Gastautor / 28.08.2021 / 10:00 / Foto: Pixabay / 115 / Seite ausdrucken

Rebellisch bis die Ärzte kommen

Ein gewichtiger Teil der deutschen Musikerszene lässt sich gerade bereitwillig in die Impfkampagne der Bundesregierung einspannen.

Von Ulrike Stockmann und Felix Perrefort. 

Die Deutschen kennen mal wieder keine Parteien mehr. Sondern nur noch Geimpfte und Ungeimpfte. Wenn Merkels Starvirologe Christian Drosten auf Twitter ein Statement teilt, in dem Jan Delay verkündet, wie die Band Die Ärzte ihm aus der Seele spricht, zeigt sich, was in Deutschland unter Öffentlichkeit zu verstehen ist. Nämlich sich gegenseitig und bauchgefühlig über ein Gemisch aus Lüge, Schönfärberei und Illusion hinwegzutäuschen, das sich politischer Zeitgeist nennt – und der verlangt gerade eben nach der Spritze für alle.  

Ausnahmen bestätigen die Regel: Mehr als die mittlerweile berühmt-berüchtigte #allesdichtmachen-Kampagne von Jan Josef Liefers und Dietrich Brüggemann nebst zivilem Ungehorsam vonseiten Nenas und Helge Schneiders kann die deutsche Kulturszene an öffentlichem Protest bislang nicht vorweisen. Nun wird es noch eine Spur absurder: Aktuell werben einige Künstler und Festivals unter dem Hashtag #impfenschuetzt dafür, sich impfen zu lassen, denn das sei, so wird apodiktisch verkündet, der einzige Ausweg aus der Pandemie. Auf der Homepage der Band Die Ärzte liest sich das so:

„Auch deshalb haben wir als Band uns entschieden, uns impfen zu lassen – ein kurzer Stich in den Oberarm, um die Wahrscheinlichkeit von 'Long Covid' oder dem qualvollen Tod durch Ersticken massiv zu verringern. Und als Bonus sind Geimpfte nach derzeitigen Erkenntnissen auch deutlich weniger ansteckend; wir tun also gleichzeitig auch etwas Gutes für die Menschen, denen wir begegnen.

Wir würden Euch gerne bitten, unserem Beispiel zu folgen. Ihr habt damit auch die Zukunft der Kultur in der Hand (bzw. im Arm). Ein kleiner Schritt für jeden von uns, ein großer Schritt für die Gesellschaft – damit es nicht mehr so lange dauert, bis auch wieder Konzerte, Club- und Theaterbesuche unter normalen Bedingungen möglich sind. Damit wir uns endlich wieder entspannt umarmen und miteinander feiern können.

Damit das Leben weitergeht.“

Es ist halt Pandemie, nicht wahr? Dass der Staat uns da einschränkt, ist ganz vernünftig und alternativlos. Wer will schon auf der Intensivstation landen? In dieser Weise ticken wohl heutige Größen des Musikbusiness, die für's Impfen werben: Deichkind, die Toten Hosen, Element of Crime, BAP, Silbermond, Howard Carpendale, Sarah Connor, Jan Delay, Mia, die Einstürzenden Neubauten oder Peter Maffay. Kreuzbrav macht man sich zu Maskottchen einer Politik, die auch sie vollkommen willkürlich unterdrückt. Besonders schmerzlich erscheint dies bei den Ärzten, von denen die Autoren dieses Textes die naive Vorstellung hatten, dass sie ein bisschen hellere Kerzen auf der Torte sein würden.

Sind sie nicht niedlich? 

Umarmen sich die Mitglieder der Band seit eineinhalb Jahren nur noch mit schlechtem Gewissen und meinen, dass von Konzerten eine Lebensgefahr ausginge? Nein, in Wahrheit haben sie sich einfach auf das Angebot eingelassen, das das Herrschaftspersonal den um ihre Grundrechte Betrogenen macht, um diese angeblich irgendwann wiederherzustellen. „Soweit wir das verstehen, funktioniert das nur über Impfungen“, schreiben der Farin, der Bela und der Rodrigo. Sind sie nicht niedlich? 

Dass wohl alle Protagonisten der Aktion #impfenschützt sich bislang gerne als Freigeister inszeniert haben und sogar Punkbands an der Initiative beteiligt sind, ist ein Treppenwitz. Von jedem der genannten Interpreten lässt sich mühelos ein Textauszug finden, in dem das hohe Lied von Eigenständigkeit und Unabhängigkeit gesungen wird. Stellvertretend sei hier aus dem Song „Deine Schuld“ von Die Ärzte zitiert. Das Lied stammt aus dem Jahr 2004, hätte aber mit etwas Fantasie glatt das Potenzial, ein Corona-Protest-Song zu werden:

„Hast du dich heute schon geärgert, war es heute wieder schlimm?
Hast du dich wieder gefragt, warum kein Mensch was unternimmt?
Du musst nichts akzeptieren, was dir überhaupt nicht passt
Wenn du deinen Kopf nicht nur zum Tragen einer Mütze hast

Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist wie sie ist,
Es wär nur deine Schuld, wenn sie so bleibt
Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist wie sie ist,
Es wär nur deine Schuld wenn sie so bleibt.
Wenn sie so bleibt (…)

Lass uns diskutieren denn in unserm schönen Land,
Sind zumindest theoretisch alle furchtbar tolerant
Worte wollen nichts bewegen, Worte tun niemandem weh
Darum lass uns drüber reden, Diskussionen sind ok

Nein, geh mal wieder auf die Straße, geh mal wieder demonstrier'n
Denn wer nicht mehr versucht zu kämpfen, kann nur verlier'n.
Die, die dich verarschen, die hast du selbst gewählt
Darum lass sie deine Stimme hörn, weil jede Stimme zählt“

Und so entzaubert sich gerade ein gewichtiger Teil der deutschen Künstler-Elite, Kindheitsidole fallen und auch die Vorstellung vom rebellischen Künstlertum, das nicht bei allem mitzumachen bereit ist. Liebe Ärzte, es ist nicht Eure Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist, ihr helft aber gerade mit, dass sie so bleibt. 

Foto: Pixabay

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Leserpost

netiquette:

Thomas Kache / 28.08.2021

Jetzt weiß ich endlich, warum ich das Gedöns aus deutschen Kehlen noch nie gemocht habe. Scheint wohl doch sehr “vaterländisch” geprägt zu sein, so ein schleimiger Oppurtunismus. Einfach nur widerlich.

W.Mertens / 28.08.2021

Daß die Ärzte so sind, wie sie sind, habe ich schon als Teenager geahnt, denn schon da hatten die diesen altklugen, überheblichen Ton drauf, gerierten sich als Punk, aber hatten nur Sylt im Hinterkopf. Denen sollte man 24 Stunden Bela B.s “Die Partei hat immer recht” auf die Ohren drücken…in meinen Augen nichts anderes als Riefenstahl, Rühmann, Albers…alles schon dagewesen.

Jürgen Fischer / 28.08.2021

Dazu passt wunderbar ein Zitat von Johnny Rotten, das ich gestern auf twitter gefunden habe: »Ich hätte nie gedacht, dass ich den Tag erleben würde, an dem die Rechten die Coolen sind, die dem Establishment den Mittelfinger zeigen, und die Linken die wehleidigen, selbstgerechten Trottel, die alle beschimpfen.“

Peter Sticherling / 28.08.2021

An die Band Die Ärzte gerichtet:„—.-es ist nicht Eure Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist, ihr helft aber gerade mit, dass sie so bleibt.“ — Das ist so nicht ganz richtig, denn es ist auch die Schuld der Ärzte, dass die Welt so geworden ist wie sie ist und dass sie so wie sie jetzt verändert ist ,  auch bleibt. Die Ärzte befinden sich in der Illusion, dass es wieder eine Normalität geben wird wie sie vor Corona bestand. Wenn erst einmal alle geimpft sind, ist es eine neue Normalität, die ich als Horror ansehe. Man sollte den Ärzte-Song von 2004 tatsächlich als Protest gegen den Impfzwang verbreiten.

Alex Müller / 28.08.2021

Das Statement der Ärzte ist persönlich und maßvoll. U. a. steht da auch: “Natürlich gibt es Menschen, die Angst davor haben, sich einen neuen und so schnell zugelassenen Stoff in den Arm spritzen zu lassen (wenn dies auch der am sorgfältigsten beobachtete Impfstoff aller Zeiten ist) – was wir verständlich finden.” Kein Form von Herablassung, Anmaßung und dem Niedermachen Andersdenkender, wie man sie heute so zahlreich anderweitig findet. Es ist auch einschränkend gekennzeichnet: “Soweit wir das verstehen…” Nicht zuletzt sind 2 der “Ärzte” knapp 60 und somit schon Risikogruppe. In einer Demokratie sollte man mit einer abwägenden Meinung wie dieser, auch wenn sie zu anderen Ergebnissen kommt als man selbst, keine Probleme haben.

Volker Kleinophorst / 28.08.2021

Rock is dead. Doors, (Soft Parade): “Jim Morrisons abstoßender ausdrücklicher Abschied von der Rockbewegung, die ihn in die Unsterblichkeit katapultiert hatte. Es fasste das depressive, sich verändernde Klima der Jugendbewegung von 1969 zusammen, als das Haight-Ashbury zu einem Slum von Bettlern, Burnouts und Ausreißern geworden war… Für Jim war Rock wirklich tot.” (S. Davis, (2006). Jim Morrison: Life, Death, Legend). Morrison sicher nicht das Vorbild schlechthin, aber er sah schon 1969 ziemlich genau wohin der Zug fährt, auf dem “Love and Peace” steht. Dauerbreit noch schlauer als der dämliche Rest!!! „Die Krankheit der Kultur des 20. Jahrhunderts ist die Unfähigkeit, irgend etwas als real zu empfinden. Die Leute hocken wie gebannt vor dem Fernseher, konsumieren Soap Operas, Filme, Theater und Pop-Idole und lassen sich von Symbolen zu heftigen Gefühlsbewegungen hinreißen. Doch in der Realität des eigenen Lebens sind sie emotional tot.“ „Das Wichtigste an der Freiheit ist, der zu sein, der man wirklich ist. Doch wir tauschen Realität gegen eine Rolle. ... WIR GEBEN UNSERE FÄHIGKEIT ZU FÜHLEN AUF und SETZEN IM GEGENZUG EINE MASKE AUF. Es kann keine große Revolution geben, bis es eine persönliche Revolution auf individueller Ebene gibt. Freiheit muss zuerst drinnen passieren.“ (Gute Zitate)

Bargel, Heiner / 28.08.2021

Nicht überall, wo “Arzt” dran steht, ist auch einer wirklich Arzt. Siehe “Die Ärzte”, Lauterbach, Montgomery….

Michael Scheffler / 28.08.2021

Es ist schade um jedes Wort für diese Staatskünstler. Nachdem die „Ärzte“ in den Tagesthemen waren, hatten sie endgültig ihren Punkstatus verloren. Ihr Rumgeheule bezüglich Migration und Umwelt tut das Übrige.

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