Man kann sich seine “Mitstreiter” in Sachen Politik selten aussuchen. Das weiß die SPD, die sich seit Jahren um einen Ausschluss Thilo Sarrazins aus der Partei bemüht, genauso wie die AfD, die in regelmäßigen Abständen mit unappetitlichen Entgleisungen ihres Rechtsaußen-Flügels zu kämpfen hat. Selbst die Grünen, wenn auch von der deutschen Presse eher stiefmütterlich behandelt, müssen sich noch heute gelegentlich für die früheren Aussagen einiger ihrer Parteimitglieder zum Thema Sex mit Kindern äußern.
Wo Parteien jedoch zumindest der Versuch der Abgrenzung, der Ausschluss unliebsamer Kollegen bleibt, ist das dem unorganisierten Bürger vorenthalten. Dies betrifft insbesondere das islam- und asylkritische Spektrum, das in seiner gesellschaftlichen Zusammensetzung kaum heterogener sein könnte und darüber hinaus in dieser Form ein sehr junges Phänomen darstellt.
Im positiven Sinne verhindert die fehlende Organisation eine allzu starke Zerfaserung eines politischen Spektrums, das wie kein anderes auf Zusammenhalt angewiesen ist. Ein Spektrum, das verdeutlichen muss, dass es keine Bewegung einer bestimmten Minderheit mit spezifischen Interessen ist, sondern eine bürgerliche Versammlung, die sich aus allen gesellschaftlichen Schichten speist, weil das Problem, das man aufgreift eben auch ein grundsätzliches ist, das die Gegenwart und vor allem Zukunft aller betrifft.
Im negativen Sinne bietet die fehlende Möglichkeit der klaren Organisation und Abgrenzung für den politischen Gegner eine prima Gelegenheit der mentalen Zwangskollektivierung. Der Zuordnung zu einer Gruppierung wider Willen und damit einhergehend der pauschalen Abqualifizierung und Verurteilung dieser Gruppierung.
Ärgerliche Steilvorlagen
Diese Praxis findet sich in der in der pauschalen Verurteilung der ostdeutschen Bevölkerung genauso wieder wie in der Gesamtbeurteilung der AfD als “rechtsextreme” Partei aufgrund einzelner Köpfe wie Höcke. Seit 2015 ist sie fester Bestandteil der medialen und politischen Agitation gegen jene, die sich dem Willkommens-Dogma nicht unterwerfen wollen. Darüber kann man sich (zurecht) echauffieren. Die fehlende Neutralität, das Ungleichgewicht in der Abbildung politischer Meinungen in der deutschen Medienlandschaft sollte immer wieder ins Gedächtnis gerufen und kritisiert werden. Es wird sich jedoch nicht ändern, so lange die Leute in den Redaktionen sitzen, die es aktuell tun. Umso mehr sollte der Fokus darauf liegen, keine Steilvorlagen zu liefern.
Insofern sollte der Ärger sich nicht mehr vorrangig gegen die Praxis gutmeinender Kollegen richten, Stories wie jene des Mitarbeiters des LKA, der bei Pegida demonstriert, fast schon dankbar aufzugreifen, um damit erneut zu verdeutlichen, aus welchen dümmlichen Idioten sich das islamkritische Spektrum angeblich zuvorderst speist.
Sie sind nicht mehr als Gefangene ihrer eigenen Ideologie, die sie tatsächlich glauben lässt, dass der pöbelnde LKA-Mitarbeiter eine größere Gefahr für die Freiheit und Sicherheit dieses Landes darstellt als die hunderttausenden Einwanderer aus den gewaltaffinsten und frauenfeindlichsten Regionen der Erde.
Wenn man seit Jahren dafür kämpft, das islam- und asylkritische Spektrum aus der Schmuddelecke zu hieven, deutlich zu machen, dass die Kritik aus der Mitte der Gesellschaft kommt und nicht vorrangig von bierbäuchigen Männern mittleren Alters mit Deutschlandmütze auf dem Kopf, dann ist ärgerlich, dass diese Steilvorlagen immer wieder geliefert werden.
Eine Haltung mit der man nichts falsch machen kann
Dabei ist doch klar, dass die Verunglimpfung durch Verhöhnung als zentraler Hebel gegen das islam- und asylkritische Spektrum genutzt wird. Vor allem bei der jüngeren Generation unter 30, bei der die Nazikeule aufgrund zeitlicher Distanz längst nicht mehr alleine wirkt. "Multikulti" oder "pro Refugee" ist entgegen aller Bekundungen jammernder Seenotretter immer noch hipp. Eine Haltung, mit der man im öffentlichen Beliebtheitswettbewerb nichts falsch machen kann.
Verstärkt wird dieses Bild nicht nur durch Werbung, Filme & Co. Nicht nur durch Künstler, die aus ihrer abgeschotteten Komfortzone heraus moralische Weisheiten verkünden, sondern vor allem durch die Gegenüberstellung mit den vermeintlich ewiggestrigen Spinnern auf der anderen Seite. Wer will schon zu jenen gehören, die mit dämlichem Anglerhut “Lügenpresse” skandieren, wenn man auch zu Jan Delay, Joko und George Clooney gehören kann?
Natürlich kann man sich auch hier wieder über die Oberflächlichkeit der Menschen beschweren und anbringen, dass es doch um so viel mehr geht, als um’s Gefallen. Aber der Mensch ist ein Herdentier. Für viele, insbesondere junge Leute, geht es um eine positive Rolle im großen Beliebtheitswettbewerb der Gesellschaft, in dem eben auch die vermeintlich richtige politische Haltung eine Rolle spielt. Und dabei gibt es ein Imageproblem weil die Glorifizierung archaischer Kulturen als moderner gilt als die Kritik an ihnen. Mit Pegida-Vokabular und peinlichen Outfits wird das auch so bleiben.
Und so wird der Pegida-LKAler ungewollt zum mahnenden Exempel. Seht her, was einem blüht, der es wagt, sich öffentlich zu den “bösen Rechten” zu bekennen. Man gehört dann nicht nur zu den “Peinlichen”. So ein “Bekenntnis” wird schon mal blitzschnell in die ganze Welt hinausposaunt und zur sozialen und beruflichen Stigmatisierung genutzt. Selbst die Kanzlerin äußert sich zu diesem Thema, während sie beispielsweise zum Mord an einem Offenburger Arzt durch einen Asylbewerber geflissentlich schweigt. Die Steilvorlage wird nicht nur in den Medien, sondern auch im Kanzleramt dankbar aufgenommen, um “Nachahmungstäter” auf alle Zeit abzuschrecken – "Bestrafe einen, erziehe hunderte" soll Mao einmal gesagt haben.
Es bleibt daher nichts anderes, als weiterhin deutlich zu machen, dass längst nicht nur der “typische” rechte Spinner Argumente gegen diese Politik vorbringt, sondern ein stetig wachsender Teil aus der Mitte der Gesellschaft, der einfach nur in Frieden leben will. Die Ewiggestrigen sitzen eigentlich längst im anderen Lager.