Henryk M. Broder / 15.09.2014 / 00:25 / 10 / Seite ausdrucken

Schmitz und das große Schweigen

Vor einigen Tagen erschien in de SZ der Text eines israelischen Autors über “Das Schweigen der Diaspora”. Er beschäftigte sich mit der Frage, warum die in der Diaspora - und vor allem in Deutschland - lebenden Juden keine Kritik an der Politik der israelischen Regierung üben. Wäre es “dem jüdischen Leben in Deutschland (nicht) mehr gedient”, wenn sich die hier lebenden Juden trauen würden, “Israel öffentlich zu kritisieren”? Es war das übliche Geseire eines “kritischen Israeli”, für das die SZ immer ein paar Bäumchen zu opfern bereit ist. Die Umstände des “jüdischen Lebens in Deutschland” waren nur der übliche Vorwand, um ein paar grausame Wahrheiten über das Leben in Israel zu verbreiten, u.a. diese: Rechtsradikale, ob orthodox oder säkular, treiben das Land auf den Straßen oder im Parlament inzwischen in einen Zustand, der sich beängstigend dem einer faschistischen Gesellschaft nähert.

Rechtsradikale, die das Land in einen Zustand treiben, der sich beängstigend dem einer faschistischen Gesellschaft nähert, ist eine Super-Formulierung, auf die Heribert Prantl stolz sein könnte, wenn sie ihm denn eingefallen wäre, gibt er sich doch wirklich große Mühe, die SZ in eine Richtung zu treiben, die beängstigend an die besten Tage des Völkischen Beobachters erinnert.

Nun hat die SZ nachgelegt. Mit einem Kommentar von Thorsten Schmitz zur Anti-Antisemitismus-Demo in Berlin am Sonntag: “Deutschlands fürchterliches Schweigen”. Schmitz stellt die Frage, warum es Juden sind, die zu einer Demo gegen den Judenhass aufrufen. “Warum kommt nicht die Arbeiterwohlfahrt auf die Idee für so eine Demonstration?”

Gute Frage. Aber glauben Sie nicht, Schmitz würde auch nur versuchen, sie zu beantworten. Denn auch er treibt in einen Zustand, der sich beängstigend dem eines Deliriums nähert. Er schreibt: Es hat Tradition in Deutschland, dass Juden und Israel stets in einen Topf geworfen werden. Hier lebende Juden werden als Repräsentanten des Netanjahu-Israel betrachtet. Dabei gibt es Zehntausende Israelis, die vor der Politik des israelischen Premierministers nach Deutschland geflohen sind.

Die Tradition, von der Schmitz, Jahrgang 66, phantasiert, hat das Attribut “stets” nicht verdient. Sie ist etwa so alt wie er und begann im Jahre 1970 mit dem bis heute nicht aufgeklärten Brandanschlag auf das jüdische Altersheim in München, bei dem sieben Senioren, alle Überlebende des Holocaust, zu Tode kamen. Bis dahin war es, Knalltüte, durchaus unüblich, “Juden und Israel” in einen Topf zu werfen. Mit dieser Praxis haben Ulrike Meinhof und Dieter Kunzelmann angefangen, als sie die Deutschen aufforderten, ihren “Judenknacks” zugunsten der Palästinenser zu überwinden. Aber das muss ein Schmierant von der SZ nicht wissen. Schon gar nicht, wenn er “Zehntausende Israelis” kennt, “die vor der Politik des israelischen Premierministers nach Deutschland geflohen sind”.

Ja, früher haben die Ossis rüber gemacht, jetzt sind es die Israelis. Zehntausende. Die MS “Exodus” bringt die Flüchtlinge von Israel nach Cuxhaven, von dort laufen sie zu Fuß weiter, in eine der 24 Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, wo sie ihre Anerkennung als politische Flüchtlinge beantragen. Als Begründung genügt ein Satz: “Flucht aus Netanjahu-Israel.” In strittigen Fällen wird ein SZ-Redakteur als Sachverständiger dazu geholt, der gerne bestätigt, dass Israel in einen Zustand treibt, der sich beängstigend dem einer faschistischen Gesellschaft nähert. Bei der UNRWA wird bereits überlegt, eine eigene Agentur zur Versorgung der politischen Flüchtlinge aus Israel im deutschen Exil zu gründen.

Früher haben der Stürmer und der Völkische Beobachter geschrieben: Juden raus nach Palästina!. Heute schreibt die SZ: “Juden raus aus Palästina!”. Dem Schmitz sei Dank.

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Leserpost

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Peter Arbogast / 17.09.2014

Die Zeiten, in denen ein August Schwingenstein Mitherausgber der SZ war sind leider, leider vorbei. Ob die SZ-Herausgeber 2014 noch eine Lizenz von den Amerikanern bekämen? Ein kluger Österreicher hat schon vor mehr als 100 Jahren konstatiert: “Aus dem Volk der Dichter und Denker wurde ein Volk der Richter und Henker”. Geben Sie bitte nicht auf, Herr Broder, den Pfahl immer wieder im deutschen Fleische zu drehen.

Adam Huemer / 15.09.2014

“Dabei gibt es Zehntausende Israelis, die vor der Politik des israelischen Premierministers nach Deutschland geflohen sind.” Solche Behauptungen könnten ein Fall für die Justiz sein, für den Psychiater sind sie es auf jeden Fall.

Klaus Brand / 15.09.2014

Dies ist kein Kommentar, sondern lediglich ein Hinweis, der in etwa zum Thema passt. Am gestrigen Sonntag sendete das Fernsehprogramm 3sat um 09:15 Uhr den Beitrag “Wie weiter im Nahen Osten, Pierre Krähenbühl?”. Pierre Krähenbühl ist Generalkommissar der UNRWA, soweit ich das verstehe also der Chef dieser Organisation. Die Äußerungen dieses Herrn zu Fragen der palästinensichen Aggression im Gaza-Krieg sind sehr bemerkenswert, seine Haltung beschränkte sich regelmäßig darauf festzustellen, “das ist nicht meine Perspektive”. Keine Frage und selbstverständlich auch keine Antwort zu den in den von ihm verantworteten UNschulen aufgefundenen und von dort an die “verantwortlichen Behörden”, also die Hames, zurückgegebenen Raketen. Leider ist der Beitrag nicht in die Mediathek von 3sat eingestellt, aber vielleicht haben Sie ja die Möglichkeit, sich trotzdem Zugang zu dem bemerkenswerten Interview zu verschaffen, das “aus der SRF-Gesprächsreihe “Sternstunde Philosophie” stammt. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie dieses Beispiel an “Qualitätsjournalismus” im Rahmen von “Achgut”, besser noch in der Weltwoche, kommentieren könnten. Mit freundlichen Grüßen Klaus Brand

Johannes Honigmann / 15.09.2014

Man sollte sich nicht allzu viele Gedanken über die Süddeutsche Zeitung im gegenwärtigen Zustand machen. Ein alteingesessener freier Autor des Feuilletons, Jahrgang 1946, ein Mann, den ich persönlich lange überaus bewunderte und sogar liebte, erklärte mir, und da kam es zum Bruch, “alles Schlechte kommt von rechts” und “die Araber wurden immer nur verarscht.” Das sind die, an und für sich völlig legitimen, Grund- und Leitsätze der SZ-Redaktion, so wie man sie Tag für Tag in allen Ressorts und Bereichen zur Kenntnis nehmen kann - “alles Schlechte kommt von rechts” und “die Araber wurde immer nur verarscht.” Wer das so nicht denkt oder sogar das Gegenteil meint, kann einfach auf die “Süddeutsche” verzichten.

Gerhard Sponsel Lemvig / 15.09.2014

Ein Ranking für Thorsten Schmitz ! “Eine kluge Frau hat Millionen von Feinde: Alle dummen Männer.” So hat es Frau Golda Meir einmal gesagt.  Auf der Rangliste der 1978 verstorbenen israelischen Ministerpräsidentin würde der SZ-Flüchtlingsexperte sicher weit vorne liegen.  

Karl Helger / 15.09.2014

Naja, wohin die Juden getrieben werden sollen (nach Palästina, oder raus aus Palästina), kommt ja auf die Umstände an. Wenn der Freund Hitlers und Himmlers, der Großmufti Husseini mit seinen Schergen in Palästina unterwegs ist, dann sollen die Juden doch gerne dorthin. Wenn nach Jahrzehnten von Terror und Kriegen von arabischen Nachbarn die Juden in Palästina immer noch nicht vernichtet sind, dann sollen sie doch bitte wieder nach Europa. Die hiesigen zugewanderten Muslime sind inzwischen in vielen Gemeinden so stark (Malmö, Lyon, Brüssel, Paris usw.), daß sie besser mit europäischer Rückendeckung Juden terrorisieren und sogar töten können. Der Flüchtlingsstrom geht deshalb bereits seit Jahren in die andere Richtung (nämlich von Europa nach Israel), was aber - wie sonst auch - ein Fakt ist. Und Fakten würden die SZ ja stören.

Pavel Hoffmann / 15.09.2014

Sehr gut gesagt Harr Broder. Ich hätte gern einen Israeli gesehen, der vor Netanjahu Politik geflohen ist! Ich glaube nicht, dass Herr Schmitz nur einen einzigen Asylbewerber aus Israel kennt. Dafür aber weißt man, dass tausende Juden, vor dem Antisemitismus in Europa trotz der Kriegsgefahr nach Israel auswandern. Die hat Herr Schmitz nicht erwähnt.  Interessant ist, dass fast alle hiesige linksgerichteten Zeitungen das Vokabular der ehemaligen kommunistischen Propaganda im Osten übernommen haben. Mit einem Unterschied, damals hat man dort nur Araber und nicht Palästinenser gekannt hat und die Juden hat man bei den Schauprozessen Juden und nicht Zionisten genannt. Man war ehrlicher. Sonst aber wurde Israel genauso beschimpft wie heute in den Deutschen Presse. Wie sich die Zeiten ändern.

Herbert Manninger / 15.09.2014

Noch klammern sich die Juden Deutschlands verängstigt und verstört an ihre angebliche Schutzmacht: die Linken. Sie haben leider die letzten Jahrzehnte übersehen, dass sich die Pardonierer von Massenmördern wie Stalin&Mao; die Lizenz zur Verteidigung der Juden bloß gesichert haben, um politische Gegner mit der Faschismuskeule erfolgreich niederknüppeln zu können. Mit den lächerlichsten verbalen Verrenkungen wird derzeit versucht, die wahren Antisemiten zu nennen, nur um ja nicht vorgebliche “Freunde” zu verlieren.

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