Thilo Sarrazin / 11.07.2023 / 06:00 / Foto: Achgut.com / 154 / Seite ausdrucken

Migration um jeden Preis

Der Bundesrepublik fehlen Facharbeiter. Deswegen brauchen wir Zuwanderung. Dass die meisten Migranten, die in Deutschland ankommen, weder eine abgeschlossene Schul- noch eine Berufsausbildung haben, müsste sich inzwischen herumgesprochen haben. Hat es aber nicht. Dennoch soll die Zuwanderung das Problem der fehlenden Fachkräfte lösen. 

Die linksliberalen Meinungsführer in Deutschland wurden in den letzten Wochen arg unter Stress gesetzt. Zuerst äußerte sich die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein auf einer CDU-Veranstaltung in der Uniform der Bundespolizei kritisch zu Migrationsfragen und der Kriminalität bestimmter Herkunftsgruppen. Dann gewann im Thüringer Landkreis Sonneberg der Rechtsanwalt Robert Sesselmann als Kandidat der AfD die Landratswahl.

Der FAZ-Journalist Claudius Seidl beklagte daraufhin im Feuilleton seiner Zeitung das falsche Bewusstsein nicht nur von AfD-Wählern und -Sympathisanten, sondern von zahlreichen Konservativen, die sich den aus seiner Sicht notwendigen Veränderungen entgegenstemmen. Seine Polemik ist exemplarisch für blinde Flecken und Irrtümer im linksliberalen Mainstream.

Er kritisiert „Claudia Pechsteins Warnung vor allen, die dunkler als die weiße Mehrheit sind“. Das hat sie zwar nie so gesagt. Aber diese Formulierung fand er offenbar geeignet, um die von ihr angesprochenen Sorgen zu delegitimieren. Dabei stehen die Tatsachen auf Pechsteins Seite: Die Gruppe der Fluchtmigranten, die seit 2015 aus Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten nach Deutschland kamen, weist unter ihren jungen Männern altersbereinigt eine dreimal so hohe Gewaltkriminalität (Raub, Vergewaltigung, Mord und Totschlag) auf, wie die übrige altersmäßig vergleichbare Bevölkerung in Deutschland. Das zeigen die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Deutschlands öffentliche Orte wurden durch die Fluchtmigration unsicherer, und diese Bedrohungslage betrifft überproportional junge Frauen, die sich im öffentlichen Raum bewegen. 

Junge Männer im Alter zwischen 15 und 25 Jahren

Die weiterhin ungebremste Fluchtmigration aus Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten wird diese Problematik künftig noch verschärfen. Der Augenschein der Flüchtlingsboote, die in diesen Wochen aus Tunesien Richtung Italien ablegen, zeigt nahezu ausschließlich junge afrikanische Männer im Alter zwischen 15 und 25 Jahren.

Wir wissen, dass diese Migranten weitgehend ohne qualifizierte Schuldbildung und ohne Berufsausbildung zu uns kommen. Die Ingenieure und Facharbeiter, die im deutschen Arbeitsmarkt willkommen wären, werden wir unter ihnen kaum finden. Und aus diesen Kreisen werden auch nicht jene ausgebildeten Pflegekräfte stammen, die in Deutschland die hygienische Grundversorgung einer wachsenden Zahl hilfloser alter Menschen sicherstellen könnten.

Im weiteren Verlauf seiner Argumentation bringt Seidl Klimawandel und Fluchtmigration in einen ganz unsinnigen Zusammenhang: Die Fluchtmigranten fliehen aus ihren seit 60 bis 70 Jahren unabhängigen Herkunftsländern nicht vor einem steigenden Meeresspiegel, wie Seidl insinuiert, sondern weil Korruption, Bildungsmängel, schlechte Regierungspraxis und ein ungezügeltes Bevölkerungswachstum das eigene Land unattraktiv machen. Deshalb lockt der reiche alternde Norden. Mit dem Klimawandel hat dies gar nichts zu tun.

Japan macht es uns vor

Schon gar nicht brauchen wir im Norden diese Art von Einwanderung, um unsere eigenen Probleme zu lösen. So wird es aber von Seidl unterstellt, wenn er schreibt:

„Menschen müssen eingeladen werden und sich willkommen fühlen in Deutschland, ohne dass sie dauernd dem Claudia-Pechstein-Verdacht ausgeliefert sind: Nicht damit Deutschland sich abschaffte. Sondern weil ohne diese Leute die deutsche Wirtschaft kollabiert.“

Das ist ökonomischer Unfug. Es ist aufschlussreich, dass genau jene linksliberalen Kreise, die vor 50 bis 60 Jahren beim Einsetzen des säkularen Geburtenrückgangs gegen jede Art von Bevölkerungspolitik polemisierten, nun den Untergang der deutschen Wirtschaft heraufbeschwören, wenn jetzt die demografischen Lücken, die die Babyboomer hinterlassen, nicht aus Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten aufgefüllt werden.

Deutschland kann wirtschaftlich sehr gut auch mit einer kontinuierlich schrumpfenden Bevölkerung leben, wenn der Eintritt ins Arbeitsleben zeitlich etwas vorgezogen wird und das durchschnittliche Rentenalter auf 70 Jahre steigt. Japan macht uns dies übrigens vor. Es bewältigt eine mindestens vergleichbare Geburtenarmut und Alterung weitgehend ohne Einwanderung. Damit erspart es sich unnötige Kulturkämpfe um Identitätsfragen, viel Kriminalität und hohe Sozialkosten.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zürcher Weltwoche

Foto: Achgut.com

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Arthur Sonnenschein / 11.07.2023

Thilos ehemalige Partei zerstört die Lebensgrundlage der Bevölkerung und die Basis des wirtschaftlichen Wohlstandes nach Strich und Faden, aber wenigstens bleiben die Diskussionen von vorgestern (wir brauchen mehr Zuwanderung, weil…) uns erhalten. Inzwischen ist es einfach für alles zu spät.

Stefan Schultz / 11.07.2023

Das ist einfach nur noch dreist, welche Lügen diese Leute verbreiten ohne rot zu werden. Das ist eine Verhöhnung des Anderen und seines Intellekts.

Wilfried Cremer / 11.07.2023

Lieber Herr Sarrazin, die Willkommenssause ist das Gegenteil des Schlussverkaufs von Orientteppichen, wo alles raus muss. Außerdem der letzte Rest vom Überich, das pränatal Vernichtete ersetzen will. Die Facharbeiter werden karmatechnisch zu den Rächern der Basalentleibten. Dass dabei die Falschen büßen, muss mit einem “noch” versehen werden. Amen.

Christoph Schriever / 11.07.2023

Der Bundesrepublik fehlen keine Facharbeiter. Atomkraftwerke abgeschaltet, Autoindustrie lahmgelegt, chemische Industrie nach Asien verlagert, produzierendes Gewerbe outgesourced. Was sollen irgendwelche Facharbeiter in der Bundesrepublik machen - außer auswandern? Sogar Bäckereien und Metzgereien schließen am laufenden Band. Die Einschätzung das Facharbeiter fehlen ist völlig realitätsverloren.

Michaela Kirchhoff / 11.07.2023

Herr Sarrazin, ich teile ihre Aufassung bis auf die Formulierung „Linksliberaler Mainstream“. Dieser Mainstream ist zwar links aber alles andere als liberal.

Dr. Joachim Lucas / 11.07.2023

Es ist schon irre, wenn man die Lobgesänge auf die Einwanderung von “Westasiaten”, Afrikanern und was sonst noch kommt anstimmt und gleichzeitig das Ergebnis auf den Straßen der Städte, in den seriösen Statistikern, am Arbeitsmarkt und Wohnungsmarkt sieht. Das sind zum allergrößten Teil nichtintergrierbare, völlig kulturfremde Armutseinwanderer ins Sozialsystem. Jeder, der den Bezug zum realen Leben hat, sieht das. Nur die Politiker in ihren frei in den Wolken schwebenden Sesseln wollen es einfach nicht sehen. Das Ergebnis dieser furchtbaren Politik ist jetzt schon ein Desaster und wird sich weiter verschlimmern. Das sind die größten historischen, sozialen und ökonomischen Fehler, die diese blinde und unfähige Politkaste Deutschlands Bevölkerung antut.

Uwe Heinz / 11.07.2023

Herr Sarrazin hatte in seinen Büchern schon vor Jahren diese Entwicklung vorausgesehen und davor gewarnt. Es brachte ihm nur linke Kritik und Rassismusvorwürfe ein. Symptomatisch für die ständig wiederholten Forderungen, weitgehend beratungsresistenter und ideologisch verblendeter Linker, ist deren fortwährende Forderung nach noch mehr Einwanderung, so als ob man einen Waldbrand mit Benzin bekämpfen wollte. Die einzige Konstante im linken Denken ist das überzeugende Auftreten trotz völliger Ahnungslosigkeit. Oder ist es vielleicht sogar skrupellose Böswilligkeit?

M.Beyer / 11.07.2023

Es nützt nichts , wenn man einen Scheinasylanten , Migranten , Glücksritter fit für den Arbeitsmarkt machen kann und der Rest im Sozialsystem landet . Keine Sozialleistungen für Migranten , Scheinasylanten und Glücksritter. Das Deutsche Sozialsystem ist nur für die Deutsche Bevölkerung eingeführt worden. Ich kann auch nicht nach Österreich als Deutscher gehen und irgendwelche Sozialleistungen beanspruchen. Ich muss 5 Jahre legal in Österreich leben und in die Sozialsysteme eingezahlt haben , dann habe ich nach Jahren im Falle des Falls Anspruch auf Sozialleistungen.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Thilo Sarrazin / 20.05.2024 / 06:00 / 27

Verschuldung:  Die Ampel spielt Mikado

Der hypertrophe Sozialstaat frisst die Finanzmittel auf, die man zur Unterstützung der Ukraine, zur Ertüchtigung der Bundeswehr und zur Modernisierung der maroden Infrastruktur viel dringender…/ mehr

Thilo Sarrazin / 18.03.2024 / 06:15 / 121

Abstieg im Land der Tüftler und Denker

2010 hatte ich in „Deutschland schafft sich ab“ die Fortsetzung des Verfalls der Bildungsleistung prognostiziert. Es kam tatsächlich noch schlimmer. Vor einigen Tagen stieg ich…/ mehr

Thilo Sarrazin / 03.02.2024 / 06:15 / 102

Das Landhaus des Bösen

Nicht immer schärfere Töne gegen die AfD helfen der Demokratie, sondern mehr Erfolge bei dem Thema, das sie groß gemacht hat: Kontrolle der Grenzen und…/ mehr

Thilo Sarrazin / 08.01.2024 / 12:00 / 93

Die SPD im Panik-Modus

Mit der SPD geht es abwärts. Bundesweit liegt sie bei 14 bis 15 Prozent, in den Ost-Ländern noch tiefer, in Sachsen ist sie auf drei…/ mehr

Thilo Sarrazin / 12.12.2023 / 10:00 / 55

Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit

Das Bundesverfassungsgericht hat es der Ampel-Regierung untersagt, die nicht verbrauchten Kreditermächtigungen des Corona-Hilfsfonds auf den Fonds für Energieversorgung und Klimaschutz zu übertragen. Das kann das…/ mehr

Thilo Sarrazin / 09.11.2023 / 06:15 / 72

Die deutsche Staatsraison droht leerzulaufen

13 Jahre nach „Deutschland schafft sich ab“ übersteigt die anhaltend hohe Einwanderung aus der islamischen Welt meine Prognosen von damals bei Weitem. Die daraus erwachsenden Probleme dominieren…/ mehr

Thilo Sarrazin / 26.10.2023 / 12:00 / 102

Die Angst der CDU vor der AfD

Die deutsche Politik ist gegenwärtig weit davon entfernt, sich mit der Problematik des ungebremsten Zustroms über offene Grenzen ernsthaft auseinanderzusetzen. Schon das öffentliche Nachdenken über…/ mehr

Thilo Sarrazin / 22.06.2023 / 10:00 / 159

Warum die AfD im Aufwind ist

Der SPD hat es offenbar nicht geholfen, dass sie sich im Sommer 2020 vom Migrations- und Islamkritiker Thilo Sarrazin getrennt hat. Er hatte immerhin ein…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com