Gunnar Heinsohn / 01.01.2023 / 12:00 / Foto: Achgut.com / 17 / Seite ausdrucken

Whoopi Goldberg und „Jewish Race”

Nicht aufgrund ihrer „Rasse“, sondern wegen der „Unmenschlichkeit des Menschen gegen den Menschen“ habe Hitler die Juden ermorden lassen, erklärt Whoopi Goldberg im Magazin der Londoner Times [1] und schon zu Jahresbeginn 2022 in „The View“ (ABC). [2]

Zorn, aber auch Spott treffen die – sich selbst zum Judentum zählende – Schauspielerin. Sie solle endlich Holocaust-Museen besuchen und Rabbiner konsultieren. Was merkwürdigerweise unterbleibt, ist ihre knappe und verständliche Unterrichtung über Hitlers Motiv. Gibt es dafür Gründe vonseiten der professionellen Forschung? Durchaus. So resümiert der langjährige FAZ-Herausgeber Joachim Fest (1926 bis 2006) seine jahrzehntelange Forschung: „Ich verstehe es [das Ermorden der Juden] nicht, und keiner, der sich je damit beschäftigt hat, ist einer überzeugenden Deutung [...] auch nur nahegekommen.“ [3]

Israels Nestor der Holocaust-Forschung, Yehuda Bauer (*1926), sieht es kaum anders: „Hitler ist im Prinzip erklärbar; das bedeutet aber nicht, dass er erklärt worden ist.“ [4]

Hitler macht es den Deutern nicht einfacher. In den Bormann-Diktaten vom Februar 1945 grenzt er seinen Judenhass vom gewöhnlichen Rassismus ausdrücklich ab:

„Ich war nie der Meinung, dass etwa Chinesen oder Japaner rassisch minderwertig wären. [...] Ich gebe zu, dass ihre Tradition der unsrigen überlegen ist. / Unser nordisches Rassebewusstsein ist nur gegenüber der jüdischen Rasse aggressiv. Dabei reden wir von jüdischer Rasse nur aus sprachlicher Bequemlichkeit, denn [...] vom genetischen Standpunkt aus gibt es keine jüdische Rasse. Die Verhältnisse zwingen uns zu dieser Kennzeichnung einer rassisch und geistig zusammengehörigen Gruppe, zu der die Juden in aller Welt sich bekennen, ganz gleichgültig, welche Staatsangehörigkeit der Pass für den einzelnen ausweist. Diese Menschengruppe bezeichnen wir als die jüdische Rasse. [...] Die jüdische Rasse ist vor allem eine Gemeinschaft des Geistes. / Geistige Rasse ist härter und dauerhafterer Art als natürliche Rasse. Der Jude, wohin er auch geht, er bleibt ein Jude [...] und muss uns als ein trauriger Beweis für die Überlegenheit des 'Geistes' über das Fleisch erscheinen.“ [5]

Schon in Mein Kampf deklariert Hitler – darin dem modernem White Supremacism ganz nahe – keineswegs eine jüdische Rasse, sondern die jüdische Bewegung gegen Rassismus als einen Grund für seine tödliche Gegnerschaft:

„Von Zeit zu Zeit wird in Illustriertenblättern dem deutschen Spießer vor Augen geführt, dass da und dort zum ersten Mal ein Neger Advokat, Lehrer, gar Pastor, ja Heldentenor oder dergleichen geworden ist. Während das blödselige Bürgertum eine solche Wunderdressur staunend zur Kenntnis nimmt, / versteht der Jude sehr schlau daraus einen neuen Beweis für die Richtigkeit seiner den Völkern einzutrichternden Theorie von der Gleichheit der Menschen zu konstruieren.“ [6]

Judentum wegen seiner Ethik der Lebensheiligkeit verfolgt

Selbst beim Vorgehen gegen seine eigenen Voll-Arier, die er wegen angeborener Behinderungen oder schwerer Kriegsverletzungen ermorden lässt (Euthanasie-Aktion), wird jüdischer „Geist“ als zersetzende Störung identifiziert. Hilters Zuständiger Dr. Eugen Stähle (1890 bis 1948) für die württembergische Anstalt Grafeneck, wo mit Injektionen und Gas getötet wird, erwidert am 4. Dezember 1940 dem Stuttgarter Oberkirchenrat Reinhold Sautter (1888 bis 1971), der ihm in einem privaten Gespräch die „Tötung lebensunwerten Lebens" vorhält: „Das 5. Gebot: Du sollst nicht töten, ist gar kein Gebot Gottes, sondern eine jüdische Erfindung.“ [7]

Auch öffentlich gegen Hitler Protestierende verstehen sofort, dass er das Judentum wegen seiner Ethik der Lebensheiligkeit verfolgt. Bischof Clemens August Graf von Galen (1878 bis 1946) greift ihn am 3. August 1941 in einer Predigt zu Münster an:

„Wehe den Menschen, wehe unserem deutschen Volke, wenn das hl. Gottesgebot: 'Du sollst nicht töten', das der Herr unter Donner und Blitz auf Sinai verkündet hat, das Gott, unser Schöpfer, von Anfang an in das Gewissen der Menschen geschrieben hat, nicht nur übertreten wird, sondern wenn diese Übertretung sogar geduldet und ungestraft ausgeübt wird.“ [8]

Weitergreifende Debatte über das Judentum und seine Feinde nötig

Einen neuen Katechismus gegen die jüdische Ethik von Lebensheiligkeit und menschlicher Gleichrangigkeit adaptiert Hitler von Theodor Fritsch (1852 bis 1933):

„Du sollst den Feind nicht schonen, sondern ihm mit grimmiger Wehr begegnen, denn er will von Dir erschlagen sein. Seine Aufgabe ist, dich zu stacheln, und deine Aufgabe: ihn zu bezwingen. Sorge nicht, dass deiner Feinde ein Ende wäre; es entstehen dir immer neue.“ [9]

Warum also nicht das Gespräch suchen mit Whoopi Goldberg, statt ihr – in unausgewiesener Überlegenheit – immer nur neue Entschuldigungen abzufordern? Die Kernregel des Judentums birgt nichts Unbegreifliches: „Siehe, ich habe dir heute vorgelegt das Leben und das Gute. / Ich nehme Himmel und Erde heute über euch zu Zeugen: Ich habe euch Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, damit du das Leben erwählst" (5. Mose 30: 15/19). Gerade die unverstellte Ratlosigkeit der besten Gelehrten zum Holocaust darf als Einladung für eine weitergreifende Debatte über das Judentum und seine Feinde gelesen werden.

 

Gunnar Heinsohn (*1943) hat 1993 an der Universität Bremen Europas erstes Institut für vergleichende Völkermordforschung aufgebaut. 1994 hat er „Warum Auschwitz?“, 2014 „Hitler’s Motive for the Holocaust“ publiziert

 

[1] https://www.thetimes.co.uk/article/whoopi-goldberg-till-film-hollywood-race-cancel-culture-c5lgc656v

[2] https://www.cnbc.com/2022/02/02/abc-suspends-the-view-host-whoopi-goldberg-for-saying-holocaust-not-about-race.html

[3] J. Fest, ​​​​​​Mitleidlosigkeit bis zum allerletzten Punkt”, in Die Welt, 10. September, 2004, S. 3

[4] R. Rosenbaum, Die Hitler-Debatte: Auf der Suche nach dem Ursprung des Bösen (Explaining Hitler, 1998), München et al.: Europa-Verlag, 1999, S. 7.

[5] H. Trevor-Roper, A. Francois-Poncet, Hg., Hitlers Politisches Testament. Die Bormann Diktate vom Februar und April 1945, Hamburg: Albrecht Knaus, 1981, S. 66/68/69.

[6] A. Hitler, Mein Kampf (19251), München: Franz Eher, 1930, S. 478f.

[7] H. W. Schmuhl, Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie. Von der Verhütung zur Vernichtung „lebensunwerten Lebens", 1890 - 1945 (19871), Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1992, S. 321

„Du sollst nicht töten" heißt in wörtlicher Übersetzung aus dem Hebräischen "Morde nicht!" Das schließt das Verbot der Kindstötung ein, was bereits in der Antike als sensationell empfunden wird. Es untersagt aber nicht die militärische Verteidigung oder die Abwehr von Mordverbrechen.

[8] H. Portmann, Kardinal von Galen. Ein Gottesmann seiner Zeit. Mit einem Anhang: Die drei weltberühmten Predigten, Münster: Aschendorff, 1961; S. 357/361

[9] T. Fritsch, Der neue Glaube (19141), Leipzig: Hammer, 1936

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Ulla Schneider / 01.01.2023

1920 wurde meine Mutter als 11jähriges Mädchen in der Klasse 5 am Göttenbachgynasium nach Rasse “vermessen”, um das “Typische” jüdischer Herkunft nachzuweisen. 1920! Da war man schon flott dabei. Was hier los war, davon hat Frau Goldberg keine Ahnung. Niente!

Klaus Keller / 01.01.2023

Anmerkung. Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses findet seine moderne Fortsetzung in der Pränataldiagnostik. Die Empfehlung den Fötus auf Trisomie 21 testen zu lassen lässt als Therapie nur den Abbruch zu oder die Behinderung in kauf zu nehmen. Die SPD feierte ihr Gesetz das alle Kassen zur Zahlung des Tests verpflichtete. Ich bin gespannt wie viele Menschen mit Trisomie 21 in den nächsten Jahren geboren werden. PS Ich halte es für möglich das er nicht nur in dieser Frage völlig Meschugge war. Sein letzter Wunsch war der Niedergang Deutschlands weil es den Endsieg nicht verdient habe. Heute arbeiten einige Gruppierungen an Hitlers letztem Willen.

giesemann gerhard / 01.01.2023

@Thomas Sz.: Wie hieß der Kerl?

Boris Kotchoubey / 01.01.2023

@S.Niemeyer “Es begann 1934 mit der systematischen Zwangssterilisation von Menschen mit psych. Erkrankungen oder mit Behinderungen”. Nein, es begann viel früher. In der urdemokratischster Schweiz begannen Zwangssterilisierungen bereits Ende des 19.Jh. ohne gesetzliche Grundlage. In den 1900er Jahren erschienen erste Zwangssterilisationsgesetze in US-Bundesstaaten und kanadischen Provinzen: Die beiden Länder keinesfalls nationalsozialistisch. Diesem Beispiel folgten in den 1920ern Dänemark und Finnland, danach Schweden. Deutschland war eines der letzten Länder, die diese Gesetzgebung eingeführt hat - allerdings mit einer grausamen Hartnäckigkeit durchgeführt. Das Gegenteil war England: Engländer waren zwar die ersten, die Zwangssterilisierung diskutiert und propagiert haben, aber nicht in der Praxis angewendet.

Wilfried Düring / 01.01.2023

Ralf Pöhling:  Weil ich eben Alexander Gauland zititiert habe:  Ich habe eben gerade nochmal die berühmt/berüchtigte ‘Vogel-Schiss’-Rede nachgelesen, mit welcher Herr Gauland so viele Menschen verletzt und auch enttäuscht hat. Gauland hat AUCH gesagt (übrigens in der gleichen Rede !): ‘... Nein, der Islam gehört nicht zu uns. Unsere Vorfahren haben ihn 1683 vor Wien besiegt. Aber das deutsche Judentum von Ballin und Bleichröder über Rathenau und Kantorowicz war Teil einer deutschen (Helden-) Geschichte, die Hitler vernichten wollte! Liebe Freunde, uns muss man nicht vom Unwert des Nationalsozialismus überzeugen. ...’. Ballin - Reeder unter Kaiser Wilhelm II; Bleichröder - Bankier und Finanzierer Bismarcks; Walther Rathenau - Sohn des Begründers der AEG, Industrieller, in der Weimarer Republik Reichsaußenminister, als welcher er 1922 ermordet wurde; Ernst Kantorowicz war Biograph des ‘Staufer-Kaisers’ Friedrich II. - Alo die deutsche Juden/jüdischen Deutschen gehörten zwischen 1871-1933 ‘dazu’. Zumindestes in den industriellen, wissenschaftlichen und kulturellen Zentren des Reiches; dort wo ‘das Herz schlug’. Bei einem Bevölkerungsanteil von geschätzt 2-3% ist es möglich, daß es ‘im ländlichen Raum’ wo es kaum/wenig Juden gab, teilweise anders war.

Wilfried Düring / 01.01.2023

@R. Pöhling ‘... Und da traf es natürlich als erste die, die in Deutschland eigentlich nie richtig dazu gehörten. Die Juden. ...’ Schräge Argumentation! Seit wann das denn? Die sogenannte ‘Juden-Emanzipation’ in alten Preußen begann mit den Stein-Hardenbergschen Reformen (Preußisches Judenedikt von 1812). Im Kaiserreich und unter Kanzler Bismarck wurde die vollständige Gleichberechtigung der jüdischen Bürger durchgesetzt; Ausnahmen bleiben vielleicht beim Militär. (Wikipedia: ‘Das Emanzipationsgesetz des Norddeutschen Bundes 1869 hob alle noch bestehenden Beschränkungen der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte, die aus der Verschiedenheit der religiösen Bekenntnisse hergeleitet wurden, auf. Damit war die Emanzipation der Juden zwar formaljuristisch vollständig hergestellt, im Alltag aber noch nicht sozial verwirklicht.’) Dieses Gesetz wurde inhaltlich die Verfassung des Deutschen Reiches (1871) übernommen. Das Bismarcksche Kaiserreich war wirtschaftlich, kulturell und in der Wissenschaft weltweit führend. Daran hatten deutsche Juden bzw. jüdische Deutsche - durch ihr hohes Bildungsbewußtsein und ihren Fleiß und ihr Können - hervorragenden Anteil. Sie können die Liste der Nobelpreise gerne mal durchgehen. (wieviel Nobelpreise errangen Bundesdeutsche seit 1949 ?) Erfolg schafft auch Neider! Den ‘Kritikern’ gab es irgendwann zuviele Juden mit Top-Universitätsabschluß, zuviele Anwälte, zuviele Namen in Kultur und Medien. Jüdische Deutsche gehören so sehr ‘dazu’, daß sich manche ‘assimilierten’ zu einer christlichen Kirche übertraten und auch ‘inter-konfessionell’ heirateten. Das war um/ab 1900 überhaupt keine Problem. Alexander Gauland behauptet, einige Soldaten/Offiziere ‘jüdischer Abstammung’ hätten im 1. Weltkrieg ‘das Eiserne Kreuz oder noch höhere Auszeichnungen erhalten’, die ‘wußten selber gar nicht mehr, daß sie jüdische Vorfahren hatten und daher (im ‘rassischen Sinne’) ‘Juden’ waren.  (Interview der reihe ‘jung und naiv’ mit Thilo Jung).

S. Marek / 01.01.2023

Herr Gunnar Heinsohn, eine Whoopi Goldberg, geb. Caryn Elaine Johnson,  die sich den Jüdisch klingenden Namen ausgewählt hat ohne jüdischer Abstammung und Zugehörigkeit zu haben,  und die den Holocaust relativiert und verneint ist wegen Ihrer Unkenntnis der Tatsachen keine Person mit der man darüber diskutiert. Auch Sie haben ein Problem mit der “Juden Frage” genau so wie Adolf Hitler und seine NSDAP.  Es sind aber nicht die Juden die die Nürnberger Rassengesetze 1935 verabschiedet haben.  Es ist für mich nicht relevant jetzt darüber zu postulieren was das Monster Adolf Hitler und seine Genossen dazu bewegt hat die Gesetze für einen Völkermord zu verabschieden und diesen zu Exekutieren.  Was soll Ihr Artikel bewirken, diese Monster plötzlich in einem andrem günstigerem Licht zu sehen ?!  Hier die Definition von Wikipedia dazu:  Mit den Nürnberger Gesetzen – auch als Nürnberger Rassengesetze oder Ariergesetze bezeichnet – institutionalisierten die Nationalsozialisten ihre antisemitische und rassistische Ideologie auf juristischer Grundlage. Sie wurden auf dem 7. Reichsparteitag der NSDAP, dem sogenannten „Reichsparteitag der Freiheit“, am frühen Abend des 15. Septembers 1935 einstimmig vom Deutschen Reichstag angenommen, der eigens zu diesem Zweck telegrafisch nach Nürnberg einberufen worden war.    ++    @ Thomas Szabó  sie schreiben BS, denken sie das nächste mal lieber davor nach.

Franz Klar / 01.01.2023

Hitlerexegese die 1000ste ... und kein Ende in Sicht , spannend ,spannend ... Na denne , Frohes Neues !

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