München 1970: Der vergessene antisemitische Massenmord

Der 13. Februar ist für viele ein schöner Tag. Menschen haben Geburtstag und feiern im Kreise ihrer Liebsten sich selbst und das Leben.

Für andere bedeutet dieses Datum Entsetzlichkeit und Trauer. Am 13. Februar 1970 verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf das Altenheim der Israelitischen Kultusgemeinde in München. Sieben Juden, allesamt Überlebende der Nazizeit, wurden getötet. Rivka Regina Becher, Meir Max Blum, Rosa Drucker, Arie Leib Leopold Gimpel, David Jakubovicz, Siegfried Offenbacher und Eliakim Georg Pfau ließen vor 52 Jahren ihr Leben. 15 weitere Personen wurden verletzt.

Gegen neun Uhr am Abend, es war ein Freitag, begann das große Grauen. Eine Person war bereits mit dem Lift in das oberste Stockwerk gefahren. Mit dabei: ein Kanister voller Benzin. Stockwerk für Stockwerk lief der Attentäter nach unten und verteilte in dem hölzernen Treppenhaus den Brennstoff. Das Feuer breitete sich in Windeseile aus und binnen kürzester Zeit stand das Gebäude in Flammen. Die sieben Opfer hatten keine Chance.

„Wir werden vergast!“, rief eine eingeschlossene Person aus dem Fenster des Seniorenheims der Stadt, neben der wenige Kilometer entfernt und 25 Jahre zuvor das Konzentrationslager Dachau befreit wurde. Am 13. Februar 1970 wurde jedoch gar nichts befreit. Das Böse, von dem man naiverweise glaubte, es 1945 besiegt zu haben, hatte die bayerische Hauptstadt wieder fest im Griff.

Siegfried Offenbacher war gehörlos und konnte die Schreie seiner Mitbewohner nicht hören. Max Blum war zu dem Zeitpunkt 71 Jahre alt und schon recht gebrechlich. Als er merkte, dass er von den Flammen eingesperrt war und zu verbrennen drohte, sprang er aus dem vierten Stock in den Hof. Zwar waren Rettungskräfte bereits vor Ort, doch ihre Hilfe kam zu spät.

Handelte es sich um linken Terror?

Die Reaktionen auf den Massenmord waren einhellig und deutlich. Für den Historiker Wolfgang Kraushaar sind insbesondere die Worte des damaligen Innenministers Hans-Dietrich Genscher im Gedächtnis geblieben:

„Das deutsche Volk wird niemals mehr zulassen, dass auf seinem Gebiet Gewalt und Terror regieren. Es wird niemals mehr zulassen, dass bestimmte Gruppen von Menschen außerhalb der Gemeinschaft gestellt werden. Sie alle, die Sie heute hier sind, sind Zeugen dieses Versprechens.“

Ein Versprechen, zumindest den letzten Teil des Satzes, das der FDP-Politiker zwei Jahre später, beim Olympia-Attentat auf israelische Athleten, nicht mehr einhalten konnte.

Die Täter, sie wurden nie gefasst. Heinz Galinski, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Berlin, vermutete linken Terrorismus dahinter. So schrieb er, dass sich „die drohende Zuspitzung“ bereits im Vorjahr in Charlottenburg angekündigt habe. Während einer Gedenkveranstaltung für die Opfer der Reichspogromnacht versuchten die sogenannten „Tupamaros“, eine Bombe im Gemeindehaus in der Charlottenburger Fasanenstraße zu zünden.

Die „Tupamaros“ waren eine kommunistische Guerilla-Gruppe rund um den Terroristen Dieter Kunzelmann. Ziel der Gruppe war es, den „bewaffneten Kampf“ gegen den „US-Imperialismus“ und „Zionismus“ zu führen. Besonders im Fokus: den vermeintlichen Schutz des sogenannten palästinensischen Volkes. Offenkundig sollten diesbezüglich auch Juden in Deutschland zur Rechenschaft gezogen werden.

Indem der Anschlag in Berlin scheiterte, sah Galinski eine Art Kompensation der vereitelten Tat. Seiner Einschätzung nach schien das im zweiten Anlauf den Attentätern offenbar „gelungen“ zu sein. Beweise für diese These gibt es bis heute nicht, was auch an den stümperhaften Ermittlungen der Polizei gelegen haben dürfte.

So wurde der Benzinkanister bereits vor Jahrzehnten vernichtet. Ebenso verschwanden aus der Asservatenkammer wichtige Beweisstücke. 2012 nahm die Münchner Staatsanwaltschaft die Ermittlungen des kalten Falles wieder auf. Resultat: ergebnislos. Somit bleibt der schlimmste antisemitische Massenmord auf deutschen Boden seit der Schoah unaufgeklärt. Dafür sollte man sich schämen.

Anschlagswelle in Deutschland

Auch für den Historiker Olaf Kistenmacher spricht vieles für einen linksradikalen Hintergrund, womöglich sogar mit Verknüpfungen zur RAF. So soll ein Mittäter eines anderen Anschlags dem Magazin „Focus“ mitgeteilt haben, dass er die Täter kenne, die den Anschlag auf das Altenheim begangen haben. Noch dazu distanzierte sich der „Sozialistische Deutsche Studentenbund“ kurz danach von der Tat. Es sei „nicht der richtige Weg, um den Zionismus anzugreifen“, heißt es vom SDS. Weshalb sollte man sich von etwas distanzieren, mit dem man nichts zu tun hat?

Antisemitismus gehört zur DNA vieler linksextremer Kräfte, was historisch und ideologisch längst belegt ist. Nur angekommen ist diese Tatsache bei vielen Salonlinken bis heute nicht.

Der Anschlag reiht sich ein in eine massive Terrorwelle im Februar 1970. Drei Tage zuvor, am 10. Februar 1970, wurde ebenfalls in München der 32-Jährige Arie Katzenstein getötet, als palästinensische Terroristen versuchten, eine El-AI-Maschine zu entführen. Und am 21. Februar des selben Jahres wurde ein Swissair-Flugzeug gekapert und zum Absturz gebracht. Keiner der 47 Passagiere überlebte.

Mord ohne Sinn und Verstand

Am 13. Februar feiert meine Mutter ihren Geburtstag. Wie nah die schönen Seiten des Lebens und die tiefen menschlichen Abgründe beieinander liegen können, zeigt der Massenmord von 1970. Um zu gedenken, muss man die Namen kennen. Rivka Regina Becher, Meir Max Blum, Rosa Drucker, Arie Leib Leopold Gimpel, David Jakubovicz, Siegfried Offenbacher und Eliakim Georg Pfau.

Das Sprichwort „Sie sollen nicht umsonst gestorben sein“ ist nichts weiter als eine Plattitüde, die Hoffnung spenden soll. Die sieben Opfer sind umsonst gestorben. Völlig sinnlos, ohne Grund. Ohne Sinn und ohne Verstand. Der Tod auf diese Weise hat nichts, aber auch gar nichts tröstliches. Er wurde sündhaft teuer erkauft.

Völlig zu recht denken wir Jahr für Jahr an die Opfer des Holocausts. Doch damit sollten nicht die Toten nach 1945 in Vergessenheit geraten. Dem Anschlag auf das jüdische Altenheim in München droht seit Jahren dieses Schicksal.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Julian Marius Plutz Blog Neomarius.

Foto: GFreihalter CC BY 3.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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S. Marek / 13.02.2022

@ Alexander Schlesinger, sorry aber Sie erzählen immerwieder den gleichen BS !  Und treiben es auf die Spitze “... Tut mir leid, hinter diesem Verbrechen MUSS alles zurücktreten. Denn es kamen damals Menschen jeglichen Glaubens, jeglicher politischer Haltung und sonstiger Eigenarten ums Leben ...”  So, wie viele Juden, Zigeuner, nicht NSDAP Mitglieder und offene wie verdeckte nicht NSDAP Sympathisanten gab es noch im Januar 1945 in der Stadt Dresden und Umgebung ?  Hingen bereits überall weiße Fahnen aus den Fenstern ?  Jetzt habt Ihr für 31 Sitze den Linken-SPD und Grünen im Sitzverteilung im Stadtrat, Stand 09. Juni 2021 zugestanden und der Oberbürgermeister, Dirk Hilbert, redet von ” ... es ist für die Zukunft und das Zusammenleben in unserer Stadt unerlässlich, dass wir uns mit Rassismus und Feindseligkeit gegenüber bestimmten Menschengruppen auseinandersetzen.  Es ist nicht so, dass jeder, der zu einer rechtsgerichteten Demonstration geht, Frauen mit Kopftüchern bepöbelt.  Es ist auch nicht so, dass jeder, der AfD gewählt hat, Zugewanderte verprügelt.  ...”  Alls, aller Haß, Rassismus und Hetze kommen nur von RECHTS und die Links-grün-roten “Gut Menschen” singen nur Hosianna und backen die hervorragenden Dresdner Käsekuchen?! Na wenn es so ist, dann können Sie Stolz auf die wiederaufgebaute Stadt Dresden sein.

Kerstin Behrens / 13.02.2022

Ich gehe davon aus, die israelische Abwehr ist nicht nur militärisch auf dem Stand. Leider lehnte die deutsche Regierung anlässlich des Masserkers 1972 in München selbst die Hilfe des Mossad ab! So doof ist Deutschland bis heute! Selbst das Bundeskriminalamt Wiesbaden ist bis heute zu blöd, verlässliche Daten zu übermitteln und die Bevölkerung vor diversen arabischen/türkischen/mafiösen Strukturen zu schützen! Tja, Mossad ist eben eine andere Hausnummer!!!

Gus Schiller / 13.02.2022

ja und das Drama hat auch noch eine Fortsetzung: Olympia-Attentat München 1972 , zwölf Opfer! Und das jährt sich 2022. Mal sehen was es wieder für falsche Gedenkevents durch unsere Politikerdarstellende geben wird.

Dietmar Blum / 13.02.2022

S. Marek / 13.02.2022 “Die gleichen Ideologen sitzen seit Jahren wenn nicht bereits Jahrzehnten auf den Regierungsbänken des Bundestages.” UND einer von Ihnen verspürt vermutlich “klammheimliche Freude”, der, dem verstorbenen Konzelmann hinterher twitterte: „Ein großer Sponti ist tot. R.I.P.“ Jürgen Trittin.

Johannes Schuster / 13.02.2022

@S. Marek: Ich beschäftige mich - aus Interesse und einem tiefen Wissensdrang seit Jahren mit der Entwicklung von Identität und bin bei Johanna Haarer und der Prägung des Kindes durch die Mutter angekommen, schon vor einer ganzen Weile, als ich anfing die individuelle Frage vor die Synopse zu stellen. Und aus der Erkenntnis, wie Erziehung prägt braucht Deutschland keine neue Judenfrage oder eine Abwesenheit des Sinai, das Gegenteil ist der Fall. Berlin müsste die zweitgrößte jüdische Stadt der Welt werden, damit man das Erziehungsdebakel der deutschen Seele durchbrechen könnte. Der Grund für den Holocaust ist mithin ein tiefer psychologischer: Die Gehorsamen ertragen das Leben nicht, das Folgen verträgt die Diskussion nicht, gar nicht, ganz und gänzlich nicht. Der Antisemitismus hängt nicht so sehr am Judentum an sich - als Spezifikation, sondern an seinem unbändigen Bezug zum Leben kraft Schöpfung, was sich als Kontrast gegen den Gehorsam stellt. Wann immer die Assimilation diese Grenze jedoch überschreitet, trifft das jüdische Wesen auf das deutsche: Ein Jude konnte im ersten Weltkrieg ein Deutscher sein, aber nie wird ein Gehorsamer eine Diskussion unter Juden verstehen: Daraus wächst der Hass als Kompensation empor. Der deutsche Antisemitismus ist also eigentlich eine Angst über die Offenbarung der Schwäche des Gehorsams als Element der Erziehung: Und Auslöschung ist das einzige Mittel einer Kriegernation, wenn sie aus ihrer Verstockung heraus nicht mehr argumentieren kann. Jeder der intelligenter ist als das Gefolge, läuft unter Deutschen Gefahr ausgelöscht zu werden um das Gesetz des Gehorsams erhalten zu können. Unbegreifbar mag Geschichte bleiben, unerklärlich ist sie nicht.

sybille eden / 13.02.2022

Herr SCHLESINGER, gedenken sie auch der Toten der Terrorangriffe von Coventry , Warschau und Rotterdam ? Ist nur ne Frage….....

Max Anders / 13.02.2022

Den 13. Februar verbinde ich mit den Geschichten meiner Großmutter, die vom Erzgebirgsrand die “Tannenbäume” und den in der Nacht flackernden Hällen-Horizont im Dresdner Elbtal erleben mußte, dann für Wochen augebombte Überlebende bei sich beherbergte während der eigene Mann bereits auf dem Weg nach Sibirien war. Und solange deutsche Sozialisten an den Gräbern der Terroristen von 1970 einen Kniefall machen und bei fast jeder UNO Resolution dem Staat der Juden - Israel - den dicken Mittelfinger zeigen und diese Sozialisten und (grüne) Totalitaristen wieder in höchste politische Ämter wählen, solange ist Trauer und Erinnerung an Holocoust und München 1970 und 72 Heuchelei.

S. Marek / 13.02.2022

Na und, es zeigt nur wie Dumm manche Juden sind, daß diese trotz allem nach Deutschland zurück bzw. neu eingewandert sind !  Dies hätte für mindestens 200 Jahre ein pariah Land für Juden sein sollen !

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