Henryk M. Broder / 13.09.2012 / 07:28 / 0 / Seite ausdrucken

Menage-a-trois

Bei einer Menage-a-trois hat man immer drei Optionen. A kann sich mit B liieren, B mit C, C mit A. Im privaten Leben – im Büro, unter Nachbarn und Verwandten - sind es ad-hoc-Koalitionen, deren Lebensdauer meistens kurz ist. Wie so etwas auf der gesellschaftlichen Ebene funktioniert, kann man derzeit in Deutschland erleben. Bis vor kurzem haben sowohl Vertreter der christlichen Kirchen wie des Zentralrates der Juden die „christlich-jüdische Symbiose“ beschworen, die das Fundament des Abendlandes bildet. Man sprach von gemeinsamen Werten, die man verteidigen müsse. Zugleich wurde darüber gestritten, ob „der Islam“ zu Deutschland gehört oder nur die „in Deutschland lebenden Moslems“.

Seit aber zwischen Flensburg und Berchtesgaden eine Debatte über das „archaische und brutale Ritual der religiösen Beschneidung“ tobt, hat eine Art Partnertausch stattgefunden. Letzten Sonntag haben Berliner Bürger auf dem Bebelplatz im Zentrum der Stadt (wo am 10. Mai 1933 im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“ die Bücher jüdischer, pazifistischer und kommunistischer Autoren „dem Feuer übergeben“ wurden) für das Recht auf Beschneidung aus religiösen Gründen demonstriert.

Obwohl über 50 Berliner Organisationen und Einrichtungen, darunter die Evangelische Landeskirche, das Erzbistum Berlin, der Türkische Bund Berlin-Brandenburg, die Deutsch-Israelische Gesellschaft und die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit zu der Demo aufgerufen hatten, waren nur etwa 250 Teilnehmer erschienen. Aber nicht die Masse war entscheidend, sondern die Tatsache, dass Juden und Moslems, die sonst getrennte Weg gehen, gemeinsam demonstrierten. Der Berliner Rabbiner Ehrenberg und der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kolat, umarmten sich demonstrativ, bevor sie das Wort ergriffen.

Die Zeitungen berichteten über das Ereignis, als wäre der Nahostkonflikt überraschend gelöst worden.

Der Logik einer menage a troit folgend müsste es demnächst zu einer temporären Vereinigung von Christen und Moslems kommen – spätestens, wenn Israel bei einem Vergeltungs-schlag eine Kirche oder eine Moschee trifft.

Glücklich das Land, das solche Sorgen hat.

Erschienen n der Weltwoche am 12.9.12

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