Ulrike Stockmann / 27.07.2021 / 06:15 / Foto: Imago / 186 / Seite ausdrucken

Nena reicht’s: „Ich hab die Schnauze voll davon!“

Nena verteidigte auf ihrem Berliner Konzert das Selbstbestimmungsrecht ihrer Fans, die keine Lust hatten, in Cola-Boxen gehalten zu werden: „Die Frage ist nicht, was wir dürfen, sondern die Frage ist, was wir mit uns machen lassen.“ 

Wenn man dieser Tage ein Konzert abhalten will, müssen sich die Veranstalter ein ausgeklügeltes Hygienekonzept überlegen, selbst wenn das Ganze unter freiem Himmel stattfinden soll. Dies geht allerdings leicht zulasten der Stimmung auf der entsprechenden Veranstaltung. Diese Erfahrung musste Helge Schneider am vergangenen Freitag bei einem Konzert in Augsburg machen. Das „Strandkorb-Open-Air“ ist ein Konzept, das im Sommer 2020 entwickelt wurde, um unter Corona-Maßnahmen Auftritte durchführen zu können: Die Gäste sitzen in Strandkörben – und dadurch mit jeweils reichlich Abstand zueinander. Beim Aufstehen, etwa um zur Toilette zu gehen, herrscht allerdings Maskenpflicht. Zudem findet eine Bewirtung der Gäste während der Vorstellung statt, damit niemand in der Pause für ein Getränk oder einen Snack seinen Platz verlassen muss. Dieses Konzept wurde sogar preisgekrönt.

Während seines Auftrittes ging Helge Schneider jedoch das Herumlaufen des Gastro-Personals ziemlich auf die Nerven. Auch über einen Gast, der für eine Zigarette kurz seinen Strandkorb verließ, frotzelte er. Als sich der im Strandkorb verbliebenen Frau des Rauchers daraufhin ein mutmaßlicher Kellner näherte, witzelte Schneider: „Da kommt schon ein Maskierter.“ Jedoch dürfte ihn auch gewurmt haben, dass überhaupt jemand zum Rauchen seinen Auftritt verlässt. Einen guten Eindruck von der Show gibt dieses 18-minütige Video, gefilmt aus Zuschauersicht: Als Teil des Publikums saß man in seinem Strandkorb und sah außer der Person, mit der man seinen Strandkorb teilte – niemanden sonst. Aber genauso sollte es auch sein, denn laut Veranstaltungs-Website „wird der Kontakt zu anderen Besuchern vermieden“. Doch auch wer noch nie selber auf einer Bühne stand, wird sich vorstellen können, dass dies der absolute Tod einer jeden Live-Veranstaltung ist. Und dementsprechend wirkt die Stimmung in den überlieferten Minuten auch sehr verhalten und gedämpft.

„Ich seh auch ganz hinten Strandkörbe, da sind Leute drin“, mokierte sich Schneider etwa. Oder: „Ich hab jetzt langsam rausgefunden, ihr lasst euch bedienen – von diesen Leuten mit den Plastiktüten.“ Auch Zuschauer mit Masken, die durch die zugewiesenen Gänge laufen, zeigt die Video-Aufnahme.

Nach knapp 40 Minuten reichte es Schneider:

„Das macht einen so’n bisschen wahnsinnig. Die Leute, die immer mit ihren Tüten hin und her gehen. (…) Nee, ich muss sagen, das geht mir ziemlich auf’n Sack, ich hab keine Lust mehr. Also, ich breche die Strandkorb-Konzerte an dieser Stelle ab, es tut mir leid. Vielleicht könnt ihr euer Geld wiederkriegen. Das macht wirklich keinen Spaß, man kriegt keinerlei Kontakt zum Publikum. Hier laufen auch andauernd Leute rum, es tut mir wirklich leid. Bitte habt Verständnis dafür. Ich als Künstler kann unter diesen Umständen überhaupt nichts mehr machen. Wir haben alles gegeben bis jetzt, da kommt nichts. Da könnt ihr auch nichts für. Das System ist einfach fadenscheinig und dumm. Ich höre jetzt auf, an dieser Stelle, dankeschön!“

Im Anschluss trat eine Dame auf die Bühne, offenbar von der Organisation, um dem Publikum die Lage zu erklären: „Es ist für Helge Schneider wohl ein bisschen schwierig mit dieser Distanz zu euch.“

Fast so schön wie das eigene Wohnzimmer!

Am Sonntagabend gab nun Nena ein Konzert in Berlin. Nachdem wegen Unwetter die Veranstaltung um eine Stunde verschoben werden musste, ging es auf einer Freilichtbühne neben dem BER-Flughafen schließlich los.

Natürlich hatte man sich auch für dieses Open-Air-Konzert ein coronagerechtes Hygiene-Konzept ausgedacht. Als Teil der Konzertreihe „Unter freiem Himmel“ wurden aus 15.000 Coca-Cola-Kisten „Boxen“ als Platzmarkierungen in das Zuschauerareal eingebaut, wie der Tagesspiegel berichtet. Auf der Homepage der Veranstalters heißt es:

„Dank unseres bewährten Hygienekonzepts (und 15.000 Coca-Cola-Kisten) hat bei uns jeder seinen eigenen kleinen VIP-Bereich, seine eigene Box und ausreichend Platz an der frischen Luft. Abstandsgerechte Wegeführung, kontaktloser Einlass, personalisierte Tickets, Desinfektion und ein gesundes Lächeln ermöglichen es uns, endlich wieder zusammen zu feiern und zu tanzen.“

Wer wünscht sich das nicht? Tanzen gehen auf einem Konzert, ohne in Kontakt mit Fremden zu kommen? Fast so schön wie das eigene Wohnzimmer!

Der Tagesspiegel scheint vom Konzept begeistert – allerdings nicht so sehr vom Verlauf von Nenas Konzert, dem als Reporterin Jenni Zylka beiwohnte. Denn diese unberechenbare Nena war „wie immer: Alterslose 61 Jahre, emotional, esoterisch, energetisch.“

„Holt euch eure Freiheit zurück.“

Es herrscht ausgelassene Stimmung, die „Band rockt“, Nenas Familie singt in einer „‘VIP-Box‘, deren VIP-Wirkung wegen der Getränkekisten angenehm unprätentiös ausfällt“, wie der Tagesspiegel schwärmt. Doch dann sagt die Sängerin vor ihrem Song „Nur geträumt“: „Holt euch eure Freiheit zurück.“ Und bittet die Fans doch allen Ernstes, mit ihr nach vorne zu kommen und zu feiern – also ihre Sicherheits-Boxen zu verlassen. Und die Fans kommen!

Zylka vom Tagesspiegel ist entsetzt: „Das sollen sie aber nicht, die Ordner:innen schicken sie zurück in die ‚Boxen‘, von wegen ‚ausreichend Platz an der frischen Luft‘ – die Einhaltung des Hygienekonzepts ist Voraussetzung dafür, dass dieses, dass andere Konzerte stattfinden dürfen.“

Unerhört, dieser Aufruhr! Denn die Delta-Variante breitet sich doch gerade selbst bei Freiluftveranstaltungen „wie bekloppt“ aus, um die volkstümliche Ausdrucksweise des Tagesspiegels aufzugreifen. Nena bleibt unerbittlich, die Fans kommen erneut nach vorne – „dichtgedrängt“!

Der Veranstalter macht Nena eine Ansage: „Mir wird hier gedroht, dass sie die Show abbrechen, weil ihr nicht in eure (…) Boxen geht.“ Derartige Formulierungen sind mir eigentlich nur von meinen Aufenthalten auf Reiterhöfen bekannt.

„Holt mich mit der Polizei hier runter“

Nena bleibt cool und verkündet: „Das darf jeder frei entscheiden, genauso wie jeder frei entscheiden darf, ob er sich impfen lässt oder nicht. Bei mir ist jeder willkommen! Und das Ganze wird hier politisiert, und das ist einfach vollkommen ätzend, weil wie gesagt: Gestern war Christopher-Street-Day und es war völlig okay, dass 80.000 Leute eng aneinander auf der Straße waren. Also schaltet den Strom aus oder holt mich mit der Polizei hier runter: I don’t fucking care! Ich hab die Schnauze voll davon! Ich hab letztes Jahr Auto-Kino-Konzerte gespielt, damit wir irgendwie’n bisschen Kontakt haben. Ihr durftet weder die Fenster runtermachen, noch singen, noch irgend ’nen Scheiß. Die Frage ist nicht, was wir dürfen, sondern die Frage ist, was wir mit uns machen lassen.“  

Der Tagesspiegel bekommt Schnappatmung: „Nena ist auf Krawall gebürstet. Sie unterläuft das Veranstaltungskonzept, verhält sich, als ob sie die Hygieneregeln, die sie mit der Zustimmung zu ihrem Auftritt angenommen hat, nicht beachten muss, als ob auch die Gäste nicht beachten müssen, wozu sie – ob sie es nun sinnvoll finden oder nicht – mit dem Zutritt auf das Gelände eingewilligt haben.“

Anschließend kommt Nenas Freund Philipp Palm auf die Bühne und bittet alle, auf die zugeteilten Plätze zurückzukehren. Ein paar Songs später drängen sich jedoch erneut Fans direkt vor der Bühne: „Vor der Bühne ist es wieder eng, alle feiern, umarmen sich, keine:r achtet auf die Ordner:innen, Nena feuert sie an. Es wird dunkel, das macht es noch schwerer, den Überblick zu behalten.“ Das Konzert wird abgebrochen – wohl auf Betreiben des Veranstalters, wie es bei Spiegel Online heißt, und nicht vonseiten des Ordnungsamtes, wie der Tagesspiegel berichtet.

Dieser schwärmt noch, dass die Ordnungshüter immerhin bis zum Ende des regulären Sets gewartet hätten, bevor sie zur Tat schritten, sodass lediglich die Zugabe dran glauben musste: „Nachdem (das Ordnungsamt) lange versucht hat, auf die Vernunft der Gäste zu setzen, und alle Augen zugedrückt hat.“ So viel Anti-Rock’n‘Roll war wohl lange nicht mehr.

Nenas Auftritt dürfte mit das deutlichste Statement gegen die Corona-Maßnahmen sein, das ein deutscher A-Promi bislang abgeliefert hat. Es war zudem nicht das erste Mal, dass die Sängerin öffentlich Kritik am Corona-Regime übte.

Foto: Imago

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Leserpost

netiquette:

Dr. Inge Frigge-Hagemann / 27.07.2021

Sehr gut, Nena! Danke dafür! Offenbar ist das die einzige Möglichkeit, die Verantwortlichen zum Nachdenken über ihr Tun zu bringen.

H. Krautner / 27.07.2021

Untertanen werden wie Karnickel gehalten: Versuchskarnickel für Impfstoffe und in Karnickelställe gesperrt bei Veranstaltungen. Primitiver und menschenverachtender gehts nimmer.

Werner Liebisch / 27.07.2021

Sie hat(te) ja, normalen Hausverstand folgend, vollkommen und simpel recht. Auch die vollen Fussballstadien waren keine Spreader Events, konnte ich gestern irgendwo lesen. Den Corona-Sozialisten mit ihrer Schnappatmung sei empfohlen, sich demnächst mit genügend Sauerstoff einzudecken. Irgendwann wird es zuviel mit der Verarscherei, wie man an den Demos in vielen Ländern weltweit erkennen kann… Hier brauchts halt etwas länger, und mutige bekannte Menschen wie Nena, die das etwas beschleunigen können. So zumindest meine Hoffnung.

Wolf von Fichtenberg / 27.07.2021

GROTESKE, >>> Ein Liedchen am Morgen vertreibt alle Sorgen. Oder nicht? - Singen Sie doch mit, die Melodie dürfte bekannt sein>>>>>>  „99 Maskenträger“ >>> Siehst du diese Zeit um dich? - Überall ein Schnellabstrich - Von 99 PCRs - Trotten da zum Horizont - Denkst du heute immer noch? - Das ändern sie, erlebst es `grad – Und das Leben wird so fad - Durch 99 PCRs - Und, dass Covid wohl aus China kommt———- 99 PCRs - Trotten da zum Horizont - Hielt man für gut wie überall – Medien fluten wie ein Schwall – spülen die Impferstaffel hinterher - Alarm zu geben, steht wer quer - Dabei war’n dort am Horizont - Nur 99 PCRs———- 99 Impfexperten - Jeder wird dich neu bewerten - Sahen sich als Superhelden - Und man wird wohl jeden melden - Die Nachbarn achteten jetzt auf dich - Denn allein der kleine Stich - Erfreut sie dort am Horizont - die 99 sind`s gewohnt———- 99 Krankenschwestern - Impfampullen und Klistiere - So dienten diese braven Leute - Spielst‘  nicht mit, jagt dich die Meute - Rufen, „Rechts“ und freuen sich - Hättest du es je geglaubt - Das man so dein Leben raubt? - Durch 99 PCRs———- 99 PCRs - Jeder fühlte sich als Sieger - Ungeimpfte gibt‘s doch kaum - Und auch keine Maskenlose - Alle werden sie gesunden - Seht das Grau jetzt Bunt benannt - Hab‘ den Traum nicht mehr gefunden - Denk an einst, Gedanken fliegen… <>

Frank Dom / 27.07.2021

Verrichtungsboxen werden jetzt staatlich gefördert? An sich gut, allerdings würde ich mir jüngere Frauen wünschen (61er Challenge sozusagen). Daruber hinaus - ich würde Konzerte nur noch als CSD Demos anmelden, dann hat das Virus keine Chance (Follow the Science!) und es gäbe auch die Hoffnung, in der Sendung mit dem Klaus positiv erwähnt zu werden (Wir sind mehr!). Um die Bereichernden zu integrieren, könnte man ja ggf dann auch Burkas in Regenbogenfarben zur Verfügung stellen; dies würde auch die Psychiatrien entlasten. Dank der integrierten Masken dürfte davon auch das Ordnungsamt begeistert sein. Sofern diese auch in XXXXXXL angeboten werden würden, könnten dann auch die Verantwortlichen wie Braun und Altmaier zum Konzert kommen. Abgesehen davon, Respekt für Helge und Nena.

Alfred Mack / 27.07.2021

Die Vernünftig-Gebliebenen dürfen nicht schweigen!

Kurt Schrader / 27.07.2021

Nena for president….!

Wolfgang Nirada / 27.07.2021

Die arme Nena- die wird genau wie Herr Naidoo und einige andere die geglaubt haben in einer Demokratie zu leben alternativlos und nachhaltig im besten Medien-Gulag den Futschland jemals hatte verschwinden… auf den mit abgepressten Zwangsgeldern finanzierten Hetzmedien wird von 99 Luftballons und Wundern die geschehn nie wieder was zu hören sein… Aber immerhin haben sich die deutschen Schlafschafe einen Titel von Nena vollständig einverleibt: “Ich bleib im Bett”... Der aufgeweckte (woke) Rest trifft sich am 1. August im Shithole Berlin!!!

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