Gastautor / 24.03.2022 / 06:00 / Foto: US Air Force / 85 / Seite ausdrucken

Kauft mehr F-35! – Eine Erwiderung

Von Tom Falk.

Die F-35 ist weder ein Schrottflieger noch eine Goldrandlösung – sondern schlicht das richtige Flugzeug für die Luftwaffe. Kritikwürdig ist die Beschaffungsentscheidung des Verteidigungsministeriums dennoch: weil zu wenige Flugzeuge bestellt werden und in einen ungewollten Problemflieger investiert wird.

Jahrzehntelang gab es für die Beschaffer der deutschen Luftwaffe ein Tabu: Das beste Flugzeug durften sie niemals bestellen. Ein europäisches musste es stets sein, am besten ein komplett neu zu entwickelndes – koste es, was es wolle. Es ist wohl nicht nur ein Gerücht, dass vor wenigen Jahren der Inspekteur der Luftwaffe geschasst wurde, weil er sich öffentlich für die F-35 als neuen Kampfjet für die deutschen Streitkräfte stark gemacht hatte (er darf als Kenner der Materie gelten). Dass die Bundesregierung unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine dieses Tabu jetzt abgeräumt hat und endlich das richtige Flugzeug aus amerikanischer Produktion kauft, verdient Respekt.

Gänzlich unproblematisch ist diese Entscheidung aber nicht: Der ursprüngliche Plan der damaligen Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer hatte vorgesehen, die Lücke, die der Tornado hinterlassen wird, mit 30 F/A-18E/F Super Hornet (für die nukleare Teilhabe), 15 E/A-18G Growler (für den elektronischen Kampf) und bis zu 93 weiteren Eurofightern zu schließen. Stattdessen sollen laut neuem Plan 35 F-35 (für die nukleare Teilhabe) und 15 Eurofighter für den elektronischen Kampf beschafft werden. Ich teile das Bedauern darüber, dass die Growler nun offenbar doch nicht beschafft werden. Denn eine Eurofighter-Version für den elektronischen Kampf gibt es bisher nicht, sie muss erst aufwändig entwickelt werden. Wie lange das dauern wird, ist unklar, und ebenso, ob sie dann überhaupt so effektiv sein wird, wie die Growler jetzt schon ist.

Die Älteren unter uns werden sich erinnern, dass der Eurofighter während seiner Karriere auch schon Jäger 90 hieß. Und dann, nach diversen Skandalen und endlosen Verzögerungen, Eurofighter 2000. Der Jet war eigentlich schon nicht mehr modern, als er in Dienst gestellt wurde. Und dennoch werden nun neben den F-35 weitere Eurofighter beschafft. Zu erklären ist das nur mit industriepolitischen Überlegungen. Offen bleibt, wo die 93 weiteren Eurofighter aus dem Plan von Frau Kramp-Karrenbauer geblieben sind. Am besten wäre, stattdessen einfach 93 F-35 zu beschaffen.

Zweifellos ist die F-35 kein perfektes Flugzeug. Sie war von Anfang an ein Kompromiss, weil die F-35 in ihren drei Hauptversionen A, B und C die Bedürfnisse aller Teilstreitkräfte der USA und diverser Partnernationen erfüllen sollte. Die F-35-Familie soll so unterschiedliche Flugzeuge wie A-10, F-16, F-18 und sogar den Senkrechtstarter Harrier ersetzen. Das Ergebnis ist das Gegenteil einer Goldrandlösung: nämlich ein hochkomplexer Kompromiss. Dass es da Kinderkrankheiten gibt, ist selbstverständlich und alles andere als ein Geheimnis. Davon ist noch nie ein neuer Kampfjet verschont geblieben, auch nicht die in diesem Achgut.com-Beitrag zu recht gerühmte F-15.

Es gibt keinen Anlass zum Zweifel, dass die Mängel an der F-35 in den nächsten Jahren behoben werden. Dafür sprechen allein schon die große Stückzahl und der Einsatz bei Streitkräften in aller Welt. Die Erfahrungen aller Nutzer – wie etwa der israelischen, der besten und erfahrensten taktischen Luftwaffe der Welt – fließen sofort in Produktverbesserungen ein, von denen spätere Kunden (wie Deutschland) profitieren werden. Die Lieferfristen der F-35 sind vollkommen normal für ein modernes Kampfflugzeug. Kein neuer Kampfjet, den man heute ordert, steht morgen auf dem Hof.

Das wahre europäische Kampfflugzeug der Zukunft

Auch wenn die F-35 in keiner Disziplin perfekt ist, so hat sie doch Qualitäten, die keiner ihrer vermeintlichen Konkurrenten besitzt: Zum einen ist das Flugzeug für Radar schwer zu orten. Gleichzeitig besitzt es überlegene Sensorik, die es ihm erlaubt, gegnerische Flugzeuge und Flugabwehrsysteme zu orten und zu bekämpfen. Diese Kombination unterscheidet die F-35 von allen ihren Wettbewerbern und macht sie zum einzigen Mehrzweckkampfflugzeug der sogenannten fünften Generation. Zum anderen ist das Flugzeug – man glaubt es kaum – offenbar günstiger als alle Konkurrenten.

Es ist deshalb kein Zufall, dass die F-35 in jedem Wettbewerb zur Beschaffung neuer Kampfflugzeuge, zu dem sie je angetreten ist, gewonnen hat. Voriges Jahr zum Beispiel in der Schweiz. Im dortigen Auswahlverfahren, das in seiner Systematik und Gründlichkeit als vorbildlich angesehen wird, setzte sich die F-35 gegen Eurofighter, F/A-18E/F Super Hornet und Rafale durch. Das Verdikt der zuständigen Schweizer Kommission: Die F-35 ist nicht nur in allen Kategorien das beste Flugzeug, sondern auch das günstigste.

Jedes europäische Land, das sich frei von industriepolitischen Überlegungen für ein neues Kampfflugzeug entscheiden konnte, hat folglich die F-35 bestellt. Darunter die Niederlande, Belgien, Norwegen, Polen und Italien. Die F-35 ist damit das wahre europäische Kampfflugzeug der Zukunft. Ihre Nutzerstaaten werden gemeinsam trainieren und können so im Ernstfall perfekt zusammenarbeiten. (Kein europäisches Land besitzt F/A-18E/F Super Hornet oder E/A-18G Growler.)

Dass die US-Luftwaffe weitere F-15s kauft, ist kein Argument gegen die F-35. Die Amerikaner haben ihre F-15Es in den vergangenen Jahren vor allem gegen Gegner eingesetzt, die über keine nennenswerte Luftabwehr verfügten – wie etwa die Taliban oder ISIS. Für solche Einsätze sind diese Kampfjets der vierten Generation perfekt geeignet. Die Bundeswehr möchte aber technologisch hochentwickelte Gegner abschrecken. Deren moderner Luftabwehr wäre ein Flugzeug wie die F-15 weitgehend schutzlos ausgesetzt. Das amerikanische Konzept sieht daher vor, zu Beginn eines Krieges die feindliche Luftabwehr mit Stealth-Flugzeugen wie F-35 und B-2 auszuschalten.

Wenn diese Mission erfolgreich erledigt ist, können auch wieder F-15 und andere Flugzeuge ihrer Generation eingreifen. Und auch die F-35 kann dann deutlich mehr Waffen tragen, die unter ihren Flügeln befestigt werden: Sie ist dann zwar leichter für Radar ortbar, das ist aber in der Situation nicht mehr relevant. F-35 und F-15 ergänzen einander also ideal. Deutschland verfügt aber weder über die finanziellen Mittel noch über den politischen Willen, F-35 und F-15 zu bestellen. Und wenn man nur eines der beiden Muster anschafft, dann muss es die F-35 sein. Je mehr, desto besser.

 

Tom Falk ist ein deutscher Luftfahrtexperte, dessen autodidaktischer Bildungsweg 1988 mit dem Zusammenbau eines Plastik-Bausatzes einer SR-71 Blackbird begann.

Den Beitrag, auf den sich dieser Text unter anderem bezieht, finden Sie hier.

Foto: US Air Force via Wikimedia Commons

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Florian App / 24.03.2022

Moin, hatte nicht der Verteidigungsminister von Malaysia betont, wie toll dieses Flugzeug doch ist? Für Flugshows. Denn im Einsatz muss der Yankee erst sein OK geben….Weiter ist der Pannenflieger (waren es rund 850 Fehler, einige davon schwerwiegend?) viel zu teuer. Warum kauft der unwestliche Rest der Welt denn Russen und Chinesen? Und wer verstößt hier gegen den Atomwaffensperrvertrag? Ich bin doch sehr für unterschiedliche Sichtweisen, nur sollte vorher nachgedacht worden sein.

George Samsonis / 24.03.2022

Was hätte die Bundeswehr denn machen sollen, um die NT-Fähigkeit zu erhalten? Geld für schon veraltete F-18 ausgeben? Das FCAS soll erst 2040 fliegen, wohl gemerkt soll. Da ist die F-35 eine gute Lösung.

Torsten Hopp / 24.03.2022

Interessante Diskussion. Wenn man 17 Mrd. für Corona-Test ausgibt, wird das Geld schon mal knapp. Aber Tests schützen unser Land.

S. Wietzke / 24.03.2022

Ich denke das das gar nicht die Frage ist (Was das richtige Flugzeug sein könnte, entzieht sich eh meiner Kenntnis, da ich mich mit Militärtechnik und Taktik seit langem nicht mehr wirklich auseinander gesetzt habe). Was nützt die beste Technik, wenn es keinen mehr gibt der überhaupt bereit ist das Land unter Einsatz seines Lebens zu verteidigen? Eine kürzlich erfolgte Umfrage hat genau das klar gezeigt. Auch in den USA, wo das Militär immer eine hohe Reputation in der Bevölkerung genossen hat, zeigen sich bereits deutliche Verschleißerscheinungen. Und wie die letztendlichen Siege von Sandalenträgern mit Steinschleudern (und auch die Militärgeschichte) zeigen ist das der entscheidende Punkt. Oder wie ein israelischer Verteidigungsminister mal so süffisant bemerkte: “Wie kann man es schaffen mit einem Militäretat der doppelt so hoch ist wie der Israels überhaupt keine Armee zu haben.”

H.Reichmuth / 24.03.2022

In den letzten 70 Jahren war in Konflikten immer der der Verlierer, der Flugzeugträger, Schlachtschiffe, Kampfflieger oder Panzer besass. Den militärischen Grosserfolg der USA bei der Eroberung der Grenada-Inseln lasse ich mal weg… Auch die Russen werden den Ukraine-Krieg langfristig verlieren, weil jeder Eroberer vielleicht die Uhren hat, aber die Zeit gegen ihn spielt (Alte Mudjaheddin- und Taliban-Weisheit, die sowohl die UdSSR wie die USA besiegt haben). Kampfflieger und Panzer sind für Verlierer. Die echten Winner haben AK-47 und Sprengstoff, gegebenfalls Stinger und Javelins. Die vier genannten Produkte sind alle auch für einen Bruchteil eines Panzers oder Kampffliegers zu haben. Einige Militärexperten haben die Entwicklungen der letzten 70 Jahre komplett verschlafen…

D.Kempke / 24.03.2022

Ds Hauptargument gegen die F-35 ist die lange Lieferfrist. Bis die bestellten Flugzeuge in ca. 10 Jahren einsatzbereit sind, werden Drohnen der (über-)nächsten Generation bereits jedem bemannten Flugzeug inkl. der F-35 und vermutlich auch der F-22 überlegen sein. Zudem sind sie enorm vielseitig. Von der Hightech-Kampfdrohne bis hin zum billigen “Wegwerfgerät” zur reinen Observation. Viel besser wäre es also jetzt groß in die Drohnenentwicklung einzusteigen, um in ein paar Jahren vorne mit dabei zu sein. Wenn man mit zuverlässigen Verbündeten, die hier bereits Vorsprung haben,  entsprechende Kooperationen eingeht, kann man die Zwischenzeit mit deren Produkten überbrücken. Israel bietet sich hier perfekt an.

Christoph Horrix / 24.03.2022

Nukleare Teilhabe, wie wird sie bei einem Atomkrieg aussehen? In der ersten Runde werden alle amerikanischen Stützpunkte in Europa von den Russen platt gemacht. Was dann noch in Deutschland, Polen, Belgien etc übrig bleibt wird durch amerikanische und englische Atomraketen platt gemacht. Alle, die nicht direkt durch Druck- und Hitzewellen atomisiert sind, weil sie z.B. gerade Urlaub auf Mallorca gemacht haben, haben ein bis zwei Jahre Zeit gewonnen. Die können sie dann zum Verhungern nutzen. Das wird die deutsche nukleare Teilhabe sein. Man kann sie sich in Hiroshima und Nagasaki anschauen. Mit dem Roman von Friedrich Glauser, der in einer Irrenanstalt spielt, kann man nur sagen: Matto regiert. (Das gilt nicht nur für dieses Thema.)

Terence B. Pickens / 24.03.2022

Der F-35-Hersteller Lockheed Martin belegte im WK II   als Lockheed Corporation Platz 10 der Liste von Rüstungslieferanten und steuerte 6% des gesamten Kriegsmaterials bei. — 1971, obwohl zum größten Ausrüster der US-Streitkräfte avanciert, drohte LM die Insolvenz. Im August 1971 verabschiedete der Kongress die von der Nixon-Administration eingebrachte Gesetzesvorlage für eine Notanleihe, die “Lockheed Loan”, welche heftig kritisiert und als Verstoß gegen den Grundsatz des “Free Enterprise”  bezeichnet wurde.  Die 1975 von LM zurückgezahlte Anleihesumme von US $  1,4 Milliarden,  basierte auf regierungsseitige Präferenz bei der Vergabe von Rüstungsaufträgen. — Um den F-104 Starfighter weltweit einzuführen,  zahlte LM - wie ein Untersuchungsausschuß im Kongress eruierte -  Schmiergelder an die Beschaffer in den Niederlanden [ Prinz Bernhard ], Italien, Japan,  et al. — 1995 ging Lockheed mit Martin Marietta eine US $  10- Milliarden- Fusion ein. Danach wurde der Grundstein für die Produktion der ‘F’-Serie und anderer Flugzeugtypen gelegt; mit regierungsseitlicher Unterstützung. — Die nachgewiesene Nähe von LM zur US-Regierung schließt nicht aus, daß die jetzt von der deutschen Regierung georderten F-35 auf Druck von Washington und vom   MIC [ Military Industrial Complex ] erfolgte.

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