Chaim Noll / 14.11.2021 / 12:27 / Foto: Freud / 149 / Seite ausdrucken

Keine falschen Hoffnungen: Israel lebt.

Demokratie meint ein beständiges Nebeneinander von verschiedenen Meinungen. Pluralismus. Offenen Diskurs. Auch beim Thema Impfen. Und deshalb fangen wir gleich damit an. Chaim Noll nimmt Orit Arfas Beitrag "Impf-Regime in Israel: Haben die Leute Pfizer satt?" zum Anlass.

Wie die meisten Israelis habe ich mich gegen Corona impfen lassen. Das erste Mal liegt fast ein Jahr zurück, das dritte Mal ein halbes, bisher hatte ich keine gesundheitlichen Probleme. Ich habe mich aus freier Entscheidung impfen lassen, niemand hat mich dazu genötigt, ich wurde nicht dafür bezahlt oder mit anderen Vorteilen bedacht. Meine Frau ist ungeimpft und Impfgegnerin. Sie ist ebenso von der Richtigkeit ihrer Entscheidung überzeugt wie ich von der meinen. Durch sie kenne ich die Argumente der Gegner genauso wie die der Befürworter. Wir wissen inzwischen beide, dass wir einander nicht überzeugen können. Auch nicht müssen. Nach meiner Ansicht ist es jedes Menschen zutiefst private Entscheidung, ob er sich impfen lässt oder nicht.

Fast alle meine Bekannten, Freunde und Familienmitglieder in Israel haben sich impfen lassen, und ich persönlich kenne keinen einzigen Fall, in dem der oder die Betreffende hinterher erkrankt wäre oder anderswie beeinträchtigt – wie gesagt: keinen einzigen. Damit will ich nicht bestreiten, dass es solche Fälle gibt. Orit Arfa hat kürzlich auf diesem Blog die schrecklichsten Fälle mitgeteilt, von denen sie Kenntnis hat. Ich will die Zuverlässigkeit ihrer Quellen nicht in Zweifel ziehen, nur ist sie selten hier, hat, soweit ich weiß, keinen dieser Fälle mit eigenen Augen gesehen, es handelt sich um Informationen aus zweiter Hand. Wie vieles, was wir täglich an Information aufnehmen. Es liegt an uns, ob wir die Information glauben. Und das ist wiederum eine individuelle Entscheidung. Oft hat sie damit zu tun, ob das Berichtete mit unserer persönlichen Wahrnehmung übereinstimmt oder nicht.

Und was meine persönliche Wahrnehmung betrifft: Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass Israel kollektiven Selbstmord begeht. Oder sich zum Schaden seiner Einwohner an die Pharma-Industrie verkauft. Kein Nachlassen der Intensität des öffentlichen Lebens. Kein Nachlassen der Kampfkraft unserer Armee. Eher das Gegenteil trifft zu, und die Soldaten – darunter auch meine beiden Enkel, die in Kampfeinheiten dienen – wurden als erste geimpft. Kein Verlust an geistiger Kreativität. Die Umsätze der israelischen Hightech-Industrie sind während der „Pandemie“ weiter gestiegen. Die Einwanderung hat zugenommen, auch die Immobilienpreise haben um zehn Prozent zugelegt. Das Leben geht, soweit ich sehe, normal weiter, mit Staus am Morgen, Bevölkerungswachstum, Lärm auf den Baustellen, wieder arbeitenden Behörden, Schulen, Universitäten.

Muss es eine allgemein respektierte Einheitsmeinung geben?

Obwohl ich mich habe impfen lassen, lehne ich die von Politikern, Medien-Leuten, Virologen etc. erhobene Forderung ab, andere Menschen zur Impfung zu zwingen. Ich finde es dumm, wenn man einen deutschen Fußballspieler über Wochen verfolgt und verleumdet, weil er nicht geimpft ist, aber ich finde es ebenso idiotisch, wenn Impfgegner öffentlich an meiner Intelligenz zweifeln, weil ich mich habe impfen lassen. Hat uns der Corona-Schock so verbittert, dass wir des Mitmenschen Meinung und freie Entscheidung nicht mehr gelten lassen? Sind wir nicht mehr imstande, miteinander zu leben, wenn wir uns in einer Sache nicht einigen können? Muss es eine allgemein respektierte Einheitsmeinung geben, damit das Leben in einer Demokratie möglich ist?

Demokratie meint eigentlich das Gegenteil: ein beständiges Nebeneinander von verschiedenen Meinungen. Pluralismus. Offenen Diskurs. Für denkende Menschen so etwas wie die Luft zum Atmen. Was mich erstaunt, ist die Achtlosigkeit, mit der eine so wunderbare Einrichtung ruiniert wird. Mich erschreckt die Erbitterung, mit der die verschiedenen Lager – in diesem Fall Gegner und Befürworter der Impfung – einander bekämpfen. Anderer Meinung sein heißt nicht, den Andersdenkenden zu verleumden. Auch wenn ich die Ängste der Impfgegner nicht teile, lasse ich sie gelten. Impf-Verweigerung ist Symptom eines weit verbreiteten Misstrauens gegen den Staat, seine Vertreter, die von ihnen verbreiteten „Wahrheiten“, und für dieses Misstrauen habe ich Verständnis. Ich teile es zu einem gewissen Grad, wenn auch nicht soweit, dass ich daran glaube, der Staat oder irgendwelche finstere Interessengruppen wären im Begriff, uns alle zu vergiften.

Ich teile auch nicht die apokalyptischen Ängste vieler Impf-Anhänger, wir steuerten auf epidemisches Massensterben zu, weil einige sich nicht haben impfen lassen. Weder die „Mund- und Nasenbedeckung“ noch „Mindestabstände“ und Verbote können gefährliche Viren aus der Welt schaffen. Auch die Impfung kann es nicht. Sie kann die Schwere der Erkrankung abschwächen. Wir sollten wieder gesunden Menschenverstand walten lassen und uns umsehen. In Wahrheit hat sich die „Pandemie“ als nicht annähernd so verheerend erwiesen wie vorausgesagt. Es ist schade um jeden Einzelnen, der daran gestorben ist, und es ist richtig, dass jeder alles versuchen sollte, um weiteres Sterben zu verhindern. Nur gehen die Meinungen darüber auseinander, was das im Einzelnen meint.

Soweit mein Lebenszeichen aus einem Land mit überwiegend geimpfter Bevölkerung. Unter den Menschen um mich herum sehe ich keine verbreiteten „Impfschäden“, aber auch kein massenhaftes Sterben an einer „Pandemie“. Ich fürchte, wir haben uns, die einen wie die anderen, in eine hysterische Über-Wahrnehmung hineingesteigert und finden jetzt nicht wieder heraus. Ich weiß, dass sich in Zeiten zunehmender Erregung niemand so unbeliebt macht wie jemand, der zur Besinnung aufruft. Intoleranz ist Mode geworden – wer jetzt Toleranz anmahnt, wird von beiden Seiten als Verräter betrachtet. Und dann gibt es inzwischen genug Leute, die an einem endlosen Weiterwirken der „Pandemie“ Interesse haben. Auch am nicht endenden Gezänk, ob Impfen unser Untergang ist oder unsere Rettung.

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T. Schneegaß / 14.11.2021

Lieber Chaim Noll, ich habe nur EINE Frage an Sie: Ihre Frau ist ungeimpft, Sie dreimal (ich sage Ihnen voraus: in einem Jahr 4 oder 5 mal). WIE unterscheidet sich der Gesundheits- oder Krankheitszustand zwischen Ihnen Beiden?

Heinrich Wägner / 14.11.2021

Ich akzeptiere alles was sie schreiben und sagen Herr Noll. Ein jeder hat das Recht dazu. Wir sind beide zu Teilen in der DDR sozialiert worden . Ich habe es noch als Kind erlebt ,daß kauft nicht beim Juden. Und ich bin in der Normannenstrasse gesessen so wie auch in den Lagern Schwedt und Berndshof. Weil ich eben nicht Menschen in den Rücken schießen wollte. Selbst auf der Achse gibt es wieder Kommentare, “sollten selbst bezahlen,sollten keine Behandlung bekommen usw.” War ihre Sozialisierung so viel anders als Meine. Ich habe da schon Andere Worte von Ihnen gehört und gelesen. Das ,was Faschismus ist habe ich zwar nur als Kind erlebt, als man meinen Urgroßvater ins KZ Stutthof bei Danzig schleppte , aber mir nie hätte vorstellen können das es wieder geschehen wird. Nicht Hitler war der gefährliche Mann ,sonder die vielen kleinen Hitlerleins die ihn die Macht gaben in dem zu spielen was er uns hinterließ ,Ruinen.

Thomas Brox / 14.11.2021

Offenbar haben einige Kommentatoren den Text nicht verstanden oder nicht gelesen. ++ (1) Der Autor betrachtet die Impfung aus der Perspektive Israels. Israel ist NICHT Deutschland. (2) Der Autor plädiert für eine freie, persönliche Impfentscheidung. Das unterschreibe ich. (3) Man muss strikt unterscheiden zwischen einer freien persönlichen Entscheidung und staatlichen Zwangsmaßnahmen. Es geht in dem Artikel NICHT um pro oder contra staatlicher Zwangsmaßnahmen, sondern um die Frage “lasse ich mich impfen”. Es ist das gute Recht des Autors seine Meinung zu diesem Thema darzustellen. (4) Bezüglich staatlicher Zwangsmaßnahmen, die der Autor ablehnt (ich auch), muss man sich gegen den DEUTSCHEN STAAT oder die EU zur Wehr setzen.

Richard Loewe / 14.11.2021

Lieber Herr Noll, für mich als Gegner der “Impfung” sind meine Gefühle Ihnen (und meinen Eltern, Freunden, etc.) gegenüber vor allem von einer Emotion geprägt: Sorge. Ihr Artikel ist der schwächste, den ich von Ihnen bisher gelesen habe, denn er basiert auf einem Strohmann. Die Befürworter der “Impfung” werden nicht massiv in ihren Menschenrechte und ihrer Würde beeinträchtigt. Daß Sie als Israeli nicht erkennen, daß Sie genauso argumentieren wie die Freunde der muslimischen Terrororganisationen (“es ist ja nur Widerstand des Schwächeren und die israelischen Besatzer müßten ja bloß aus Israel verschwinden”), ist betrüblich. Mir ist kein einziger Gegner der “Impfung” bekannt, der für eine Zwangsnichtimpfung aller Menschen wäre. Und zum Schluß: Sie müssen eine tolle Ehe führen, wo beide Seiten so mit den gegenseitigen Sorgen umgehen! Bewundernswert!

Fred Burig / 14.11.2021

@Thomas Brox:”... Außerdem kann sich Israel keine Fehler erlauben. Auch einige andere Staaten sind für mich vertrauenswürdig (cum grano salis), etwa GB, Niederlande, Südkorea, Taiwan, Japan, Polen, Tschechien, Ungarn, Baltikum. Dass sie mal da bei ihren “Bauchentscheidungen” keine “Bauchschmerzen” bekommen! Das soll bei “promovierten Naturwissenschaftlern” gelegentlich dann vorkommen, wenn sie nach “Gefühlen” handeln oder zu viel “Haltung” vertreten. MfG

Detlef Regaldt / 14.11.2021

Lieber Herr Noll, Ihre „freiwillige“Entscheidung kam dadurch zustande, dass Ihre Reisfreiheit nicht eingeschränkt wurde. Ihr Hinweis auf offenen Diskurs ist richtig, Ihr Artikel, so scheint mir, gießt wohl eher Öl ins Feuer. Schön, dass es Ihnen trotz Impfung gut gehen darf, und das meine ich ernst.  Bitte etwas mehr Verständnis u. Respekt für diejenigen wo das nicht (mehr) der Fall ist..

Torsten Hopp / 14.11.2021

Nein, Herr Noll. Mit Respekt. Hier in Deutschland ist das ganz anders. Viele der Impfkritiker (siehe hier immer wieder auf achgut) fordern einen normalen Dialog. Umgekehrt wird dieser mit allen (Terror)-Mitteln von den Impfpropagandisten nicht nur verwehrt, sondern bekämpft.  Zugänge in Israel mit grünem Pass? Offener Diskurs auf Augenhöhe mit kritischen Leuten? Impfen von gesunden Menschen? Aufklärung in Israel über absolute Wirksamkeit von unter 1% der Impfstoffe? Eine freie Entscheidung kann man doch nur bei umfassender Aufklärung, das heißt auch im öffentlichen Raum, vornehmen. Tut mir leid, aber für mich sind es ganz klar die Impfhyper, die mit freier Entscheidung ein Problem haben.

Martin Höllriegl / 14.11.2021

Sehr geehrter Herr Noll, danke für Ihre besonnenen Worte. Einen schönen Herbst der Fülle und Gelassenheit für Sie, Ihre Familie, die Welt, Ihre Wunder und Wunderlichkeiten. Martin Höllriegl

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