Thilo Schneider / 08.10.2021 / 16:30 / Foto: Timo Raab / 37 / Seite ausdrucken

Klartext einer nonbinären lesbischen Transe

Heute weiß keiner mehr, was er ist oder was er will. Wie der junge Mann, der sein schweres Schicksal als mutmaßliche Transgender-Lesbe schildert.

Ich sollte das wirklich lassen, noch vor dem Aufstehen in Twitter herumzublättern. Weil ich danach meistens das Bedürfnis habe, mich sofort wieder hinzulegen. Weil sie alle – ALLE – wahnsinnig sind.

Zum Beispiel der da: Ein junger Mann mit orange-roten Haaren, passend zur Farbe seiner Bionade, sitzt in einer Art Bar herum und verkündet wie folgt: „Ich hab mir früher eingeredet, dass ich schwul bin!“ Oha. Ich habe mir früher eingeredet, dass es beim Tanzen genügt, wenn nur einer eine Erektion hat. Dazu stehe ich auch heute noch. Aber es wird noch besser kommen!

Jetzt wird in dem Filmchen ein süßes Briefkuvert geöffnet, in dem ein Zettel mit der Beschriftung „L für lesbisch“ liegt. Aawhhh. Der junge, sehr gepflegte Mann schildert nun seine wahrhaft deprimierende Geschichte:

„Das ging sogar so weit, dass ich einen Typen gedatet hab. Wir haben uns getroffen, in Cafés, gequatscht. Und dann bin ich immer nach Hause und hab mir einen runtergeholt. Aber irgendwie hat das dann nicht so wirklich geklappt ...“

Gut, das kenne ich umgekehrt. Das Palmwedeln davor war gelegentlich besser als der Sex danach, der dann doch manchmal ziemlich enttäuschend war. Man baut da ja auch eine Erwartungshaltung auf. Ähnlich wie bei den Schnellrestaurants. Man sieht die leckeren Bilder von den Burgern, und wenn das Teil dann über den Tresen geht, folgt die große Ernüchterung, obwohl man ja eigentlich hungrig ist. Aber weiter im Text des jungen Burschen:

„… weil er war halt wirklich straight (Anm. des Übersetzers: heterosexuell) und ich hatte gar keinen Crush auf ihn … (Anm. des Übersetzers: Hat mich nicht scharf gemacht)“

Substanzloses Schlangengewürge

Übel. Unser junger Freund würgt den Aal hinten und vorne und es passiert nix. Weil er den anderen Typen nicht geil findet. Wie traurig. Aber Wunder isses keines, denn: „…sondern mir das alles nur eingeredet.“ Ja, blöd. Er dachte, er sei schwul, aber er ist es nicht. Und dafür das substanzlose Schlangengewürge. Ärgerlich. Da hat er sich quasi selbst die Zeit gestohlen. Das würde mich auch nerven.

„Aber ich hab halt gewusst, ich bin queer… (Anm. des Übersetzers: schräg)“ Doppelfehler: Sich für schwul halten, aber es nicht sein, ist schräg. „…und dann dacht‘ ich, ich müsste auf Männer stehen…“ So ist es. Sonst wärst du ja nicht schwul, junger Padawan! Sonst wärst du einfach ein heterosexueller Cis-Pfosten mit einer dämlichen Haarfarbe, die dich für Frauen so attraktiv wie ein Verkehrshütchen macht. Es muss also eine Lösung her!

„Und erst später hab ich dann gecheckt: Ich bin zwar queer…“ Nein, im Ernst, diesmal hat er sich nichts eingeredet, dochdoch, ganz ehrlich! „…aber ich bin halt kein schwuler Cis-Mann… (Anm. des Übersetzers: ein homosexueller Mann, der im Körper eines Mannes geboren ist), sondern ich bin einfach ´ne nicht-binäre, transfeminine Lesbe (Anm. des Übersetzers: Was? Was?).“

„Ich hab das nur nicht so schnell gewusst…“  Klar, auf sowas muss frau ja erstmal kommen, sowas lernt man nicht in der vierten Klasse Sexualkunde. Gottseidank! „…weil ich keine Vorbilder hatte.“ Ja, das ist verständlich. In welchem Film geht es auch schon um nichtbinäre, transfeminine Lesben? Also, außer in Pornos? „James Bond“ und „Terminator“ fallen jedenfalls als Vorlage aus. Am nächsten dürfte noch „Captain Jack Sparrow“ oder Boy George kommen. Schwierig. Nicht, dass sich der Karottenkopf nicht bemüht hätte, aber: „Die Trans-Frauen, die es gab, waren alle Mordopfer in Krimiserien!“ F*ck, beziehungsweise eben nicht f*ck. Wer will schon etwas mit ermordeten Transfrauen anfangen? Das wäre Nekrophilie, und er kann sich ja beim Sex nicht totstellen oder in der Leichenhalle anfangen. Sowas kommt erst später, in der Ehe. Da war jetzt guter Rat teuer:

„…und Trans-Lesben gab´s ja sowieso überhaupt keine!“ Ja, wie doof. Niemand will eine Trans-Lesbe sein. Und die echten Lesben können nicht so gut auf Penisse. Zumindest auf solche, an denen hintendran ein Mann hängt. Auch, wenn es eine Frau in einem Männerkörper ist. Ein Teufelskreis! Oder Teufelsständer. Wie auch immer. „Und für alle, die es immer noch nicht gecheckt haben…“, wie beispielsweise mich und Sie, liebe Leserin und lieber Leser, weil wir nämlich verdammte Nazis sind, „Lesben gibt’s nun auch als Transgender!“ Kapiert? Ja? Dann Ruhe im Glied, Ihr Maden, denn „…und gab es schon immer!“

Regenbogenumkränzte Einhornweiden

Ich wüsste gerne, ob das funktioniert. Weil Ens ja ein Ens braucht, das auf Ens steht. Das wird da mit der Partnersuche nicht einfach. Immerhin muss als Gespielens ja ebenfalls eine nicht-binäre, transfeminine Lesbe gefunden werden. Oder ein nicht-binärer, transmaskuliner Schwuler. Also, ein Mann, der auf Männer steht, aber in einen und einem Frauenkörper steckt. Die gibt es nicht in der familienfreundlichen 20er-Packung bei Tinder. Und regenbogenumkränzte Einhornweiden sind bestenfalls in Glaucha in so manchem queerfeministischen Wohnprojekt zu finden.

Ich selbst war als junger Mann auch eher der feminine Typ. Wenig Muskeln, viel großes Maul. Weswegen ich bei so manchem Knäuel auf dem Schulhof zweiter Sieger blieb. Aber ich wäre niemals – niemals – auf die Idee gekommen, eine lesbische Frau in blöderweise einem Männerkörper zu sein. Allerdings – das war ja auch Mitte der 80er, als wir uns noch sorgten, dass die 6. Sowjetische Stoßarmee durch den Fulda-Gap huscht. „Ich bin Soldat, ich könnte morgen tot sein“ war jedoch ein viel besseres Argument als „ich bin eine nichtbinäre transfeminine Lesbe und du willst ja wohl kein Nazi sein“. Also, zumindest hat das damals ganz gut funktioniert.  

Nun, wir haben 2021 und keiner weiß mehr, was er ist und was er will. Und obwohl „selber machen“ viel nachhaltiger und risikoärmer und klimaschonender ist als „es zu zweit machen“, ist es doch auch irgendwie traurig, allein mit gefärbten Haaren und gemachten Fingernägeln bei leckerer Bionade in der Bar zu sitzen.

Also, Ihr Lesben und Cis-Frauen: Hier ist Euer Hauptgewinn! Eine Lesbe mit einem Penis. Oder, wie wir alten weißen binären Cis-Männer sagen: ein Heterosexueller. Mit schönen Fingernägeln.

(Weiterer mega-sexueller Kram des Autors unter www.politticker.de)  

 
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Foto: Timo Raab

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Christian Feider / 08.10.2021

tjaaa,so als alter weisser Cis-Hetrosexueller Mann hab ich den groben Fehler gemacht und das verlinkte Einstiegsvideo angeklickt   .....:) ungelogen,ich habe es 10 sekunden ausgehalten und DANN habe ich an Douglas Adams gedacht und an das havarierte Raumschiff bei “per Anhalter durch die Galaxis”, mit dem ein ganzer vorher unglücklicher Planet all seine Sorgen auf einen Schlag los wurde,die wir dafür in dem Roman erhalten haben….. also,liebe Forscher-nde der Raumfahrt….könntet Ihr bitte auch drei Archen für die Weltbevölkerung konstruieren,und in die erste stecken wir die ganzen Exemplare wie in dem Video,dazu die ganzen Gotteskrieger und Wüsten-Götter-Anbeter, damit sie schon mal vorfliegen und für uns den naechsten Planeten einrichten könnten? Wär doch für alle die beste Lösung,wir streichen die erste Arche gern auch in rosa und geben Limonade mit :)

Frances Johnson / 08.10.2021

Ich bin so froh, dass Woody Allen Hannah und ihre Schwestern 1986 gemacht hat, sonst wäre all das in dem Film 1986 ist Mickey (Woody Allen), der nicht glücklich ist erst schwer krank, dann katholisch, was seine jüdischen Filmeltern zu Schreikrämpfen bringt, dann ein Hindu, und schließlich will er sich erschießen, schießt jedoch daneben. Das kann man sehr komisch finden, auch, dass er laut medizinischer Diagnose steril ist, dann aber die richtige Frau trifft und ein Kind zeugt - happy end. Das heute ist eine zunehmende Orientierungslosigkeit mit einigen erschütternden Frontberichten. Go look Hannah, Schneider, Barbara Hershey ist ein Gedicht in dem Film, Allen ein komischer Wahnsinniger, Michael Caine ein wahnsinnig gut gespielter Vollidiot und Mia Farrow eine alternde Schnepfe und Hypermutti. Dianne Wiest als Osterei für Mickey, Maureen O’Sullivan als hysterische Alte und Max von Sydow als verbiesterter Intellektueller bereichern das Szenario. Danke für den Frontbericht.

Klaus Biskaborn / 08.10.2021

Das Wohnprojekt hat es mir angetan, einfach herrlich diese völlig verqueren Bewohner. Leid tut mir allerdings das Kind. Was mich interessieren würde, wovon leben die, wer zahlt dort die Miete? Was mich ängstigt, eine hat wohl Lehramt studiert eine andere noch dabei, so genau will ich es gar nicht wissen, nur, so etwas wird dann auf unsere Kinder losgelassen, die wollen Kindern etwas beibringen. Unfassbar was dabei rauskommt!

rei svager / 08.10.2021

ein penismann fühlt sich als frau. also läßt er sich zur frau stylen (operieren). aus ihrem penis läßt sie sich einen respektablen dildo (auf eichenholzplatte) präparieren.  und margreth wildblood macht damit in den angesagtesten clubs von new york ihr egosex happening. nur blöd, daß ihr das teil gestohlen wird und über umwege beim institut für orgasmusforschung landet ..... aus dem buch von robert anton wilson - das universum nebenan- 1979 .....

Frank Baumann / 08.10.2021

Schöne Zusammenfassung :“Weil sie alle – ALLE – wahnsinnig sind.” Aber sagen Sie mal einem Wahnsinnigen, daß er wahnsinnig ist. Da wird es schwierig. Vor allem, wenn der Wahnsinn bereits zur allgemeingültigen Staatsdoktrin, ersten Bürgerpflicht und einzig zugelassenen Meinung geworden ist. Dann sind SIE nämlich der Wahnsinnige, was sofort zu beweisen ist, weil eben Staatsdoktrin, einzig zugelassene Meinung und das überall nachzulesen ist. Ich habe schon vor knapp 20 Jahren auf diese bizarren Fehlentwicklungen hingewiesen und wurde dafür im Bekanntenkreis durchgehend belächelt, da dies immer nur eine “Einzelmeinung” und keinesfalls zu generalisieren, geschweige denn durchzusetzen sei. Zudem sollte ich doch toleranter werden. Als Resultat existiert dieser Bekanntenkreis nicht mehr, ein verschmerzbarer Verlust. Ich hab zwar mit allen Prognosen Recht gehabt, aber wen interessiert das schon. Haltung ist schließlich alles was zählt.

Markus Kranz / 08.10.2021

In der ganzen Zeit hätte er schon dreimal ins Fitness Studio rennen können und ein paar hübsche Schultern/Muskeln antrainieren können. Denn, Überraschung, darauf stehen bisexuelle (30%) & heterosexuelle (70%) Frauen viel mehr als auf dummes Gequatsche. Wer als Mann/Frau ernsthaft so blöd ist, sich auf 0.1% der Bevölkerung als potentielles Weibchen zu stürzen, der muss sich nicht wundern, wenn er alleine mit Bionade am Tresen sitzt und das nett lächelnde Mädchen daneben nicht bemerkt.

Wiebke Ruschewski / 08.10.2021

Manche Kommentare zu dem Filmchen sind sehr amüsant. Bezeichnend ist auch jener Kommentar eines Homosexuellen, der ausdrücklich darauf hinweist, dass die Mehrheit der Schwulen mit diesem Gedöns auch nichts anfangen kann. Ich hätte noch vor einigen Jahren wahrscheinlich gesagt, dass der junge Herr vermutlich einfach nur eine Wette verloren hat. Dass es sich demnach wohl um einen Scherz handelt. Mittlerweile bin ich mit solchen Aussagen weit vorsichtiger! Also… no comment!

J.G.R. Benthien / 08.10.2021

DANKE! Ich bin zwar nicht ganz schlau geworden (weil ich keine Ahnung von dem Krempel habe), habe aber Tränen gelacht!

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