Jesko Matthes / 04.06.2021 / 11:00 / Foto: Armin Linnartz / 56 / Seite ausdrucken

Keine Zukunft für einen Armin Merkel

NRW-Ministerpräsident und CDU/CSU-Kanzlerkandidat Armin Laschet schließt jede wie auch immer geartete Kooperation mit der AfD aus, und er verweist auch die informelle „Werte-Union“ innerhalb der CDU des Platzes. Er tut das, so behauptet er, gerade mit Blick auf die konservativen Mitglieder der CDU. Ich will das zunächst nicht dem Inhalt nach kritisieren. Es ist Laschets Recht und vielleicht sogar seine Pflicht, den Standpunkt, den er als Kanzlerkandidat der CDU/CSU vertritt, zu behaupten und zu verteidigen, nötigenfalls auch gegen Kritik aus den eigenen Reihen. Solche Richtungsentscheidungen sind schon von wirklichen Kanzlern gefordert worden, und einer scheiterte daran: Helmut Schmidt. Er konnte seine eigene Partei zu Beginn der 1980er Jahre nicht mehr von einer vernünftigen Wirtschafts- und Verteidigungspolitik überzeugen, geschweige denn seinen Koalitionspartner, die FDP. Bei den nächsten Wahlen war der Stimmenverlust für der SPD massiv. Und genau dieser Vorgang sollte für Laschet eine Warnung sein.

Indem man berechtigte Kritik aus der eigenen Partei ausgrenzt und aus anderen Parteien überhört, lässt sich noch keine Wahl gewinnen; aber auch dann, wenn man eine nachvollziehbar nötige Richtungsentscheidung trifft, für die man in der eigenen Partei oder bei Koalitionspartnern nicht genügend Rückhalt findet, ist das eigene Scheitern vorprogrammiert. Mutig schreitet Laschet also zwischen Skylla und Charybdis voran, in der vielleicht berechtigten Annahme, auch und gerade unter Verzicht auf nötigenfalls alle konservativen Inhalte würden sich genügend andere Steigbügelhalter für ihn finden, von der SPD über die Grünen bis hin zu FDP und Linkspartei. In dieser Situation muss Laschet sich fast schon zwangsläufig abgrenzen, nötigenfalls nicht nur von der AfD, sondern auch von Teilen der eigenen Partei. Laschet schickt sich damit an, das Lebenswerk Angela Merkels zu vollenden. Möge er es versuchen.

Die Enttäuschung aller Milieus

Damit ist allerdings auch das vorprogrammiert, was in diesem Sinne zu erwarten war: Kritik an der EU in ihrer gegenwärtigen Form, der Schuldenunion und den Target-Salden, der ungehinderten und wahllosen Migration, den alternativlosen Lockdowns, den Einschränkungen der Bürgerrechte, der heil- und haltlosen Energiewende… all das wird von Laschet fast zwangsläufig der AfD zugetrieben, und falls es stimmt, dass diese ihr Klientel bisher vor allem aus enttäuschten sozialdemokratischen und linken Milieus bezogen habe, treibt Laschet nun auch alle Konservativen aus CDU und CSU gedanklich der AfD zu, die sich dankbar die Hände reiben darf. Andere werden sich fragen, wieso sie Laschets CDU/CSU wählen sollen, wenn er mit dieser Taktik die Grünen umgarnt; da können sie auch gleich das Original wählen. Konservativ-Liberale werden sich flugs der FDP zuwenden.

Die Ausgrenzung von eigenen Parteimitgliedern und Inhalten anderer Parteien ohne stichhaltige Antworten auf deren Kritik ist, wie der Versuch, das Programm anderer Parteien notgedrungen zu integrieren, geradezu die sichere Garantie für weitere massive Stimmenverluste. Denn gerade darin bestand einst die wirkliche Kunst der CDU/CSU: knallharte Konservative, Unternehmer, Mittelständler, Freiberufler und Arbeitnehmer bis hin zu bekennenden Herz-Jesu-Marxisten in einer einzigen Parteiengemeinschaft integrieren und erst zu kontroversem Diskurs und gleich danach zu gemeinsamem Handeln bis hinein ins Kanzleramt bringen zu können. Laschet dagegen handelt wie ein Getriebener, und er hat nun diesem alten Erfolgskonzept der CDU/CSU nichts mehr abzugewinnen. Vielmehr hat er ihm soeben die endgültige Kündigung ausgesprochen. Und damit eben gerade keine eindeutige Wahlempfehlung abgegeben. Denn die Entscheidung aller Angesprochenen kann nun so oder so ausfallen, für ihn oder wider ihn. Laschet spielt mit sehr hohem Risiko, und vermutlich weiß er es sogar. Vielleicht kalkuliert er, dass er anderswo mehr Stimmen zu gewinnen hat, als er sie innerhalb und rechts der eigenen Partei und ihrer schrumpfenden Anhängerschaft zu verlieren hätte; das ist wahrlich die neuere Taktik der CDU/CSU. Kurz formuliert: Laschet begeht einen Denkfehler. Er hält 2021 für 2005. Und sich selbst für Angela Merkel.

Foto: Armin Linnartz CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia Commons

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M.-A. Schneider / 04.06.2021

Es steht wahrlich zu befürchten, dass alles zum großen Plan gehört, einem Plan in 1. Linie von Frau Merkel und unterstützt von ihren ganz Getreuen und wohl überlegt, nach dem sie dann erneut antreten wird, alles um das “Wohl” der ihr eigentlich verhassten Bürger willen, sie wird sich aufopfern, um zusammen mit den Grünen in den entscheidenden Ministerien Deutschland weiter vor die Wand zu fahren. Das Schlimme ist nur, dass es immer noch eine Vielzahl von Menschen gibt, die das bejubeln würden und nach wie vor der Meinung sind, Merkel sei die beste Kanzlerin ever, es ist einfach unbegreiflich!

sybille eden / 04.06.2021

Dieses politische System hat ausgedient ! Die Systemparteien sind zähnefletschende, geifernde Hunde, die sich nur noch gegenseitig zerfleischen. Mit dieser “Parteiendemokratie” wird dieses Land niemals wieder (!) prosperieren und freiheitlich sein ! Wer das nicht erkennt, ist ein Schlafmichel und Träumer. Die politische Konstruktion, die 1949 installiert wurde, war von Anfang an eine Missgeburt und funktionierte nur solange einiger- massen, wie es den Ost-West Konflikt gab. Das war der Kitt der alles zusammenhielt. Aber der ist nun weg. Und somit wird dieses Lügengebäude kollabieren !

Wilhelm Jans / 04.06.2021

err Laschet hat es schwer. Er kann, solange Merken noch den Ton angibt, sich nicht gegen sie stellen. Ob er, wenn er denn Kanzler werden sollte, einen anderen Kurs einschlägt, weiß nur er selbst. Eins steht fest: Der Nachfolger hat mit vielen Problemen zu tun, die durch die gute Wirtschaftslage - an der Schröder mit seiner Agenda einen wesentlichen Anteil hat, was Merkel zugestanden hat - verdeckt wurden. Gefragt ist ein Kanzler mit Sachversand - wie Helmut Schmidt,  der die Probleme besser kannte als die Minister - und der auch die Fähigkeit hat,  als richtig erkannte Lösungen durchzusetzen. Das Thema Umweltschutz, so wichtig es ist, kann nicht verabsolutiert werden. Frau Baerbock als Kanzlerin ohne Regierungs- oder Verwaltungserfahrung wäre ein interessanter Test. Ob sie von ihren ausländischen Kollegen akzeptiert wird, wäre zu sehen. Möglicherweise bringt sie auch ihre eigene Verwaltung zur Verzweiflung - indem sie mit Vermerken zugemüllt wird -, sodass sie nach einiger Zeit aufgibt. Einen solchen Fall, dass ein Ministerium den Minister zu Fall brachte, soll es schon einmal gegeben haben. Wer auch immer im Kanzleramt landet: Er oder sie muss sich warm anzuziehen.

Thomas Müller / 04.06.2021

Ich verstehe dass er größenwahnsinnig ist. Wahrscheinlich vergleicht er sich intellektuell mit Typen wie Annalena, Esken & Co und stellt zu Recht fest, dass er unendlich schlauer ist. Sein Fehler ist, nicht zu sehen, dass das auf 99% der Bevölkerung zutrifft.

Richard Loewe / 04.06.2021

@ Jörg Themlitz: Türken-Armin ist heimlich konservativ? Ist das Galgenhumor ohne Pointe?

Reiner Gerlach / 04.06.2021

@ Jörg Themlitz Seit wann redet die CDU mit der AfD? Meinen Sie die Hassrede von Brinkhaus in Richtung AfD oder die Beschimpfung bei jeder sich bietenden Gelegenheit? Das Kontaktverbot gilt auch in der BT-Kantine.

Jochen Brühl / 04.06.2021

Die AFD bekommt von der Konkurrenz den besten Beistand (Wanderwitz, Laschet, Ziemiak usw.) geboten, den sie sich wünsche kann. Nur der Maaßen hat noch einen stärkeren Wahlkämpfer an seiner Seite. Den linken, nicht für das Amt befähigten Vetfassungsschutzpräsidenten Stefan Kramer aus Thüringen, der vom dem Kommunisten Ramelow dort installiert wurde.

Bernd Haven / 04.06.2021

Laschet zockt! Einerseits hofft er, dass die Wähler nicht das grüne Original wählen und andererseits, dass die linke Angstkampagne gegen die AFD ihm die konservativen Wähler zutreibt. Mit dieser “Strategie” will er am Wahlabend stärkste Kraft in D. werden. Ob das reicht, die sogenannten Corona- Leugner, Queerdenker, Protestwähler, Migrations- und EU- Skeptiker und sonstige Wähler - die kein “weiter so!” der jetzigen Politik mehr wollen - einzubinden, das wage ich doch mal stark zu bezweifeln. Was wäre wenn es am Wahlabend eine Mehrheit aus CDU und AFD gäbe? Stünde Laschet dafür zur Verfügung?

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