Bei den Grünen läuft es nicht rund. Ihr strahlender Held strauchelt, in Umfragen geht es abwärts. Dabei ist es so wichtig für das Land, dass die Partei nicht schwächelt und bei ihrer Linie bleibt.
Es hätte so schön sein können. Feine Reisen machen, interessante Leute kennenlernen, jede Woche ein Verbot beschließen und die Welt retten. Kurz, regieren mit Lust und nach Laune. Ihr hattet es verdient, liebe Grüne. 2018 seid ihr mit zwei Unbekannten in der Parteispitze angetreten, wenige Jahre später bestimmt ihr mit 15 Prozent der Stimmen 85 Prozent der deutschen Politik. Eine unglaubliche Erfolgsgeschichte.
Seien wir ehrlich, im Grunde ist es die klassische Rollenverteilung, die euch Punkte brachte: ein gestandener, redegewandter Mann mit einer jungen, ansehnlichen Frau an seiner Seite. Der Fehler war, dass ihr das Konzept nicht konsequent durchgezogen habt. Das Zierelement durfte den Mund aufmachen. Und so erfand es sich einen Lebenslauf, dachte laut über das energetische Potenzial von Geflügel nach und sprudelte überhaupt alles in die Landschaft, was die zerebrale Teilvernetzung gerade hergab.
Ohne den vertonten Kopfsalat wärt ihr vielleicht sogar Bundeskanzler geworden. Schwamm drüber, am Ende hat es sich ja doch noch geschmeidig gefügt. Der weitsichtige Wuschelkopf wurde Superminister für alles mit Zukunft, das tapfere Aufschneiderlein kam zur Schadensbegrenzung ins Außenamt.
Es lief wie geschmiert
Auch dort sorgte die Erfinderin der 360-Grad-Wende für Kurzweil. Sie lud die Völker dieser Erde zu uns ein („Wir werden alle aufnehmen, auch die ohne ukrainischen Pass“), bestritt islamische Frauenunterdrückung (Mullah-Brutalität gegen Kopftuchproteste hat mit Religion „nichts, aber auch gar nichts zu tun“) und erklärte aus Versehen Russland den Krieg.
Gut für euch, dass die diplomatische Wundertüte im Reigen drolliger Kabinettsbesetzungen nicht weiter auffiel. Schließlich waren da noch zwei besonders verhaltensoriginelle SPD-Ministerinnen. Christine Lambrecht und Nancy Faeser leisteten in wenigen Monaten mehr für das Patriarchat und gegen die Frauenquote als Dschingis Khan, Heinrich VIII. und die Muslimbrüder zusammen.
Trotz dieser kleinen Unwuchten lief es bei euch alles in allem wie geschmiert. Tatsächlich war es das auch, meinen manche mit Blick auf das Friends&Family-Programm im Wirtschaftsministerium. Aber wegen der Geschichte würde ich mir keine allzu großen Sorgen machen. Denkt an den Cem. Der fiel tief nach seiner Miles-and-Moritz-Affäre mit Flugmeilengeschenken an Kumpel und Privatkredit von einem Lobbyisten. Heute ist der Cem dank deutscher Vergessenskultur wieder ganz oben. Die Zeit kürte ihn letztens sogar zum „Hidden Cempion“. „Voll der Ehrenmann“, würden unsere westasiatisch geprägten Mitbürger sagen.
Fehler und Verfehlung
Der Cem sprach damals von „Fehlern“ – genau wie euer Robert bei der Clanwirtschaft in seinem Ministerium. Das war clever, weil es klang, als wäre einem grünen Schussel das Diensthandy in die Sanitärkeramik gefallen. Eure Freunde in den Medien spielten mit, und niemand wies im Gebühren-TV auf den feinen Unterschied zwischen Fehler und Verfehlung hin. Falls ihr selbst nicht ganz sicher seid: Ein Fehler ist, wenn man Korruption mit einem „r“ schreibt. Eine Verfehlung ist, wenn man sie betreibt.
Hilfreich beim Wegdiskutieren war auch der mehrfach geäußerte Hinweis, bei euch habe sich schließlich „niemand persönlich bereichert“. Gut, ich persönlich finde, dass zugeschusterte Beamten- und sonstige Positionen durchaus zu persönlicher Vermögensmehrung bei den Begünstigten führen. Aber wahrscheinlich sehe ich das zu eng. Ich gebe zu, ich bin da etwas altmodisch und habe euer „neues Denken“ noch nicht richtig verinnerlicht.
Egal, nachdem der Fehlerteufel Graichen ausgetrieben ist, dümpelt die Affäre im medialen Abklingbecken. Was mich besorgt, ist etwas anderes. Euer strahlender Held strauchelt. Der fliegende Robert stürzt in der Wählergunst ab und zieht die ganze Partei mit runter.
Toxische Dämlichkeit
Laut der letzten INSA-Erhebung erreicht ihr bei der Sonntagsfrage gerade mal noch 13,5 Prozent, Tendenz weiter südwärts. Die AfD wiederum liegt bei 20 Prozent. Klar, da gibt es auch positive Aspekte. Immerhin habt ihr gegen Friedrich Merz gewonnen. Der wollte „die AfD halbieren“, ihr habt sie verdoppelt. Zwei zu null für euch, so gesehen.
Aber richtig befriedigend ist das natürlich nicht. Bei den persönlichen Werten schmort euer größter Hoffnungsträger in der Umfragehölle zwischen Christian Lindner und Markus Söder – das kann es nicht sein. „Der wahre Kanzler“ steht auf einmal da als Robert Rohrkrepierer, fachlich inkompetent und psychisch instabil. In Interviews zickt und bockt und pampt er. Und nach nur anderthalb Jahren regieren sieht er so abgerammelt aus wie Angela Merkel in ihrer vierten Amtszeit.
Die adrette Annalena hingegen fliegt ihre vielen neuen Kleidchen um die Welt und sonnt sich auf Platz drei in der Politiker-Beliebtheit. Seit das Traumpaar Annabert wieder getrennt lebt, hält Deutschlands oberste Außendienstlerin Distanz zum Ex. Während er ihre toxische Dämlichkeit verteidigt, schweigt sie auffällig laut, wenn die Pfeile von allen Seiten auf ihn einprasseln.
„Ein Tropfen zu viel Gesetzgebung“
Ja, ich mache mir Sorgen um euch. Die gute Nachricht ist, es gibt Hoffnung. Der Robert hat sich wieder gefangen. Letztens saß er bei Anne Will auf dem Sessel, hübsch zurechtgemacht und neckisch lächelnd. Gut, an der Körpersprache könntet ihr noch arbeiten, da war für meinen Geschmack etwas zu viel Büßerhaltung. Aber ansonsten war er ganz der Alte, ruhig, besonnen, reflektierend. Souverän parierte er auch die frechsten Fragen und erzählte, wie das lief mit dem Heizgesetz.
Der Entwurf war nämlich im Prinzip super, nur der Zeitpunkt etwas suboptimal. „Handwerklich schlecht gemacht? Seh ich nicht“, erklärte er zur Qualität des Papiers. Das war schon mal ein sehr guter Einstieg. Niemals zugeben, dass man’s nicht kann. Da gilt, von Merkel lernen heißt siegen lernen. Außerdem hat der Robert „von Anfang an Antworten gehabt auf jeden konkreten Fall“. Er hat sie halt nur für sich behalten.
„Wir haben quasi weitergemacht – oder zu lange weitergemacht – wie im Jahr ’22. Und denken Sie daran, was wir alles verboten haben! […] Es waren Verbote, und man hat das irgendwie hingenommen, und die Deutschen haben richtig viel Gas eingespart, das war dann mit dem Frühling der Tropfen zu viel an Gesetzgebung.“ Weil, „Ostern war die Welt eine andere“, da herrschte plötzlich „der Eindruck von: jetzt nicht noch das nächste Gesetz“. Und „diese veränderte Erwartungshaltung, die hab ich nicht gespürt“.
„Und, ähm, ja, so“
Weil der Robert nämlich wegen der vielen Arbeit einmal kurz nicht den Finger am Puls der Zeit hatte, wurde das Gesetz „nicht als Beitrag zur Krisenbewältigung gesehen“ und „dankbar empfangen“. Es war halt „eine angespannte Zeit – noch immer tobt der Krieg, wir haben so viele Krisen hinter uns, es gibt hohe Preise, die Gesellschaft driftet auch im politischen Diskurs auseinander, sehr viele Stimmen sind inzwischen sehr populistisch geworden – und dann kommt noch so ein Gesetz rein. So ist es dann gewesen. Und, ähm, ja, so.“
Toll erklärt und absolut nachvollziehbar. Da macht man und tut man, und es läuft richtig gut mit den Verboten. Tja, und dann hat das undankbare Volk plötzlich eine „veränderte Erwartungshaltung“ und ist bockig, bloß weil mal ein klitzekleiner „Tropfen zu viel an Gesetzgebung“ aus der Regierung plitscht.
Okay, das mit Ostern war ein bisschen geflunkert, der „Heizungshammer“ tröpfelte bereits Ende Februar in die Bild. Ich erinnere mich genau, denn es war arschkalt, und unser 22 Jahre alter Berliner Wohnungsbrenner machte Mucken. Ostern war erst fünf Wochen später. Eine „veränderte Erwartungshaltung“ hatten die kleine Frau und ich auch nicht. Im Gegenteil, der ministerielle Entwurf traf exakt unsere Erwartungen. Und er kam zum perfekten Zeitpunkt.
Weniger, dafür teurer
Nach der ersten Meldung über Roberts Wärme-Ende orderten wir umgehend eine neue Gastherme. Ein kostbares Exemplar des knappen Gutes konnte unser Sanitärmann dankenswerterweise zeitnah in Hamburg auftreiben. Kurz, wir fanden Termin und Inhalt eurer Pläne einfach nur großartig. Wir kennen übrigens nicht wenige, denen es genauso ging.
Aber es kann natürlich sein, dass andere sich irgendwie überrascht fühlten. Man kennt das ja, die Leute hören nicht zu, nehmen einen nicht ernst. Und hinterher ist das Gejammer groß, wenn es kommt, wie es kommen musste. Beziehungsweise sollte. Deswegen sage ich auch in meiner Eigenschaft als Marketing-Profi: Es war klasse, dass der Robert den Vorgang jetzt noch einmal erläutert und nachdrücklich auf eure Kernkompetenzen hingewiesen hat.
Verbote gehören zur DNA der Grünen, sie sind quasi euer USP, wie wir in der Werbebranche sagen. Niemand kann mehr und besser Verbote als ihr. Eine klare, unmissverständliche Positionierung zur Abgrenzung von der Konkurrenz ist wichtig, ganz besonders in diesen unübersichtlichen Zeiten. Euer Markenkern ist Verzicht und Zumutung, euer Leistungsversprechen lautet „weniger, dafür teurer“.
Grüne Politik bekommt ein Preisschild
Nie zuvor wurde dies so deutlich wie mit dem Gebäudeenergiegesetz. Grüne Politik bekommt endlich ein Preisschild, das für alle sichtbar ist. Und spürbar natürlich, denn wer nicht hören will, muss fühlen. Das ist gut für den Markt und für die Verbraucher. Beziehungsweise für die Demokratie und für die Wähler. Mit der Demokratie ist es ja ähnlich wie mit der Gastronomie. Niemand geht gern in ein Restaurant, bei dem die rechte Spalte der Speisekarte leer ist. Man möchte lieber vor der Bestellung wissen, ob die Leckereien auf der linken Seite ins Budget passen.
Genau so verhält es sich mit eurem Drei-Gendersterne-Menü aus Tofu, Moral und Weltrettung. Wenn klar ist, was es den Einzelnen kostet, weiß jeder Bescheid und greift gerne zu. Oder halt im Einzelfall auch mal nicht. So macht Demokratie Spaß. Schöner Nebeneffekt: Zwischen Politikgebenden und Politiknehmenden kommt es nicht mehr zu unerfreulichen Missverständnissen wie „veränderte Erwartungshaltung“.
Ich persönlich finde, man könnte den demokratischen Fun-Faktor auf einfache Weise noch steigern. Warum nicht das politische Angebot mit zusätzlichen Hinweisen versehen? Ein toller Mehrwert wäre zum Beispiel analog zur Lebensmittelampel eine Moralampel. Die steht auf Grün, wenn ein Gesetzentwurf besonders moralinsauer ist, und auf Rot, wenn nicht. Und wenn die Vorlage von der FDP kommt, blinkt ein gelbes Warnlicht, weil Liberale bekanntlich gar keine Moral haben.
Da weiß man, was man hat
Alternativ wäre auch eine Haltungskennzeichnung denkbar, ähnlich wie Cems neues Schweinelabel. Für besonders vorbildliche Haltung könnte es fünf goldene Reschke-Punkte geben. Am liebsten hätte ich zu jedem Gesetz einen Beipackzettel mit Risiken und Nebenwirkungen, etwa Inflation, Wohlstandsverlust, Deindustrialisierung, Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Massenzuwanderung, Kriminalität, Steuererhöhung – was halt gerade so anfällt.
Aber ich will nicht zu viel verlangen, liebe Grüne, mit den Kosten für Roberts Heizhunger habt ihr schon mal einen sehr guten Anfang gemacht. Wichtig ist, dass ihr jetzt nicht schwächelt und bei eurer Linie bleibt. Nur dann verstehen die Leute endlich grüne Politik. Das ist es schließlich, was ihr erreichen wollt, stimmt’s? Ziel muss sein, dass möglichst alle Wähler irgendwann denken: „Die Grünen. Da weiß man, was man hat.“ Und was man bald nicht mehr hat.
Ich jedenfalls freue mich auf viele neue Gesetze mit interessanten Verboten und spannenden Zumutungen. Und mit Preisetiketten natürlich. In diesem Sinne wünsche ich euch und uns von Herzen, dass ihr noch eine ganze Weile tatkräftig regiert. Mindestens bis zur nächsten Bundestagswahl. Wir sehen uns!