Claude Cueni, Gastautor / 25.08.2019 / 15:00 / Foto: Pixabay / 29 / Seite ausdrucken

Neue Sekten braucht das Land!

Ende des 19. Jahrhunderts stürmte die zwei Meter große Carrie Nation mit einer Axt einen Saloon in Kansas und schlug die ganze Bar kurz und klein. Der Sheriff nahm sie wegen Sachbeschädigung fest. Carry protestierte, sie habe den Saloon nicht beschädigt, sondern zertrümmert, und sie werde nach ihrer Haftentlassung weiter wüten.

Dabei hatte alles friedlich begonnen. Carry war schon früh der Frauenorganisation Temperance Union beigetreten, die aus der Abstinenzbewegung der 1870er Jahre entstanden war. Alkoholsucht war in jener Zeit ein echtes Problem.

Jeder Einwohner über 15 trank im Schnitt achtzig Flaschen Whiskey pro Jahr, also dreimal so viel wie die Nachfahren im 21. Jahrhundert. Arbeiter tranken am Morgen, am Mittag und am Abend, das Land war notorisch besoffen, und ganze Familien stürzten in Elend und Armut. Auch Carries Biografie war mit Alkoholleichen gepflastert.

Frustriert vom abflauenden Erfolg der Abstinenzler, wollte sich Carrie nicht mehr mit Protestliedern und Sitzstreiks vor den Saloons begnügen. Sie ließ sich scheiden, gründete mit radikalen Christen eine neue Sektion und griff zur Axt. Sie sagte, Gott persönlich habe ihr die Lizenz zum Hacken erteilt.

Straftaten als moralische Pflicht

Medienwirksam randalierte sie im US-Senat, auf ihren Vortragsreisen wurde sie wie ein Popstar gefeiert. Promis biederten sich an und genossen fortan ihren Whiskey heimlich, während Carrie nach über hundert zertrümmerten Saloons das Merchandising entdeckte und kleine Äxte mit der Aufschrift „Saloon-Zerschmetterer“ verkaufte.

Wie die meisten Massenbewegungen, die zu Beginn ein durchaus legitimes Anliegen haben, radikalisiert sich bei nur mäßigem Erfolg eine ungeduldige Minderheit und begeht Straftaten, die sie als moralische Pflicht zum Widerstand deklariert.

Greta Thunberg lehnt Gewalt ab. Das wiederholt sie auch, wenn sie zum Fotoshooting ein T-Shirt der gewalttätigen Antifa anzieht oder im Hambacher Forst mit zwei Vermummten posiert, die zur „Rettung des Klimas“ Angestellte des Stromkonzerns RWE mit nicht ganz CO2-freien Molotow-Cocktails angriffen und verletzten.

Der Flirt mit demokratiefeindlichen Straftätern ist wohl als Drohung zu verstehen. Falls ja, könnte es bald heißen: Friday was yesterday.

 

Claude Cueni (63) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag in der Schweizer Wochenzeitung BLICK, wo dieser Artikel zuerst erschien. Ende des Jahres erscheinen seine dort veröffentlichten Kolumnen als E-Book. Mehr unter der web.adresse www.cueni.ch.

Foto: Pixabay

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John Spartan / 25.08.2019

Mich hat die Angabe „2 Meter groß“ nicht losgelassen. Leider ist das falsch. Sie war „lediglich“ 5‘ 11 1/2“ groß, was rund 183 cm entspricht. Trotzdem: Für die damalige Zeit und als Frau geradezu riesig.

Volker Kleinophorst / 25.08.2019

Solch ein “Aktionismus” ist oft schwierig zu bewerten. Unbestritten hatten die USA ein riesiges Alkoholproblem, schließlich hatte sich dort der eben auch Pöbel Europas breit gemacht mit seinen Unsitten. Viele Männer versoffen ihren Lohn, Frau und Kinder lebten teilweise in elendesten Zuständen. Wie man das ändern könne, damit beschäftigte sich die US-Politik ziemlich intensiv. Die Angst ein Volk von Alkoholikern zu werden, war durchaus real. Und so verbot man erstmal die harten Sachen, schon allein weil man sonst einen Aufstand befürchtete. Bier und Wein war weiter erhältlich. Die Ergebnisse waren vielversprechend. Ich denke, hier werden die meisten den Unterschied zwischen Bier und Schnaps wohl kennen. Doch die Puritaner auch die Suffragetten u. a. die Temperance Union, denn das “die Frauen” politisch wurden, haben wir auch den Säufern zu verdanken, kriegten den Hals nicht voll. Sie verboten jeglichen Alk. Da hatte die Mafia, alles alte weiße Männer, natürlich einen Blick für die Marktlücke. Wie heißt es so schön. Jedes Ding hat zwei Seiten. Hier nachvollziehbarer Zorn angesichts der realen Verelendung durch den Alk, andererseits Selbstermächtigung im Namen der Tugend. Die Seiten zu versöhnen, sich in der Mitte treffen, davon hört man immer viel. Spalten, seine Maximalforderungen durchdrücken, wenn am Drücker und am Ende des Tages auch noch “die Moral”, die Glaubenden und die Ketzer, führt zu nichts. Na außer, dass ein gespaltenes Volk immer leichter zu lenken ist, als eines das gemeinsam seinen “Angestellten” auf die Finger schaut. “Folgt der Sandale.” (Das Leben des Brian)

Karl Napp / 25.08.2019

Irgendwie erinnert das was da abgeht an die Zeit Girolamo Maria Francesco Matteo Savonarolas, in welcher Kinder durch Florenz zogen um alles was eitel aussah - Gemälde, Schmuck, Spiegel, Bücher etc. -  vernichteten oder mitnahmen. Keine Erinnerung daran? Kunststück, 1497 ist auch schon ‘ne Weile her.

Winfried Kellmann / 25.08.2019

Zur moralischen Ertüchtigung der Fruchtzwerge, damit sie beizeiten das Zuschlagen nicht vergessen: Dem Morgenrot entgegen ihr Weltenkinder all Bald siegt ihr allerwegen bald bringt ihr sie zu Fall jetzt nehmt Ihr ihr den Glanz des weißen Mannes Arroganz Wir sind die junge Garde des Planetariats. Musik nach: Das Andreas Hofer Lied bzw. Hannes Wader: Dem Morgenrot entgegen (Ach, Hannes Wader, Du vergallopierst Dich stets und bist doch ein hochanständiger Mensch. Langes Leben!)

Anders Dairie / 25.08.2019

Besseren Sekt braucht das Land, meine ich.

Gert Köppe / 25.08.2019

Für das vermeintlich Höhere, den “Endsieg”, läuft die Moral gelegentlich auch mal Amok. Alles dient dem “Guten”, der “Beglückung” der Gesellschaft mit den eigenen ideologischen Vorstellungen vom Dasein. Straftaten gibt es dabei nicht, das nennt man wohl eher “tatkräftige Überzeugungsarbeit” für eine “bessere” Welt. Wo gehobelt wird fallen auch Späne. Der Weg ist das Ziel. Da müssen unvermeidliche Opfer in Kauf genommen werden. Immerhin geht es um die grandiose Erschaffung des “neuen Menschen” und eines CO2-freien, grenzenlosen und fleischlosen “Öko-Buntlandes”, mit Weltrettungsanspruch, wo sich alle lieb haben, an den Händen fassen und “Kumbaja” singen. Halleluja! Mir wird übel…..........!

Werner Arning / 25.08.2019

Die Nazis vermittelten der deutschen Jugend auch ein Gefühl von Rebellion, von Unangepasstheit, von Aufbegehren, von einem Kampf für das Gerechte, von Widerstand gegen die Konvention, von Erneuerung, aber in Wahrheit stärkte die Macht(in dem Fall die Nazis), diesen „Rebellen“ den Rücken, spornte sie an, ermunterte sie offensiver, aggressiver aufzutreten, stachelte sie an, Gegnern gegenüber keine Toleranz zu üben. Damals galt als das zu verteidigende Objekt das deutsche Volk. die deutsche Rasse. Heute gilt als das zu verteidigende Objekt das Klima oder die Menschen „unterdrückter“ Nationen. Wenn man sich absolut im Recht glaubt und dieses etwa einem jungen Menschen immer wieder mitgeteilt wird, kann es sein, dass dieser junge Mensch, in der Gruppe, zu gewaltsamen Verhalten gegenüber Andersdenkenden verleitet wird. Die Hemmschwelle wird einfach immer niedriger. Je häufiger er hört, die Andersdenkenden gefährdeten die Umwelt, gefährdeten den inneren Frieden, gefährdeten Zugewanderte, gefährdeten unsere Zukunft schlechthin, desto eher wird er bereit sein, diese Andersdenkenden anzugreifen. Er fühlt sich unterstützt und berechtigt, denn er hat ja „das Wahre“ und die Autorität auf seiner Seite. Er hat nichts zu befürchten. Er kann seiner Wut möglicherweise freien Lauf lassen. Er kämpft ja für das Richtige und niemand hat ihm glaubhaft gelehrt, dass es unabdingbar sei, andere Meinungen zu respektieren. Niemand weist ihn darauf hin, dass auch der Andersdenkende ein Recht auf eine Meinung hat. Im Gegenteil, man vermittelt ihm : Nur du und wir haben recht. Die Anderen musst du nicht respektieren. Das sind (fast) keine Menschen, die Respekt verdient haben. Die sind böse. Wer so „erzogen“ wird, für den ist der Weg zur Gewaltanwendung möglicherweise kurz. Deshalb sind wir heute gar nicht so weit von einer Wiederholung entfernt, die von den Initiatoren heutiger Politik heftigst abgestritten werden würde. Sie meinen gar, der Wiederholung entgegenzuwirken.

Zdenek WAGNER / 25.08.2019

Ich habe für mein Buch zu Carrie Nation ausgiebig recherchiert und weiß daher einiges über sie. 1,80 Meter groß (womit sie selbst 95% der damaligen Männer unter sich ließ) und das Gesicht einer Bulldogge (ihr eigener Originaltext), hatte sie in der Tat einen greifbaren und wirklich gefährlichen Feind vor sich:  den Alkoholismus! Somit verbietet sich per se jeder Vergleich mit der bezopften Backpfeifenvisage von selbst. Eine Beleidigung - für Carrie!

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