Georg Etscheit / 09.09.2020 / 06:20 / Foto: nao-cha / 64 / Seite ausdrucken

Poldi, der Klimakiller

Von Georg Etscheit.

Mein Hund liegt in der Ecke meines Arbeitszimmers und schläft. Ab und zu öffnet Poldi, so heißt das brave Tier, kurz seine braunen Augen, wenn draußen auf der Straße ein Artgenosse bellt oder eine Schar Kinder das Treppenhaus hinunterstürmt. Dann schläft er weiter. Wenn er träumt, blafft er kurz auf oder stößt winselnde Laute aus. Vielleicht frönt er dann seiner Lieblingsbeschäftigung, Katzen hinterherzujagen. Schlafende Tiere wie Poldi bieten einen Anblick tiefen Friedens und vollkommener Harmonie. Dabei ist mein Hund ein wahres Ungeheuer, ein Klimakiller, dessen Besitz vielleicht schon bald verboten oder mit dem Kauf von Emissionszertifikaten so verteuert wird, dass man die Lust daran verliert.

An wissenschaftlichen Untersuchungen zum Klimawandel ist kein Mangel. Ich glaube sogar, dass es noch nie eine solche Flut von Veröffentlichungen zu einem speziellen Thema gab. Das muss daran liegen, dass man heute Forschungsmittel hinterhergeworfen bekommt, wenn man im Antrag das Zauberwort Klima erwähnt. Gefühlt am zweithäufigsten sind Arbeiten zur Genderfrage. Am besten ist es natürlich, wenn man Klima und Gender miteinander verbindet. Ich denke da an Studien, die herausgefunden haben wollen, dass die Männer am Klimawandel schuld sind, während die Frauen besonders darunter zu leiden haben. Oder eine Doktorarbeit zur „Bedeutung von Gender für die gesellschaftliche Konstruktion von Vulnerabilität in überflutungsgefährdeten Küstengebieten“, entstanden an der Universität Bremen. 

Es war nur eine Frage der Zeit, dass auch Haustiere in den Fokus der Klimaforschung geraten. Allein schon deswegen, weil es immer mehr universitäre Fachgebiete und Institute gibt, die sich mit solchen Fragen befassen und die Leute in diesen Instituten irgendwie beschäftigt werden müssen für das Steuergeld, das diesen Institutionen in den Rachen geworfen wird. In diesem Fall geht es um das Fachgebiet Sustainable Engineering der Technischen Universität Berlin unter Leitung eines Professors namens   Matthias Finkbeiner, der einem stattlichen Team überwiegend recht jugendlich aussehender Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorsteht, die sich unter anderem mit der Erstellung von Ökobilanzen befassen.

Ein durchschnittlicher Mittelklassehund

Mitarbeiter dieses Wissenschaftler-Rudels haben sich jüngst damit befasst, die Klimabilanz eines Hundes zu errechnen und zwar angeblich erstmals für den gesamten Lebensweg eines solchen Vierbeiners. Ich hoffe nicht, dass Poldi mithört, denn die Ergebnisse sind erschreckend. 8,2 Tonnen CO2 stößt ein durchschnittlicher Mittelklassehund mit 15 Kilo Gewicht im Laufe eines durchschnittlich langen Lebens von 13 Jahren aus. Das entspricht, insbesondere wegen des hohen Fleischanteils im Hundefutter, 13 Hin- und Rückflügen von Berlin nach Barcelona. Dazu kommen eine Tonne Kot und 2.000 Liter Urin, die zwar nicht unmittelbar klimawirksam sind, aber mit ihren erheblichen Anteilen an Phosphor, Stickstoff und Schwermetallen ebenso die Umwelt belasten. Wenn beispielsweise eine Million Hunde am Ufer des Bodensees gleichzeitig ihre Beinchen heben, kann es sein, dass das Gewässer umkippt. Die Folgen unter anderem für die Wasserversorgung des grün regierten Stuttgart wären erheblich.

Eingeflossen in diese Bilanz sind laut Pressemitteilung der TU Berlin alle Rohstoffe, die für Herstellung, Verpackung und Transport des Futters gebraucht werden, dazu die Exkremente, die Produktion der Kacktüten und die „Ressourcen für die Straßenreinigung“, also „alle Stoff- und Energieströme, die in einem Produkt stecken und auf die Umwelt wirken“. 

Die Sache mit den Kacktüten finde ich besonders spannend. Ich habe mich schon immer gefragt, was besser für die Umwelt ist: wenn ich Poldis Hinterlassenschaften liegenlasse und sie dann vom Regen in den Boden gewaschen werden oder wenn ich sie mit Hilfe einer Plastiktüte aus dem Hundekotbeutelspender brav aufsammele und in den nächsten Mülleimer werfe. Ich erfahre nun, dass „die zusätzliche Umweltbelastung, die durch die Herstellung des Plastiksäckchens für den Kot entsteht (…) deutlich geringer (ist) als der Schaden, der entsteht, wenn der Kot direkt in die Umwelt eingetragen wird.“ Also alles richtig gemacht. 

Die unbestrittene Hauptstadt der Tretminen

Jetzt müsste ich noch bei Herrn Prof. Finkbeiner nachfragen, wie es um Hundehalter steht, die die Hundescheiße zwar ordnungsgemäß einsammeln, die prall gefüllten Tüten dann aber einfach im Rinnstein liegenlassen. Vielleicht  kommen da die „Ressourcen für die Straßenreinigung“ ins Spiel? In Berlin, dem Ursprungsort der Studie, fallen die natürlich besonders ins Gewicht, weil es keine beschissenere, pardon verschissenere Stadt gibt als Berlin, die unbestrittene Hauptstadt der Tretminen.

Poldi schläft noch immer und ahnt nicht, dass ich mich gerade mit grundsätzlichen Fragen zu seinem Hundeleben befasse. Zum Glück handelt es sich bei ihm um ein eher kleines Exemplar der Gattung Canis lupus familiaris mit gut sieben Kilogramm Gewicht, also der Hälfte des TU-Modellhundes. Sein CO2-Pfotenabdruck (Copyright für das nette Wortspiel hat die Pressestelle der TU Berlin) beträgt mithin 315 Kilogramm CO2 pro Jahr. 

Allerdings hat Poldis Vorgänger einer ähnlichen Rasse 16 Jahre gelebt, drei Jahre mehr als in der Studie angenommen. Macht über die gesamte Lebensdauer rund fünf Tonnen CO2, was acht Hin- und Rückflüge nach Barcelona entspricht. Warum eigentlich Barcelona? Kann es sein, dass die sicherlich sehr klimabewussten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fachgebiets Sustainable Engineering da besonders gerne hinfliegen? Na ja, geht mich nichts an.

Ich frage mich nun ernsthaft, wie ich Poldis CO2-Pfotenabdruck in den Griff bekommen könnte. Auf die Kotbeutel kann ich nicht verzichten, weil jeder, der hier im sauberen Schwabing nach vollzogenem Geschäft eines Hundes nicht sofort die Tüte zückt, augenblicklich sozialer Ächtung anheimfällt, übrigens schon vor Corona. Vielleicht könnte ich auf Papiertüten umsteigen, die leider nicht besonders handlich sind. Oder auf einen wiederverwertbaren Hundekotgreifer zum Auswaschen? Würde aber wohl nicht allzu viel bringen in puncto Ökobilanz.

Die Verfechter fleischloser Tierernährung

Bliebe die Möglichkeit, Poldi auf Diät zu setzen oder ihn gleich zum Veganismus zu bekehren. Ja, es gibt Menschen, die ihren Vierbeiner auf vegetarische oder vegane Ernährung umstellen. Das wird lang und breit in diversen Internetforen diskutiert, wobei sich die Verfechter fleischloser Tierernährung und deren Gegner unversöhnlich gegenüberstehen. Darf man den geliebten Gefährten, ohne sie zu fragen, die Schuld am Leid ihrer tierischen Mitgeschöpfe aufladen? Oder ist es nicht artgerecht, wenn man Karnivoren bzw. Allesfresser ebenso ungefragt zu Pflanzenfressern macht?

Müsste mal mit Poldi sprechen. Wobei er mir eigentlich jeden Tag deutlich zu verstehen gibt, wo seine Präferenzen liegen. Wenn er etwa auf der Straße einen weggeworfenen Hamburger findet, stürzt er sich immer auf die Bulette und den Käse, während er an der Tomate und dem Salatblatt nur angewidert schnuppert. Ich bin mir auch nicht sicher, ob er anstelle des Ochsenfiesels, auf dem er jeden Abend hingebungsvoll kaut, einen „Snack aus Räuchertofu“ oder Süßkartoffelchips akzeptieren würde. Und ob er nach dem Abendspaziergang noch im Schweinsgalopp zu seinem Futternapf rennen würde, wenn dort statt seines gewohnten Trockenfutters aus irgendwelchen Schlachtabfällen nur Rohkost auf ihn wartet?

Übrigens erinnert mich die Berliner Studie über „Environmental Impacts of a Pet Dog“ stark an die Diskussion über die Klimaschädlichkeit von Kindern. Nur dass Menschen nicht nur viel länger leben, sondern niemand wissen kann, wie ökologisch sich ein Kind im Erwachsenenleben verhalten wird. Kann sein, dass man die eigenen Blagen schön nachhaltig mit Biokost ernährt, im Lastenfahrrad herumkutschiert und ihnen aus dem Klimawandelbilderbuch vorgelesen hat, und sie sich dann als echte Ökoschweine entpuppen, die nichts anders zu tun haben, als in der Welt herumzujetten und CO2 zu produzieren. Da ist ein Haustier wesentlich berechenbarer. 

Jetzt ist mein Klimakiller aufgewacht. Vielleicht spendiere ich ihm heute Abend zum Trost ein Wiener Würstel. Dafür fliege ich auch nicht nach Barcelona.

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Leserpost

netiquette:

Ferdinand Katz / 09.09.2020

Es könnte so einfach sein…alle Klimaritter, Genderspinner, Berufspolitiker und deren “Experten” in den Hächsler und ich mache jede Wette, ohne die ganzen Trockenen Hirnfürze und dem ausbleiben der Heisse-Luft Produktion erreichen wir jedes (klima) Ziel. MfG

B.Kröger / 09.09.2020

Gut, dass Poldi in Ruhe vor sich hinschlummert, dabei friedlich ein- und ausatmet und von seinem Würstchen träumt.

Edgar Jaeger / 09.09.2020

Wenn Sie als Kaufmann so eine Bilanz aufstellen gehen Sie in den Knast wie die Wirecard Führungsriege, da Sie nicht vollständig ist. Die Entstehungskosten von Poldi haben Sie nicht berücksichtigt. Die einzige Möglichkeit die Sie haben um sie schön zu rechnen wäre statt der Wissenschaft zu folgen - Evolution - den Kreatoonisten zu folgen. 5000 Jahre Co2 ausstoß (Kreatoinisten) gegenüber 100000 Jahre nach der Evolution.

Wilfried Cremer / 09.09.2020

In diesem Falle ist soziale Ächtung angebracht.

R. Lichti / 09.09.2020

Vielleicht ist die genannte Studie und der Lehrstuhl nur Teil eines Langzeitprojekts “Welchen Stuss kann ich als Wissenschaft verkaufen bevor die Fördergelder gestrichen werden”?

Seb. Scherf / 09.09.2020

ich bin gewiss kein freund des öko-studien-hypes. andererseits hat sich mir der deutsche hunde-fetisch auch noch nie erschlossen, inkl. des anspruchs, öffentliche parkanlagen selbstverständlich als hundetoiletten zu benutzen. als ebenfalls in schwabing wohnhafter vater einer zweijährigen tochter bin ich um jeden kothaufen froh, in den mein kind nicht tritt. insofern hält sich mein mitleid in grenzen.

H.Milde / 09.09.2020

Kommt aus dem sinsitroviriden D/DR2.0-Hauptslum außer Zerebralflatulenzen von fremdfinanzierten Minderleistern irgendetwas Produktives? Liegt es an einer möglich drogengeschwängerten “Berliner Luft”?

R. Nicolaisen / 09.09.2020

Besonders spannend wäre es zu wissen, wieviele sich wie lange mit den Rechnereien beschäftigt haben. Mehr als einen einenTag, dazu einen als Korrekturrechner dürfte die Aufgabe kaum beschäftigen können, ich fürchte aber ...

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