Annette Heinisch / 26.09.2018 / 13:00 / Foto: Pixabay / 17 / Seite ausdrucken

Kurzes Nachwort zu einer langen Geschichte

Wäre es nicht so traurig, dann wäre es fast lustig: Merkel entschuldigt sich! Nun ist es prinzipiell sehr löblich, sich für einen Fehler zu entschuldigen, darauf hatte ich ja auch schon hingewiesen, aber doch nicht dafür! Ihr Fehler und der Fehler ihres Pressesprechers war es zu behaupten, es hätte „Hetzjagden“ (sogar im Plural) in Chemnitz gegeben und sich darüber zu echauffieren.

Die zuständigen Behörden inklusive des Präsidenten des Verfassungsschutzes widersprachen dieser Tatsachenbehauptung ebenso wie der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Michael Kretschmer. Dennoch konnten sich Politiker speziell des linken Spektrums sowie maßgebliche Teile der deutschen Presse gar nicht beruhigen und schrieben sich in einen wahren Hype über die so furchtbar rechten Sachsen, die marodierenden Nazis im Osten. Je weiter sich „das Narrativ“ von der Realität entfernte, desto mehr Eigendynamik nahm es an.  

Nun muss man allerdings als Mindeststandard eines freiheitlichen, demokratisch verfassten Rechtsstaats erwarten können, dass die Kanzlerin und ihr Pressesprecher nur Tatsachen als offizielle Wahrheit verkünden, die nachweislich korrekt sind. Schließlich müssen sich Bürger darauf verlassen können, dass die offiziellen Stellen ihnen die Wahrheit sagen.

Ein wenig Amtsdeutsch würde nicht schaden

Diese müssen sich dabei eines eher neutralen, sachlichen Sprachstils bedienen, um nicht ihrerseits schwierige Situationen emotional aufzuladen und damit rationales Handeln zu erschweren. „Amtsdeutsch“ mag als literarische Gattung keinen guten Ruf genießen, hat aber, funktional gesehen, große Vorteile. Sowohl die Kanzlerin als auch ihr Pressesprecher haben grob gegen diese Pflichten verstoßen.

Umgekehrt haben die Vertreter der Sicherheitsbehörden pflichtgemäß gehandelt, als sie den Bürgern die wahren Tatsachen nannten, denn wie sollen Bürger sich vernünftig eine Meinung bilden, wenn man sie belügt? Dass die Wahrheit denen nicht passt, die von der Unwahrheit profitieren, liegt auf der Hand.

Merkel hatte in diesem Moment die – vielleicht sogar historische – Wahl, sich dazu zu bekennen, dass sie eben nicht geprüfte Behauptungen verbreitet und Bürger dieses Landes zu Unrecht verunglimpft hat. Sie hätte Vertrauen zurückgewinnen können. Die Größe und Klugheit hatte sie aber nicht, sie tat, was sie seit langem tut, nämlich dem eher links-liberal-grünen Spektrum in Politik und Presse weiter zu folgen. So wurde aus politischem Kalkül der Kopf des Boten der schlechten Nachricht gefordert. Hauptsache, die Story – der Kampf gegen Rechts – bleibt weiter am Leben, denn sonst müsste man sich den Themen ernsthaft widmen, die man einfach vom Tisch bekommt, indem man sie als „rechts“ oder „rassistisch“ diskreditiert. Das Wesen der Propaganda besteht darin, ein nützliches Narrativ zu finden, mit welchem man die Leute hinters Licht führen und damit seine Macht erhalten kann.  

Einfach nur Müll

Was Merkel und ihre Entourage verkennen, ist, dass diese Masche nicht mehr funktioniert, sie hat sich abgenutzt. Sie haben auch längst das Gefühl für das Volk verloren, und genau an diesem Punkt hilft eine Entschuldigung rein gar nichts mehr.

Wenn Merkel jetzt behauptet, sie habe sich zu sehr davon leiten lassen, dass die Funktionsfähigkeit innerhalb des Innenministeriums nicht gestört werde und dabei übersehen, dass es doch irgendwie ein Widerspruch ist, einen Mann wegen angeblichen Fehlverhaltens einerseits seines Postens zu entheben, ihn dann aber anderseits zu befördern, dann ist das einfach nur Müll. Die Funktionsfähigkeit des Ministeriums hat ganz offensichtlich niemanden in der Politiker-Runde interessiert, vielmehr sollte sich das Personal-Karussell drehen, dass einem schwindelig werden konnte. Die Fragen, ob das inhaltlich-fachlich passt oder ob man so mit Mitarbeitern umgeht, wurden nicht gestellt. 

Wenn aber weder Merkel noch Nahles merkten, dass man einen Menschen nicht zum Bösewicht stempeln und ihn dennoch befördern kann, dann können sie nicht einmal mehr bis zwei zählen. Sie sind ganz offenbar gefährlich überfordert auf ihren Posten und dazu noch völlig unbelehrbar. Dann hilft aber auch eine Entschuldigung nichts mehr, schon gar nicht, wenn sie so erkennbar als Masche eingesetzt wird.

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M. Haumann / 26.09.2018

@Gertraude Wenz: Derzeit versuchen wie zu erwarten diverse Akteure, Herrn Patzelts Reputation wegen seiner Bitte an die Kanzlerin um Klärung der verwendeten Begrifflichkeiten in den Schmutz zu ziehen. Sogar die Sturmgeschütze der DDR 2.0 Spiegel und Zeit haben nach der erfolgreichen Erlegung des Verfassungsschutzpräsidenten mit dem beliebten Halali “Nazi!” jetzt ein neues Wild zur Hetzjagd freigegeben. Der Schweizer Journalist Roger Köppel sieht Deutschland in einem neuen “umgekehrten McCarthy-Modus”, wo statt der früher bevorzugten Kommunisten jetzt in steigendem Blutdurst jeder als Neuer Rechter verfolgt wird, der nicht zu 100% auf Regierungslinie ist. Aber da inzwischen ein relevanter Teil des Landes zum Bösen übergelaufen ist, ist Herr Patzelt ja in guter Gesellschaft.

W.Schneider / 26.09.2018

Aber die Taktik des großen Ablenkungsmanövers hat doch funktioniert! Statt dass die Menschen über den ermordeten und die beiden schwerverletzten Deutschen durch längst abzuschiebende “Schutzsuchende” diskutieren, reden sie über eine unangemessene Beförderung von Herrn Maaßen. Und dann noch 2500€ mehr im Monat! WEs darf eben kein Schatten auf die Irrsinnspolitik von Frau Dr. Merkel fallen! Dafür darf sogar Feine Sahne Fischfilet gewaltverherrlichende Texte, mit freundlicher Unterstützung unseres Herrn Bundespräsidenten, zum Besten geben.

Walter Elfer / 26.09.2018

Bzgl. Personal-Karussell - mal angenommen, Horst hätte den Maaßen gleich längs geschoben. Dann kann man doch auch annehmen, dass die Sache damit mehr oder weniger schnell zu Ende wäre u. die SPD u. uns-Kanzlerin hätten quasi gewonnen. Also nur auf dem gegangenen krassen Weg war es möglich, den Stein ins Rollen zu bringen. Und wenn’s der Horst wirklich, also wirklich wirklich gewollte hätte, dann hätte er sich auch nicht auf nochmalige Gespräche eingelassen. War also eher Kalkül.

Gertraude Wenz / 26.09.2018

Lieber Herr Frankel, danke, dass Sie den Unterschied zwischen der “Entschuldigung” (sich selbst von Schuld lossagen) und der Bitte um Entschuldigung so fein herausgearbeitet haben. Wunderbar! Dieses selbstherrliche: “Ich möchte mich entschuldigen!”, ist mir auch schon seit langem ein Dorn im Auge, und ich konnte es auch zu oft nicht lassen, den sich selbst Entschuldigenden darauf maliziös hinzuweisen…

Ernst-Friedrich Behr / 26.09.2018

Sehr recht. Die Bürger müssen sich aber nicht nur darauf verlassen können, dass die offiziellen Stellen Ihnen die Wahrheit sagen, sondern auch darauf, dass die offiziellen Stellen ihre Entscheidungen ausschließlich an wahren Tatsachen und am geltenden Recht orientieren. Alles andere ist ein Betrug am Bürger, so wie er jetzt mit der offiziellen Verunglimpfung der Bürger der Stadt Chemnitz und darüber hinaus ganz Sachsens geschehen ist. Ein an sich schon unmöglicher Vorgang, der mit dem anschließenden “Abschießen” von Herrn Maaßen erst richtig absurd wurde. Denn Herr Maaßen hat als Leiter einer Bundesbehörde nichts anderes als seine Pflicht getan, als er die Kanzlerin und ihren Pressesprecher auf den Fehler in ihrer Wahrnehmung der Wirklichkeit hinwies. Und mit ihrer falschen, wahnhaft verzerrten Tatsachenwahrnehmung will die Kanzlerin und ihre Entourage das Land weiter führen? Es ist Zeit, dass sie alle gehen und uns in Ruhe lassen.

Herbert Frankel / 26.09.2018

Nur mal so ganz nebenbei: “Sich entschuldigen” ist m.E. eine unzulässige Verkürzung. Denn sich selbst von Schuld lossagen, also sich ent-schuldigen, geht in unserem “Kultur"kreis (noch?) nicht. Man kann m.E. nur um Entschuldigung bitten! Nämlich den (oder die) Adressaten der Bitte. Korrekt muß es also heißen “ich bitte ... um Entschuldigung”. Einer Bitte kann der Adressat dann nachkommen, oder auch nicht, das liegt allein bei ihm. Mir scheint aber, daß “sich entschuldigen” heute weitgehend schon gleichgesetzt wird mit einer automatischen Lossagung von Schuld (des “sich entschuldigenden”). Als habe er dann bereits keine Schuld mehr. Die Schuld wird er - frühestens - los, wenn sie ihm jemand nachgelassen hat.

Leo Hohensee / 26.09.2018

“Sie sind ganz offenbar gefährlich überfordert auf ihren Posten und dazu noch völlig unbelehrbar.” Diese Formulierung reicht nicht - die Ursache des Ganzen, die Lügen von Seibert und der Kanzlerin, hätten für eine Klarstellung angestanden und für eine Entschuldigung an Chemnitzern und den Sachsen. Aber Ihre “Durchlaucht” befand die begangene “Ordnungswidrigkeit” einer Entschuldigung für würdig. Himmel, was gibt es doch für Knoten in Denkapparaten !? So langsam schäme ich mich dafür, dass wir alle uns solch eine Verarsc…....g bieten lassen.

Gertraude Wenz / 26.09.2018

Apropos: Was ist eigentlich aus der Anfrage des Politwissenschaftlers Werner J. Patzelt an die Bundesregierung geworden, bitte ihre Beweise für Hetzjagden und Pogrome in Chemnitz offenzulegen? Im Sande verlaufen? Oder sucht man noch verzweifelt?

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