Vera Lengsfeld / 15.07.2018 / 11:00 / 28 / Seite ausdrucken

Merkwürdige Ausflüge des Siemenschefs in die Politik

Joe Kaeser sollte eigentlich genug zu tun haben. Er ist der Vorstandsvorsitzende eines der wichtigsten deutschen Unternehmen, der Siemens AG. Siemens beschäftigt weltweit über 370.000 Arbeitskräfte, davon fast ein Drittel in Deutschland. Und dies in einem regulatorisch-politisch schwierigen Umfeld. So hat Siemens alle Hände voll zu tun, die Fusion seiner Mobilitätssparte mit der französischen Alstom unter Dach und Fach zu bekommen.

Das Gasturbinengeschäft leidet unter den Kapriolen der deutschen Energiewende, zu deren großen Unterstützern Siemens andererseits wegen Windfall-Profiten (im wahrsten Sinne des Wortes) im Bereich Windenergie zählt, und die betriebswirtschaftlich hergeleitete mögliche Schließung ihres Werkes in Görlitz musste der Weltkonzern – zum Glück für die betroffene Region Nordsachsen – wieder abblasen.

Man sollte also denken, dass Joe Kaeser ausgelastet ist und es sich im Sinne seines Unternehmens dreimal überlegt, bevor er sich politisch exponiert. Aber der Drang, auch ein wenig vom Wohlwollen der liberalen Weltelite für die Politik der Kanzlerin abzukommen, scheint wohl stärker zu sein. Denn Joe Kaeser kann nicht an sich halten, obwohl er durch seinen PR-technisch eher verunglückten Auftritt beim Essen mit Präsident Trump doch mehr als gewarnt sein dürfte. Man in der freien Wirtschaft doch eigentlich versucht, von den Fehlern anderer zu lernen. Die Sprüche der Autokonzerne auf dem Höhepunkt der Willkommenswelle hängen deren Bossen noch heute an.

Aber Joe Kaeser kann offenbar nicht anders, er muss sich politisch einmischen. Mit der AfD hat man es als weltläufiger Konzernlenker ja vermeintlich leicht. Und mit Twitter auch das richtige Medium. Also haut Joe Kaeser nach der Generaldebatte im Bundestag in die Tasten und greift Alice Weidel frontal an: Natürlich gleich mit der größten Keule: Weidels Kritik an „Kopftuchmädeln“ kontert Kaeser stilsicher damit, dass dies besser als „Bund deutscher Mädel“ wäre. Was für ein schlimmer Vergleich! Was hat die Mädchenorganisation der Nationalsozialisten mit den aktuellen Diskussionen um nicht integrationswillige Migranten zu tun? Und was will uns der Siemenschef damit sagen? Ach ja, der angebliche Weidel-Nationalismus schadet unserem Wohlstand.

Von den Dax-Konzernen allein gelassen? Zum Glück

Diese peinliche Volte eines deutschen Konzernchefs wäre aber schon längst vergessen, wenn Kaeser nicht ständig nachlegen würde. Erst mischt er sich in den Sachstreit zwischen dem Innenminister und der Kanzlerin ein (raten Sie mal, auf welche Seite sich der Mutbürger Kaeser schlägt?), dann beklagt er sich, dass er und seine Familie angeblich auf Grund seiner Positionierung gegen Alice Weidel bedroht werden. Ob Claudia Roth oder Kaeser: Es ist inzwischen Mode, mit angeblichen Drohungen an die Öffentlichkeit zu gehen. Tätlich attackiert worden sind bisher vor allem AfD-Politiker, bis hin zu Mordanschlägen, indem die Radmuttern von Autos gelockert wurden – eine Methode, der sich die Stasi schon gern bediente. Man wartet vergeblich auf die Verurteilung solcher Praktiken. Im Gegenteil: Den Betroffenen wird noch nahegelegt, sich nicht zum Opfer zu stilisieren.

Den Vogel abgeschossen hat Kaeser aber, als er vor einigen Tagen kundtat, dass ihn seine Dax-Vorstandskollegen in dem von ihm als notwendig angesehenen Kampf gegen Populismus, Nationalismus und Alice Weidel allein lassen würden.

Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen, dass ich darüber nur froh bin. Es ist nicht die Aufgabe eines Dax-Vorstandsvorsitzenden, für die Bundeskanzlerin die Opposition klein zu halten. Es ist völlig daneben, dass der Chef eines deutschen Konzerns in einer innenpolitischen Debatte gegen die Fraktionsvorsitzende einer gewählten Partei die Nazikeule schwingt. Es wäre eine schlimme Rollenübertretung, wenn die Chefs anderer großer Firmen ihm bei diesem Tun unterstützen würden. Wenn Joe Kaeser grüne Politik machen will (von da kam natürlich das einzig erwähnenswerte Lob), dann kann er sich in Erlangen gerne um eine Kandidatur bemühen. Nur ist dies eine völlig andere Aufgabe, als einen Weltkonzern zu lenken.

Eine lebendige Demokratie lebt vom Wettstreit und Rollentreue. Opposition kontrolliert Regierung, Medien kontrollieren Politik und Wirtschaft, Justiz und Behörden agieren auf Basis der Gesetze, und die Wirtschaft kümmert sich um Innovation, Wachstum und Beschäftigung und kämpft für sinnvolle regulatorische Rahmenbedingungen.

Lieber Joe Kaeser: Selbst in der DDR hat die Parteilinie in den Betrieben zu allererst der Parteisekretär vertreten – die besseren Firmenchefs haben auch in einem totalitären System versucht, sich möglichst rauszuhalten. Besinnen Sie sich auf ihre hochdotierte Kernaufgabe und halten sich aus dem innerpolitischen Tagesgeschäft in Deutschland bitte raus.

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F.C.Laukhard / 15.07.2018

Der gleiche Kaeser, der Trump in den Allerwertesten gekrochen ist. Hier ist er dann plötzlich auf der anderen Seite… Wenn er so auf Vergleiche zur NS-Zeit steht, könnten böse Zungen, zu denen ich natürlich keinesfalls zähle, anmerken, dass diese moralische Flexibilität ihn auch gut zum Manager bei der IG Farben u.a. befähigt hätte, der hinterher aber natürlich schon vorher gegen alles war, bei dem er aber irgendwie doch mitgemacht hatte.

Wolfgang Kaufmann / 15.07.2018

Als der französische TGV im April 2007 mit 575 km/h den alten Schienenweltrekord um mehr als 10% überbot, behauptete Siemens, Alstom habe „nur den Weltrekord für einen Einwegzug aufgestellt“. Wer nichts mehr auf die Reihe kriegt, macht eben seine Konkurrenten nieder. Eine selbst ernannte „Verkehrsexpertin“ beim Verkehrsclub Deutschland weist sogar darauf hin, dass ein Reisebus auf der Straße weniger als halb so viel Kohlendioxid ausstößt. – Die beste Ökobilanz hatte vermutlich ein Neandertaler, der noch vor der Geburt seines dritten Kindes im zarten Alter von 19 an Tetanus starb. Legt es unser dekadenter Umweltfetischismus darauf an, die Gattung Homo aussterben zu lassen um der so genannten Natur willen? Wo bleibt der deutsche Überlebenswille? Die Franzosen haben ihn!

Frank Mertes / 15.07.2018

Es reicht zu wissen, dass dieser Mann eigentlich Josef Käser heißt. Weil der kleine Josef aber ein Weltbürger sein wollte und sich für seine Herkunft schämte, änderte er seinen Namen einfach in Joe Kaeser. Das zeigt doch, wo die Defizite des Mannes liegen und dass er nicht nur ein Opportunist, sondern eine Nullnummer ist. Interessant, dass ein Mensch, der so viel Käse produziert, an die Spitze eines Weltunternehmens gelangen kann. Das ist kein gutes Zeugnis für diese Zeit und lässt für Siemens Zukunft nicht viel hoffen.

Jürgen Völker / 15.07.2018

Das ist schnell erklärt. Vor einiger Zeit haben die Aktionäre von Siemens ihre Strategie geändert, von Langzeitinvest Richtung Kasse machen. Der damalige Chef wurde entfernt, ein neuer ( Finanz- Fachmann, Hr.Joe Kaeser eben ) einge- setzt, Hr. Ackermann (Aufsichtsrat) legte sein Mandat nieder und ging. Ich denke, das dieser Strategiewechsel seine Begründung in der Niedrigzinspolitik der Notenbanken findet,. Weil auf Zinsebene nun weniger zu holen war, musste auf dieser Seite einfach mehr reinkommen. Da es völlig normal ist, daß so große Industriebetriebe wie z.B. Siemens vom Vorstand mit Blick in die Zukunft geführt werden, ist dieses Handein : Betriebsteile verkaufen, Neue zu erwerben, völlig normal. Der springende Punkt Ist nur: bleibt der Verkaufserlös bei Siemens oder wird er an die Aktionäre ausgeschüttet. Ich befürchte letzteres.    

Hans-J. Haupt / 15.07.2018

Sehr geehrte Frau Lengsfeld, für Ihren Mut und Ihre journalistischen Perlen hege ich große Bewunderung. Aber irgendwie müssen Sie in Erdkunde nicht so recht aufgepasst haben, denn Görlitz in Nordsachsen zu verorten, ist ja fast so falsch, wie Aachen nach Schleswig-Holstein zu verlegen. Görlitz liegt im Osten Sachsens, östlicher geht es fast nicht und außerdem im Süden, also im tiefsten Südosten Sachsens. Ansonsten nur Zustimmung für den Artikel über Joe, den verhinderten Politiker.

Jürgen Schnerr / 15.07.2018

Ja, so ist das in diesem Land. Ein guter Firmenboss zu sein, mal dahingestellt ob Herr Joe tatsächlich einer ist, reicht nicht mehr. Da es momentan hipp ist ein Champagnerlinker zu sein, muss old Joe da eben auch unbedingt dabei sein. Hier findet gerade die Verbrüderung von Kapital und Grün-Links auf Kosten derjenigen statt, welche mit ihren Steuern, Abgaben und oftmals auch prekären Löhnen die ganzen Parties und den Mist, der da verzapft wird, bezahlen müssen.

Viola Heyer / 15.07.2018

“Opposition kontrolliert Regierung, Medien kontrollieren Politik und Wirtschaft, Justiz und Behörden agieren auf Basis der Gesetze.” Liebe Frau Lengsfeld, so sollte es sein, aber so ist es leider nicht.

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