Thilo Schneider / 27.09.2020 / 14:00 / Foto: Timo Raab / 22 / Seite ausdrucken

Kaffee mit Botschaft

Die frühherbstliche Septembersonne scheint gülden auf das etwas siffige Pflaster der Fußgängerzone unseres kleinen sympathischen Provinznestes und weil ich etwas Zeit habe, gedenke ich, mir ein Getränk basierend auf den Steinkernen der weiland von den Türken vor Wien bei ihrer überhasteten Flucht zurückgelassenen Vorräte zu gönnen. Auf Deutsch: Ich gehe einen Kaffee trinken. Dachte ich. Ich kleingläubiger Naivling. Aber nicht im Jahr 2020.

Das Kaffeehaus „Leopold´s“ auf der Fußgängerzone ist recht neu und ich habe es noch nicht ausprobiert. Auch, wenn ich normalerweise Etablissements mit Deppenapostroph meide, ist dies also meine Gelegenheit, dem Alltagsstress, den Alternativen, den Linken, den Grünen, den Liberalen und den Zeugen Merkels zu entfleuchen und einfach nur bei einer Tasse jenes Heißgetränks über mein Alter zu sinnieren. In der Sonne sitzen, rauchen und trinken. Das war der Plan.

Flink krame ich den verpappten Lappen namens „Mund-Nasen-Bedeckung“ aus der Sakkotasche, gehe die zwei Meter zum Tischchen, nehme den Lappen wieder ab und einen Zigarillo in den jetzt wieder freien Mund. Wenn ich schon aerosole, soll es sich für die Nachbartische wenigstens lohnen. Eine junge Kellnerin mit jenem Gesichtstüchlein taucht kurz darauf auf, zückt einen Block und einen Stift und fragt: „Verstehst Du das? Ich nicht. 13.000 Menschen haben kein Zuhause, während mehr als 170 Städte Menschen aufnehmen wollen. Warum passiert nichts?“ Dann hashtagt sie ein „#leavenoonebehind!“ hintendran.

„AfD“, höre ich die Frau leise und verschwörerisch wispern

Tja. Keine Ahnung. Obwohl … Doch … Schon … Aber das will ich jetzt eigentlich nicht ausdiskutieren, ich will ja nur einen Kaffee trinken.

„Keine Ahnung“, sage ich. „Ich hätte gerne einen Kaffee, schwarz, mittlere Portion“, füge ich ergänzend an. Meine noch-nicht-Bedienung zieht die Stirne in Falten. „Hast Du je darüber nachgedacht, wie ungerecht das ist?“, will sie wissen. „Offen gesagt: ja“, gebe ich bereitwillig Auskunft, „aber ich hätte gerne einen Kaffee.“ Ihr Blick geht in die Ferne. Sie seufzt. „Ist das alles, was Dir dazu einfällt?“ Ich merke, wie sich meine Nackenhärchen zu stellen beginnen und fühle dieses leichte Prickeln am Hinterkopf, das ich immer bekomme, wenn ich Adrenalin ziehe.

„Nein, das ist nicht alles, was mir dazu einfällt. Mir fällt dazu eine ganze Menge ein!“, sage ich etwas lauter. Am Tisch schräg gegenüber drehen sich zwei Köpfe um. Ein Mann mit einer John-Lennon-Gedächtnisbrille, Vollbart und einem Dutt und eine Frau mit grauen langen Haaren und einem ebensolchen Gesichtsausdruck, die die Gelegenheit genutzt hat, ihren 60er-Jahre-Flowerpower-Fummel heute spazieren zu führen. Offensichtlich eine Mutter mit ihrem Mutterkind. „AfD“, höre ich die Frau leise und verschwörerisch wispern.

„Nix AfD. EffDePe. Sie können mich nicht so einfach des Ladens verweisen“, sage ich zu meiner Nichtdienstleisterin genauso laut, dass mich Janis Joplin hören kann. „Ist das nicht schrecklich?“, will die junge Dame mit dem Stift wissen. „Ja, ist es. Kann ich bitte einen Kaffee bekommen?“, ändere ich die Taktik. „Was kannst Du, was können wir als Tagescafé dagegen tun?“, fragt die Gazelle weiter.

Kaufe gezielt sämtliche Produkte von Nestlé, die ich finden kann

„Sie (!) könnten mir meine Bestellung bringen. Einen Kaffee, schwarz, mittlere Portion“, wiederhole ich mein Begehr, „denn dann bin ich sehr entspannt, gehe anschließend wieder meines Wegs in mein Büro, um die Unsummen an Steuergeldern zu erwirtschaften, die es braucht, damit sich Saskia Esken und Annalena Bockhorst (oder wie die heißt) als gute Menschen gerieren können. Ihr macht Euren Umsatz und hoffentlich Euren Gewinn und zahlt dann ebenfalls Steuern, damit wir alle gemeinsam helfen können. Wie wäre das?“ Anscheinend habe ich die junge Frau von der Redlichkeit meines Ansinnens und der Reinheit meiner politischen Einstellung überzeugt. Sie nickt zufrieden und sagt „Kommt sofort“ und trollt sich nach drinnen zu ihrem Barista. Mutter und Muttersohn vertiefen sich wieder in ihr eigenes Gespräch.

Meine Servicekraft kommt nach kurzer Zeit mit einer sympathisch dampfenden Tasse Kaffee zurück und stellt sie vor mich hin. Ein kleines Kaffeeböhnchen in einem Schokoladenmantel, der an einer Seite etwas geschmolzen ist, liegt meinem Heißgetränk bei.

„Sagen Sie … Seit wann kann ich eigentlich nicht einfach nur einen Kaffee bestellen?“, will ich wissen. „Seit mein Chef gesagt hat, dass wir unseren Fair-Trade-Kaffee nur an faire Menschen verkaufen wollen“, gibt sie ungerührt zurück. „Wichtig ist nämlich nicht das Produkt, sondern die Botschaft, für die es steht“, erklärt sie emotionslos und wie auswendig gelernt weiter. Ich bezahle Drei Euro Fünfzig für die Botschaft mit Kaffee und lege noch 50 Cent für die Kaffeebotschafterin drauf, damit alle zufrieden sind. Dann trinke ich ruhig meinen Kaffee, setze meinen Mundnasenaugenohrenschutz auf und gehe in den Edeka und kaufe gezielt sämtliche Produkte von Nestlé, die ich finden kann.

Und falls Sie, liebe Leser, nun glauben, die Geschichte sei frei erfunden – hier ist das „grano salis“, das mich zu dieser Geschichte inspiriert hat. Ben und Jerry, die beiden Trottel von Unilever, können sich ihre Eiscreme künftig in die Kimme schmieren. Da flutscht es am Besten.  

(Weitere Botschaften des Autors auch unter www.politticker.de)

Foto: Timo Raab

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Matthias Huehn / 27.09.2020

Ben & Jerry’s, die Gruender der gleichnamigen Eismarke, haben ja an Unilever verkauft, duerfen aber offiziell noch so tun, als seien sie die Eigentuemer. Ich Depp habe eine Case Study ueber den beiden geschrieben, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass die mal eine marxistisch-rassistische Terrororganisation unterstuetzen wuerden. Die sind mal als Unternehmer des Jahres von Reagan im Weissen Haus ausgezeichnet worden und Jerry musste sich von einem Kellner im Cafe gegenueber ein Jacket borgen. Ich hatte gehofft, da sei etwas von Reagans Geist haengengeblieben. Fuer alle B&J-Liebhaber: Haagen Dasz macht inzwischen ein paar ganz tolle Sorten: Butter-Pecan ist mein derzeitiger Favorit und hier in den USA gibts bei Aldi klasse Super-Premium-Eis.

Marc Greiner / 27.09.2020

Ich hätte in diesem Laden keinen Cent liegen gelassen. Und wäre gegangen. Hätte vielleicht noch zurückgeblickt und gerufen “nimm doch selbst ein paar auf, du Kommunistin!”.

Günter H. Probst / 27.09.2020

Nichts Neues, nur es das jetzt auch im mitteleuropäischen Siedlungsgebiet gibt. Als eine sehr gute Freundin von mit bei den Maoisten landete und damals in das heitere maoistisch-stalinistische Albanien zur Besichtigung fuhr, kam sie ganz begeistert mit folgender Erzählung zurück. Nach einer gelenkten Stadtbesichtigung Tiranas nahmen sie in einem Cafe Platz und wollten einen Kaffee bestellen. Die Bedienung kam angeflogen und sagte, sie könne leider nicht mehr bedienen, sie müsse jetzt zur politischen Schulung. Meine sehr gute Freundin war deswegen so begeistert, weil sie meinte, der Geist und das Soziale hätten über das schnöde Materielle gesiegt. Und das von einer Anhägerin des Marxschen Materialismus. Leider habe ich Sie aus den Augen verloren, und wüßte gerne, ob Sie bei der KPD/ML oder den Grünen gelandet ist.

Udo Kemmerling / 27.09.2020

Die EffDePe-Nummer kauft Ihnen doch so langsam keiner mehr ab, weil Sie sich, getreu Ihrem großen Vorbild, dem kleinen Christian, auf der Stelle laut und medienwirksam entschuldigt hätten, sei es für einen zurückzunehmenden Ministerpräsidenten, einen Altherrenwitz oder eine Kaffeebestellung. Aber gut, dass ich das Salzkörnchen geklickt habe, konnte ich doch meiner langen Liste der Negativauslese die Zeitgeistarschkriecher Ben und Jerry hinzufügen unter dem Titel “Garantiert kein Umsatz mehr mit mir!”.

Wolf Hagen / 27.09.2020

Sehr geehrter Herr Schneider, leider muss ich Sie auf einen populären Irrtum aufmerksam machen, denn wir verdanken den Türken nicht mal den Kaffee (genauso wenig, wie den Wiederaufbau Deutschlands nach 1945 und den Döner übrigens). Kaffeehäuser gab es lange vorher schon in Venedig, Bremen und London. Das erste Kaffeehaus in Wien jedoch eröffnete erst volle zwei Jahre (1685) nach der Belagerung der armenische Kaufmann Johannes Diodato. Auch die angeblich auf dem Halbmond basierenden Kipfeln gab nachweislich schon 1227 auf einer Weihnachtsfeier Leopolds IV. Das nur der Vollständigkeit halber. Aber danke für den Twitter-Link, wieder eine Firma mehr, die ich nicht mehr weiter beachte. Wenn man übrigens Spass mit der Politischen Korrektheit haben will, empfehle ich in den Supermarkt seiner Wahl zu gehen und leicht arrogantem, aber bierernstem Gesicht nach “whippet cookies” (Negerküsse), oder “Garnitur à la zingara” (Zigeuner Sauce) zu fragen. In 99% der Fälle weiß die arme Verkäuferin natürlich nicht, was man von ihr will, also lässt man mit gespielt mühsam beherrschtem Zorn, den Geschäftsführer antanzen. Dem ergeht es meist nicht besser, als seiner Verkäuferin, worauf man mit ungeduldiger und selbstgerechter Miene, lautstark nach Negerküssen und Zigeuner Sauce verlangt. Natürlich nicht, ohne den Geschäftsführer moralisch über ihm stehend zu fragen, wie es denn seien könne, dass nicht mal er, als Fachmann der Lebensmittelindustrie, wisse wie man international kommuniziere, was man, als Bürger mit kosmopolitischer Hintergrundgeschichte, äußerst rassistisch fände! Seitdem bekomme ich immer sofort alles, ohne schiefe Blicke und dumme Diskussionen, wenn ich die Oldschool-Namen diverser Produkte verwende.

Dietmar Herrmann / 27.09.2020

Eine facettenreiche Schilderung des gutmenschlichen noblen Gönnertums unserer Tage. Dumm nur, wenn man ganz persönlich aufgefordert wird, einen Migranten zu beherbergen und zu alimentieren (könnte bei einem Kellnergehalt eine “Herausforderung” werden). Aber gottseidank sind es ja “170 Städte”, die die Wohltat kredenzen werden, und die Kohle dafür holt man sich “bei den Reichen” ,viel Spaß dabei in der anstehenden Wirtschaftskrise. Man kann es nicht oft genug wiederholen : Moral auf Kosten anderer ist keine Moral , und bei wegbrechenden Steuereinnahmen mittelfristig auch keine Option mehr.

Jörg Themlitz / 27.09.2020

Der Weg des Fair Trade, mal rückwärts: Die Kassererin (Schülerin) im Supermarkt bekommt den Aufpreis nicht, der Regaleinräumer (Student) auch nicht, der LKW Fahrer (Ukrainer) für den Weg vom Zentrallager zum Supermarkt nicht, der Containerfahrer (Pole) vom Hafen zum Zentrallager nicht, der philipinische Seemann von Hafen zu Hafen nicht, der Transport- und Lagerarbeiter im kolumbianischen Hafen nicht, der LKW Fahrer vom Hochland zum Hafen nicht. Den Aufpreis bekommt der Bauer dem die Plantage gehört oder gepachtet hat. Der hat jetzt eine Entscheidung zu treffen. Den Aufpreis an die Tagelöhner weiter zu geben, die er zur Ernte vom Tagelöhnervermittlungsservice vermittelt bekommt, oder für seine kaffeebraune Geliebte neue Strapse kaufen. Mir persönlich würde da die Entscheidung leicht fallen. Ich trinke gerne Kaffee. Und wie ´bereitwillig` Menschen etwas mehr geben, Achtung ich schildere die subjektive Wahrnehmung von Personen die das betrifft, kann man daran ablesen, dass die seit der Umsatzsteuersenkung im Zugbistro mit 2,92 Euro bepreiste Tasse Kaffee oder ähnlich von der gefühlten Hälfte der Reisenden mit 2,92 Euro bezahlt wird. So dass ab und zu sogar das Kupfergeld im Zug knapp wird. Es kann aber auch sein, dass der uns angeborene Hass auf die DB, sich im Trinkgeld für das Bedienpersonal widerspiegelt. Während beim Gedanken an die kaffeebraune Schönheit in Dessous das Portmonnaie weit aufklappt.

giesemann gerhard / 27.09.2020

Ich hätte mir erst mal den Betreiber des Cafés kommen lassen. So einen sollte man sich nicht entgehen lassen. Mit der Bedienung zu reden ist zwar sinnlos, erstaunlich aber, dass die sich tatsächlich von dem Argument “erst mal das Geld verdienen” zur Lieferung des völlig überteuerten Kaffees überzeugen ließ. Respekt. Den Betreiber hätte ich dann gefragt, wie viel Platz er denn habe, für ein paar Moslem-Kerle. Sodann hätte ich schon wissen wollen, wie viele Tassen à 3,50 Euro er denn so aus einem Kilo Fairtrade heraus hole. Ob das nicht unfair viele seien? Je nach Antwort hätte ich dann entschieden, unter seiner Beratung, ob ich die 3 fuffzig habe oder nicht, je nach dem. Usw.

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