Henryk M. Broder / 28.02.2014 / 21:32 / 5 / Seite ausdrucken

Platz an der Sonne

Vor fast 25 Jahren, im Herbst 1989, schrieb ich für die Süddeutsche eine längere Polit-Fiction: „Das 12. Bundesland“. Die Idee zu dem Text kam mir, nachdem ich über eine Aussage des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt und späteren Reichskanzlers, Bernhard von Bülow, gestolpert war, der am 6. Dezember 1897 im Reichstag den Grundsatz der deutschen Kolonialpolitik so formuliert hatte: „Wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne.“

Die Bundesrepublik könnte, phantasierte ich, Bülows Gedanken aufgreifen, Israel als das 12. Bundesland annektieren und damit ihrer „besonderen historischen Verantwortung“ gerecht werden.

Das kleine Land von der Größe Hessens, geprägt von europäischer Kultur und mediterraner Lebensfreude, würde hervorragend in das geografisch-politische Portfolio der Bundesrepublik passen, die damit nicht nur einen „Platz an der Sonne“ bekommen, sondern auch aktiv Geschichte gestalten könnte. Auch für Israel wäre die Sache von Vorteil. Welches arabische Land würde sich angesichts der „traditionellen deutsch-arabischen Freundschaft“ trauen, ein Land der Bundesrepublik anzugreifen?

Bald darauf implodierte die DDR und die alte Bonner Republik wurde um fünf neue Länder erweitert. Israel war draußen vor. Nun aber ist es wieder im Rennen.

Anfang dieser Woche reiste fast die gesamte deutsche Bundesregierung zu einer gemeinsamen Kabinettssitzung mit der Regierung Netanjahu nach Israel.

Eine solche Form der Zusammenarbeit gibt es außer mit Israel nur noch mit Frankreich. Wobei die mit Israel weiter geht. Die Bundesrepublik übernimmt künftig die konsularische Vertretung von Israelis in allen Ländern, in denen der jüdische Staat keine Botschaften unterhält. Also in Afghanistan, Pakistan, Saudi-Arabien, im Irak und Iran, in Libyen und Syrien – nur um einige der Länder zu nennen, wo Israelis mit Problemen rechnen müssen.

Damit ist Israel de facto das 17. Bundesland geworden.

Jetzt muss nur noch der Status der von Israel besetzten „Westbank“ geklärt werden. „Ejn baja“, kein Problem, sagen die Israelis. Wo 17 Gäste Platz haben, kommt es auf einen mehr oder weniger nicht an.

Erschienen in der Weltwoche vom 27.2.14

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Leserpost

netiquette:

Tom Brandt / 01.03.2014

Der späte Sieg der (Haken) Kreuzritter, was die Eroberung Jerusalems betrifft.

Ralf Tetzner / 01.03.2014

Klingt erstmal wie eine tolle Idee, aber der Teufel steckt doch im Detail. Obwohl wir ein tolles innerdeutsches Reiseziel gewinnen würden, unsere Servicetechniker ‘ihre’ Panzer und U-Boote unkomplizierter erreichen würden und die EU-Hilfslieferungen nach Gaza im kleinen Grenzverkehr abzuwickeln wären; aber was glauben Sie wen das (noch mehr) motivieren würde, dieses unser Land von innen heraus zu übernehmen, wenn man das Heilige Land gleich noch mit dazu bekommt? ‘Hüte Dich vor den Danaern, selbst wenn sie Geschenke bringen!’ By the way: tolle Idee mit den Flecken im Dokument. Ich bekomme jedesmal einen Impuls meinen Monitor zu putzen!

Robert Groenewold / 01.03.2014

Zitat: “(...) Die Bundesrepublik übernimmt künftig die konsularische Vertretung von Israelis in allen Ländern, in denen der jüdische Staat keine Botschaften unterhält. Also in Afghanistan, Pakistan, Saudi-Arabien, im Irak und Iran, in Libyen und Syrien – nur um einige der Länder zu nennen, wo Israelis mit Problemen rechnen müssen. (..:” Die Frage ist doch, warum Israel ausgerechnet Deutschland diese Aufgabe überträgt, und nicht z.B. den USA (oder den Niederlanden).

Peter Merbt / 01.03.2014

Der Broder schreibt so Sachen… Als ob er wollte, dass man nach dem ersten gepressten Lachen sich Gedanken macht… Ich war grad am Grübeln, wer denn im Falle eines Falles - also mal angenommen, diese völlig absurd-blödsinnige Idee würde verwirklicht - stante pede das Altdeutschland verlassen würde. Und begann zu lächeln. Man kommt ganz umhin…

Michal Scholze / 28.02.2014

Darf denn dann noch Israel Deutschland kritisieren?

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