Die Ampelkoalitionäre wollen „klimaschädliche Subventionen“ abschaffen. Dazu zählen unter anderem Dieselprivileg und Pendlerpauschale. Da geht noch was, meint unser Autor. Ein Fahrbericht.
Vor einigen Tagen auf der Autobahn: normales, also dichtes Verkehrsaufkommen, dazu die üblichen verwaisten Baustellen, Tempo-60-Abschnitte aufgrund maroder Brücken und Spursperrungen wegen irgendwas. Trotz Stau im Berliner Stadtverkehr beim Losfahren prallten wir nach nur zwei Stunden und 40 Minuten an der Raststätte Garbsen Nord auf.
Das macht für die ersten 300 Kilometer einen Schnitt von rund 115 km/h – kein schlechter Wert unter den heutigen Umständen am Wochentag zur Hauptverkehrszeit. Möglich wurde er, weil wir auf Teilstrecken halbwegs zügig unterwegs waren, irgendwo zwischen 170 und 210 km/h. Das Produkt deutscher Ingenieurskunst zeigte sich trotz der flotten Einlagen genügsam, fand ich. 8,7 Liter pro 100 Kilometer meldete der Bordcomputer.
Eine spontane Aufwallung von Dankbarkeit ließ mich zum Shell-V-Power-Rüssel greifen. Das Biest soll nicht leben wie ein Hund. Auf dem Display der Zapfsäule erschien der Literpreis: 2,32 Euro. Irre, dachte ich, beinahe surreal. Aber irgendwie auch lustig und eine prima Einstimmung auf kommende Zeiten. Also gönnte ich uns den Champagner unter den fossilen Kraftstoffen.
77 Euro für 33 Liter
Die kleine Frau war gerade nicht empfänglich für Humoriges und nannte meine Futterwahl „bescheuert“. Die sogenannten Premiumsorten seien nicht besser als Superbenzin, das habe sie gelesen. Ich lächelte in mich hinein, still und nachsichtig. Was wissen Mädchen, gleich welchen Alters, schon von Männerangelegenheiten? Festool ist besser als Makita, ein Pick-up geiler als ein SUV, und 100 Oktan sind mehr als 95.
Heimlich prostete ich dem Biest mit dem Zapfhahn zu. Anschließend machte ich mich auf in Richtung Kassengebäude, um den Bruttoschaden zu begleichen. Nach Rückkehr gestand ich versöhnlich zu, 77 Euro für 33 Liter Sprit seien möglicherweise beknackt. Aber lange nicht so beknackt wie 280 Euro für eine „7 For All Mankind“-Jeans. Außerdem sei Super das neue Normal, V-Power das neue Super und irre das neue Rational.
Die Angetraute bekräftigte ihre allgemeine Einschätzung meiner Persönlichkeit („bescheuert“) und legte Wert auf die Feststellung, sie habe „7 For All Mankind“ immer nur abgesetzt erworben und überhaupt noch nie im Leben eine Denimhose für 280 Euro gekauft. Die folgenden Kilometer verliefen kommunikativ sparsam und waren thematisch auf Fragen der Temperaturregelung beschränkt. Ich hatte Zeit zum Nachdenken.
Ist das Klima gesund, freut sich der Mensch
Diesel wäre 44 Cent billiger gewesen als V-Power. Ich hätte also bei 33 Litern knapp 15 Euro gespart. Andererseits hätte ich im Anschluss wohl das gesamte Einspritzsystem plus Katalysator austauschen lassen müssen. Mein Gefühl sagt mir, das wäre teurer geworden als die 15 Euro V-Power-Aufschlag. Eine gute Nachricht, fand ich. Ich verzichtete darauf, sie der kleinen Frau mitzuteilen.
Der Dieselpreis beschäftigte mich. Die angehenden Ampelkoalitionäre hatten in ihrem Sondierungspapier angekündigt, „klimaschädliche Subventionen“ abbauen zu wollen, um „finanzielle Spielräume“ zu schaffen. Ich finde das prinzipiell in Ordnung. Als Anhänger der Marktwirtschaft stehe ich wettbewerbsverzerrenden Subventionen grundsätzlich skeptisch gegenüber. Außerdem ist Klima bekanntlich wichtiger als alles andere, daher gilt in Anlehnung an eine alte Kitekat-Weisheit: Ist das Klima gesund, freut sich der Mensch. Der Planet nicht minder, denn was wäre er ohne Klima und Mensch? Genau, ein Planet.
Ich gebe zu, mir war zunächst nicht klar, was alles zu den Killer-Vergünstigungen zählt. Gut, dass aus dem Lager der Baldregierenden in den letzten Wochen Aufklärung kam. „Klimaschädliche Subventionen“ sind neben anderen die „Dieselsubvention“ und die Pendlerpauschale.
Wuschelpeter und die Pendlerpauschale
Pendlerpauschale kennen Sie aus Funk und Fernsehen. Ein höchst kompliziertes Finanzinstrument, das kein Planetenbewohner erklären kann, nicht einmal der selbsternannte künftige Finanzminister R. Habeck. Der Wuschelpeter im Interview: „Oder wird die dann …? Das weiß ich gar nicht.“
Ist nicht schlimm, finde ich. Ich weiß auch vieles nicht. Zum Beispiel, dass es bisher eine „Dieselsubvention“ gab, die es nun abzuschaffen gilt. Deshalb hatte ich die obskure Förderung gegoogelt und dabei gelernt, wie es sich in Wahrheit verhält mit dem Diesel und manch anderem. Das Umweltbundesamt erkennt da ein Einsparpotenzial von locker 65 Milliarden Euro pro Jahr.
Der Grundgedanke ist, dass dem Staat – naturrechtlich gesehen – alles zusteht, was die Untertanen erarbeiten. Das ist logisch. Wofür sonst bräuchte der Staat das lästige Volk? Was die Herrschaft dem Bürger zum Wohle des großen Ganzen abnimmt, nennt man „Steuern“. Diese Abgaben dienen einem guten Zweck, nämlich der Arterhaltung von Politikern und Beamtenschaft. Was übrig bleibt, wird zur Ruhigstellung wieder unters Volk gestreut, damit es nicht über die Zäune der Herrschaft klettert.
Diesel tanken ist wie Hartz IV
Wenn die Steuern hoch sind, ist das erstens normal und zweitens kulant, solange die Obrigkeit nicht alles nimmt, was sie nehmen könnte. Und wenn bestimmte Dinge nicht ganz so hoch besteuert werden wie andere, handelt es sich um ein Bonbon, ein Geschenk, eine Wohltat – kurz, eine Subvention. Die kommt von lateinisch „subvenire“, was so viel heißt wie „zu Hilfe kommen“ oder „unterstützen“.
Wenn ich also Super oder V-Power tanke, erlaubt mir meine Regierung, die geltende Normsteuer abzuführen – egal, ob der Liter je nach aktueller Gnade zwei, drei oder fünf Euro kostet. Der Selbstzünder-Pilot, der an der Säule nebenan seinen Stinkstoff zu einem geringeren Steuersatz zapft, empfängt hingegen staatliche Stütze. Diesel tanken ist im Grunde wie Hartz IV.
Das also ist die „Dieselsubvention“. Und wer die Dieselsteuer auf das Niveau der Benzinsteuer anhebt, schafft diese schlimme Subvention ab. Im Prinzip sehr gut nachvollziehbar. Klar, manch ewig Gestriger mag einwenden, es handle sich gar nicht um eine Subvention. Es wird schließlich nichts dazugegeben, sondern nur etwas weniger weggenommen. Deshalb sei die Streichung des „Dieselprivilegs“ nichts anderes als eine Steuererhöhung. Den Unterschied könnte man auch beseitigen, indem man die Benzinsteuer in Richtung Dieselsteuer absenkt. Das ist natürlich Quatsch. Dann würden ja beide Kraftstoffe subventioniert. Sie sehen, nachdenken hilft. Beziehungsweise umdenken.
„Dem Staat entgeht so viel Geld“
Die aus der Anhebung der Dieselsteuer resultierenden staatlichen Mehreinnahmen sind nur ein zufälliger Nebeneffekt. Außerdem ist der Kampfbegriff „Mehreinnahmen“ übles Framing von rechtsaußen. Tatsächlich handelt es sich nach moderner Staatslehre nicht um zusätzliche Erlöse, sondern um den fälligen Ausgleich staatlicher Verluste.
Bereits 2017 jammerten zum Beispiel die „Tagesschau“-Faktenfinder: „Dem Staat entgeht so viel Geld.“ Denn „durch die Vergünstigung an der Zapfsäule gehen dem Staat derzeit jährlich etwa 8 Milliarden Euro an Energiesteuer verloren“. Gleiches gilt für die Pendlerpauschale, „durch die der Staat jährlich auf etwa 5,1 Milliarden Euro verzichtet“. Wir reden also in beiden Fällen über ein großzügiges Entgegenkommen des Staates, das er selbstverständlich und nach Belieben jederzeit einkassieren kann.
Wer darin eine Extrabelastung des Einzelnen sieht, hat das neue Denken nicht verstanden. Nicht Mimimi über die Abgabe ist angebracht, sondern Freude über das Verbliebene. Speziell den durch eventuelle Streichung von Dieselsubvention und Pendlerpauschale doppelt gewemsten Arbeitnehmern sei hiermit angeraten: Einfach mal die Froschperspektive verlassen und nicht immer nur an sich selbst denken.
Schluss mit der Loser-Subvention!
Ich persönlich finde, beim Abbau von klimaschädlichen Subventionen ist noch viel mehr drin. Nehmen wir zum Beispiel die Einkommensteuer. Leistungsträger drücken in der Spitze 42,5 oder sogar 45 Prozent ihres zu versteuernden Einkommens an den Staat ab. Plus Soli plus gegebenenfalls Kirchensteuer. Bezieher niedriger bis mittlerer Einkommen hingegen werden vom Staat mit Steuern zwischen null und 20 Prozent gehätschelt.
Dabei handelt es sich um nichts anderes als eine Loser-Subvention, nüchtern betrachtet. Es ist allgemein bekannt, was die Minderperformer mit dem von der Regierung geschenkten Geld machen. Sie fliegen zum Ballermann, verkohlen Ferkel mit Einweggrills von der Nachttanke und trampeln bei illegalen Partys die CO2-vertilgende Vegetation im Stadtpark platt. Kurz, sie ermorden das Klima. Und niedliche Babyschweine.
Weiter geht’s: Warum werden Avocados aus Peru, „Flugmangos, genussreif“ und Taxifahrten durch geminderten Mehrwertsteuersatz begünstigt? Warum gewährt der Staat Kindergeld, statt die kleinen Bratzen angemessen zu besteuern? Jeder neue Erdenbürger ist schließlich Teil des Problems und nicht der Lösung. All diese und noch viel mehr klimaschädliche Subventionen gehören abgeschafft. Man muss das Umdenken nur ein bisschen weiterdenken.
Off-topic und typisch Frau
Auf Höhe der Anschlussstelle Herford/Bad Salzuflen hatte ich zwecks atmosphärischer Aufhellung begonnen, meine Erkenntnisse zur modernen Staatslehre der kleinen Frau zu vermitteln. Kurz vor dem Kamener Kreuz war ich bei Tierfutter und Hundesteuer angelangt. „Wusstest du, dass ein durchschnittlicher Haushund bis zum Ableben 8,2 Tonnen CO2-Emissionen verursacht?“ Die Beifahrende schwieg.
Ich setzte nach: „Das entspricht dem Treibhausgas-Ausstoß von 13 Hin- und Rückflügen Berlin–Barcelona. Oder 78.200 Autokilometern. Macht ungefähr 120 Fahrten zwischen Berlin und Bonn.“ Endlich, die Gefährtin sprach: „13-mal Barcelona? Gerne. Aber ich werde in meinem Leben nicht 120-mal von Berlin nach Bonn fahren. Oder umgekehrt.“ Der genaue Wortlaut des folgenden Gedankenaustausches ist strittig. Es gibt Behauptungen, wonach toxisch-männliche Begriffe wie „off-topic“ und „typisch Frau“ gefallen sein sollen.
Unstrittig ist, dass wir anschließend einvernehmlich den Konsum neutralen Entertainments beschlossen. Am iPhone rief ich einen vergangenen Lanz-Talk auf. Apple Car Play sorgte für Übertragung ins Biest-Soundsystem.
Biest nicht mehr auf 180, dafür die Frau
Wir lauschten einer „Klima-Aktivistin“ namens Carla Reemtsma (hier ab Minute 36:02). Das wohlversorgte Freitagskind aus dem Tabakimperium stößt im Sturmgewehr-Stakkato null Prozent Ahnung und 100 Prozent Überzeugung aus. Warum schmerzfreie Schnattermaschinen eine öffentlich-rechtliche Bühne erhalten, weiß ich nicht. Aber ich war froh darüber. Ich hatte die Sendung mit Bedacht gewählt.
Der beabsichtigte Effekt trat ein. Im Raum Köln war das Biest längst nicht mehr auf 180, dafür die kleine Frau. Die gute Nachricht war, sie hasste nicht mehr mich, sondern Radicarla. Die restlichen 30 Minuten Fahrtzeit verbrachten wir in kontemplativer Stille. Gegen 19 Uhr erreichten wir den Edeka-Parkplatz in Bonn-Endenich, eine satte Stunde vor der ursprünglichen Google-Maps-Prognose. Ich flüsterte ein kurzes Lindnerunser und dankte den Liberalen für die kommenden (wohl letzten) vier Jahre ohne allgemeines Tempolimit.
Im Supermarkt geschah das Missgeschick. An der Auslage mit Roma-Cherry-Dattel-Cocktail-Rispen-Strauch-Tomaten griff ich daneben. Aufgrund irreführender Beschilderung erwarb ich eine 250-g-Packung Nachtschattengewächse zum Kilopreis von 17,80 Euro. Und das, ich gebe es zu, das war nun wirklich bescheuert.