Gastautor / 18.07.2023 / 12:00 / Foto: Pixabay / 40 / Seite ausdrucken

Öffentliches Sterben für Lebensmüde?

Von Kevin Yuill.

Sollte man wirklich in Kanada demnächst dem Tod von Menschen bei legaler Sterbehilfe an öffentlichen Plätzen zuschauen dürfen? Geplante Änderungen am Euthanasiegesetz in Quebec würden dies möglich machen.

Quebec hat gerade ein neues Gesetz mit der Bezeichnung Bill 11 verabschiedet. Damit wird das geltende Euthanasiegesetz in Quebec geändert, sodass die sogenannte medizinische Sterbehilfe (Medical Assistance in Dying – MAID) sowohl von Krankenschwestern als auch von Ärzten durchgeführt werden kann. Am schockierendsten ist jedoch, dass der Gesetzentwurf vorsieht, dass MAID in öffentlichen Parks und an Ausflugsorten durchgeführt werden kann. Außerdem sollen Hospize und private Krankenhäuser gezwungen werden, MAID in ihren Räumlichkeiten anzubieten, womit das Recht auf Gewissensfreiheit praktisch abgeschafft wird.

Erschreckenderweise wird der Gesetzentwurf auch die Sterbehilfe bei „schweren körperlichen Beeinträchtigungen, die mit einer erheblichen und anhaltenden Behinderung einhergehen“, zulassen – mit anderen Worten, für alle, die an einer schweren Behinderung leiden. Das bedeutet, dass diejenigen, die um Sterbehilfe bitten, nicht mehr geltend machen müssen, dass sie unerträglich leiden.

Die Verabschiedung dieses Gesetzes fällt in eine Zeit, in der die MAID in Québec, der zweitbevölkerungsreichsten kanadischen Provinz, immer weiter verbreitet ist. Laut Dailymail waren im vergangenen sieben Prozent aller Todesfälle in Québec auf MAID zurückzuführen. Das sind zwei Prozent mehr als die Zahlen für 2021. Schon damals lag Québec vor anderen Ländern, die Sterbehilfe anbieten, wie den Niederlanden (4,5 Prozent der Todesfälle) und Belgien (2,5 Prozent). Die Nachfrage nach medizinisch unterstützter Sterbehilfe nimmt in ganz Kanada zu. Doch Québec ist Vorreiter. Dr. Claude Rivard, der infrage kommenden Patienten Sterbehilfe anbietet, erklärt: „In Québec gibt es einen Markt [...]. Es gibt eine Begeisterung für diese Art der Beendigung des Lebens.“

Euthanasie von Säuglingen

Rechtlich gesehen darf MAID nicht zu kommerziellen Zwecken beworben werden, und für das Verfahren selbst dürfen keine Gebühren erhoben werden. Aber das hat clevere Unternehmen nicht davon abgehalten, das Beste aus dieser Gelegenheit zu machen. Einer der Gründe, warum die neue Gesetzgebung so schnell auf den Weg gebracht wurde, sind Unternehmer wie Mathieu Baker. Baker ist Inhaber eines Bestattungsunternehmens, das Räume anbietet, in denen Menschen euthanasiert werden können. Die Zimmer sind ab 700 Dollar aufwärts erhältlich. Die Kunden können sich einen Film ansehen und ein Glas Wein genießen, bevor die tödliche Injektion verabreicht wird. „Manche Leute wollen in Gruppen von vier oder fünf Personen sein, wir hatten aber auch schon Gruppen von bis zu 30 Personen“, sagt Baker.

Eine Frau, die den Service in Anspruch nahm, aß gemeinsam mit ihrer Tochter und einem Angestellten des Heims eine Pizza. Anschließend sahen sie sich den Film „Maleficent“ mit Angelina Jolie in der Hauptrolle an, und sie rauchte noch eine letzte Zigarette, bevor ein Arzt sie entschlafen ließ. Dienste wie die von Baker verstießen gegen die geltenden Rechtsvorschriften. Doch der Gesetzgeber beschloss, die Rahmenbedingungen zu erweitern, unter denen MAID legal verabreicht werden kann.

Québec ist seit langem ein Vorreiter in Sachen Sterbehilfegesetzgebung. Im Jahr 2014 war es die erste Gerichtsbarkeit in Kanada, die Sterbehilfe legalisierte. Dies zwang die kanadische Bundesregierung dazu, die Praxis landesweit zu legalisieren. Ende 2022 schlug Dr. Louis Roy vom Quebecer Ärztekollegium vor einem Ausschuss des kanadischen Unterhauses vor, die Euthanasie von Säuglingen, die an „schweren Missbildungen“ leiden, und von älteren Menschen, die einfach „lebensmüde“ sind, gesetzlich zu erlauben.

Die Kommerzialisierung des Todes

Das ist etwas ganz anderes als die Art und Weise, wie Euthanasie den Kanadiern ursprünglich verkauft wurde. Sie wurde unter dem Deckmantel der Nächstenliebe propagiert. Es ging angeblich darum, unheilbar kranken, aber geistig kompetenten Erwachsenen die Möglichkeit zu geben, über ihr Lebensende zu entscheiden. Es wurden die strengsten Sicherheitsvorkehrungen versprochen. Doch wie die Erfahrungen in Québec zeigen, wird die Sterbehilfe, sobald sie als medizinische Behandlung von Leiden legalisiert ist, schnell zu einer Lösung für viele weitere Probleme des Lebens – einschließlich Armut und Obdachlosigkeit. Der vielleicht groteskeste Aspekt der Québecer MAID-Gesetzgebung ist das Ausmaß, in dem sie den Tod in den öffentlichen und kommerziellen Bereich drängt. Das Sterben wird dadurch zu einer zwanglosen Menüwahl mit optionalen Zusatzleistungen. Alles gegen Aufpreis, versteht sich.

Der Tod wird trivialisiert und zu einem Konsumerlebnis gemacht. Der Tod eines geliebten Menschen sollte ein Anlass für Tränen, Trauer und tiefes Nachdenken sein, nicht für Kaffee und Gebäck oder Wein und eine Zigarette. Unsere Einstellung zum Tod spiegelt den Wert wider, den wir dem Leben beimessen. Der kulturelle Wandel, der sich in Quebec vollzieht, sollte der Welt zur Warnung dienen.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Novo-Argumente sowie beim britischen Novo-Partnermagazin Spiked. Aus dem Englischen übersetzt von Thilo Spahl.

 

Dr. Kevin Yuill lehrt amerikanische Geschichte an der Universität Sunderland und ist Kolumnist beim britischen Magazin „Spiked“. Mehr von Kevin Yuill lesen sie im Buch „Schwarzes Leben, Weiße Privilegien: Zur Kritik an Black Lives Matter“.

Foto: Pixabay

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Peter Hartwiger / 18.07.2023

Wie weit ist es von der Möglichkeit der freien Wahl bis zur Festlegung des Todeszeitpunkts?

Markus Viktor / 18.07.2023

Ich sehe mit Einer Ausnahme nur Selbsttötung, keinen „Selbstmord“ aus Mordmerkmale konstituierendem verbrecherischen Verhalten, außer in den kriminellen Augen von Menschenfeinden, die die von eigener Hand Getöteten lieber auf ihren Schlachtfeldern und für ihre Interessen hätten benutzen und krepieren lassen wollen. Wer zur Selbsttötung gezwungen wird, wird ermordet aber ermordet nicht sich selbst. Die Eine Ausnahme ist Selbsttötung in Verbindung mit der Ermordung anderer, als Selbstmordattentat. Ahu! “Das Wort Selbstmörder erschien im 16. Jahrhundert, erstmals bei Martin Luther als „sein selbs mörder“ (seiner selbst Mörder).” Aha! Wenn man das Wikipedia abnehmen darf.

Harald Deutschmann / 18.07.2023

Alle, die hier “Soylent Green” heraufbeschwören, machen einen Denkfehler.In dem Film geht es nicht darum, das selbstbstimmte Ableben zu kritisieren. Es geht um die verbrecherischen Machenschaften, belogene Opfer,Leichenschändung mit Profitabsicht, . Wenn in Kanada Selbstbestimmung bis zur letzten Ruhe , in welcher Form auch immer,gewährleistet ist,dann ist das in Ordnung. Wenn ich mich zu Katzenfutter für meine Fellnasen verarbeiten lassen will, meine Sache, das ist Freiheit ,bis zum Fressnapf. In der BevormundungsRepublikDeppenland wird das nie passieren. 

Bodo Bastian / 18.07.2023

Trudeau. WEF. Mehr muss man nicht wissen.

Sabine Heinrich / 18.07.2023

@finn waidjuk: Volle Zustimmung! Wie pervers ist das denn, einerseits Menschen eine Giftbrühe (“Nur ein kleiner Pieks”) mit möglicher Todesfolge aufzunötigen und ihm andererseits ein selbstbestimmtes Sterben zu verwehren? Aber die Krankenhäuser scheinen ja gut an des Lebens überdrüssig gewordenen Todkranken zu verdienen - sonst würden sich nicht etliche medizynische Moralapostel gegen die in würdigem Rahmen stattfindende Sterbehilfe wehren. Es geht wieder einmal nur ums Geld - machen wir uns doch nichts vor! Die Moral ist doch spätestens seit den verbrecherischen Coronamaßnahmen auf der Strecke geblieben. Anständige Ärzte hat man in den Knast gesteckt, die Zyniker und Menschenverächter im weißen Kittel dürfen ungehindert weitermachen - ein Skandal ohnegleichen! Freiheit für Dr. Habig! Freiheit für Dr. Bianca Witzschel!

Rainer Hanisch / 18.07.2023

@Chr. Kühn: “::: den real existierenden Kommunismus um Längen schlug in Sachen Menschenverachtung, Totalüberwachung etc.” Sehr geehrte(r) Chr. Kühn: es gab und gibt keinen - absolut keinen - “real existierenden Kommunismus”. Man hat ja nicht einmal geschafft, einen “real existierenden Sozialismus” auf die Beine zu stellen. Das war lediglich Honnis Wunschtraum, und der ist ja vor über 20 Jahren letztlich in die Hosen gegangen. Lediglich die Alt-Bundesländler hängen immer noch ihren Wunschträumen an. Und was die Sterbehilfe angeht: bei der miserablen medizinischen Versorgung in D-Land ist es nicht verwunderlich, dass es manchem Menschen restlos reicht! Schuld sind auch oder vor allem die “Mediziner”, die Kranken wirksame Medikamente versagen und statt dessen wirkungslose oder fast wirkungslose Medizin aufdrängen. Eigene Erfahrung, zu DDR-Zeiten hat keiner solchen Fackeltanz um bestimmte Arzneien gemacht. Und nein: es gab nicht millionenfach Medizingeschädigte! Da niemand einigermaßen glaubhafte Zahlen nennen kann, gibt es die wahrscheinlich auch heute nicht. Wie Dr. Markus Hahn meint:  “Man kann 90% der Menschen ja ganz offenbar alles einreden.” Auch “Akademikern”!

Markus Viktor / 18.07.2023

Soweit ich denken kann, habe ich für mich ein Vernunftrecht auf Suizid gegenüber dem durch seine Nazi-Verbrechen diskreditierten deutschen Staat, Nation, Gesellschaft behauptet. Auch gegenüber der zutiefst verlogenen Weltkriegsmenschheit. Kein Deutscher und kein Mensch hat ein Recht, mir das abzusprechen. Siehe dazu auch Jean Améry. Zugleich bemühe mich seit langem, das Unerträgliche zu ertragen und bis zu meinem natürlich oder durch andere Menschen erfolgenden Tod durchzuhalten, was eine durchaus ermutigende Perspektive darstellt. Ermutigend auch gegen eventuelle transzendente Mächte, die selbstgerecht auf postmortale Bestrafung von Suizidenten lauern würden.

Klaus Keller / 18.07.2023

Als es ihnen zu viel wurde was die Nachbarn so trieben, entschloss man sich in Russland für eine militärische Sonderoperation bei den Brüder und Schwestern im Westen. Ich bin gespannt wann es den USA zu viel wird, was die Nachbarn im Norden so treiben.

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