Thilo Schneider / 12.07.2021 / 10:00 / Foto: Timo Raab / 198 / Seite ausdrucken

Mit Impf und Schande

Ja, ich bin geimpft. Das erste Mal. Mit BioNTech. Ich kann das zugeben. Und seitdem schleppe ich neben einem Impfstoff ein schlechtes Gewissen in und mit mir herum.

Das kam so: Ich hatte mich bei meinem Vertrauensarzt zum jährlichen Check-up gemeldet. Reife Herren sollen ja gelegentlich mal nachsehen lassen, ob die Systeme noch funktionieren, wie sie sollen und nirgendwo was raustropft. Und während mich der Herr Doktor abhörte, fragte er beiläufig: „Wie sieht’s denn mit Impfung aus?“

Tja. Keine Ahnung. Ich habe meine Zahnärztin gefragt. Die meinte: „Um Himmels willen! Ohne Langzeitstudien wissen wir über das Zeugs gar nichts und auch nicht, ob es mehr schadet als nutzt!“ Nun ist die Frau ja Zahnärztin, was bedeutet, dass sie in der Ärztehierarchie nur knapp über dem Heilpraktiker, aber noch massiv unter dem Anästhesisten steht. Sie halt also Ahnung von allem rund um meine Zähne, im Rachen hört es dann schon auf, das wird dann HNO.

Dann fragte ich meine Apothekerin, die meine Frage mit dem coolen Satz „Wenn Sie nicht geimpft sind, dann kriegen sie es. So einfach.“ beantwortete. Auf mein Nachhaken, wie sie so zuversichtlich sein könne, da es doch keine Langzeitstudien gäbe, fügte sie hinzu: „Da sind jetzt in einem Jahr so viel Gelder in die Entwicklung wie sonst nicht in zehn Jahren ´reingeflossen. Haben Sie Vertrauen!“

„Wir haben BioNTech-Wochen, Sie Glückspilz!“

Beide Aussagen haben mich nicht wirklich überzeugt. Wenn es erst in 40 Jahren Langzeitfolgen gibt, dann bin ich 94, so what? Wenn aber „Langzeit“ bereits ab 12 Monaten beginnt, dann, fürchte ich, werde ich nächstes Jahr nicht viel zu lachen haben. Es sei denn, ich könnte keine Kinder mehr zeugen. Dann wäre allerdings der Nebeneffekt, dass ich mir Geld für eine Vasektomie spare, weil das Thema „Kinder in die Welt setzen, die dann Grün wählen“ habe ich sowieso durch. Also bestand mein eigentlicher Plan darin, bis in den Dezember zu warten und zu schauen, ob einer meiner geimpften Bekannten und Verwandten aus den Socken kippt.

Diese meine bisherigen Informationen teilte ich meinem nicht ganz billigen Hausarzt mit und er sagte: „Die Apothekerin hat recht. Wenn Sie nicht geimpft sind, dann kriegen Sie es!“

Ich bin 54, Raucher und habe Übergewicht. Sollte es mich also wirklich erwischen, dann wird das unter Umständen ein Spaziergang auf ein Intensivbett nebst künstlicher Beatmung und dem Eingang in die Mortalitätsstatistik. Möchte ich nicht. Mag ich nicht. Außerdem habe ich für so etwas keine Zeit. Also fragte ich meinen Partner in Gesundheitsfragen, wie lange ich denn auf eine Impfung warten müsste, in der Hoffnung, er würde so etwas wie „sechs Monate“ sagen, damit wäre ich im Korridor gewesen. Stattdessen sagte er aber: „Sechs Minuten, wir haben BioNTech-Wochen, Sie Glückspilz!“

Damit hatte er mich natürlich. Wenn es gleich geht, wenn es schnell geht, dann her damit, dann habe ich es hinter mir und wenn mich das Virus in einer seiner zahlreichen Varianten dann packt, dann kann ich das lächelnd vor der Playstation mit Assassins Creed ausheilen und dabei schön Chips und Cola in mich reinstecken. Also durfte seine Azubine im ersten Lehrjahr an mir Impfen üben. Das hat sie auch ganz ordentlich gemacht und meinen linken Oberarm auf Anhieb gefunden.  

Der Schatz hatte Angst um mein und noch mehr um sein Leben

Der Schatz ist ungeimpft und hat das, aufgrund Thrombosegefahr, auch noch nicht so schnell vor, weil er erst warten will, ob jemand unserer Bekannten und Verwandten mit Thrombosehintergrund vor seinen Herrn tritt. Den könnten wir dann noch mal besuchen. Vorher. Auf die Beerdigung dürften wir ja als Ungeimpfte nicht. Als ich jedoch die Frage des Schatzes, „wie es denn beim Arzt war“, wahrheitsgemäß beantwortet hatte (ich bin ein ganz miserabler Lügner), war er leider sehr zornig auf mich, weil er sich verraten fühlte. „Na toll, du bist jetzt geimpft und kannst wieder sorglos unter die Leute. Die ganze Zeit waren wir vorsichtig und gesund, und einer von uns kann jetzt hier „High Life“ machen und ich muss damit rechnen, dass du das verdammte Virus jetzt wegen Sorglosigkeit hier einschleppst und ich krank werde…“, sagte er ungehalten, der Schatz.

Da hatte er recht, obwohl ich selbst der Meinung war, ich sei der gleiche Mensch wie gestern, nur mit einer Ladung Impfstoff in der Blutbahn. Stattdessen war ich jetzt der geimpfte Paria, der hier munter um die Häuser ziehen konnte, wortbrüchig geworden war, keine Geduld gehabt hatte, sich zu wenig Gedanken gemacht hatte und sich völlig rücksichtslos, quasi hinter dem Rücken der Ehefrau, möglicherweise genverändernden Shice hatte spritzen lassen. All meine Beteuerungen, dass ich das doch nur gemacht habe, damit der Schatz noch ganz lange noch ganz viel Freude mit mir hat, halfen nicht. Der Schatz hatte Angst um mein und noch mehr um sein Leben.

Restaurantbesuche künftig nur noch für mich. Kino, Flugreisen, Konzerte, Party, Geselligkeit – nur noch für mich. Ich hatte meine Ehefrau schmählich im Stich gelassen, ich verdammter Egoist. Und tatsächlich ist es ja so, dass den „3G“ („Geimpfte, Genesene, Getestete“) vielleicht, aber vielleicht auch nicht, „Grundrechte zurückgegeben werden“, wo doch monatelang abgestritten wurde, dass sie überhaupt eingeschränkt gewesen wären. Und die, deren einziges Verbrechen es ist, gesund zu sein, dürfen weiterhin am Maskenball teilnehmen und nur unter schärferen Sicherheitsbedingungen als ein Besucher der Queen einen Hamburger-Laden betreten. 

Serienkiller, ohne es zu merken

Ich befinde mich seitdem in dem geistigen und gesellschaftlichen Zwiespalt, dass ich als einmal Geimpfter die Ungeimpften gut verstehe und finde, dass sich jeder selbst entscheiden können müsste, ob oder ob nicht er sich unbekannte Substanzen in den Körper injizieren lässt. Ich höre allerdings jeden Tag verblümt und unverblümt, dass jeder Nicht-Geimpfte ein asoziales Subjekt ist, das nicht nur der Allgemeinheit zur Last fallen könnte, sondern sich darüber hinaus auch noch unsolidarisch mit Alten, Kranken, Schwachen und Siechen verhält. Weswegen er eben nur unter Polizeischutz zum EDK darf. Wenn er sich nach dem ersten Huster aus der Quarantäne traut.

Für mich hat sich das ja erledigt. Ich kann munter als Superspreader durch die Gegend laufen und Hinz und Kunz anstecken, der nicht geimpft ist. Das haben sie davon. Hätten sich ja impfen lassen können. Darwin sucht sich die Seinen aus. Bestenfalls wüsste ich nicht einmal, dass ich ein Serienkiller bin, weil ich von der guten Delta-Variante und der Lambda-Sensitiven ja gar nichts merken würde.

„Siehst du, Schatz“, tröstete ich den Schatz, „das unterscheidet uns eben. Ich hätte kein Problem, wenn du mit dem Virus nach Hause kämst. Ich würde dir das verzeihen!“ „Klar, weil du geimpft bist“, meinte der Schatz giftig. „Genau: Aber ich liebe dich trotzdem. Ob mit oder ohne Virus!“ Trösten kann ich! Seitdem sieht unser Kompromiss so aus, dass ich mich nach wie vor so verhalte, als sei ich nicht geimpft und ich habe das auch nicht den Verwandten und Bekannten erzählt, damit ich keinen Ärger kriege und mich als Geimpften nicht alle Ungeimpften meiden. Und mich beobachten, ob und wann ich jetzt wegen der Impfung die Fernbedienung abgebe. Sollte ich aber den Shice wirklich bekommen – dann hoffe ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Oder vielmehr: „der richtigen Mischung aus Leichtsinn, Unkenntnis und Faulheit“ auf den Leim gegangen bin. Darauf einen Anis. Der hilft immer!

(Weitere Faulheiten des Autors unter www.politticker.de)  

 
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Foto: Timo Raab

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Leserpost

netiquette:

Dietmar Richard Wagner / 12.07.2021

Da fehlt doch der Mittelteil, die Einwilligungserklärung (in sechs Minuten) zur Impfung? Oder ist die Stoff für die nächste Satire? ;-)

Peter Sticherling / 12.07.2021

Sehr gut, Herr Schneider ! Mit Ihrer Geschichte, die garnicht glauben mag, haben Sie eine Fülle sehr bemerkenswerter Kommentare provoziert. Dafür danke ich Ihnen!. Es wurden ganz hervorragende Argumente gegen das Impfen artikuliert, Argumente, die ich weiterverbreiten werde. -Und dann, ich muss es sagen, sehr schlecht, Herr Schneider! Wenn man seinen Schatz wirklich schätzt, dann bespricht man sich mit ihm und stellt ihn nicht vor irreversible Tatsachen. Ich hoffe für Sie, dass Ihre Impf-Entscheidung sich nicht zu Ihrem Nachteil auswirkt und nicht zur endgültigen Scheidung von Ihrem Schatz.

Mathias Bieler / 12.07.2021

Ich bin wahrlich kein grosser Fan von ihnen, Herr Schneider. Aber Stöckchen hinhalten können sie. Wie sie mit ein paar Absätzen, ob nun wahr oder gelogen, das Gros der Leser auf die Palme bringen. Chapeau!

dr.goetze / 12.07.2021

@ Sabine Ehrke, “ehr begeben Sie sich ungeschützt unter Infizierte, als sich spritzen zu lassen?” Sie werden lachen! Letztes Jahr Frühling, die Bundesregierung hatte sämtliche Masken an China verschenkt, “die helfen eh nicht” hat man uns erzählt. Ok, kann ich mit leben, Solange ich keine Umkehrisolation durchführen muss. Ich bin seit 30 Jahren Kliniker, kein Wissenschaftler, kein Karrieremensch, sondern der Mann fürs Grobe, arbeite direkt am Patienten. Und plötzlich hatten wir Patienten, die zu ihrer Einweisungsdiagnose richtig grippal krank wurden, vorerkrankte Patienten, starke Raucher, COPD, Diabetes Adipositas etc pp. Nach 1 oder 2 Tagen Tests durchgeführt: positiv! Das ganze Personal der Observation musste notfallmässig am Sonntag noch zum Test, mehr als 40 Personen. Ergebnis am Montagmorgen: Keiner (Null, Zero!) hat sich infiziert - ohne Mundschutz, direkter hautnaher Kontakt, teilweise 45 - 60 Minuten (Intensivpflege) am Stück. Das war der Moment, wo meine ca 4 Wochen vorher währende Angst (nicht Panik! Gesunde Sorge!) sich in Luft aufgelöst hat. Auch meine Partnerin (auch in der Medizin, aber ambulant arbeitend), ab dem Moment angstfrei und nur mit den normalen vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen unterwegs. Und von dem Moment an war ich ein sogenannter Querdenker - Virus ja, wie Millionen andere, aber weder brandneu noch tödlich gefährlich - und bin es heute noch. Und kämpfe an allen Fronten, rede wie mir der Schnabel gewachsen ist und versuche den Menschen so die Angst zu nehmen. Aber es wird immer schwieriger, glaube ich, die Impfung scheint für viele das Heil zu sein…

Boris Kotchoubey / 12.07.2021

Wer sich ohne einen echten, bedrohenden Druck impfen lässt, ist nicht bloß ein Verräter; er ist kein Mensch mehr im vollen Sinne dieses Wortes. Denn ein Mensch im vollen Sinne ist nur derjenige, der innerlich frei ist und eine Menschenwürde hat, die von keinen Leistungen abhängt, sondern mit seinem Menschsein untrennbar verbunden ist. Diese Menschenwürde kann nicht veräußert werden, nicht durch gutes Benehmen bzw. für A…lecken bei der Obrigkeit verdient werden. Sie ist entweder da oder nicht, wie ein angeborener Adelstitel. Wer aber bereit ist, mit seiner Menschenwürde zu verhandeln und etwas für die Mächtigen zu tun, um “ein Stückchen von seiner Menschenwürde zurückzubekommen”, erkennt an, dass er als Lebewesen KEINE Menschenwürde besitzt - darf sich also nicht mehr als Mensch benennen. Wir sollen übrigens solche Lebewesen nicht verachten, wir können ihnen gegenüber lieb und nett sein, wie gegenüber Katzen und Hunden, nur MENSCHEN sind sie nicht mehr. Sie können wie Esau sich für ein paar Stunden mit der Erbsensuppe satt fühlen - aber das Recht des Erstgeborenen ist für immer verloren, ohne Möglichkeit, es je wieder zu erlangen. Nevermore.

Sirius Bellt / 12.07.2021

Es ist eine individuelle Entscheidung, ob man sich impfen lässt oder nicht. Beide Varianten sollten gleichberechtigt nebeneinander stehen. Dass Sie hier von so vielen runtergemacht werden, nur weil Sie sich impfen ließen, spricht Bände. Wie wär’s mal wieder mit “mehr Toleranz wagen”?

Horst Schmitt / 12.07.2021

Lieber Herr Schneider, Sie wissen wirklich, wie Satire geht! Oder?

Renate Schlierkamp / 12.07.2021

Hallo Herr Schneider, ich halte das so: ich schaue morgen nochmal vorbei, ob das nun ein Scherz ihrerseits war oder nicht. Je nachdem, was dabei rauskommt, mache ich es wie bei Uwe Steimle. Als der verkündete, er habe sich spritzen lassen, war für mich der Drops gelutscht. Was immer der eigentlich geniale Satiriker nun von sich gibt, “allein es fehlt mir der Glaube”! Da passt etwas ganz und gar nicht mehr zusammen. Bin gespannt auf die Auflösung-ist er wirklich, oder ist er nicht?

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