Was man hierzulande unter Kampf gegen Rechtsextremismus versteht, treibt immer seltsamere Blüten. Jetzt werden weitere menschenverachtende Autokennzeichen-Kürzel verbannt.
„Je länger das Dritte Reich tot ist“, so stellte der konservative Journalist Johannes Gross einst fest, „umso stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen.“ Da weder Gestapo-Keller, noch KZ-Haft oder Freislers Fallbeil drohen, die alten Nazis tot sind und die neuen ein auch zahlenmäßig recht klägliches Dasein fristen, erschöpft sich der beliebte „Kampf gegen rechts“ vor allem im Zeichensetzen. In einem Land, wo Siegesgöttinnen nach verlorenen Kriegen Friedensengel heißen, stellt man einen KZ-Wachmann zwar erst vor Gericht, wenn er die hundert Lenze erreicht hat, aber besser spät als nie! So hat etwa die Stadt Babenhausen (Kreis Darmstadt-Dieburg) gut 76 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Adolf Hitler die Ehrenbürgerwürde aberkannt – wie zuvor schon zahllose andere Gemeinden, die es nicht wirklich eilig damit hatten.
Wenigstens im Nachhinein will man keinen Zweifel an der richtigen Gesinnung aufkommen lassen. Symbolpolitik ist alles, übrigens schon vor 15 Jahren, als ein bekanntes TV-Gesicht für den Begriff „Autobahn“ aus der Talkshow komplimentiert wurde, und heute mehr denn je. Schließlich leben wir in einer Zeit, in der eine Bäckereikette es für eine gute Idee hält, den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine knallhart mit der Maßnahme zu beantworten, ihren „russischen Zupfkuchen“ künftig nur noch als herkunftslosen „Zupfkuchen“ zu verkaufen.
Da versteht es sich von selbst, dass alles aus der Öffentlichkeit verbannt werden muss, was an das Dritte Reich und seine Protagonisten erinnert, und seien es Initialen oder abwegige Chiffren, die von den aktuellen Wiedergängern des Gröfaz benutzt werden. Schon länger betrifft das auch der Deutschen liebstes Kind, das Auto. Zwar produziert ein Wolfsburger Automobilkonzern seine Fahrzeuge noch immer unter dem schwer vorbelasteten Namen „Volkswagen“, aber wenigstens jene, die sich ans Steuer setzen, müssen ein bisschen Verzicht üben. So hatte zwar 2019 das Straßenverkehrsamt des Kreises Viersen das Kennzeichen HH 1933 zunächst als Wunschkennzeichen vergeben, doch erklärte das Verwaltungsgericht Düsseldorf das Autokennzeichen als „sittenwidrig“, weshalb die Zulassungsbehörde es wieder einziehen durfte. Begründung: Der durchschnittliche Bürger (!) assoziiere die Buchstaben- und Zahlenfolge HH 1933 hinter der Städtekennung mit dem Nationalsozialismus im Dritten Reich (HH für „Heil Hitler“, 1933 für das Jahr der Machtergreifung).
Hamburger fahren ungestraft mit dem HH auf dem Nummernschild herum
Denn: In der Bundesrepublik sind nicht alle Buchstaben- und Zahlenkombinationen erlaubt. So dürfen in fast ganz Deutschland keine Nummernschilder mit „HJ“, „KZ“, „SA“ oder „SS“ von den Zulassungsbehörden vergeben werden, wie schon vor drei Jahren zu lesen war. In Paragraf 8 Absatz 1 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung heißt es nämlich: Die Buchstaben, die Zahlen und die Kombination aus beidem „dürfen nicht gegen die guten Sitten verstoßen.“ Und das sind fast immer solche, die von Rechtsextremen gebraucht werden. „HJ“, „KZ“, „SA“ und „SS“, zum Beispiel.
So weit, so nachvollziehbar. Wenn auch nicht wirklich konsequent: In Hamburg etwa sind zwar alle „Kennzeichen in Bezug auf den Nationalsozialismus oder rassistisches oder fremdenfeindliches Gedankengut“ verboten, allerdings lautet das Kfz-Kennzeichen der Hansestadt HH, was von Neonazis schon länger als Code für „Heil Hitler“ benutzt wird – in Rheinland-Pfalz wiederum in Kombination mit 88 („Heil Hitler“ in Ziffern) oder 18 (Adolf Hitler) nicht zugelassen. Und jetzt wird es langsam völlig schräg: Im Freistaat Bayern ist zusätzlich „HH 28“ verboten (28 steht für die in Deutschland verbotene Organisation „Blood & Honour“), in Brandenburg auch die „14“ (angeblich eine Abkürzung der Parole des amerikanischen Neonazi-Führers David Lane: „Wir müssen den Erhalt unserer Rasse sichern und eine Zukunft für weiße Kinder“).
Gipfel der Absurdität: Die Behörden in Dithmarschen und Steinburg (Schleswig-Holstein) geben keine Kennzeichen mit „IZ-AN“ raus – das Wort Nazi rückwärts gelesen. Tja, Sie lachen. Und ganz aktuell meldet die FAZ, dass in Hessen (I put the Hess in Hessen), jedenfalls im Kreis Gießen, auch die Buchstabenkürzel BH und WP unzulässig sind. Hä? Wer glaubt, BH stünde für Büstenhalter, ist schief gewickelt, das heißt nämlich jetzt „Blood and Honour“, und WP steht für „White Pride“. Das ist rassistisch, während Gay Pride was Tolles ist.
Verdächtige Buchstaben und Ziffern
Ausgeheckt hat das Ganze – wie sollte es anders sein – ein Grüner, der Verkehrsdezernent Christian Zuckermann, der sich schon nach nicht mal fünf Monaten im Amt anschickt, Bahnbrechendes zu leisten. Rechtsextremismus und menschenverachtende Ideologien hätten in unserer Gesellschaft keinen Platz, sagt der Zeichensetzende, und diesem schlimmen Phänomen müsse „auf allen Ebenen“ entgegengetreten werden.
Das wirft nun mehrere Fragen auf: Was gehört noch alles auf die Streichliste? Dürfen Landesregierung, Landtag und Polizei in Schleswig Holstein weiter mit dem Kürzel SH herumfahren, was doch zwingend „Sieg Heil“ bedeuten muss? Warum ist es Kraftfahrern in Jena erlaubt, die Kombination J-MF („Jawohl, mein Führer!“) im Nummernschild zu führen? DE (Dessau) trotz „Deutschland erwache“? EB (Eilenburg) trotz Eva Braun? B (Berlin) trotz Blondi? Setzt sich ein Aschaffenburger (AB) nicht dem Verdacht aus, dem Massenmörder Anders Breivik zu huldigen? Gut, dass BH – wir erinnern uns: „Blood and Honour“ – schon auf den Index gesetzt wurde. Nimm das, Björn Höcke!
Außerdem: Welche bösen Zahlen mag es noch geben, von denen Otto Normalbenzinverbraucher nichts ahnt? 12 geht schon mal gar nicht (Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft), ebenso wenig wie 44 (Hitlers Schuhgröße laut seinem Leibarzt Dr. Morell) oder 165 (Körpergröße von Joseph Goebbels in cm) – und was passiert, wenn sich Neonazis neue Abkürzungen oder Zahlenchiffres ausdenken? Das ist ja geradezu eine Steilvorlage für die braunen Buben, das Juste Milieu vor sich herzutreiben, das mit dem Anpassen und Verbieten gar nicht mehr hinterherkommt!
Und passen Sie bloß auf, welches Wunschkennzeichen Sie beantragen. Heißen Sie, sagen wir, Hans Altmann und hätten gern ein HA im Kennzeichen, könnten Sie sich schon rechter Umtriebe verdächtig machen. HA ist Adolf Hitler, nur rückwärts gelesen.