Okay, es ist eigentlich unsinnig, sich weiter zu befassen mit der unsäglich flachen und verhetzenden Kolumne in der taz, deren Autorin alle Polizisten auf dem Müll entsorgen wollte, weil die Beamten „Abfall“ seien. Ein bestimmter Beitrag darüber und über die anschließende Diskussion in „Jetzt“ bedarf nun trotzdem nochmal der Kommentierung. Der Ableger der Süddeutschen Zeitung für die Heranwachsenden, die Kids, widmet einer Solidaritätsadresse für die Autorin nicht nur breiten Raum, sondern macht sich über weite Strecken dieselbe auch zu eigen. Der Titel: „Tausende solidarisieren sich über offenen Brief mit Hengameh Yaghoobifarah“ (so heißt die ansonsten eher unbekannte Schreiberin jenes taz-Stückes).
Es geht, wie im Blog „Seehofer darf das" gestern beschrieben, vor allem um die Ankündigung von Bundesinnenminister Seehofer, gegen die taz-Autorin Anzeige wegen Volksverhetzung und/oder Beleidigung zu erstatten – und um den enormen Aufschrei, der daraufhin durch die Szene ging. Sowie nicht zuletzt auch darum, inwieweit die Stuttgarter Krawalle im Zusammenhang stehen mit einer allgemeinen Stimmungsmache gegen die Polizei, zu der jener taz-Beitrag zweifellos gehört.
„Jetzt“ ist nicht irgendein Zirkular. Man darf es als Einstiegsmedium betrachten, mit der die SZ ihre Leser von morgen ein wenig ans Haus binden möchte. Und da ist es ja nicht ganz uninteressant, was den jungen Menschen so nebenbei schon mal mit auf den Weg gegeben wird.
Klingt auch so schön englisch
Zunächst aber, bevor wir zum Inhalt kommen, lernen wir in dem Beitrag der kleinen Süddeutschen: Sprache ist völlig beliebig. Will ein Mensch – wie jene taz-Schreiberin – sich nicht zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit entscheiden, so passiert jeden Tag irgendwas Neues. So wurde es der „Jetzt“-Autorin (ich gehe frecherweise einfach davon aus, dass sich hinter ihrem weiblichen Vornamen eine Frau verbirgt) auf die Dauer offenbar zu mühsam, immer das gestern noch geltende der*die Autor*in zu verwenden, das die Versaltaste über Gebühr strapaziert. Was nun? AutorIn (nur zweimal versal) ist ja veraltet, klänge auch zu binär, und so entscheidet man sich bei „Jetzt“ einfach für das Pronomen they, das offenbar seit heute gilt; klingt auch so schön englisch. Dass wir da beim Plural für nur eine Person sind – egal, das gab‘s bei Kaiser Wilhelm auch schon mal.
Kleiner Tipp: Warum nicht statt englisch besser indonesisch? Da gibt es kein er oder sie, nur „dia“, das gilt auch für das sowieso ungeliebte „man“, hätten wir damit auch erledigt. Aber das heben wir uns dann für morgen auf, muss ja wieder was Neues kommen. Jeder, jede und alle anderen sowieso dürfen da mal ran und was erfinden, nicht nur beim Geschlecht. Aber vielleicht lernen die jungen Leser aus diesem immer schnelleren Wörtchen-wechsel-dich-Spiel ja auch ganz einfach, dass man nicht jeden Unfug mitmachen muss. Ich bin heute schon gespannt auf die Sprache der Süddeutschen Zeitung von übermorgen.
So, jetzt aber zum Thema, zum Inhalt, zu jenen „Tausenden“, deren offenen Brief „Jetzt“ ausführlich zitiert (siehe Link oben). Was also lernen die SZ-Leser von morgen daraus?
Zunächst: Es gibt keine geistigen Brandstifter, nirgendwo, keine Schreibtischtäter. Wer etwa einen Zusammenhang zwischen einem Hetz-Artikel gegen bestimmte Menschen und einer anschließenden brutalen Gewalttat gegen dieselben Menschen knüpft, der kann den nur „erfunden“ haben. Und nicht nur das. Er betreibt eine „gefährliche Instrumentalisierung der Debatte“, der „spaltet die Gesellschaft“, sorgt nur dafür, dass „Autor_innen“ (wieso eigentlich jetzt mit _ und ohne *? egal?) wie die der taz bedroht werden. Und wenn der Stuttgarter Polizeipräsident sagt, es gab keine politische Motivation, dann gilt das dafür als Beweis. Unpolitischen Hass nämlich gegen in den Medien verfemte, verhöhnte und durch rotrotgrüne Gesetzgebung wie in Berlin pauschalverdächtigte Polizeibeamte kann es auch einfach nicht geben.
Vergesst, was ihr gerade im politischen Unterricht gelernt habt
Mit anderen Worten: Hetze gegen Ausländer und anschließende Gewalttaten gegen Flüchtlingsheime können gar nichts miteinander zu tun haben. Wer also rechten Journalisten, Bloggern, Demonstranten und ähnlichen Aktivisten irgendeine Schuld zuschreibt, der spaltet die Gesellschaft, erfindet, instrumentalisiert nur. Die Regierung und die Justiz sollten alle diese Kandidaten aus der Neonazi-Szene also tunlichst weiter agitieren lassen.
Womöglich wesentlicher aber ist eine völlige Neudefinition der Gewaltenteilung, die jener Offene Brief via „Jetzt“ ihrer jugendlichen Leserschaft unterjubeln will. Die Trennung zwischen der unabhängigen Gerichtsbarkeit der Regierung (Judikative und Exekutive) wird einfach in Abrede gestellt.
Der Tenor: Vergesst, was ihr gerade im politischen Unterricht gelernt habt. Wenn Minister Seehofer eine Klage bei Gericht einreicht, um dort unabhängig prüfen zu lassen, ob die Gleichsetzung aller Ordnungskräfte mit Müll und die Forderung, sie dort zu entsorgen, noch von der Pressefreiheit geschützt wird oder unter Volksverhetzung fällt, so ist damit die Pressefreiheit selbst bereits unmittelbar in Gefahr. Die Lesart von „Jetzt“ also: Was ein Bundesminister will, wird vom Gericht auch befolgt. Und nicht nur das. Der Beitrag stützt sich wiederholt auf einen Protagonisten, einen der Unterzeichner. Und der sagt dann auch – was? Genau: Seehofer solle bei seinen Überlegungen mit der Anzeige an die Sicherheit der taz-Autorin denken und berücksichtigen, dass auf Worte Taten folgen könnten: „Es braucht ein Bewusstsein, welche Macht man hat, wenn man Worte ausspricht“. Ein großes Wort, fällt mir da nur ein. So groß offenbar, dass es mit Leichtigkeit teilbar ist – und für die einen gilt, die anderen dagegen nicht, Pech gehabt.
„Ungarische Verhältnisse“ würden drohen, lesen wir. Nebenbei also lernen die „Jetzt“- und künftigen SZ-Leser, wie man „kreativen Journalismus“ auch definieren kann. Merke: Die Anrufung eines unabhängigen Gerichtes gleichzusetzen mit den Versuchen und Manövern der ungarischen Regierung, die unabhängige Gerichtsbarkeit abzuschaffen – auch auf so eine virtuose Idee kann man kommen.
Und so geht es weiter im Text. Seehofer solle sich entschuldigen für die Idee mit der Anzeige, lesen wir da. Dagegen natürlich nicht jene Autorin, die Menschen einer Gruppe mit Müll gleichsetzt. Grundtenor im Übrigen: Alles Satire, alles nicht ernst gemeint, nur Spaß, die taz will ja nur spielen. Das, lieber junger „Jetzt“-Leser, zieht auf jeden Fall immer.
„Berufliche Zuordnung von Nichtmüllwerkern“
Ein Hinweis sei noch gestattet, an Seehofer, falls er sich wider Erwarten doch noch für die Anzeige entschließen sollte. Seine Chancen könnten womöglich so schlecht nicht stehen, da sich der taz-Anwalt, eigentlich ja ein Jahrzehnte bewährter Rechtsbeistand des Blattes, offenbar entschlossen hat, dieses Mal hart daneben zu schießen.
Der Rechtsanwalt schreibt: „In den Augen von Seehofer und Konsorten scheinen Müllwerker eine Art Abschaum zu sein, die jede berufliche Zuordnung von Nichtmüllwerkern zu dieser Personengruppe zu einem Beleidigungstatbestand macht. Was für ein Verfassungsminister! Wir wünschen uns, dass die deutschen Müllwerker diese Haltung des Ministers Seehofer nachhaltig zur Kenntnis nehmen und sich zukünftig dessen erinnern.“
Müllwerker? Das wäre in der Tat harmlos, wenn jene Taz-Autorin die Polizisten nur zu Müllwerkern umschulen lassen wollte, und so hätte Seehofers Anzeige womöglich in der Tat ein Geschmäckle. Nein, genau das aber schloss sie aus, ausdrücklich, deutlicher geht es nicht: „Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.“
„Abfall“ – „ihresgleichen“. So steht es da. Die Polizisten bezeichnet sie als Müll, gerade nicht als Müllwerker. Wie schrieb die taz 2017? „Wenn heute Menschen ganz offen als Müll bezeichnet werden, dann hat unsere Gesellschaft ein Problem.“
Vielleicht sollten nicht nur der Rechtsanwalt, sondern auch die taz-Journalisten und die Kollegen von „Jetzt“ jene angebliche „Satire“ in der taz nochmal lesen. Könnte erhellend sein.