/kann man mit diesen Rollen umgehen? Das fühlt sich schon aus der Ferne irgendwie obszön an. Das Ganze ist tatsächlich nicht zu Ende gedacht.
Der Gipfel dieser Pseudo - Bekenntnis - Show ist doch der, dass der Regisseur quasi potentielle Hakenkreuzträger mit einer Freikarte lockt und belohnt und damit eine optische Diffamierung betreiben will. Auf den “spektakulären ” Einfall ist er sicher stolz und hofft, damit in die (Theater - ) Geschichte eingehen zu können. Es wäre natürlich an der Intendanz, dem Übel angemessen Einhalt zu gebieten.
Das Theaterstück des genialen, liebenswerten George Tabori wird durch Herrn Serdar Somuncu, wenn diese Aktion so stattfinden sollte, in unerträglicher Weise entstellt und geschändet. Ekelhaft! Ich wünsche Herrn Somuncu, der anscheinend auch im gesetzten Alter von fünfzig Lebensjahren an üblen pubertären Phasen leidet, von ganzem Herzen, dass er endlich stabil erwachsen wird.
Leider ist dieser “Entscheidungs-Gag” auf metaphorischer Ebene bundesdeutsche Realität. Wer sich heute mit dem Davidstern als Wurzel-Deutscher solidarisiert, dem wird das Hakenkreuz als Etikett tätowiert. Ohne Zweifel gibt es einen echten Prozentsatz Wurzel-Deutscher Antisemiten. Diese gehören ohne wenn und aber sanktioniert. Ich wage aber die Behauptung, dass das eine Randerscheinung und kein Massenphänomen ist. Der echte, weite Teile infizierte Antisemitismus kommt aus einer anderen Ecke. Wer darauf hinweist wurde bis vor kurzem noch mit dem Hakenkreuz gebrandmarkt. Leider tragen Figuren wie Höcke, Poggenburg und wie sie alle heissen eine echte Mitschuld. Die AfD wäre gut beraten sich von solchen schändlichen Relativieren ostentativ zu distanzieren. Wenn sich die AfD “Gegen JEDE Form von Antisemtismus” positioniert, wäre das eine komplett konträre Aussage als wenn Frau Merkel das äusserst. Sofortiger Parteiausschluss für solche Gestalten und mal im Bundestag mit Davidstern oder Israel-Flagge auftauchen, OHNE exklusiv gegen Muslime zu wettern, wäre ein Signal in die richtige Richtung.
Hier stellt sich die Frage, ob das Anlegen von Hakenkreuz-Armbinden durch die Theaterbesucher überhaupt erlaubt ist. Das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ist ja nach dem deutschen Strafrecht ein Vergehen, das in § 86a StGB geregelt ist.
Angesichts des messerscharfen Schwachsinns von Serdar Somuncu und Co. habe ich mich entschieden ihn zu ignorieren. Ich hoffe, dass viele ebenso entschieden haben. Auch für die Besitzer einer Eintrittskarte ist diese dritte Möglichkeit offen.
Ich kann nicht verstehen, wie man sich Serdar Somuncu - in welcher Form auch immer - antun kann. Der deutsche Kulturbetrieb wimmelt ja nur so von mir unsympathischen und mMn weitgehend talentfreien Menschen, die dank immer noch großzügiger Subventionen alle ein Auskommen haben. Aber unter denen nimmt Somuncu durch die Feindseligkeit und Grobschlächtigkeit seiner Hervorbringungen noch einen Spitzenplatz ein. Ich wünsche ihm nichts böses, aber schon, dass er hoffentlich bald mal ohne Hilfe von GEZ und anderen öffentlichen Zuwendungen seinen Lenbensunterhalt bestreiten muss.
Das Theater ist schon längst zum Porno verkommen. Seit den 1970er Jahren scheinen “progressive” Regisseure nicht mehr ohne Körperflüssigkeiten auf der Bühne auszukommen. Ich erinnere an die unsägliche Don-Giovanni-Inszenierung von Roberto Ciulli in der Bonner Oper, die ein Besucher - als der Vorhang fiel - mit dem Ruf “Perversion” beantwortete. Die Regieeinfälle müssen natürlich immer mehr auf die Spitze getrieben werden, der Kitzel nutzt sich ja ab. Nun sind also auch die letzten Schamgrenzen gefallen, was das tiefste deutsche Trauma betrifft. Auschwitz wird salonfähig (siehe auch die gestrige Echo-Verleihung). Nein, es ist nicht alles erlaubt. Kunst soll ins Herz treffen oder einfach nur umwerfend schön sein. Wenn sie Ekel erregt, mich umerziehen will oder mich im Dunkel des Zuschauerraums als Geisel nimmt, kann ich auf sie verzichten. Ich gehe übrigens nur noch sehr selten ins Sprechtheater.
Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.