Simon Akstinat / 17.04.2022 / 10:00 / Foto: Anonym / 42 / Seite ausdrucken

Ohne Militärgewalt gäbe es keine evangelische Kirche

Die deutschen Protestanten streiten über militärischen Beistand für die Ukraine. Aus dem Blick ist dabei geraten, dass sie selbst ihre Existenz einer gewaltsamen Militärinvasion im Jahre 1630 zu verdanken haben.

Waffenlieferungen an die bedrängte Ukraine sind für die gesellschaftlich noch immer bedeutsame evangelische Kirche (heute 19,7 Millionen Mitglieder, 1990 noch 29,4 Millionen) zur Gewissensfrage geworden. Die Kirche, die eigentlich genug Probleme mit sich selbst hat (selbst in ihrer Gründungsstadt Wittenberg sind nur noch 13 Prozent der Bevölkerung evangelisch), fühlte sich auf jeden Fall berufen, sich ausgiebig zu dem Thema zu äußern.

Während die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus, mit Blick auf die Verteidigung des osteuropäischen Landes ganz pragmatisch bekennt „Wer bin ich, ihnen ins Gesicht zu sagen, sie sollten dazu Pflugscharen benutzen?“, gibt der Friedensbeauftragte ihrer Kirche, Bischof Friedrich Kramer, zu bedenken, dass Waffen „kein Beitrag zum Frieden“ seien. Sowieso sei er „konsequent gegen Waffenlieferungen“ und Aufrüstung für ihn „steinzeitlich“.

Ob Waffenlieferungen an die Ukraine ratsam oder falsch sind, ist hierbei Nebensache. Dass ein Kirchenmann Bedenken hat, wenn es um Waffen zum Töten von Menschen geht, ist außerdem das Normalste der Welt.

Dass aber Teile der staatlich reich beschenkten EKD so entschieden auf „Frieden schaffen ohne Waffen“ pochen (Kramer: „Es braucht jetzt den klaren Ruf zum Frieden, zur waffenlosen Friedensstiftung, auch seitens der Kirche!“) und sich über das Gegenteil empören, zeigt einmal mehr, dass die deutschen Protestanten den nach Martin Luther zweitwichtigsten Mann ihrer eigenen Geschichte nahezu vergessen haben: den schwedischen König Gustav II. Adolf (Bild oben).

Das Massaker von Magdeburg

Dessen Landung auf Usedom am 6. Juli 1630 war der D-Day seiner Zeit: Die Katholiken drohten gerade alle protestantischen Gebiete Deutschlands während des grausamen Dreißigjährigen Krieges, der weite Teile des Landes entvölkerte, zu überrollen. Doch obwohl auch Gustav Adolf katastrophale katholische Massaker an den Protestanten wie das von Magdeburg 1631 (vor dem Krieg hatte die Stadt etwa 30.000 Einwohner, im Kriegsjahr 1639 nur noch 450) nicht verhindern konnte, so wendete sich das Blatt nun zugunsten der ohne ihn ausgelöschten evangelischen Kämpfer und Kirchen. So gefürchtet war der protestantische Feldherr, dass Eltern ihre Kinder ermahnten: „Bet’, Kindlein, bet’, morgen kommt der Schwed‘!“

Ohne diesen Einmarsch der schwedischen Armee könnte man im Jahre 2022 in Deutschland keinen evangelischen Gottesdienst besuchen, und weder Frau Kurschus noch Herr Kramer hätten die Arbeitsstellen, die sie heute haben.

Das Thema ist also weniger Sinn oder Unsinn von Militäreinsätzen, sondern dass die evangelische Kirche (die bereits nahezu alle „Modernisierungen“ in die Tat umgesetzt hat, die der katholischen Kirche zum „Überleben“ anempfohlen werden, der aber die Mitglieder dennoch zahlreicher weglaufen als der skandalumwitterten papistischen Konkurrenz) über etwas die Nase rümpft, von dem sie selbst noch heute profitiert. Und der Mann, dem sie so viel zu verdanken hat, scheint ihr heute fast unangenehm zu sein – neben ein paar Kirchengebäuden ist innerhalb der EKD lediglich noch das selten in Erscheinung tretende Gustav-Adolf-Werk nach ihm benannt.

 

Simon Akstinat arbeitet als Autor und Fotograf. Sein neues Buch „Pantheismus für Anfänger – Der kaum bekannte Gottesglaube von Goethe, Einstein und Avatar“ ist hier und hier bestellbar.

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Hans Reinhardt / 17.04.2022

Hätte, wäre, wenn…. Und wenn die Türken 1683 Wien überrannt hätten, dann wären wir jetzt alle Muslime. Oder vielleicht doch nicht? Wer weiß das schon? Heutige Verhältnisse an einem einzigen historischen Ereignis fest machen zu wollen, ist bestenfalls Küchenhistorie. Mit Verlaub, aber immer, wenn die Achse sich in den letzten Wochen an Geschichte versucht, geht sie baden. Ob es sich dabei um Wilhelm Zwo als angeblichen Verursacher des Ersten Weltkrieges handelt oder um friedliebende Nomadenvölker, es bleibt jedesmal gewaltig Luft nach oben. Und selbst wenn Sie Recht hätten und es heute in Deutschland keine evangelische Kirche gäbe, wem zum Teufel würde die fehlen?

giesemann gerhard / 17.04.2022

Vielleicht doch noch anzumerken: Die Schweden waren damals mit dem katholischen Frankreich verbündet, das so die katholischen “Kaiserlichen” schwächen wollte. So war am Ende Frankreich der große Gewinner durch den Westfälischen Frieden von Münster und Osnabrück im Jahre 1648. Spätestens damals wurde die alte “Erbfeindschaft” zu den Deutschen begründet. Sie ging eindeutig von Frankreich aus. (Bismarck hat das gewusst, klar, der schon - deshalb auch die für FR demütigende Veranstaltung im Spiegelsaal von Versailles nach dem 70er Krieg, bei der “Kaiserproklamation” durch das protestantische Preußen). Der Osmanen-Türke sah’s mit Interesse und stand vor Wien, 1683. (So wie bereits 1453, als zum Ende des 100-Jährigen von 1350 - 1450 so circa Konstantinopel/Byzanz fällig war. Cusanus hin oder her.). Heutige Inschrift an der Wand eines Pissoirs in Wien: Die Welt ist voller Tücken, Wien 1683 Wenn sich Christenmenschen - oder solche, die sich dafür halten - abschlachten, dann weiß garantiert einer: Muss ich paar Tschetschenen schicken, die machen das für mich. Aber wir wollen doch nicht das Ge-Schichte von früher mit der Gegenwart verbinden. Und der Kyrill I. von Moskaus Patriarch schwenkt dazu den Weihrauchkessel derart, dass du schwach wirst und schwummrig, wenn er dir an die weiche Birne scheppert. Also: Halte dich fern. Sollen die Ost- und Westslawen ihre Händel unter sich ausmachen - ein paar Javelin, stinger, etc. können wir ihnen, den Westslawen schon schicken, denn Putin bettelt ja förmlich um eine blutige Schnauze. Mit schweren Waffen wäre ich zurückhaltend, denn der Russe hat die mehreren und somit auch die schwereren. Da muss die Bienentaktik her, das macht den dicksten Bär verrückt. Vor allem beim Nachschub - denn beim Honig gilt: Ohne Mampf kein Kampf. So schwächt man die überlegene Kampfkraft eines Gegners durch gezielte Minderung seines Gefechtswertes ... . Usw.

Ralf.Michael / 17.04.2022

JaJa, die Katholen habens da doch einfacher !! Da heisst es einfach ” Deus Vult “, oder….

Jochen Lindt / 17.04.2022

Ziemlich schräger Vergleich.  Folgt man der Logik, müssten wir Dankgottesdienste für Hitler abhalten.

Helge Grimme / 17.04.2022

Der 30jährige Krieg löschte mindestens ein Drittel aller Deutschen aus. Ein Atomkrieg in Folge eines durch Waffenlieferungen angeheizten Ukrainekonflikts wird kaum einen Deutschen übriglassen. Moralisieren zu Gunsten einer lupenrein demokratischen Regierung in der Ukraine dient nicht dem Wohl des deutschen Volkes. Nüchterne Realpolitik dagegen schon.

Emmanuel Precht / 17.04.2022

Nach Hiroshima und Nagasaki hat Japan kapituliert. Ob wir soweit kommen wollen? Wohlan…

Josef Katz / 17.04.2022

Diese protestantische Kirche in Deutschland ist doch zu einem Ableger der Grünen geworden. Sie hat kein theologisches Profil mehr. Ihre Repräsentanten sympathisieren sehr häufig mit muslimischen Geistlichen. Das gilt auch in ihrem Verhältnis zu Juden. Mag sein, dass sie verbale Unterstützung Statements für Israel abgeben, aber das sind nur stereotype Worthülsen. In Wirklichkeit unterstützen sie die Palästinenser. Das gilt ganz besonders für NGOs, die in Israel tätig sind. Siehe unter anderem: Richard Schneider: Land im Ausnahmezustand. Die linke Agenda dieser Kirche wird von vielen Mitgliedern nicht mehr getragen und so ziehen es mehr und mehr Mitglieder vor, aus diesem Verband auszutreten. Recht so!

giesemann gerhard / 17.04.2022

Ja, weil sie sich gegen die Gegenreformation gewehrt haben ... . Inzwischen bin ich der Meinung, dass die Reformation schon ein Unglück war, hat sie doch dem Laden neues Leben eingehaucht. Und DAS wäre wirklich nicht nötig gewesen.

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