Annette Heinisch / 23.03.2022 / 06:15 / Foto: US Air Force / 93 / Seite ausdrucken

Die Bundeswehr und die Überflieger

Symbole und Realität stoßen sich auch bei der Bundeswehr-Aufrüstung hart im Raume. Die Entscheidung für den amerikanischen Kampfflieger F-35 ist umstritten. Das Flugzeug ist erst in Jahren lieferbar. Auch der Hype um Überschallwaffen muss eingeordnet werden.

Eine der ersten Taten der neuen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) war es, die fertigen Pläne ihrer Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) bezüglich des Kaufs des Tornado-Nachfolgers für die Luftwaffe in den Mülleimer zu werfen. Die Vorgängerregierung wollte von Boeing die F/A18 E/F EA-18G Growler kaufen, ein Flugzeug, welches die nukleare Teilhabe sichert, multipel einsetzbar ist, auch die Rolle des Tornados als Aufklärer übernehmen kann, dabei sehr zuverlässig ist. Hinzu kommt, dass es die niedrigsten Flugstundenkosten aller US-Jets hat, was die laufenden Kosten niedrig hält. Der Jet hat noch einen unschlagbaren Vorteil: Er ist marktverfügbar, man kann ihn sozusagen ab Lager („off the shelf“) kaufen. Da es das Ziel ist, die Bundeswehr so schnell wie möglich einsatzfähig zu machen, ist das ein ganz entscheidender Gesichtspunkt.

Anders sah es die neue Verteidigungsministerin Lambrecht. Bis März passierte erst einmal nichts, nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine wurden dann in aller Eile die modernen Tarnkappen-Jets F-35 bestellt.

Das war jedoch zu keinem Zeitpunkt eine überzeugende Lösung, denn die F-35 ist voraussichtlich über Jahre hinaus nicht lieferbar. Finnland hat im Dezember letzten Jahres F35 bestellt und musste erfahren, dass die ersten 2026 geliefert werden können, so dass der Austausch ihrer Hornets durch neue F-35 bestenfalls im Jahr 2030 abgeschlossen sein wird. Das bedeutet, dass Deutschland bestenfalls in zehn Jahren über neue Kampfjets verfügen wird, das heißt, das Ziel einer möglichst zügigen Herstellung der Einsatzfähigkeit wird damit verfehlt.

Bereits bei der Bestellung der F-35 im März war bekannt, dass es große Probleme bei der Instandsetzung und der Ersatzteilbeschaffung gibt, außerdem die Flugstunden extrem teuer sind. Selbst die USA wissen nicht, wie sie die Kosten stemmen können, daher orderte die US Air Force statt weiterer F-35 die altbekannte F-15EX der neuesten Generation, denn: „Die gute alte F-15 kann etwas, was die modernsten Stealth Kampfjets der neusten Generation nicht können, sie kann zu einem günstigeren Preis viel mehr Waffen mitführen.“ 

Ein Triebwerk, welches sehr reparaturanfällig ist

Nun zeigt ein bisher geheimer Pentagon-Bericht, dass die Mängel nicht nur zahlreicher – es ist die Rede von 845 Fehlern –, sondern noch gravierender sind als angenommen, was bereits zur Stornierung von Aufträgen seitens des US-Verteidigungsministeriums führte. 

Ein wesentlicher Mangel sei die fehlende Zuverlässigkeit, das Flugzeug sei in 2020 nur zu 54 Prozent und in 2021 zu 61 Prozent verfügbar gewesen. Moderne Kampfjets haben eine Verfügbarkeit von mehr als 80 Prozent, für die F-35 sei nur eine Verfügbarkeit von 65 Prozent  als Ziel angesetzt worden, aber nicht einmal dieses wurde erreicht. Als kritisch erweist sich, dass die F-35 nur ein Triebwerk hat, welches aufgrund der hohen Leistung sehr reparaturanfällig ist. Die Reparatur erfordert viele Ersatzteile und dauert relativ lange, was zu erheblichen Kosten und Ausfallzeiten führt.

Ein weiterer schwerwiegender Mangel sei die Software dieses auch als fliegender Computer bezeichneten Jets, was zum Beispiel dazu führt, dass Raketen nicht abgeschossen werden können. Neben den zahlreichen minder schweren Entwicklungsfehlern werden sechs aufgelistet, die so schwerwiegend sind, dass sie zum Absturz führen können.

Die Bestellung der F-35 ist eher ein Beispiel für sogenannte Goldrandlösungen, bei denen eher prestigeorientiert eine Luxuslösung gewählt wird, nicht aber pragmatisch ein Gerät, welches seinen Zweck erfüllt, kostengünstig, zuverlässig und vor allem schnell lieferbar ist. Da die Ausbildung der Piloten ohnehin Zeit in Anspruch nimmt, sind weitere Zeitverzögerungen bei der Beschaffung der Maschinen eigentlich ein absolutes Ausschlusskriterium, daher bleibt die Frage offen, warum diese Bestellung überhaupt erfolgte.

Beispiele für verkorkste Goldrandlösungen sind etwa Tiger, NH90 und Puma. Diese führen zu unverhältnismäßigen Löchern im Haushalt, das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt nicht. Dies gestaltet auch die Nachbeschaffung entsprechend problematisch. Es muss für unnötig viel Geld schlechtes Material nachgekauft oder auf etwas ganz Neues gesetzt werden mit allen Problemen, die damit verbunden sind.

Hyperschallwaffen folgen keiner ballistischen Flugbahn

Der neueste Hype bezieht sich auf die Hyperschallrakete „Kinschal“, die Russland das erste Mal in der Ukraine eingesetzt haben soll. Diese fliegt mit zehnfacher Schallgeschwindigkeit und ist daher schwer bekämpfbar. Theoretisch ist sie auch atomar bestückbar, allerdings sollen die diesbezüglichen Tests nicht erfolgreich gewesen sein. 

Hyperschallwaffen können nicht mehr als andere Raketen auch, sind in der Produktion allerdings erheblich teurer. Grund für die Entwicklung, die auch China und Nordkorea vorantreiben, ist der Raketenschirm, den die USA entwickelt haben und der im Rahmen der NATO auch landgestützt in Europa installiert wurde. Dieser Raketenschirm kann ähnlich wie der Iron Dome in Israel feindliche Raketen abfangen, so dass den geschützten Ländern insoweit kaum noch Gefahr droht. Hyperschallwaffen folgen keiner ballistischen Flugbahn, sind daher schwer zu berechnen; insbesondere weil sie während des Fluges manövrierfähig bleiben, also ausweichen können, sollen damit den Raketenschirm überlisten.

Dies und überhaupt die generelle Leistungsfähigkeit wird jedoch häufig gerade von Militärs überschätzt. Ingenieure und Wissenschaftler weisen darauf hin, dass bei derartigen Geschwindigkeiten die Manövrierfähigkeit sehr eingeschränkt ist und im Übrigen das Leistungsspektrum dem von ballistischen Raketen nicht überlegen ist. Die Detektion von Hyperschallwaffen sei aufgrund der von ihnen ausgehenden Wärme- und damit Lichtstrahlung möglich. Aufgrund der hohen Kosten und des geringen Nutzens sei die Entwicklung dieser Waffen nicht weitergeführt worden. 

Spektrum.de schreibt: „Hyperschallwaffen – neuartige Lenkflugkörper mit vielfacher Schallgeschwindigkeit  – sollen kaum zu entdecken und abzuwehren sein. Doch manche Experten sind skeptisch, ob die Waffen die Kriegsführung wirklich revolutionieren werden. Schon aus physikalischen Gründen können sie die hochgesteckten Erwartungen vermutlich kaum erfüllen."

Ein Rüstungswettlauf dergestalt, dass nun die NATO eine eigene „Super Duper“-Rakete haben muss (so nannte sie Trump), ist nicht unbedingt angebracht. Notwendig wäre es, die Verteidigung dagegen zu verstärken. Bisher können diese Raketen nur im direkten Anflug abgefangen werden. Möglich ist eine Abwehr zudem durch in Deutschland entwickelte Laserwaffen. Außerdem verfügt die Weiterentwicklung der US-amerikanischen Standard Missile (SM) RIM-161 (SM-3) in der neuesten Variante „Block IIa“ über eine Geschwindigkeit von Mach 16 bis 18, könnte die russische Hyperschallwaffe mithin einholen und abfangen. 

Diese Hochtechnologie ist für Staaten wie Deutschland, die politisch gewollt auf oder hinter den Stand von Entwicklungsländern zurückgefallen sind, wie von einem anderen Stern. Deutschland hat zum Beispiel nicht einmal eine Flugabwehr im Nächst-, Nah- und Mittelbereich. Die deutsche Heeresflugabwehr, die früher über acht Batterien verfügte, wurde aufgelöst und verfügt heute nur über zwei der Luftwaffe zugeschlagenen Batterien, wovon eine stationär und damit ein leichtes Ziel ist. Damit verbietet sich praktisch jeder Einsatz des Heeres.

Derzeit wird viel über „Aufrüstung“ gesprochen. Das ist eine völlig falsche Terminologie angesichts der Tatsache, dass es ein sehr weiter und mühsamer Weg ist, überhaupt wieder eine einsatzfähige Armee zu schaffen.

Lesen Sie morgen einen weiteren – und teilweise kontroversen – Debatten-Beitrag zum Thema F-35.

Foto: US Air Force Link ">via Wikimedia Commons

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Wolfgang Richter / 23.03.2022

@ D. Schmidt - “Hubschrauber konnten nicht fliegen, weil im Wüstenstaub von Afghanistan und Mali die Filter verstopft waren” Die können meines Wissens auch hier nicht fliegen, weil Wartungsunfähigkeit oder was auch immer. Irgendwo habe ich schon vor Monaten gelesen, daß die Bundeswehrpiloten zum Erhalt ihrer Lizenzen die erforderlichen Flugstunden auf vom ADAC gemietetem Gerät leisten. Und mit den Teilen sind sicher auch für im Kriegseinsatz erforderliche Flugmanöver zu fliegen. Bananenrepublik ist geschmeichelt. Dafür werden für die Marine 2 um 250 Millionen Automatengeld ÜBERTEUERTE Tankschiffe gekauft, entgegen des Einspruchs vom Bundesrechnungshof. Wann finden sich endlich Politiker, die die Rechnungshöfe mit justizialen Rechten ausstatten?? Damit ein solcher Unsinn endlich gestoppt, bestenfalls die Verantwortlichen vor den Kadi kommen und schadensersatzpflichtig werden.

Ralf Pöhling / 23.03.2022

Der Trick bei der Aufrüstung bzw. Nachrüstung ist einfach: Man muss eine Generation, nämlich die, die man selbst verpasst hat, komplett überspringen. Veraltete Technik aus dem Ausland teuer zu kaufen und Jahre zu warten, bis sie ausgeliefert worden ist, führt nicht zur Aufrüstung, sondern zementiert den Rückstand. Man muss bei der Aufrüstung also neue Konzepte in Betracht ziehen, die bisher noch niemand anderes in der Form auf den Markt geworfen hat. Die Zukunft der Verteidigung liegt nicht in alten Konzepten von gestern. Sie liegt in neuen Konzepten, die die alten Konzepte meilenweit schlagen können. Die Wehrmacht war die erste Armee weltweit, die einen (damals) rasend schnellen Düsenjäger im Einsatz hatte. Und dagegen war schlicht kein Kraut gewachsen. Allerdings kam die ME 262 im Kriegsverlauf viel zu spät, als die Ressourcen schon knapp wurden, und sie hatte deswegen keine kriegsentscheidende Wirkung mehr. Sie kam eben zu spät. Technologischer Vorsprung muss im Rüstungswettlauf schnell und zeitnah genutzt werden. Erst dann entfaltet er seine volle und abschreckende Wirkung. Womit wir dann bei Drohnen, Hyperschallraketen und der Laserabwehr landen und nicht bei veralteten und bemannten Kampfflugzeugen, die man mit den drei erstgenannten schnell vom Himmel holen kann. Und wenn ich mit neuen Konzepten auch noch den Piloten einsparen kann, dann habe ich mehr Bodenpersonal für das Heer über. Und das Bodenpersonal kann man bisher nicht wirklich ersetzen. Zumindest noch nicht. Wobei mir da gerade ein Gedanke kommt… ;-)

Armin Repple / 23.03.2022

Putin erprobt schon mal seine Systeme und Strategien in einem kleineren Testkrieg (siehe Syrien). Xi wird mit Taiwan nachziehen. Dann -nach meiner Einschätzung - nach einer Phase der Wiederaufrüstung wird er zusammen mit seinem sozialistischen Bruderland China sich den „großen Satan“ vor- und aus der Gleichung nehmen. Da Europa in den letzten Jahrzehnten einen konventionellen Krieg unter Amerikas Atomschutzschirm weitgehend ausgeschlossen hat, erwischt uns diese Entwicklung mit herunter gelassenen Hosen. Dann sind Europa, Asien und auch Afrika zur Verteilung frei. Hört sich ein bißchen nach Hitler-Stalin-Pakt an, meinen Sie? So war’s auch gedacht. Oder kommt Ihnen eher Tom Clancy in den Sinn? Der hat in seinem Roman “Befehl von oben”, erschienen 1989, auch schon ein Verkehrsflugzeug als Waffe in einem Attentat auf den amerikanischen Präsidenten „verwendet“. Also erzähle mir keiner, ich fantasiere nur…

Reinhold R. Schmidt / 23.03.2022

Was viele nicht wissen, zur Bundeswehr gehören etwa 180 000 Soldaten aber auch über 80 000 zivile Mitarbeiter. Diese sind vor allem in der Beschaffung und der Verwaltung eingesetzt. Es entscheiden also nicht Soldaten über die Beschaffung von Waffen, sondern der zivile Rüstungsmoloch ohne eigene praktische Erfahrung im Einsatz. Soldaten dürfen gerade mal vorab für Waffen und Ausrüstung sogenannte “Taktische Forderungen” formulieren, was dann allerdings tatsächlich konkret beschafft wird, entscheidet das Ministerium mit seinem Rüstungsmoloch meist ohne Mitwirkung militärischer Expertise. Und da scheint Industriepolitik und Bündnispolitik oft eine größere Rolle als militärische Effektivität zu spielen. Es ist jedes mal ein Hauen und Stechen, wenn man dann als Militär mit guten Gründen eine solche Beschaffungsabsicht stoppen will - bis hin zum persönlichen Karriereende.

Armin Repple / 23.03.2022

Zu den Hyperschallwaffen: die primäre Bedeutung dieser Systeme liegt nicht im Artilleriebereich der Heere. Sie erschließt sich, wenn man den Spitznamen ‚Carrier Killer‘ kennt. Ihr Potential kommt erst in der Bedrohung von Flugzeugträgern zum Tragen. Diese operieren inmitten eines ganzen Flottenverbands von Begleitschiffen zur U-Boot- und Luftabwehr und sind daher gegen die meisten konventionellen Angriffe von außen gut geschützt. Nicht aber gegen diese Systeme. Ausreichend konventionell bestückt und zielgenau auf den Kiel des Trägers gerichtet, reicht eine solche Rakete aus, um einen Träger zu versenken. Und damit den gesamten Flottenverband seines Daseinszwecks und seiner militärischen Bedeutung zu berauben. Größere Effektivität gibt es eigentlich nicht.  Nicht mehr wie nach Pearl Harbour -zig Torpedobomber auf Kamikazekurs mit unglaublichen Verlusten an Piloten und Material. Der geopolitische Effekt wird immens sein: von 3 Global Playern wird einer weitgehend aus dem Spiel genommen. Denn die globale militärische Macht der USA beruhen - neben ihren Atomwaffen, die sie ja höchstens defensiv bei entsprechender Bedrohung einsetzen wollen- im konventionellen Sektor überwiegend auf ihrer Trägerflotte. In diesem Bereich sind sie unangefochtene Nummer Eins. Sie haben etwa so viele aktive Träger im Einsatz wie der Rest der Welt zusammen. Zieht man bei diesen noch Hilfs-,Trainings- und amphibische Hubschrauberträger ab, wird das Verhältnis noch drastischer. China verfügt über vier und Russland über einen. Nimmt man nun sämtliche amerikanischen Träger durch einen koordinierten konventionellen Schlag aus der Gleichung, dann ist die USA militärisch zu großen Teilen wieder das, was sie geografisch schon immer waren: eine Insel; ohne Landgrenze zu ihren großen weltpolitischen Rivalen China und Russland, über die Landstreitkräfte diesen gefährlich werden könnten. Und Atomkrieg will ja keiner, richtig?

Markus Knust / 23.03.2022

Ein nicht funktionierendes noch in der Entwicklung befindliches Milliardengrab, mit nicht absehbarer Entwicklungszeit? Das ist doch genau, was der Deutsche kennt und selbst nur noch zustande bringt. Verwundert es, dass die glorreiche Regierung sofort zugeschlagen hat? Wahrscheinlich hat man auch gleich angefangen, neue Flughäfen (hihi) für die Dinger zu bauen.  “Kurz” vor Fertigstellung der neuen Rollbahnen, kann dann die F55 geordert werden. Die Übergabe Party, mit Kanzlerin Hanni und Verteidigungsminister*In Nanni, wird sicher ein buntes Fest, gestützt durch ein “breites Bündnis aus Alphabetmenschen, Kulturschaffenden” und ein paar Blockaden, irgendwelcher Ökospinner - wie der “nun wirklich allerletzten Generation”. Hach, dass werden schöne Stunden*innen.

Gus Schiller / 23.03.2022

Mein Gott, dieses Mimi-Gejammer, “zahlreicher Mängel, Verfügbarkeit von 65 Prozent, Goldrandlösungen” Die 100 Milliarden müssen weg und da wir nichts bauen können außer Papierflieger wird beim NATO-Partner einkauft. Auch wenn es Schrott ist. Die Oma-Verteidigungsminister wird es schon wissen. (Hat die eigentlich mal einen Beruf gelernt und wenn ja, welchen??)

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