Quentin Quencher / 07.08.2018 / 06:29 / Foto: Tim Maxeiner / 40 / Seite ausdrucken

Meine Tochter und die #MeTwo-Kampagne

Man sieht meiner fast erwachsenen Tochter ihre asiatische Abstammung an, außerdem ist sie genauso klein wie ihre Mutter, eine Philippina. Etwas dunkle Haut, eindeutige asiatische Gesichtszüge und dazu noch nicht mal anderthalb Meter groß. Sie leidet darunter, möchte gerne größer sein, weißer, wie eine Deutsche aussehen. Ich kann ihr dabei nicht helfen, doch oft erwähne ich, dass Schönheit immer im Auge des Betrachters entsteht und sie für mich eines der schönsten Mädchen ist, die ich kenne – und das ist nicht gelogen, sie weiß das.

Manchmal allerdings beschimpfe ich sie, nenne sie Zwerg oder Quarkneger. Dies tue ich aber nur, wenn allgemeine Heiterkeit vorherrscht, was glücklicherweise in unserer Familie öfters der Fall ist. Dann beschimpfen wir uns, was aber die Heiterkeit nur erhöht und mindestens in Gelächter mündet. Auch ich bekomme dann mein Fett weg: „Ha, ha, ha, mein Vater ist ein Nazi!“

Sollte irgend ein Fremder einmal etwas von meinen Beleidigungen mitbekommen haben, so wird er sicherlich ein Bild von mir als tumben, widerwärtigen Rassisten bekommen. Sie, die mich nicht kennen, können nicht wissen, dass ich diese Worte nur aus einem einzigen Grunde und ganz bewusst und berechnend verwende: um die Autoimmunkräfte meiner Kinder zu stärken. Meine Tochter wird – oder war es schon – diesen Beschimpfungen, wie wir sie im Spaß verwendeten, im täglichen Leben ausgesetzt sein. Irgendjemand wird sie wegen ihres Aussehens und ihrer Körpergröße dumm anmachen, es wäre dumm von mir, davon auszugehen, dass dies nicht geschieht.

Vielleicht, so meine Hoffnung, wird sie dann auch über diese Herabwürdigungen lachen, zumindest aber nicht in depressives Verhalten verfallen. Ich hoffe, sie gegen das Gift dieser Beleidigungen immunisiert zu haben. Davor schützen kann ich sie nicht, dann würde ich mir ja anmaßen, die Welt, wie sie ist, ändern zu können – nein das kann ich nicht, aber ich kann meine Tochter unempfindlich gegen Angriffe dieser Art machen. Im Prinzip funktioniert dies wie bei einer medizinischen Impfung, in geringen Dosen wird das Gift so verabreicht, damit sich entsprechende Antikörper bilden. Nebenbei bemerkt, ein Großteil jeglicher Erziehung beruht auf diesem Prinzip.

Für Niederlagen bequem einen Schuldigen benennen

Jetzt kommt mir aber diese #MeTwo-Kampagne in die Quere, in der sich Menschen über empfundenen Rassismus erregen. Mal abgesehen davon, dass das Meiste, was die Erregten so von sich geben, ziemlich konstruiert und lächerlich überzogen ist, es wirkt auf Menschen, die ihr Selbstbild in der Gesellschaft noch suchen, höchst kontraproduktiv. Zu einfach ist es nun, für Niederlagen oder empfundene Ungerechtigkeit einen Schuldigen zu benennen. Ja, derartiges Denken verselbstständigt sich dann und wird zum Automatismus, der jegliche kritische Selbstreflexion geradezu verhindert.

Jeder von uns ist im Leben Ungerechtigkeiten ausgesetzt. Politiker oder Gesellschaftsverbesserer werden immer versuchen, etwas davon zu finden, es an die Öffentlichkeit zerren, um es für ihre jeweilige Agenda ausnutzen zu können. Medien greifen es dann gerne auf, und eine Kampagne entsteht, die sich natürlich immer im Recht sieht, immer auf der moralisch guten Seite.

Eltern, die ihre Kinder fit fürs Leben machen möchten – dazu gehört eben auch die Immunisierung gegenüber erfahrenem Unrecht oder auch nur gegenüber erfahrenen Beleidigungen –, haben dann das Problem, sich gegen diese sich ständig einander ablösenden Kampagnen stellen zu müssen und das selbst dann, wenn sie insgeheim deren Begründung zustimmen. Sie müssen abwägen, ob sie die Welt verbessern wollen oder ihre Kinder fit für diese unsere unvollkommene Welt machen möchten.

Vielen Erwachsenen hierzulande – so scheint es mir angesichts dieser in der Mehrzahl lächerlichen Kampagnen – ist es aber wichtiger, über die Welt zu klagen, und solche, die zur Hybris neigen, meinen gar, die Welt ändern und verbessern zu können. Was sie ihren Kindern dabei antun, ahnen sie wahrscheinlich nicht einmal. „Denen ist eben ihr Weltbild näher als ihre Kinder“, sage ich dann manchmal über die Bessermenschen und hoffe – ihrer Kinder wegen – dabei doch, dass ich Unrecht habe.

Zuletzt von Quentin Quencher erschienen: "Mein Ausreiseantrag".

Foto: Tim Maxeiner

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Leserpost

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Hans-Peter Dollhopf / 07.08.2018

Herr Quencher, der Schilderung dieser mentalen “Vorbereitungen” entnehme ich, dass Sie Ihre Tochter gegen das Zusammenleben mit einer hauptsächlich autochthonen Bevölkerung immunisieren. Inwiefern soll sich das irgendwann noch auszahlen können?

Volker greve / 07.08.2018

Rassismus ist doch ne billige Nummer. Mich kann jemand durch Leistung oder Talent beeindrucken , nicht durch Hautfarbe. Und wenn es mal häßlich wird , na und ? Wo steht denn dass wir immer nett zueinander sein sollen? Außerdem kann man sich für eigenes Fehlverhalten entschuldigen. Ich befürchte nur dass das Pendel irgendwann ins Gegenteil umschlägt.

F.Beerman / 07.08.2018

Mit Interesse habe ich die Leserkommentare zum Artikel gelesen. Auch ich bin mit einer Asiatin (Vietnamesin) verheiratet und wir haben auch zwei sehr hübsche Kinde (4 und 6 Jahre), von denen der Junge sehr europäisch, dass Mädchen “mehr” asiatische Gesichtszüge aufweist. Ich habe ebenfalls meine Frau befragt, ob ihr in den letzten Jahren"Rassismus” widerfahren ist, was sie glaubwürdig verneinte. Sie empfindet es auch nicht als “rassistisch”, wegen ihrer guten Deutschkenntnisse gelobt zu werden; im Gegenteil: dies spornt sie eher noch an. Wenn es mal zu sprachlichen Mißverständnissen kommt, dann wird dieses Mißverständnis eher ein “running Tag”:  auf unserem hiesigen Weihnachtsmarkt wollte sie mal beim Roßschlachter eine Krakauer bestellen, was aufgrund der Phonetik bei der Verkäuferin als “Kakao” ankam. Ein paar Mal wiederholte sich diese “Bestellung”, bis dann alle in Gelächter ausbrechen und es die Krakauer gab. Meine Frau verfolgt die “Rassismus-Debatte” nur noch mit Kopfschütteln. Nach ihrer Aussage ist der “Rassismus” in Asien ganz unten gebe.

Dietrich Herrmann / 07.08.2018

Diese Leserbriefe durchlaufen doch eine Moderation und deshalb ist mir gänzlich unverständlich, dass dieser komische Beitrag von Sigrid Miller hier überhaupt veröffentlicht wird.

u.witteck / 07.08.2018

Den meisten Menschen fallen bei anderen immer die eigenen Schwächen auf. Wer wissen will, mit was für einem Menschen er es zu tun hat, sollte darauf achten, worüber er sich beschwert! Diese Grundregel ist in über 90% aller Fälle korrekt. Türken/Moslems z.B. beschweren sich über……… Rassismus Die Dummen über die angebliche………… Dummheit der Politiker Die Naiven werfen den Schlauen……… Naivität vor Die Antifa findet nichts so schlimm wie Intoleranz und verübt Anschläge auf Leute, die lediglich……. eine andere Meinung haben Die Verblendeten beschweren sich über die Verblendeten mit anderer (politischer) Meinung. Und, wie in dem Beitrag, sind die größten Rassisten die, die sich über Rassismus beklagen Die Liste ist lang, wenn man mal darauf achtet!

herbert binder / 07.08.2018

Wie gehe ich mit meinem Entsetzen um, sehr geehrter Herr Quencher, wenn ich solche Bezeichnungen lese, die Sie dem Körper und dem Aussehen eines Ihrer liebsten Wesen angedeihen lassen? Ist es tatsächlich so, daß der “gute” Zweck alle Mittel rechtfertigt, sie sogar heiligt? Kann es nicht vielmehr so sein, daß die launigen und lustigen, natürlich ganz anders gemeinten Bemerkungen ein immens wirkungsvolles “Gift” entfalten - auf Zeit? Ich stecke in einem großen Dilemma. Ihrer wunderschönen Tochter wünsche ich, daß Ihre Rechnung voll, d.h. ohne Rest, aufgeht.

armin wacker / 07.08.2018

@sigrid Miller Die persönliche Integrität ist eine Erfindung der Neuzeit. Sie ist dem Menschen Wesensfremd. Leute die man nicht berühren darf sind Ausgestoßene. Das gilt fuer alle Menschen.

Joe Haeusler / 07.08.2018

Wenn es am Argument fehlt, wird die Moralkeule raus geholt. Das ist die Wagenburg der Schwätzer und Selbstmitleidigen gegen das Pöhse in der Welt und die wohlfeile Erklärung des eigenen Versagens. An den Dämonen in sich Selbst kann es ja nicht liegen. Nach #Mimimi too + two wird #Mimimi drei und so weiter folgen. Da können sich die Journos aber wieder voll einbringen.

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