Gunnar Heinsohn / 28.06.2022 / 12:00 / Foto: Achgut.com / 84 / Seite ausdrucken

Patent und Verstand: Ex-Kolonie Südkorea überholt Deutschland

Südkorea ist überaltert, holt sich keine ausländischen Arbeiter ins Land, hat nahezu keine Bodenschätze, war unterdrückte Kolonie der Japaner und vom brutalen Korea-Krieg verwüstet – nun überholt es Deutschland technisch und intellektuell.

Deutschlands Bevölkerung belegt weltweit nur den 19. Rang, schafft 2021 bei den streng gesiebten PCT-Patentanmeldungen aber den fünften Platz. Doch Feiern bleiben aus. Man spürt, dass da ein immer noch Guter längst strauchelt. Seit 1993 ermittelt WIPO (World Intellectual Property Organization) das innovative Vermögen der Menschheit. Von 1993 bis 2002 erreicht Deutschland hinter den USA einen glänzenden zweiten Platz. 2003 allerdings zieht Japan vorbei. Es folgt ein Jahrzehnt mit der deutschen Bronzemedaille, das China schließlich 2013 beendet, um 2019 selbst die Spitze vor den USA zu übernehmen. Da die asiatischen Länder demografisch vor der Bundesrepublik liegen, scheint es sich um einen ganz natürlichen Prozess zu handeln.

Doch 2020 verdrängen 50 Millionen Südkoreaner über 80 Millionen Deutsche vom vierten Platz. Immerhin gewinnen sie mit 20.060:18.643 nur knapp. Üppige Muße fürs Erfinden im Covid-Jahr 2021 gibt Hoffnung auf Rückgewinn der verlorenen Position. Allerdings sinkt Deutschland 2020 erstmals auch mengenmäßig ab. 2021 bestätigt sich dieser Trend. Südkorea baut mit 20.678 (+3,2%) zu 17.322 Patenten (-6,4%) seine Führung wuchtig aus. 1993 hatte Deutschland noch 28:1 (3.459:125) vorne gelegen. 

Auch Japan hängt Deutschland ab

Bei den 50 besten Privatfirmen von 2021 liegen beide Staaten mit je vier Mitgliedern zwar gleichauf, aber die koreanischen (auf den Rängen 3, 4, 24 und 40) registrieren rund 7.300, die deutschen hingegen nur 2.900 Patente (auf den Rängen 18, 34, 38 und 43 mit Bosch, Siemens, BASF und Schäffler). Mit 15 Unternehmen – vor 13 chinesischen und 10 amerikanischen – unter diesen Top-50 zeigt auch Japan, dass es 2003 keineswegs aufgrund seiner Menschenzahl Deutschland überholt hat. Mit zwei Dritteln der japanischen Bevölkerung müsste die Bundesrepublik bei gleicher Qualität heute ja nicht nur vier, sondern zehn Firmen in dieser Gruppe stellen. Das Können des Inselreiches bestätigt sich bei Robotern, von denen es global mehr als die Hälfte liefert.

Japans ökonomische Struktur bildet seit der Meiji-Reform (seit 1868) preußisch-deutsches Eigentums- und Vertragsecht, das 1910 auch das annektierte Korea übernimmt. Nahe ist man sich auch bei Kriegszerstörungen im 20. Jahrhundert, wobei es Korea mit dem bis 1953 dauernden Korea-Krieg am härtesten trifft. Mangel an Bodenschätzen und Fläche sowie geringe Geburtenraten nötigen alle drei, den Verstand als entscheidenden Rohstoff zu nutzen. Und eben da geht man verschiedene Wege. Während Deutschland – zuerst nur die BRD – seit den 1960er Jahren Ausländer ins Land holt, um Eigentümer überholter Branchen länger profitabel zu halten, drängt Ostasien seine Talente rigoros in Hightech-Industrien, denen Ungelernte nicht helfen können.

Nun ließe sich die fernöstliche Migrationspolitik immer noch übernehmen. Doch Seoul arbeitet zusätzlich mit einem Faktor, den man nicht nachmachen kann: Bei PISA 2018 hat Südkorea unter 1.000 Kindern 69 Meisterrechner, Deutschland aber nur 28. Bei TIMSS 2019 erreichen Südkoreaner in Mathematik durchschnittlich 600 Punkte (Platz 3 hinter Singapur und Hongkong), die Deutschen dümpeln bei 521 (Platz 25). Niemand weiß, warum das so ist. Es führt gleichwohl dazu, dass Südkorea neben Taiwan das einzige Land ist, das 5-Nanometer-Halbleiter bauen kann. Machen, was andere einfach nicht hinbekommen, ist eine mächtige Rezeptur, wird hierzulande aber als Lieferkettenproblem schöngeredet. Für eine Rückkehr von Europäern in diese Kette fehlt nicht Geld, sondern Verstand. Solange man bei Mathe-Assen hinten liegt, kann Ostasien nur dominanter werden. Dass da kein unabwendbares Schicksal waltet, demonstriert die Schweiz. Sie erringt bei einem Zehntel der deutschen Bevölkerung 2021 gut drei Zehntel der deutschen PCT-Patente.

 

Dr. phil. Dr. rer. pol. Gunnar Heinsohn (*1943; emer. Prof.) hat 1993 an der Universität Bremen das Rafael-Lemkin-Institut als Europas erste Einrichtung für vergleichende Völkermordforschung gegründet und bis 2009 geleitet. 

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Dr. Konrad Voge / 28.06.2022

Sehr geehrter Herr Professor Heinson, Sie schreiben ” Niemand weiß warum das so ist”. Doch, viele Bürger hierzulande wissen es. Ganz einfach. U.a. lernen die Kinder wie man gendert und seinen Namen tanzt. Da bleibt Mathe u.s.w natürlich auf der Strecke.

George van Diemen / 28.06.2022

Schland? Wir müssen doch CO2 retten und sind als Weltsozialamt voll ausgebucht. Geld erwirtschaften ist voll rächts und diskriminiert alle schnorrenden Nichtkartoffeln. Also, Werkzeug ablegen und jeden Tag staatsfinanziert hopsen gegen alles. Das ist die woke Zukunft und ich freue mich darauf! Den Rest druckt die EZB.

Edgar Jaeger / 28.06.2022

Warten Sie doch ab, wie Südkorea noch einer möglichen Wiederverinigung da stehen wird. Insbesondere wenn die wiedervereinigten Koreanerdie in Nordkorea sozialisierte Südkorearin Merk El Ang zur Präsidentin wählen.

Burghard Gust / 28.06.2022

Dazu paßt ein Rechtfertigungsbericht von gestern im NDR-Fernsehen über das erschreckende deutsche Ergebnis der ersten PISA-Studien (und natürlich der folgenden !). 2 Vorzeigekarrieristen kamen zu Wort mit der Aussage,das man damals als junger Mensch einfach keinen Bock hatte,mitten im Schuljahr einen zusätzlichen Test zu schreiben,von dessen Bedeutung man nichts wußte,man war halt unmotiviert ! Diesen Schnitt ins eigene Fleisch,nämlich unmotiviert zu sein mit allen seinen Folgen hatten die Redakteure des Berichts nicht begriffen-eigentlich klar,denn begreifen tun heutige ÖR-Schaffende ja eh nichts mehr !!!

giesemann gerhard / 28.06.2022

Patentanmeldungen werden niemals “gesiebt”, die kann jeder Trottel einfach in den Briefkasten bei einem Patentamt einwerfen, dort kriegen sie einen Eingangsstempel und basta. Der “PCT” also der “Patent Coopoeration Treaty” ist ein Vertragswerk, sonst nichts. Hat ebenfalls einen Briefkasten. Die Prüfung auf Patenfähigkeit einer Patentanmeldung erfolgt in dafür autorisierten Patentämtern, ein aufwändiges Verfahren, das Jahre dauern kann. Wird dann ein Patent erteilt, dann ist erst mal die Einspruchsfrist ab zu warten - JEDER kann einsprechen gegen diese Erteilung. In einem eventuellen weiteren Verfahren, dem Einspruchsverfahren, das länger dauern kann als das Patenterteilungsverfahren, kann es dann endgültig zu einem Patent kommen, dessen Geltungsdauer auf 20 Jahre, gemessen ab AT/Priorität, beschränkt ist. Dann ist es wertlos, dient allenfalls noch als “Stand der Technik”. Auch eine Patentanmeldung ist Stand der Technik, sobald sie veröffentlicht worden ist; das geschieht stur heil 18 Monate nach dem AT, dem Anmeldetag, also dem Tag, an dem es der Trottel in den Briefkasten geworfen hatte und ein anderer ... den Eingangsstempel drauf gehauen hat. Kann das auch der Herr Professor endlich begreifen? Wenn er mir noch EIN Mal was von “streng gesiebten Dingens” schreibt, dann lese ich nichts mehr von ihm, alles klar, Prof? Ich denke, dass auch ein Geschwätzwissewas die Realität zur Kenntnis zu nehmen hat - sonst gibt’s eine auf die Mütze. Dass andere aufholen im Vergleich zu Europa, dürfte ohnehin klar sein. Obwohl bis heute Europa, die EU die mit Abstand innovativste Region weltweit ist, noch vor den USA und Japan. ganz vorneweg und mittendrin: Deutschland. Darauf kann DE aufbauen - wenn es nicht zu blöd ist dazu.

Angelika Meier / 28.06.2022

“Südkorea überholt Deutschland”: Die EU existiert nur noch, weil Investoren Deutschland noch als zahlungsfähig ansehen. Irgendwann wird das nicht mehr der Fall sein, weil die Schulden/Verpflichtungen/Haftungen so groß und die wirtschaftlichen Einnahmen so klein geworden sind. Dann ist die EU Geschichte. Und dann wird uns jeder überholen.

Detlef Wacker / 28.06.2022

Warum das in Deutschland so ist? Mal genau die Situation in den Schulen Deutschlands ansehen. Im failed state Deutschland wird inkludiert was das Zeug hält. Am Schwächsten richtet man die Benotung und Bewertung aus. 2 + 2 kann auch 5 sein. Ist doch egal. Demnächst fallen sowieso die Noten, ist ja nur diskriminierend. MINT-Fächer werden nicht mehr honoriert. Selbst hochausgebildete Fachleute aus dem Ausland ziehen gleich weiter in andere Länder. Entspricht der Regierungssicht. Ob 4 Mio. Zuwanderer oder 6 Mio.: egal. Ob 2 Billionen Schulden oder 4 Billionen: egal. Ob 56% Gasspeicherfüllstand oder 96%: egal.

Alex Müller / 28.06.2022

Was die Demographie betrifft, vergleicht der Autor hier Äpfel mit Birnen. Die deutsche Geburtenrate / Frau hat schon seit den 1920er Jahren eine 2 vor dem Komma, in Japan seit Ende der 50er, in Korea erst seit Anfang der 80er Jahre. Entsprechend ist die natürliche Bevölkerungsentwicklung 40-50 Jahre später rückläufig - in D seit den 70ern, in Japan seit etwa 2005, Korea ist gerade am Wendepunkt. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Wirtschaft wider - Deutschland hatte seine “Japan-Krise” vor 30 Jahren, Japan wiederum hat sein herausragende Stellung in Asien verloren und an Korea und Taiwan abgegeben. Diese verlieren sie gerade an China und andere, wie man z.B. gut an den Smartphones sehen kann, HTC und Samsung, vor 10 Jahren noch Quasi-Alleinstellung, haben heute massiv Konkurrenz von Oppo, Xiomi, etc… Es scheint ein Naturgesetz zu sein - eine junge Generation schuftet sich kaputt und erobert die Welt mit ihren Waren, mit Wohlstand kommen Gleichberechtigung der Frau und damit Geburtenarmut sowie eine gewisse Trägheit und der Wunsch, das Erarbeitete auch mal zu genießen. Die nächste (noch) junge, hungrige Nation ist an der Reihe. Masseneinwanderung von Billig-Arbeitern ist allerdings tatsächlich in Fernost nicht zu erwarten - zum einen aufgrund der harten Arbeitsbedingungen und einer gewissen Ausländerskepsis, um nicht zu sagen Ausländerfeindlichkeit, besonders in Japan, zum andern aufgrund Sprachbarriere und fehlendem Sozialsystem. Dazu kommt die Insellage Japans, Taiwans und (praktisch auch) Süd-Koreas. Insofern ist die deutsche Politik wirklich herausragend dumm - ohne die allzeit forcierte Zuwanderung könnte man heute mit 60-65 Mio Einwohnern den fehlenden Energielieferungen aus Rußland wesentlich gelassener entgegensehen.

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