Von Jesko Matthes.
Weitgehend unbeachtet ist eine neue Finte der Linkspartei geblieben, die im Wahlkampf alles, was reaktionär ist, als „rechts“ abstempelt. Eine Abgeordnete der Linkspartei, Halina Wawzyniak, hat pauschal die Protagonisten der DDR als „rechts“ bezeichnet. Insbesondere sei die SED eine „rechte“ Partei gewesen. Aha. Die Sache hat mich dennoch nachdenklich gemacht. Ich bin ein Anhänger der Totalitarismustheorie. Denn welche Möglichkeiten hat schon ein totalitärer Staat, um die fiktive Identität seines Willens mit dem seiner Bürger zu erreichen, als die Parteien gleichzuschalten, Kritiker mundtot zu machen oder ins Gefängnis zu stecken? Entsprechend bin ich auch ein Anhänger der Hufeisentheorie, nach der sich rechter und linker Rand des politischen Spektrums berühren.
Bei AfD und Linkspartei habe ich es schon erlebt; und je „populistischer“ die „Volksparteien“ daher kommen, und das können sie in ihrer Rolle als Feinde des offenen Diskurses sehr gut, umso intensiver sehe ich auch deren autoritäre Versuchungen, und wie sie ihnen durch vorauseilenden Gehorsam erliegen. Daher liebe ich auch Kurt Schumachers Bonmot, die Kommunisten seien rot lackierte Nazis - und das ganz ähnliche Bonmot, das Ignazio Silone zugeschrieben wird, wenn der Faschismus wiederkehre, werde er nicht sagen, er sei der Faschismus, er werde sagen, er sei der Antifaschismus. - Okay, dann ist Heiko Maas also „rechts“...? - Verflixt. Auch er sollte innehalten und verwirrt sein wie ich und einmal darüber nachdenken, was er dem offenen Diskurs gerade antut. Es könnten sehr wohl Tage kommen, da man ihn in die „rechte Ecke“ stellt. Nach Halina Wawzyniak ist die Zeit vielleicht schon da.
Auch ich habe mich schon als junger Mann gefragt, wie Erich Honecker als Antifaschist im Nazi-Knast sitzen konnte, später seine Schließerin heiraten und dann einen Staat mit Stasi und Schießbefehl gründen. Litt er unter dem Stockholm-Syndrom oder hatte er begriffen, dass man einen Staat gegen das Volk nicht anders regieren kann? Das alles kam mir irgendwie pervers vor und – sehr wohl „reaktionär“. Aber nicht „rechts“.
Nach Halina Wawzyniaks Diktion waren Lenin, Stalin, Honecker, Breschnew, Castro und selbst der arme Karl Marx „rechts“, und die Machthaber Chinas und Nordkoreas sind es noch heute. Selbst Heiko Maas könnte es also sein. Damit wäscht sich die Linke rein von ihren eigenen Wurzeln: Wieder einmal soll alles, was böse und gewalttätig und „populistisch“ ist, rechts verortet werden.
Nein. So einfach kommt mir die Linke nicht davon. Ihre Protagonisten sind es, die totalitär gehandelt haben, die Verbrechen auf dem Kerbholz haben, die Millionen haben verhungern lassen wie Stalin, die Ungarn 1956 und die Tschechoslowakei 1968 überfallen und mundtot gemacht haben, die jede Opposition ins Gefängnis, ins Exil oder in den Tod getrieben haben. Das war nicht „rechts“, es war links. Diese linke Ideologie ist es, die, ebenso wie die rechte, sich selbst dafür zur Rechtfertigung genommen hat, ihren Weg in eine angeblich bessere Zukunft, die nie gekommen ist, eine Zukunft, von der mich heute wieder „Linke“ (sind sie denn wirklich „Linke“ in ihrer eigenen Sicht?) überzeugen wollen.
Als Konservativer kann ich daher nicht anders, als mich über Halina Wawzyniak zu amüsieren, die auf das Resultat blickt, aber die Wurzeln ignorieren und nach „rechts“ abdrängen möchte, mich am besten gleich mit. Da sieht sie Heiko Maas verdächtig ähnlich.
Wie schön sich Bild an Bildchen reiht. Uns steht ein „Verklärter Herbst“ ins Haus: Das geht in Ruh und Schweigen unter. Nein: Ernst Jandl hat es längst noch klassischer formuliert:
lichtung. / manche meinen / lechts und rinks / kann man nicht velwechsern / werch ein Illtum!