Lieber Herr Petersen, Sie verdrehen doch vollkommen, wer die Debatte fundamentalisiert hat. Es kamen doch nicht zuerst die, die sagten “wir wollen die EU nicht mehr.” Sondern es waren doch Angela Merkel, ihre Helfer und Helfershelfer in Politik und Medien, die auf sachliche Kritik geantwortet haben: “Europa oder Tod!” Ich finde die EU - ganz wie Sie - an und für sich auch ganz super und würde sie gerne - wie Sie - einfach in den wichtigen Punkten reparieren. Nur: Diese Wahl wird uns ja nicht gelassen. Wir haben ja heute Fundamentaleuropa. Wenn man Änderungen fordert, erklärt einen selbst die bürgerliche FAZ mittlerweile zum “Europafeind”. Mein persönlicher Kompromiß ist: Ich wähle dieses Mal die AfD. Aber wenn sich in den nächsten 5 Jahren nicht vieles bewegt in Europa (und damit meine ich nicht: “Ochs und Esel in seinem Lauf”, sondern “zurück zu dem Stand, bevor es proto-totalitär wurde”), dann werde ich nächstes Mal eine Partei wählen, die für Austritt oder Auflösung streitet. Manchmal muß man einfach auch erkennen, daß etwas, das lange gut war, nicht mehr gut ist. Verschimmelten Joghurt essen wir ja auch nicht… Denn Sie haben vollkommen Recht. Es geht um die Hauptsache: Freiheit, Frieden, Demokratie. Und davon haben wir in Europa in den vergangenen zehn Jahren nicht mehr, sondern weniger. Und die etablierten Parteien halten die Sternenfahnen hoch und marschieren unverdrossen voran.
@ Herrn Dipl.Kfm. Helge - Rainer Decke Wie heißt es schon in der Bibel? “Es ist alles ganz eitel!” Klar, nur Gebildete und Adlige (vor allem jene, die es nötig haben, dies immer a bisserl krampfig vor sich her zu tragen) verstehen kosmopolitische Zusammenhänge, sind Meister der Differenzierung, und träumen gerne davon, “Kenner” eines großen, übergeordneten Planes zu sein, den nur das “Füllhorn” der Ungebildeten nicht zu erfassen vermag. Deshalb fällt auch immer wieder auf, dass gerade die Arroganz-freien, gebildeten “Liebhaber der EU”, schon allein in ihren Beiträgen wesentlich substantiierter argumentieren, als die primitiven “EU-Hasser”. Aber don’t worry: Viele von denen “hassen” die EU nur deshalb, weil sie Europa so “lieben”!:-)
Sehr geehrter Herr Gerster, Gegenfrage: Wenn wir all die Probleme auch in Deutschland haben, warum brauchen wir dann Deutschland?
Sehr geehrter Herr Rabe, fair. Solange klar bleibt, dass die Integration also solche ein Wert an sich ist und dass es nicht hauptsächlich um Geld, sondern um den Frieden geht.
Sehr geehrter Herr Helger, vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich freue mich, dass Ihnen meine Beiträge (meistens) gefallen. Zu Ihren Punkten: “Sie fragen nach Alternativen? Gebe ich Ihnen gerne: 1. Nur noch ein Standort, Brüssel oder Luxemburg 2. Ersatzlose Abschaffung des EU-Parlaments (es handelt sich eh nur um ein Pseudoparlament ohne echte legislative Rechte) 3. Zurechtstutzen der EU-Kommission: Es gibt nicht mehr einen Kommissar je EU-Staat sonder nur noch Basiskompetenzen: Freier Binnemarkt, Verwaltung mit den Staaten, Menschenrechte (echte wären schön, also Datenschutz vor dem Fiskus, Gewerbefreiheit, Schutz des Eigentums etc. und nicht so ein Inklusionsquatsch). Alles weitere ist NATIONAL zu entrichten. 3a. KEINE Gesetzgebungskompetenz der Kommission über die nationalen Parlamente hinweg (aktuell werden Verordnungen direktes Gesetz in den Mitgliedsstaaten). 4. Ein Hard Cap aller Verwaltungskosten auf EUR 100 Mio. p.a. - Wer viele Assistenten in seinem Stab möchte, soll die bitte selbst bezahlen. 5. Regelmäßige Plebiszite über wesentliche Bestandteile der Politik auf EU- und nationaler Ebene (analog der Schweiz).” Über alles das kann man reden, muss man vielleicht auch reden. Vielleicht hat die EU zu viele Standorte? Möglich. Sicherlich ist die Kommission zu groß. Die Idee einer Deckelung der Verwaltungskosten erscheint mir spontan überlegenswert. Sehr skeptisch bin ich bei den Punkten Abschaffung des EU-Parlaments und den regelmäßigen Plebisziten, aber auch das sind legitime Diskussionen. Gegen diese Art der Kritik habe ich gar nichts, denn sie ist ja konstruktiv. Worum es mir geht: Wir haben es mit 28 Ländern zu tun, die nach Jahrhunderten schrecklicher Kriege glücklicherweise beschlossen haben, künftig gemeinsam durch die Geschichte zu gehen. Das bedeutet, dass man immer wieder Kompromisse finden muss, mit denen alle 28 Länder leben können. Das bedeutet auch, dass praktisch immer alle mit diesen Kompromissen unzufrieden sind. Frankreich will nicht auf Straßburg als Parlamentssitz verzichten. Blödsinnig. Malta besteht auf einen eigenen EU-Kommissar. Ärgerlich. Aber darf man das Ganze deswegen platzen lassen? Griechenland will seine Krise mit deutschem Geld abmildern. Verständlich aber dreist. Deutschland will nicht helfen? Verständlich, aber riskant. Wenn nun jeder Akteur wie auf dem Spielplatz auf seiner Position besteht: “Du bist tot, oder ich spiel’ nicht mehr”, geht die Sache schief - zum Nachteil aller. Also müssen wir uns, so schwer es auch fällt, wieder und wieder zusammenraufen. Es gibt keine Alternative? Natürlich gibt es eine, nämlich eine blödsinnige: Den Rückfall in den nationalen Egoismus, der von diversen Akteuren zurzeit propagiert wird. Und den können wir uns auf diesem kleinen Kontinent nicht leisten.
Sie haben recht, aber die EU sollte sich mal um die Hauptsachen kümmern: Eine gemeinsame Armee, eine gemeinsame Verteidigungs- und Außenpolitik (gerade die Ukraine-Krise macht deutlich, dass die EU in jetziger Form ein Witz ist), eine Diskussionen über die Form des europäischen Regierungssystems, eine Regelung über die geregelte Insolvenz von Mitgliedern der EU, eine europäische Amtssprache. Und das alles deomkratisch und transparent. Den Rest kann jeder Staat für sich selbst entscheiden. Stattdessen kümmert sich die EU um Petitessen, die nur ein paar Lobbyisten und im echten Leben gescheiterte Politker interessieren, aber nicht die Bürger. Eine Diskussion über die oben genannten Punkte findet in der Öffentlichkeit nicht statt, die wirklich wichtigen Entscheidungen und Schritte werden vermieden oder hinter verschlossen Türen getroffen. So gewinnt man sicherlich nicht das Wohlwollen der Bürger.
Die EU ist von Beginn an leider eine Fehlkonstruktion weil ihre Konstrukteure glaubten, es sei möglich, durch wirtschaftliche Anreize ein solidarisches europäisches Staatsvolk von oben her zu schaffen. In guten Zeiten sah das aus, als könne das gelingen, aber in schlechten Zeiten (wie heute) brechen die alten Ressentiments zwischen den Völkern wieder auf und die Völker fühlen sich durch wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen dominiert bzw. vergewaltigt, das Gefühl der Gemeinschaft geht verloren. Echte Solidarität mit allen Konsequenzen kann sich nur in einem Gemeinwesen entwickeln, das sich in einem demokratisch zustande gekommenen gemeinsamen Gründungsakt als europäisches Staatsvolk konstituiert und als europäische Nation bereit ist, alle Vorteile und Lasten ihrer staatlichen Vereinigung gemeinsam zu tragen, wie dies die Vereinigten Staaten von Amerika im 18. Jahrhundert taten. Insofern benötigt die EU in einer nicht zu fernen Zukunft eine Rückabwicklung und einen Neuaufbau von Anfang an, beginnend damit, dass sich die EU als politische Union auflöst und anschließend in direkter Folge z.B. Frankreich, Deutschland und Benelux sich durch Volksabstimmungen zu einem Staat mit der Hauptstadt Brüssel (einschließlich Übernahme des Verwaltungsapparats der aufgelösten EU) zusammenschließen, sich eine gemeinsame Verfassung geben und den übrigen EU-Mitgliedern je nach Eignung den Beitritt auf der Grundlage dieser Verfassung anbieten, so wie es die Bundesrepublik Deutschland der DDR seinerzeit angeboten hat. Die Völker, die zu diesem Zeitpunkt dazu noch nicht bereit sind, können durch Assoziierungsabkommen mit dieser europäischen Nation zusammenarbeiten und evtl. nach und nach über längere Zeiträume hin beitreten oder nicht.
Wenn das Ziel ist, die EU frei von nationalen Egozentriken zu gestalten, dann sollten doch auch die dem überzogenen französischen Chauvinismus zugestandenen Privilegien für Frankreich abgeschafft werden. Solange allmonatlich das EU-Parlament für eine Woche nach Straßburg umzieht und damit Steuergelder, Arbeitszeiten und Energie sinnlos verschwendet werden, vermag ich nicht nachzuvollziehen, daß die von Ihnen genannten Ziele ernsthaft angestrebt werden. Ich habe eher den Eindruck, daß die EU vielen Mitgliedsstaaten dazu dient, die eigenen nationalen Interessen zu verfolgen - zu Lasten derjenigen Mitgliedsstaaten die tatsächlich noch diesem schönen Traum nachhängen.
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