Peter Grimm / 31.08.2021 / 14:01 / Foto: Frank Vincentz / 82 / Seite ausdrucken

Niemand hat die Absicht, Zahlen zurückzuhalten

Ausgerechnet die Veröffentlichung der Todesursachen-Statistik für das erste Corona-Jahr kommt verspätet, erst nach der Wahl. Das hat Geschmäckle, weil die Regierenden auch andere Zahlen nie wissen wollten.

Sie haben dieses Fundstück vielleicht schon gelesen. Das Statistische Bundesamt teilte mit, dass die Daten für das Berichtsjahr 2020 nicht – wie üblich – jetzt, sondern erst Mitte Oktober veröffentlicht werden könnten.

„Bei der Aufbereitung der Ergeb­nisse der Todes­ursachen­statistik gibt es derzeit Verzögerungen, die eine Veröffent­lichung der Jahres­ergebnisse zum geplanten Termin verhindern werden. Wir arbeiten intensiv daran, die Verz­ögerung so gering wie möglich zu halten. Wir planen, die Daten für das Berichts­jahr 2020 Mitte Oktober 2021 zu ver­öffentlichen.“

Schade, nicht wahr? Gerade irritierte den einen oder anderen Medienkonsumenten doch die Meldung: „Berechnungen von Mediziner Bertram Häussler besagen: Bei einem Großteil der vom RKI gemeldeten Corona-Toten sei offen, woran sie gestorben sind – die Sterbestatistik werde zunehmend verzerrt. Trotz steigender Infektionszahlen schließt er künftig eine ‚massive Sterblichkeit‘ aus.“

Da hätte man doch jetzt gern von Deutschlands höchsten offiziellen Statistikern gewusst, ob Herr Häussler das richtig nachgerechnet hat, und ausgerechnet in diesem Jahr verspäten sich die Zahlen. Die Begründung ist zudem einigermaßen verwunderlich, denn wohl in keinem Nachkriegsjahr vor 2020 hat man sich in der deutschen Öffentlichkeit ausgiebiger mit Todesursachen beschäftigt, vor allem mit der Frage, ob sie in einen Zusammenhang mit dem Corona-Virus zu bringen sind. Trotzdem heißt es vom Statistischen Bundesamt:

„Für die Verzögerungen gibt es zwei wesentliche Gründe: Zum einen stehen Daten­lieferungen von Gesundheits­ämtern an Statistische Ämter der Länder aus. Es fehlen damit Angaben zu den Todesursachen Verstorbener. Ohne diese Angaben kann die Todes­ursachen­statistik nicht abschließend bearbeitet werden.

Zum anderen können einzelne Statistische Landesämter aufgrund von Personal­eng­pässen die Daten nur verzögert aufbereiten, was wiederum direkten Einfluss auf den Abschluss des Aufbereitungs­prozesses hat. Ein Abschluss der Auf­bereitungs­arbeiten ist erst nach Vorlage der Ergebnisse aller Länder möglich.“

Also die Gesundheitsämter haben Daten noch nicht geliefert? Kommt Ihnen der Satz irgendwie bekannt vor? Wie oft haben wir den in den eineinhalb Jahren Corona-Ausnahmezustand eigentlich schon gehört? Soll wirklich 18 Monate lang keiner in der Lage gewesen sein, die Gesundheitsämter hinreichend zu ertüchtigen? Oder fehlt es einfach am Willen?

Es hat ja schon ein Geschmäckle, dass ausgerechnet die Zahlen, die entscheidend zur Legitimation oder zur Delegitimierung der von der Bundesregierung seit eineinhalb Jahren verhängten Grundrechtseinschränkungen beitragen, jetzt erst nach der Bundestagswahl vorliegen. Angesichts der – großteils noch kommenden – verheerenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen dieser Politik, wäre das ja eine Information, die den einen oder anderen Wahlberechtigten vor der Stimmabgabe interessiert hätte. Natürlich will ich dem deutschen Statistikamt nicht unterstellen, hier zu tricksen. Aber wie kommt es, dass mir beim Lesen der obigen Verspätungsmeldung trotzdem sofort der Satz „Niemand hat die Absicht, Zahlen zurückzuhalten“ in den Sinn kam?

Vielleicht weil die Protagonisten des deutschen Corona-Regimes seit Langem den Eindruck erwecken, dass sie gar nicht so genau wissen wollen, wie es denn eigentlich außerhalb der wenig aussagekräftigen sogenannten Inzidenz um die Corona-Lage bestellt ist. Warum hat es seit der bekannten Heinsberg-Studie des Virologen Hendrik Streeck aus der Anfangszeit des Corona-Ausnahmezustands keine weiteren repräsentativen Untersuchungen gegeben, aus denen wir etwas über tatsächliche Verbreitung und den Grad der Durchseuchung erfahren hätten und vielleicht wüssten, wie weit wir eigentlich von der Herdenimmunität entfernt sind? Dass man anfangs nicht wissen konnte, wie viele unbemerkte Infektionen es eigentlich gibt und gegeben hat, ist verständlich. Dass man dazu aber nach anderthalb Jahren noch immer über keine Untersuchungsergebnisse verfügt, ist es nicht.

Das nährt den Verdacht, dass es Liebhaber des Ausnahmezustands gibt, die es gar nicht so genau wissen wollen. Denn mit dem Stochern im Nebel, mit dem auf Sicht fahren müssen, lässt sich ein Notstand auch dann noch begründen, wenn es gar keine Notlage gibt, man das aber nicht so genau weiß. Denn wenn es die Protagonisten der Corona-Politik sind, die es so genau nicht wissen wollten in den letzten anderthalb Jahren, nährt das nun einmal den Verdacht, dass sie fürchten, erhobene Daten und Zahlen könnten ihnen nicht recht geben und ihrer Politik die Legitimation entziehen. Und deshalb bietet es kein schönes Bild, wenn das Statistische Bundesamt nun die Todesursachen-Zahlen für das erste Corona-Jahr erst nach den ersten Corona-Wahlen liefert.

Foto: Frank Vincentz CC BY-SA 3.0, via Wikimedia

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Torsten Hopp / 31.08.2021

Kosten für Studie T-Zellenimmunität=keine Ahnung 10 MioEur(?) oder weniger? Kosten Lockdown und Corona-Diktatur > 1.000.000.000.000 Eur. Wer ist hier noch mal “Volksschädling”?

Chris Kuhn / 31.08.2021

Die Gestorbenenzahlen insgesamt liegen bei destatis.de längst vor und zeigen, um den Schalttag 2020 und das Bevölkerungswachstum bereinigt, in allen Alterskohorten außer den über 90-Jährigen keine Auffälligkeiten. Sprich, es gab jseit 2012 eweils in anderen Jahren als 2020 höhere Sterblichkeiten. Dieses hat der IT-Spezialist Barz in einer gänzlich unaufgeregten umfänglichen Analyse gezeigt, die aber schon wieder von YouTube entfernt wurde. Das besagt doch schon alles. Ich bitte um Hinweise, wenn und wo dieses Video wieder verfügbar gemacht wird. Unterdessen dürfte man im RKI rotieren, wie man die statistischen Daten verdrehen kann, um ein schreckliches Pandemiejahr 2020 daraus zu produzieren. Im Unterschied zu den Excel-Tabellen von destatis.de sind diejenigen des RKI übrigens allein formal so lücken- und stümperhaft aufgebaut, daß ein Student damit keine Statistikprüfung bestehen würde.

U. Unger / 31.08.2021

@Harald Unger, exzellent Herr Kollege! Der absolute Bringer, ein Aphorismus? Mindestens seelenverwandt! Muss mich doch mal tiefer mit der Ahnenforschung meines Vaters befassen. MfG u.u. Danke auch @ Dr. A. Mamsch, ohne Sie hätte ich die epochalste Erkenntnis verpasst!

giesemann gerhard / 31.08.2021

Oooh, wie ist das schön, so was hat mensch lange nicht geseh’n, so schön, so schön ... .

Nico Schmidt / 31.08.2021

Sehr geehrter Herr Grimm, das ist aber Schade, doofe Verspätung. Na ja, kann ja mal passieren. Dann eben etwas später, ist ja auch nicht so schlimm. MFG Nico Schmidt

K.H. Münter / 31.08.2021

Sicher liefert dieses Amt im Oktober ganz genaue Zahlen, mindestens zwei Stellen hinterm Komma, also bei den absoluten Zahlen an Toten. Das überlastet auch trotz dieser Datenfülle die elektronischen Systeme bestimmt nicht.

Karsten Dörre / 31.08.2021

Man überlegt noch, wie man die Zahlen politikgerecht färbt. Schließlich soll niemand in Unruhe oder Zweifel versetzt werden. Der Souverän lechzt nach Betreuung.

U. Unger / 31.08.2021

Wie alle Behördenmitarbeiter ohne Publikumsverkehr, haben doch alle Mitarbeiter monatelang im homeoffice Urlaub gemacht. Will das keiner verstehen? Mit riesigen Einkäufen im Baumarkt haben die Statistiker höchst selbst den Einbruch der Binnenkonjunktur verhindert! Zudem haben Sie handwerklich begabten Arbeitslosen ein Zubrot in Notzeiten gegeben, die nun ohne ABM leicht einen Job im 1. Arbeitsmarkt finden. Das Handwerk boomt und die Zahlen werden gigantisch. Ob man nun Inflation falsch oder gar nicht mißt, spielt keine Rolle. Wir leben im postfaktischen Zeitalter! Ich fordere die sinnlose Bude dichtzumachen. Warum ist noch keiner auf die Idee gekommen mal eigene Zahlen zu erheben und hochzurechnen? Wäre interessant mal herauszufinden, wie viele unbestreitbare Coronatote hier zusammenkommen, bei achgut. Ich kenne keinen Einzigen, auch keinen stationären Fall von Corona. Wenige die es lässig überlebt haben. Von Impfnebenwirkungen höre ich täglich. Wir sollten, statt uns zu ärgern Fakten schaffen, vor der Wahl. Alleine die vielen Dr Zieglers hier müssten doch jeder für tausend Datensätze gut sein. Ich zahle sofort 50€, um hier möglicherweise im Schnelldurchgang eine Meinungsforschung aufzumachen. Das Bescheissen der Institute nervt. TE liegt immer hervorragend mit seinen Wahlwetten. Kreativität ist gefragt.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Peter Grimm / 14.05.2024 / 11:00 / 132

Demokratie gefährdendes Irrlicht nach dem AfD-Urteil

Was bedeutet es, wenn ein CDU-Politiker wie Marco Wanderwitz (Foto) erklärt, eine „bedrohliche“ Partei nicht mehr „auf politischem Weg kleinbekommen“ zu können und deshalb nach…/ mehr

Peter Grimm / 09.05.2024 / 06:15 / 122

Sind normale Bürger Gewaltopfer minderer Güte?

Wer „demokratischen“ Politikern Gewalt antut, soll härter bestraft werden, als wenn er den gemeinen Bürger angreift? Welch undemokratische Idee. Selbst als es für Politiker der…/ mehr

Peter Grimm / 08.05.2024 / 06:15 / 61

Die CDU feiert Parteitag

In Berlin sollen ein neues Grundsatzprogramm und schöne Reden den einen zeigen, dass die Merkel-CDU Geschichte ist und den Merkelianern das Gegenteil beweisen. Und alle…/ mehr

Peter Grimm / 06.05.2024 / 10:00 / 103

Politik für ausgewählte Gewalttaten?

Nach dem brutalen Angriff auf einen SPD-Europaparlamentarier in Dresden rufen die Regierenden wieder zum „Kampf gegen rechts“, und die Innenministerin will mit „Maßnahmen“ reagieren. Die…/ mehr

Peter Grimm / 02.05.2024 / 12:00 / 29

Rauchfreie Wahlhilfe vom Tabakkonzern

Rauchfrei Rauchen mit Tabak-Lobbyisten, die mit dem Aufruf zum „richtigen“ Wählen die Demokratie retten wollen. Wenn man in den letzten Jahrzehnten Medien konsumierte, so gab…/ mehr

Peter Grimm / 01.05.2024 / 06:00 / 52

Durchsicht: Grenzen der Ausgrenzung

Die AfD solle nicht mehr zum städtischen Gedenken an NS-Verbrechen eingeladen werden, forderten die Grünen im Leipziger Stadtrat, und sorgten für eine interessante Debatte. / mehr

Peter Grimm / 26.04.2024 / 12:00 / 37

Keine Kästner-Lesung für „Freie Wähler“

Zweimal wollten die Freien Wähler in Dresden eine Lesung aus Erich Kästners „Die Schule der Diktatoren“ veranstalten. Beide Male wurde sie untersagt. Eine bittere Realsatire.…/ mehr

Peter Grimm / 23.04.2024 / 06:05 / 94

Anleitung zum vorbeugenden Machtentzug

Was tun, wenn die AfD Wahlen gewinnt? Das Votum des Wählers akzeptieren? Oder vielleicht doch schnell noch mit ein paar Gesetzen dafür sorgen, dass sie…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com